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Verfahrensgang

BGH, Beschl. vom 25.06.2014 – VII ZB 23/13, IPRspr 2014-160

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Gerichtsbarkeit

Leitsatz

Die der Republik Griechenland zustehenden Forderungen auf Auszahlung von Zuschüssen für den Personal- und Schulaufwand nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz (BaySchFG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31.5.2000 (GVBl. 2000, 455) dienen hoheitlichen Zwecken und unterliegen daher der Vollstreckungsimmunität.

Rechtsnormen

GG Art. 25
KulturAbk D-Griechenland Art. 5; KulturAbk D-Griechenland Art. 12
ZPO § 23; ZPO § 828

Sachverhalt

Die Gl. betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Urteil des ArbG N. in einen Anspruch auf Zahlung von Zuschüssen nach dem BaySchFG. Die Schuldnerin betreibt eine „Private Volksschule der Republik Griechenland“ in N. Hierfür erhält sie vonseiten des Drittschuldners Zuschüsse für den Personal- und Schulaufwand nach dem BaySchFG. Die Gl. ist Inhaberin einer titulierten Forderung gegen die Schuldnerin. Wegen dieser Forderung hat das AG – Vollstreckungsgericht – auf Antrag der Gl. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend die Ansprüche auf Auszahlung der Zuschüsse erlassen. Die hiergegen eingelegte Vollstreckungserinnerung der Schuldnerin hat das AG zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt, welche das BeschwG mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und zur Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ...

[2]2. ... Die Zwangsvollstreckung in die Ansprüche der Schuldnerin gegen den Drittschuldner auf Auszahlung der Zuschüsse für den Personal- und Schulaufwand nach dem BaySchFG ist unzulässig. Dabei kann es dahinstehen, ob das AG für den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß §§ 828 II Alt. 2, 23 Satz 2 ZPO international zuständig war. Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde jedenfalls, dass bzgl. der gepfändeten Zahlungsansprüche Vollstreckungsimmunität besteht.

[3]a) Die Vollstreckungsimmunität ist eine Ausprägung des Grundsatzes der Staatenimmunität, der aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten folgt. Es besteht eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht-hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staats ergangen ist, in dessen Vermögensgegenstände ohne seine Zustimmung unzulässig ist, soweit diese im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staats dienen. Ob ein Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient, richtet sich danach, ob er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll. Die Abgrenzung zwischen hoheitlichen oder nicht-hoheitlichen Zwecken ist mangels entspr. Kriterien im allgemeinen Völkerrecht grundsätzlich nach der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorzunehmen (BVerfG, NJW 2012, 293, 295 (IPRspr 2011-176); BGH, Beschl. vom 4.7.2013 – VII ZB 63/12 (IPRspr 2013-170), NJW-RR 2013, 1532 Rz. 10 ff.; jeweils m.w.N.).Nach deutschem Verständnis unterfallen u.a. kulturelle Einrichtungen ausländischer Staaten der Vollstreckungsimmunität. Zur Wahrnehmung ausländischer Gewalt gehört auch die vom Staat abhängige Repräsentation von Kultur und Wissenschaft im Ausland (BGH, Beschl. vom 1.10.2009 – VII ZB 37/08 (IPRspr 2009-164), NJW 2010, 769 Rz. 26 m.w.N.; vgl. auch IGH, Urt. vom 3.2.2012, Jurisdictional Immunities of the State (Germany v. Italy, Greece intervening), I.C.J. Reports 2012, 99 Rz. 119, abrufbar unter http://www.icj-cij.org/docket/files/143/16883.pdf).

[4]b) Bei dem Betrieb der Privaten Volksschule der Republik Griechenland in N. handelt es sich um eine kulturelle Einrichtung der Bekl. [Schuldnerin].Entgegen der Auffassung des BeschwG erfüllen Auslandsschulen nicht nur Gemeinwohlinteressen des Staats, in dem die Schule betrieben wird, indem sie als Ersatz für eine grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule eine verfassungsrechtlich anerkannte öffentliche Aufgabe des Erziehungs-, Bildungs- und Ausbildungswesen verwirklichen (vgl. BGH, Urt. vom 7.7.1988 – III ZR 134/87, NJW 1989, 216, 218; Maunz-Dürig-Badura, GG [2013], Art. 7 Rz. 111 f.). Auslandsschulen dienen darüber hinaus dem Zweck, einen Beitrag zur Förderung von Sprache und Kultur des ausländischen Staats im jeweiligen Sitzland zu erbringen. Demgemäß haben sich die Bundesrepublik Deutschland und die Schuldnerin mit dem Kulturabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland vom 17.5.1956 (BGBl. 1957 II 501) verpflichtet, die Gründung von kulturellen Instituten des anderen Landes zur Erlernung der jeweiligen Sprache zuzulassen und zu fördern, Art. 5 des Kulturabkommens, und sich wechselseitig im Falle von Einschränkungen der Tätigkeiten von Auslandsschulen bei der Wiederinbetriebnahme zu unterstützen, Art. 12 des Kulturabkommens.Die Ansprüche auf Auszahlung von Zuschüssen für den Personal- und Schulaufwand nach dem BaySchFG dienen der Aufrechterhaltung des Betriebs einer Auslandsschule und mithin einem hoheitlichen Zweck.

Fundstellen

LS und Gründe

MDR, 2014, 1108
NJW-RR, 2014, 1088
Rpfleger, 2014, 610
WM, 2014, 1431

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2014-160

Lizenz

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