Für die Vollstreckung vertretbarer Handlungen mit einem Auslandsbezug (hier: Erstellung eines Buchauszugs durch einen Sachverständigen in den Geschäftsräumen einer in Österreich ansässigen Schuldnerin) ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben, wenn die Durchsetzung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auf das Inland beschränkt ist.
Die Erstellung eines Buchauszugs ist auch dann eine vertretbare Handlung, wenn sich die hierzu benötigten Unterlagen im Ausland befinden.
Das LG Essen hat die Schuldnerin, eine in Österreich geschäftsansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, durch vollstreckbares Teilurteil vom 4.6.2007 verurteilt, der Gl. einen Buchauszug zu erteilen. Das LG hat die Gl. auf deren Antrag vom 26.11.2006 ermächtigt, den Buchauszug durch einen von ihr auszuwählenden und zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer erstellen zu lassen und der Schuldnerin auferlegt, einen Kostenvorschuss zu zahlen. Es hat der Schuldnerin zudem aufgegeben, dem beauftragten Sachverständigen in dem zur Fertigung des Buchauszugs erforderlichen Umfang ungehinderten Zutritt zu ihren Geschäftsräumen und Einsicht in die Geschäftsbücher und sonstigen Urkunden zu gewähren und diese Unterlagen sowie die zur Fertigung des Buchauszugs erforderlichen Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses Gebot hat das LG der Schuldnerin ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das BeschwG im Wesentlichen zurückgewiesen. Mit der vom BeschwG zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragt die Schuldnerin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit zu ihrem Nachteil entschieden worden ist, und den Antrag der Gl. vom 26.11.2006 zurückzuweisen.
[1]II. Das BeschwG hat eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die in Rede stehenden Zwangsvollstreckungsmaßnahmen bejaht und ist davon ausgegangen, dass der Vollstreckungsantrag der Gl. überwiegend begründet ist ...
[2]III. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 I 1 Nr. 2, III 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch nicht begründet.
[3]1. Das BeschwG ist rechtsfehlerfrei von einer internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ausgegangen.
[4]a) Die Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nicht durch § 576 II ZPO ausgeschlossen. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren gilt nichts anderes als für das Revisionsverfahren, in dem der Prüfung der internationalen Zuständigkeit auch nicht § 545 II ZPO entgegensteht (vgl. BGH, Beschl. vom 4.10.2005 – VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198, 199 (IPRspr 2005-118)).
[5]b) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für das Zwangsvollstreckungsverfahren setzt voraus, dass der Gegenstand der Vollstreckung sich im Inland befindet, weil die staatliche Zwangsgewalt auf das Inland beschränkt ist und durch von den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland angeordnete Vollstreckungsmaßnahmen nicht in die Hoheitsgewalt eines anderen Staats eingegriffen werden darf (vgl. BVerfG, NJW 1983, 2766, 2767 (IPRspr. 1983 Nr. 127); BGH, Beschl. vom 6.11.2008 – IX ZR 64/08, WM 2008, 2302 Tz. 12 (IPRspr 2008-187b); Rauscher-Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Art. 22 Brüssel-I-VO Rz. 53a; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 22 EuGVO Rz. 59; vgl. auch zu Art. 22 Nr. 5 EuGVO: EuGH, Urt. vom 26.3.1992 – C-261/90, Slg. 1992, I-2149 = EuZW 1992, 447 Tz. 26 [Reichert II]). Die Beurteilung, ob ein Gegenstand im Vollstreckungsstaat belegen ist, richtet sich nach nationalem Recht (vgl. BGH, NJW-RR aaO 199).
[6]aa) In Rspr. u. Lit. ist die Frage umstritten, ob eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Anordnung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 887 ZPO besteht, wenn diese die Vornahme einer im Ausland zu erbringenden vertretbaren Handlung zum Gegenstand haben.
[7]Teilweise wird eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 887 ZPO verneint, wenn die vertretbare Handlung im Ausland vorzunehmen ist und damit das Betreten eines Grundstücks des Schuldners im Ausland verbunden ist, wie dies vorliegend bei der Erstellung eines Buchauszugs eines Sachverständigen in den Geschäftsräumen der in Österreich ansässigen Schuldnerin der Fall ist (vgl. OLG Nürnberg, IPRspr. 1974 Nr. 188; OLG Stuttgart, ZZP 97 (1984), 487 (IPRspr. 1983 Nr. 189); Kropholler aaO Rz. 60; wohl auch Münzberg, ZZP 97 (1984), 489, 490).
[8]Die Gegenansicht bejaht eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 887 ZPO auch in diesem Fall (vgl. OLG Hamm, OLGR 1998, 177; OLG Düsseldorf, IPRspr. 2004 Nr. 183; Geimer, IZPR, 5. Aufl. Rz. 403). Dem ist zuzustimmen.
[9]bb) Die Ermächtigung nach § 887 I ZPO, die vertretbare Handlung auf Kosten des Schuldners vorzunehmen, bindet nur die inländischen Gerichte und Vollstreckungsorgane und greift deshalb nicht in die Hoheitsgewalt des ausländischen Staats ein. Entsprechendes gilt für die Verurteilung des Schuldners nach § 887 II ZPO, die Kosten der Ersatzvornahme vorauszuzahlen. Die Verurteilung zur Zahlung des Kostenvorschusses ist vor einer Vollstreckbarerklärung im Ausland auf eine Durchsetzung im Inland beschränkt.
[10]Für eine in ihren Wirkungen in diesem Sinne beschränkte Annahme der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte spricht der Vergleich mit der Regelung der Vollstreckung von Zwangsgeldern in Art. 49 EuGVO. Diese Vorschrift sieht die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, die auf Zahlung eines Zwangsgeldes lauten, im Vollstreckungsmitgliedstaat vor, wenn die Höhe des Zwangsgeldes durch die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats endgültig festgesetzt ist. Im vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, ob die Vollstreckung vertretbarer Handlungen nach § 887 ZPO auch Art. 49 EuGVO unterfällt (so Zöller-Geimer, ZPO, 27. Aufl., Art. 49 EuGVVO Rz. 3; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 49 EuGVVO Rz. 10). Jedenfalls folgt aus Art. 49 EuGVO, dass die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats international zur Festsetzung von Zwangsgeldern zuständig sind (vgl. Schlosser aaO Rz. 4; Kropholler aaO Rz. 61; MünchKommZPO-Gottwald, Art. 49 EuGVO Rz. 4; differenzierend Bruns, ZZP 118 (2005), 3, 14, 16). Es ist danach kein Grund ersichtlich, für die Ermächtigung der Ersatzvornahme und die Anordnung der Kostenvorauszahlung eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zu verneinen, die in den Vollstreckungswirkungen auf das Inland beschränkt ist.
[11]Eine Einschränkung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte ist auch nicht insoweit angebracht, als die Durchführung der Ersatzvornahme ein Betreten von Geschäftsräumen im Hoheitsgebiet eines anderen Staats erfordert. Zu Recht hat das BeschwG angenommen, dass die zwangsweise Durchsetzung durch unmittelbaren Zwang, wie er in § 892 ZPO vorgesehen ist, der Hoheitsgewalt des ausländischen Staats – vorliegend Österreich – unterliegt und nur von diesem angeordnet werden kann.
[12]Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO zur Durchsetzung der Duldungspflicht liegt ebenfalls vor. Die Zwangsvollstreckung ist auch insoweit auf das Inland beschränkt und verletzt nicht die Hoheitsgewalt des Staats, in dessen Bereich der Schuldner die Handlung dulden soll. Die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO betrifft, soweit die Entscheidung nicht in dem ausländischen Staat für vollstreckbar erklärt worden ist, nur den inländischen Geltungsbereich (vgl. Geimer aaO Rz. 401; Schlosser aaO Rz. 7; Rauscher-Mankowski aaO Art. 49 Brüssel-I-VO Rz. 2; Kropholler aaO Art. 49 EuGVO Rz. 3; Nagel-Gottwald, IZPR, 6. Aufl., Rz. 51; tendenziell ablehnend Bruns, ZZP 118 (2005), 3, 16). Es handelt sich um die Ausübung von Zwang im Inland, auch wenn die Duldung im Ausland vorzunehmen ist.
[13]Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde steht der Annahme der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht die Bestimmung des Art. 22 Nr. 5 EuGVO entgegen. Nach dieser Vorschrift sind ohne Rücksicht auf den Wohnsitz für Verfahren, welche die Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats ausschließlich zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll oder durchgeführt worden ist. Ob unter die Vorschrift nur kontradiktorische Verfahren fallen und hierzu die Ersatzvornahme nach § 887 ZPO nicht zählt, ist umstritten (gegen eine Anwendung des Art. 22 Nr. 5 EuGVO auf Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888, 890 ZPO Kropholler aaO Art. 22 EuGVO Rz. 61; Rauscher-Mankowski aaO Art. 22 Brüssel-I-VO Rz. 58; a.A. OLG Köln, IPRspr. 2005 Nr. 179; Schlosser aaO Art. 22 EuGVVO Rz. 25). Die Frage braucht nicht entschieden zu werden. Auch wenn die Vorschrift des Art. 22 Nr. 5 EuGVO einschlägig ist, schließt sie vorliegend die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht aus, weil die Vollstreckung aus der Entscheidung des BeschwG ohne Vollstreckbarerklärung in einem anderen Mitgliedstaat auf Deutschland beschränkt ist.
[14]2. Der Vollstreckungsantrag der Gl. ist in dem Umfang, in dem er im Rechtsbeschwerdeverfahren zur Überprüfung angefallen ist, nach § 887 ZPO begründet.
[15]a) Zu Recht hat das BeschwG die Gl. ermächtigt, den von der Schuldnerin aufgrund des Teilurteils des LG Essen vom 4.6.2007 zu erteilenden Buchauszug durch einen von der Gl. auszuwählenden und zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen auf Kosten der Schuldnerin erstellen zu lassen (§ 887 I ZPO). Die Erteilung eines Buchauszugs ist grundsätzlich eine vertretbare Handlung (BGH, Beschl. vom 26.4.2007 – I ZB 82/06, NJW-RR 2007, 1475 Tz. 15).
[16]aa) In Rspr. u. Lit. wird allerdings zum Teil angenommen, die Erstellung eines Buchauszugs sei ausnahmsweise eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO, wenn sich die für die Erstellung des Buchauszugs erforderlichen Unterlagen im Ausland befänden (vgl. OLG Frankfurt, IPRspr. 2000 Nr. 172; OLG Köln, IPRspr. 2002 Nr. 210; Zöller-Stöber aaO § 887 Rz. 3 [Erteilung eines Buchauszugs]; a.A. OLG Düsseldorf, IPRspr. 2004 Nr. 183). Begründet wird dies mit der Unmöglichkeit oder zumindest mit den zusätzlichen Schwierigkeiten, die Duldung der Ersatzvornahme im Ausland durchzusetzen, weil die Zuziehung des Gerichtsvollziehers nach § 892 ZPO nicht erfolgen kann, sondern der Gläubiger gezwungen ist, die für den Ort, an dem der Schuldner die Handlung zu dulden hat, zuständigen ausländischen Vollstreckungsorgane hinzuzuziehen.
[17]bb) Dem kann nicht beigetreten werden.
[18]Allerdings können mit der Durchsetzung der Ersatzvornahme im Ausland für den Gläubiger zusätzliche Schwierigkeiten verbunden sein. Den Widerstand des Schuldners gegen die Duldung der Ersatzvornahme kann der Gläubiger im Ausland nicht durch Zuziehung eines Gerichtsvollziehers nach § 892 ZPO brechen. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme, die rechtliche Qualifikation der Erstellung des Buchauszugs als vertretbare oder unvertretbare Handlung sei danach zu beurteilen, ob sich die Buchhaltungsunterlagen im Inland oder im Ausland befinden. Dem Widerstand des Schuldners gegen die ihm durch die Ersatzvornahme auferlegten Duldungspflichten kann der Gläubiger durch Androhung und ggf. Festsetzung eines Ordnungsgelds im Sinne des § 890 ZPO oder dadurch begegnen, dass er den deutschen Titel im Ausland für vollstreckbar erklären lässt und die Zwangsvollstreckung durch die ausländischen Vollstreckungsorgane betreibt. Diese Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten sind für den Gläubiger nicht weniger effektiv als die Zwangsgeldfestsetzung nach § 888 ZPO.
[19]b) Die Verpflichtung der Schuldnerin zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme ergibt sich aus § 887 II ZPO.
[20]Die vom BeschwG ausgesprochene Duldungspflicht der Schuldnerin folgt aus der Ermächtigung zur Ersatzvornahme; die Androhung des Ordnungsgelds für den Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Duldungspflicht hat ihre Rechtsgrundlage in § 890 II ZPO (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2002, 823, 824; Wieczorek-Schütze-Storz, ZPO, 3. Aufl., § 887 Rz. 38).