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Verfahrensgang

OLG Naumburg, Urt. vom 13.02.2013 – 12 U 153/12 (Hs), IPRspr 2013-48

Rechtsgebiete

Handels- und Transportrecht → Allgemeines Handelsrecht einschl. UN-Kaufrecht
Zuständigkeit → Besonderer Vertragsgerichtsstand

Leitsatz

Für einen grenzüberschreitenden Kaufvertrag sind die deutschen Gerichte gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO international zuständig, wenn die Ware laut Vertrag nach Deutschland geliefert worden ist, so dass hier der Erfüllungsort liegt.

Die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einem dem UN-Kaufrecht unterliegenden Vertrag bestimmt sich nach den einheitlichen Vorschriften über den Abschluss von Verträgen (Art. 14, 18 CISG) und nicht nach dem vom Internationalen Privatrecht berufenen nationalen Recht. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

CISG Art. 2; CISG Art. 7; CISG Art. 8; CISG Art. 14; CISG Art. 14 ff.; CISG Art. 18
EUGVVO 44/2001 Art. 5
ZPO § 513; ZPO § 538; ZPO § 546; ZPO § 1031; ZPO § 1032

Sachverhalt

Die Kl. ist Herstellerin von Backwaren mit Sitz in I. und wie ihre Schwestergesellschaften, die F. Back GmbH und die F. GmbH mit Sitz in B., Konzerntochter der Schweizer H.-Gruppe in Z. Sie nimmt die Bekl. auf Zahlung von Schadensersatz aus einem Kaufvertrag über die Lieferung von Blaumohn in Anspruch. Die H. Services AG, ebenfalls eine H.-Konzerngesellschaft, ist u.a. für die Beschaffung und Lieferung von Rohstoffen zuständig. In diesem Rahmen ist sie auch zur Vertretung der Kl. berechtigt. Die Bekl. unterbreitete der Kl. mit E-Mail vom 12.11.2010 ein Angebot für Blaumohn ... „basierend auf den Konditionen der NZV“ (Nederlandse Vereniging voor de Handel in Gedroogde Zuidvruchten, Specerijen en aanverwante artikelen), nach denen auf alle zu NZV-Bedingungen abgeschlossene Verträge ungeachtet der Nationalität oder des Wohnorts der Parteien das niederländische Recht Anwendung finden und diese zusätzlich den Bestimmungen der Schiedsgerichtsordnung der NZV unterliegen sollten, die ebenfalls Vertragsbestandteil werde. Am 12.1.2011 übersandte die Bekl. an die H. Services AG ein Bestätigungsschreiben und verwies darin u.a. auf die NZV-Bedingungen. Die Bekl. lieferte daraufhin mehrere Tonnen Blaumohn an die Kl. nach I., womit Fertigprodukte in größeren Mengen produziert wurden. Wenig später zeigte die Kl. der Bekl. die Mangelhaftigkeit der Ware an. Als Reklamationsgrund gab sie an, der Blaumohn schmecke und rieche stark muffig/ranzig. Die Kl. ließ sich mögliche Ansprüche ihrer Schwestergesellschaft sowie der H. Services AG abtreten und macht nun gerichtlich Mängelansprüche geltend.

Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es zwar international zuständig sei, der Klage aber die Einrede der Schiedsvereinbarung entgegenstehe, was die Bekl. vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache auch gerügt habe. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kl.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die zulässige Berufung ist insoweit begründet, als auf den Hilfsantrag der Kl. die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das LG zurückzuverweisen ist. Denn das Urteil verhält sich nur über die Zulässigkeit der Klage (§ 538 II 1 Nr. 3 ZPO), die rechtsfehlerhaft verneint worden ist (§§ 513 I Alt. 1, 546 ZPO).

[2]Zutreffend hat die Kammer zunächst festgestellt, dass sich die internationale Zuständigkeit des LG nach den Bestimmungen der EuGVO richtet und demzufolge der besondere Gerichtsstand des Erfüllungsorts (Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO) einschlägig ist. Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVO ist hier I. Denn die Bekl. hat den Blaumohn vertragsgemäß dorthin geliefert ...

[3]Die Klage ist zulässig. Entgegen der Auffassung des LG kann sich die Bekl. nicht auf die Einrede der Schiedsvereinbarung (§ 1032 I ZPO) berufen, da eine solche zwischen den Parteien nicht wirksam zustande gekommen ist. Insbesondere sind die Formvorgaben des § 1031 I ZPO nicht erfüllt. Denn es liegt weder ein entsprechendes von den Parteien unterzeichnetes Dokument vor, noch haben sie diesbezüglich Schreiben gewechselt, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen.

[4]Für eine wirksame Schiedsvereinbarung nach § 1031 II ZPO genügt es zwar, dass diese in einem von der anderen Partei übermittelten Dokument enthalten ist und dessen Inhalt im Falle eines nicht rechtzeitig erfolgten Widerspruchs nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen werden kann. Dies ist hier aber nicht der Fall. Die NZV sind nicht dadurch Vertragsbestandteil geworden, dass auf sie in dem Bestätigungsschreiben der Bekl. vom 12.1.2011 verwiesen worden ist. Denn die Bekl. hat der Kl. weder diese Bedingungen mitübersandt noch anderweitig zugänglich gemacht.

[5]Das LG hat bereits übersehen, dass die Vertragsbeziehung der Parteien dem UN-Kaufrecht (CISG) unterliegt, dessen sachlicher Anwendungsbereich hier eröffnet ist, weil Deutschland und die Niederlande Vertragsstaaten dieses Abkommens sind (Art. 1 I lit. a CISG). Die Parteien unterfallen auch nicht dem Anwendungsausschluss des Art. 2 CISG und haben keine abweichende Rechtswahl getroffen.

[6]Die Einbeziehung von AGB in einem dem UN- Kaufrecht unterliegenden Vertrag richtet sich nach den für diesen geltenden Vorschriften über den Abschluss von Verträgen (Art. 14, 18 CISG). Ein Rückgriff auf das nach IPR berufene nationale Recht ist hingegen abzulehnen (z.B. BGH, NJW 2002, 370 (IPRspr. 2001 Nr. 26b) m.w.N.). Dies gilt auch aus niederländischer Sicht (z.B. Hoge Raad Den Haag, Urt. vom 28.1.2005, C03/290HR, ZEuP 2005, 605). Allerdings enthält das CISG keine besonderen Regeln für die Einbeziehung standardisierter Geschäftsbedingungen in den Vertrag. Es ist deshalb durch Auslegung (Art. 8 CISG) zu ermitteln, ob die AGB Bestandteil des Vertrags sind.

[7]Insoweit wird übereinstimmend gefordert, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, einer AB oder eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens, dem AGB zugrunde gelegt werden sollen, die Möglichkeit haben muss, von diesen in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen (BGH aaO). Im Einheitskaufrecht ist hierfür erforderlich, dass der Verwender von AGB dem Erklärungsgegner deren Text übersenden oder anderweitig zugänglich machen muss, da es dem Grundsatz des guten Glaubens (Art. 7 I CISG) widerspricht, dem Empfänger eine Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich nicht übersandter AGB oder die Risiken unbekannter AGB aufzuerlegen (BGH aaO). Denn aufgrund der eventuell erheblichen Unterschiede zwischen den jeweiligen AGB kann der Empfänger deren Inhalte vielfach nicht absehen. Grundsätzlich mögliche Erkundigungen über den Inhalt würden zu einer interessenwidrigen Verzögerung beim Geschäftsabschluss führen. Dass nach deutschem Recht bei Verträgen zwischen Unternehmen die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme zur Einbeziehung von AGB ausreicht, ist insoweit unerheblich. Denn im nationalen Handelsverkehr sind die AGB einer Branche vielfach ähnlich und in der Regel bekannt, zumindest ist dort eine Erkundigungspflicht bei unbekannten AGB zumutbar (BGH aaO).

[8]Diese Rspr. ist allerdings in der Lit. teilweise kritisiert worden (z.B. Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444; Pötter/Hübner, EWiR 2002, 339). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass von Unternehmen der Einsatz von E-Mails erwartet werden dürfe, so dass mögliche Verzögerungen des Geschäftsablaufs nur marginal sein dürften (Pötter/Hübner aaO). Es überzeuge auch nicht, dass im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zwischen Unternehmen höhere Anforderungen an die Einbeziehung von AGB aufstellt würden als im nationalen Handelsverkehr. Ferner stehe die Aufstellung einheitlicher Anforderungen für die Einbeziehung von AGB ohne Berücksichtigung dessen, ob der Vertragspartner Unternehmer oder Verbraucher ist, zu der Regelung aus Art. 8 II CISG in Widerspruch. Danach seien Erklärungen und das sonstige Verhalten einer Partei so auszulegen, wie eine vernünftige Person der gleichen Art wie die andere Partei sie unter den gleichen Umständen aufgefasst hätte. Dabei seien auch Gebräuche zu berücksichtigen. So genüge ein bloßer Hinweis auf AGB für deren wirksame Einbeziehung auch in den Niederlanden (Pötter/Hübner aaO).

[9]Die Rspr. anderer oberster Gerichtshöfe hierzu in Europa ist uneinheitlich. So hat das belgische Tribunal Commercial de Nivelles entschieden, dass ein bloßer Hinweis auf die AGB in CISG-Verträgen für deren wirksame Einbeziehung ausreichen soll (s. Pötter/Hübner aaO). Der österreichische OGH hat darauf abgestellt, dass das CISG für die Einbeziehung von AGB keine besonderen Voraussetzungen aufstelle. Die erforderlichen Regeln seien daher nach den Art. 14 ff. CISG, welche das äußere Zustandekommen eines Vertrags abschließend regelten, zu entwickeln. Demnach müssten die AGB, um in einen Vertrag einbezogen werden zu können, nach dem den Adressaten erkennbaren Willen der erklärenden Partei Bestandteil des Angebots geworden sein. Dies könne auch stillschweigend geschehen oder sich aufgrund der Verhandlungen zwischen den Parteien oder sich aus einer zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheit ergeben (OGH, Urt. vom 6.2.1996, 10 Ob 518/95).

[10]Die obergerichtliche deutsche Rspr. ist jedoch dem BGH gefolgt. So hat das OLG München ausgeführt, dass im Einheitskaufrecht vom Verwender von AGB zu fordern sei, dass er dem Erklärungsgegner deren Text übersende oder anderweitig zugänglich mache (IHR 2009, 201) (IPRspr 2009-167b). Soweit nach deutschem unvereinheitlichtem Recht im kaufmännischen Verkehr bzw. im Verkehr zwischen Unternehmern die in Bezug genommenen AGB auch dann Vertragsinhalt würden, wenn der Kunde sie nicht kenne, jedoch die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme – etwa durch Anforderung beim Verwender – habe, gelte dies nicht im internationalen Handelsverkehr, da nach den Geboten des guten Glaubens der anderen Seite auch eine entspr. Erkundigungspflicht nicht zugemutet werden könne.

[11]Das OLG Celle hat in einem Beschluss vom 24.7.2009 (NJW-RR 2010, 136) (IPRspr 2009-181) ebenfalls unter Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des BGH ausgeführt, dass nach Art. 8 CISG erforderlich sei, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, dem AGB zugrunde gelegt werden sollen, die Möglichkeit haben müsse, von diesem in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Dafür sei neben dem erkennbaren Einbeziehungswillen vom Verwender von AGB im Einheitskaufrecht zu fordern, dass er dem Erklärungsgegner deren Text übersende oder anderweitig zugänglich mache. Soweit im deutschen unvereinheitlichten Recht im Verkehr zwischen Unternehmen die in Bezug genommenen AGB auch dann Vertragsinhalt würden, wenn der Kunde sie nicht kenne, jedoch die Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme habe, sei die den unternehmerisch tätigen Vertragspartner nach Treu und Glauben treffende Erkundigungspflicht auf den internationalen Handelsverkehr nicht in gleicher Weise übertragbar. In Anbetracht der erheblichen Unterschiede zwischen den einzelnen nationalen Klauselwerken und der fehlenden Differenzierung bei der Anwendung des CISG zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten widerspreche es dem Grundsatz des guten Glaubens im internationalen Handel sowie der allgemeinen Kooperations- und Informationspflicht der Parteien, dem Vertragspartner eine Erkundigungsobliegenheit hinsichtlich der nicht übersandten Klauselwerke aufzuerlegen und ihm die Risiken und Nachteile nicht bekannter gegnerischer AGB aufzubürden.

[12]Auch das OLG Jena hat in einem Urteil vom 10.11.2010 (BB 2011, 468) (IPRspr 2010-59) unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH ausgeführt, dass das CISG keine besonderen Regeln zur Behandlung von AGB enthalte. Die Frage der wirksamen Einbeziehung sei daher durch Auslegung nach Art. 8 CISG zu beantworten. Danach sei es erforderlich, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, dem AGB zugrunde gelegt werden sollen, die Möglichkeit haben müsse, von dem Inhalt in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Dies setze zunächst voraus, dass für den Empfänger des Angebots der Wille des Anbietenden erkennbar sein müsse, seine Bedingungen in den Vertrag einbeziehen zu wollen. Des Weiteren müsse der Anbietende dem Erklärungsgegner den Text der AGB übersenden oder diese anderweitig zugänglich machen. Anders als im nationalen Rechtsverkehr solle es hierbei im internationalen Rechtsverkehr nicht genügen, dass der Erklärungsempfänger die Möglichkeit erhalte, den Text beim Verwender anzufordern. Eine Erkundigungspflicht sei keine Möglichkeit der zumutbaren Kenntnisnahme.

[13]Der Senat folgt der vorgenannten Rspr. Denn die angeführte höhere Gefahr unbekannter AGB bei einer den Unternehmen (Empfängern) auferlegten Erkundigungsobliegenheit ist nicht von der Hand zu weisen. Hinzu kommt, dass die Kl. auch nicht den Verkehrskreisen angehört, die regelmäßig mit der NZV arbeiten. Denn die NZV sind nach ihrem Inhalt nur für niederländische Fruchthändler ausgelegt und nicht etwa auch für Endabnehmer wie die Kl. Diese hat daher mit der Einbeziehung in den Vertrag auch nicht ohne weiteres rechnen müssen. Zumindest wäre es der Bekl. ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, den Wortlaut dieser AVB mit zu übersenden.

[14]Eine eigene Sachentscheidung des Senats ist im Hinblick auf den sonst eintretenden Verlust einer Tatsacheninstanz nicht angezeigt. Dies gilt hier umso mehr, als beide Parteien hilfsweise die Aufhebung des Urteils des LG und die Zurückverweisung des Verfahrens an dieses beantragt haben. Die Sache ist auch nicht ohne weitere Verhandlung und Beweisaufnahme spruchreif, da über die von der Kl. behauptete Mangelhaftigkeit des gelieferten Blaumohns Beweis zu erheben sein wird. Diese Beweisaufnahme hat im Hinblick auf die hierzu bereits angebotenen Beweismittel einen beträchtlichen Umfang, zumal auch die Einholung mindestens eines Sachverständigengutachtens erforderlich werden dürfte. Würde der Senat die notwendigen Beweise selbst erheben und in der Sache entscheiden, würde dies schon vom Umfang her die Hauptaufgabe der Rechtsfehlerkontrolle deutlich übersteigen, weil damit faktisch die Rolle der ersten Instanz übernommen würde, was schon vor dem Hintergrund der dann für die Parteien nicht mehr möglichen Überprüfung der zu treffenden Feststellungen nicht sachgerecht ist (z.B. BGH, NJW-RR 2004, 1537; MDR 2005, 645).

Fundstellen

LS und Gründe

IHR, 2013, 158
NJOZ, 2013, 1764

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2013-48

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