Ruhegeldansprüche gegen einen im Inland ansässigen Drittschuldner stellen inländisches Vermögen dar.
Ein hinreichender Inlandsbezug als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Gerichtsstands des Vermögens kann sich daraus ergeben, dass über das Vermögen des Schuldners im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und die Ansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner, an welche die Zuständigkeit anknüpft, aus einer Tätigkeit im Inland herrühren.
Die Massezugehörigkeit von im Inland verdienten Ruhegeldansprüchen eines Schuldners, der seinen Wohnsitz ins Ausland verlegt hat, beurteilt sich nach deutschem Recht (Territorialprinzip).
Vor Inkrafttreten der Vorschriften über das Internationale Insolvenzrecht bestimmten sich die insolvenzrechtlichen Wirkungen der Abtretung und ihrer Anfechtbarkeit nach dem Konkursstatut.
Die in Italien wohnhafte Bekl. ist seit 1982 mit einem ehemaligen Notar (fortan Schuldner) verheiratet, der seinen Sitz in München hatte. Im Jahr 1998 verpflichtete sich der Schuldner, an die Bekl. Unterhalt zu zahlen. In einer Abtretungserklärung bestätigte er, bereits 1994 seine künftigen Ansprüche auf Ruhegehalt als Notar außer Dienst und auf Ersatzruhegehalt als ehemaliger Notar gegen die Notarkasse München in Höhe der pfändbaren Teile an sie zur Sicherung künftiger Unterhaltsansprüche abgetreten zu haben. Die Abtretung wurde vorsorglich schriftlich wiederholt und notariell beglaubigt. Im März 1999 erließ das AG München einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohn- und Geschäftsräume des Schuldners wegen des Verdachts der Untreue und Falschbeurkundung im Amt. Der Schuldner unterzeichnete eine Erklärung, wonach der Sicherungsfall wegen aller zugunsten der Bekl. vorgenommenen Sicherungsabtretungen und Sicherungsübereignungen eingetreten sei. Im Jahr 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Kl. zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kl. begehrte seit der vorläufigen Amtsenthebung des Schuldners am 29.5.2001 die Auszahlung der pfändbaren Anteile der Versorgungsansprüche des Schuldners von der Notarkasse München in die Insolvenzmasse.
Mit der 2003 eingereichten Klageschrift hat der Kl. von der Bekl. die Rückabtretung der Ansprüche auf Ruhegehalt als Notar außer Dienst und auf Ersatzruhegehalt als ehemaliger Notar gegen die Notarkasse München verlangt. Das LG hat die Bekl. antragsgemäß verurteilt. Im Gegenzug hat es den Kl. zur Herausgabe einiger Gegenstände an die Bekl. verpflichtet. Auf die Berufung des Kl. hat das OLG das Urteil teilweise abgeändert und die Berufung der Bekl. zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.
[1]II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.
[2]1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte (BGH, Urt. vom 1.3.2011 – XI ZR 48/10 (IPRspr 2011-188), BGHZ 188, 373 Rz. 9; vom 28.2.2012 – XI ZR 9/11 (IPRspr 2012-203), WM 2012, 747 Rz. 12) bejaht.
[3]a) Bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit kann nicht auf die Regelungen der am 31.5.2002 in Kraft getretenen EuInsVO zurückgegriffen werden, weil die Verordnung nach Art. 43 Satz 1, 47 EuInsVO nur auf Insolvenzverfahren Anwendung findet, die nach dem Inkrafttreten am 31.5.2002 eröffnet worden sind. Über das Vermögen des Schuldners wurde bereits am 18.5.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet.
[4]Zutreffend hat das Berufungsgericht auch die Anwendbarkeit der EuGVO verneint, weil Rechtsstreitigkeiten um die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften des Insolvenzschuldners unter die nach Art. 1 II lit. b EuGVO ausgenommenen ‚Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren’ fallen. Nach der gefestigten Rspr. des EuGH sind Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen und mit ihm in engem Zusammenhang stehen, als Konkurssachen im Sinne von Art. 1 II lit. b EuGVO anzusehen (Urt. vom 22.2.1979 – Gourdain: Henri Gourdain ./. Franz Nadler, Rs C-133/78, Slg. 1979 00733, RIW 1979, 273, 274; vom 2.7.2009 – SCT Industri: SCT Industr AB i likvidation ./. Alpenblume AB, Rs C-111/08, Slg. 2009 I-05655, NZI 2009, 570 Rz. 25 ff.). Hierunter fallen auch Entscheidungen, welche die Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit einer Rechtshandlung des Schuldners aufgrund insolvenzrechtlicher Besonderheiten betreffen (vgl. für die Insolvenzanfechtungsklage EuGH, Urt. vom 12.2.2009 – Deko Marty Belgium: Christopher Seagon ./. Deko Marty Belgium N.V., Rs C-339/07, Slg. 2009 I-00767, ZIP 2009, 427 Rz. 28).
[5]b) Mangels anwendbarer gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften ist daher auf die autonomen nationalen Regelungen der ZPO zur örtlichen Zuständigkeit zurückzugreifen, um die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu beurteilen (vgl. Zöller-Geimer, 29. Aufl., IZPR Rz. 37; Musielak-Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 12 Rz. 17 m.w.N.). Die Vorschrift des § 3 InsO regelt ausdrücklich nur die Zuständigkeit der Insolvenzgerichte und nicht diejenige der Streitgerichte. Mit Recht haben die Vorinstanzen aber die internationale Zuständigkeit aus § 23 ZPO abgeleitet. Die in Italien wohnhafte Bekl. hatte im Inland keinen Wohnsitz. Da sich die streitgegenständlichen Ruhegehaltsansprüche aber gegen die im Inland ansässige Drittschuldnerin, die Notarkasse in München, richten, gelten sie nach § 23 Satz 2 Alt. 1 ZPO als inländisches Vermögen. Soweit die Ruhegehälter bis April 2007 beim AG in München hinterlegt wurden, stellen sie inländisches Vermögen im Sinne von § 23 Satz 1 ZPO dar. Dies wird auch der bei der Anwendung des § 23 ZPO gebotenen einschränkenden Auslegung gerecht, wonach neben der Vermögensbelegenheit als weiteres ungeschriebenes Merkmal ein hinreichender Inlandsbezug des Sachverhalts erforderlich ist (Zöller-Vollkommer aaO § 23 Rz. 1 m.w.N.; HK-ZPO-Saenger-Bendtsen, 4. Aufl., § 23 Rz. 1). Dieser Inlandsbezug ist im Streitfall gegeben, weil das Insolvenzverfahren im Inland eröffnet wurde und die Versorgungsbezüge des Insolvenzschuldners aus seiner im Inland durchgeführten Tätigkeit resultieren.
[6]2. Der Einziehung der pfändbaren Ruhegehaltsansprüche des Schuldners durch den Insolvenzverwalter steht nicht entgegen, dass die Ruhegehaltsansprüche eines Notars nach italienischem Recht Pfändungsschutz genießen sollen und der Schuldner spätestens seit dem 1.2.2003 seinen Wohnsitz in Italien begründet hat. Mit Recht hat das Berufungsgericht auf das deutsche Recht abgestellt, als es von der Pfändbarkeit und damit der Massezugehörigkeit (§§ 35 I, 36 I InsO, 850 II ZPO) des geltend gemachten Anteils an den Ruhegehaltsansprüchen des Schuldners ausgegangen ist. Ohne gegen mögliche Ermittlungspflichten nach § 293 ZPO zu verstoßen, konnte das Berufungsgericht somit von der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens zum italienischen Vollstreckungsrecht absehen.
[7]a) Die von der Revision in diesem Zusammenhang zitierte VO (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern vom 14.6.1971 (ABl. L Nr. 149/2), zul. geänd. durch die VO (EG) Nr. 1386/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5.6.2001 (ABl. Nr. L 187/1), kann die nationalen Regelungen der InsO und der ZPO nicht verdrängen, weil schon ihr Anwendungsbereich im Streitfall nicht eröffnet ist: Die VO (EWG) Nr. 1408/71 nimmt die Versorgungssysteme der Angehörigen freier Berufe, insbes. auch diejenigen der Notare, nach Art. 1 lit. j i.V.m. Anh. II von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich aus (vgl. Hanau-Steinmeyer-Wank, Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002, § 21 Rz. 33).
[8]Die Neuregelung nach der VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 29.4.2004 (ABl. Nr. L 166/1) enthält eine entspr. Eingrenzung für die Versorgungswerke der Angehörigen freier Berufe nicht mehr und erfasst damit grundsätzlich seit dem Beginn ihrer Geltung am 1.5.2010 [s. Art. 91 II i.V.m. Art. 97 der VO (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Modalititäten für die Durchführung der VO (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 16.9.2009 (ABl. Nr. L 284/1)] auch die Versorgungssysteme von Notaren. Das Ziel der Verordnung, die verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften des Sozialrechts miteinander zu koordinieren, berührt jedoch nicht den vorgetragenen Sachverhalt. Die Kollisionsnormen in den Art. 11 bis 16 der VO (EG) Nr. 883/2004 haben die Funktion, negative und positive Gesetzeskollisionen im Bereich des Sozialrechts zu vermeiden (vgl. Kreikebohm-Fuchs, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl., 5. Europäisches Sozialrecht Rz. 61). Es geht um die Koordinierung von sozialrechtlichen Leistungsansprüchen gegenüber den entspr. Sozialleistungsträgern der Mitgliedstaaten, wenn Unionsbürger von einem Mitgliedstaat in einen anderen umziehen oder in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten. Die Regelungen sollen einerseits bereits erworbene Ansprüche oder Vorteile der nationalen sozialen Sicherheitssysteme wahren und andererseits sachlich nicht zu rechtfertigende Leistungen gleicher Art für denselben Zeitraum vermeiden (vgl. Erwgr. 12 f. der VO). Ob bestimmte Sozialleistungen nach dem nationalen Recht eines Mitgliedstaats dem Pfändungsschutz und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegen, ist jedoch keine von der gemeinschaftsrechtlichen Verordnung mitgeregelte Frage des Sozialrechts, sondern eine vollstreckungsrechtliche Frage. Auf eine Regelung des Vollstreckungsschutzes bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zielt die Verordnung nicht ab.
[9]b) Die Frage, ob Vermögensbestandteile vom Insolvenzbeschlag erfasst sind, beurteilt sich wie im deutschen Recht (§ 36 I InsO) auch nach ausländischen Rechtsordnungen danach, ob diese pfändbar sind. Die Pfändbarkeit wird nicht als Frage des Insolvenzrechts, sondern als allgemeine zwangsvollstreckungsrechtliche Materie verstanden. Im Internationalen Zwangsvollstreckungsrecht ist die Maßgeblichkeit der lex fori anerkannt (Linke-Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl., Rz. 528; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts, 2. Aufl., Rz. 441 m.w.N.), sodass sich der Umfang des Pfändungsschutzes nach dem Recht des Vollstreckungslands beurteilt. Es gilt das Territorialitätsprinzip, weil die staatliche Zwangsgewalt auf das Inland beschränkt ist (vgl. BGH, Beschl. vom 13.8.2009 – I ZB 43/08 (IPRspr 2009-258), WM 2010, 520 Rz. 11 m.w.N.; Geimer, IZPR, 6. Aufl., Rz. 3200). Damit bestimmt regelmäßig der Belegenheitsort des jeweiligen Gegenstands das anwendbare Recht (vgl. BGH, Urt. vom 30.4.1992 – IX ZR 233/90 (IPRspr. 1992 Nr. 265), BGHZ 118, 151, 159; Gottwald-Nagel, IZPR, 6. Aufl., § 17 Rz. 4; differenz. Geimer aaO Rz. 3285; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, 2004, 247 f.).
[10]Nach dem hier einschlägigen Territorialitätsprinzip hatte das Berufungsgericht die Pfändbarkeit und den Insolvenzbeschlag der Ruhegehaltsansprüche nach dem deutschen Recht zu beurteilen, weil sich die streitgegenständlichen Forderungen im Inland befinden. Bei der Pfändung von Forderungen kann die Lokalisierung nicht tatsächlich, sondern nur rechtlich wertend nach dem nationalen Recht erfolgen (Geimer aaO Rz. 3211; Linke-Hau aaO Rz. 530). Die Vorschrift des § 23 Satz 2 ZPO lässt erkennen, dass eine zu pfändende Forderung beim Drittschuldner belegen ist (Nagel-Gottwald aaO Rz. 58, 62; Linke-Hau aaO; vgl. auch Geimer aaO Rz. 3213; Zöller-Stöber aaO § 829 Rz. 33 ‚Ausländer’). Aufgrund des inländischen Sitzes der Schuldnerin der Versorgungsleistungen ist die streitgegenständliche Forderung in Deutschland lokalisiert, sodass deutsches Recht die Pfändbarkeit der Versorgungsleistungen an den Insolvenzschuldner regelt. Gleiches gilt im Hinblick auf die beim AG München hinterlegten Beträge, welche sich als Vermögenswerte im Sinne von § 23 Satz 1 ZPO im Inland befinden.
[11]3. Das deutsche Recht regelt zudem, ob die Abtretungen des Schuldners insolvenzrechtlich wirksam oder anfechtbar sind. Die Anwendung des deutschen Rechts durch das Berufungsgericht weist insoweit keine Rechtsfehler zum Nachteil der Revisionsklägerin auf.
[12]a) Zur Bestimmung des auf die Wirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften anwendbaren Rechts kann aus den unter 1. a) dargestellten Gründen nicht auf die EuInsVO zurückgegriffen werden. Ebenso wenig sind die erst mit Wirkung vom 20.3.2003 eingeführten §§ 335, 339 InsO einschlägig, weil das Insolvenzverfahren vor dem 1.12.2001 eröffnet wurde und damit nach Art. 103a EGInsO analog die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden sind (vgl. MünchKomm-Kindler, 5. Aufl., Vorbem. §§ 335 ff InsO Rz. 4; Braun-Tashiro, InsO, 5. Aufl., Vor §§ 335 bis 358 Rz. 11).
[13]Das Internationale Insolvenzrecht war bis zum Inkrafttreten der §§ 335 ff. InsO und der EuInsVO lückenhaft in Art. 102 EGInsO a.F. geregelt. Die Vorschrift enthielt jedoch keine Kollisionsregelungen für Inlandsverfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen (Haarmeyer-Wutzke-Förster, Handbuch zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., Kap. 10 Rz. 143). Es bestand indes Einigkeit darüber, dass das Recht des Konkursstaats (lex fori concursus) insolvenzspezifische Fragen im Sinne der §§ 103 ff. InsO beantwortet (vgl. FK-InsO-Wimmer, 3. Aufl., Anh. I Rz. 320) und die Wirksamkeit von masseverkürzenden Rechtsgeschäften regelt (vgl. Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 151). Die Wirksamkeit der Abtretungen des Schuldners bestimmt sich deshalb nach §§ 91 I, 114 I InsO, weil im Inland das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Auch die Anfechtbarkeit der Abtretungen richtet sich nach dem Konkursstatut (vgl. BGH, Urt. vom 30.4.1992 aaO 168; vgl. aber zur Anfechtung durch einen ausländischen Konkursverwalter nach Einführung der Kumulationslösung in Art. 102 II EGInsO a.F.: BGH, Urt. vom 21.11.1996 – IX ZR 148/95 (IPRspr. 1996 Nr. 234), BGHZ 134, 116, 121 ff.).