Der Umstand, dass ein ausländisches (hier: südkoreanisches) Schiedsgericht vor seiner Entscheidung den Parteien die Stellungnahme eines Experten nicht zugänglich gemacht hat, stellt keinen erheblichen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs dar, der zur Versagung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit des ausländischen Schiedsspruchs führen würde. [LS der Redaktion]
Die ASt. hatte dem Rechtsvorgänger der AGg. aufgrund eines Kooperations- und Lizenzvertrags im Jahr 2000 eine Anlage zur Herstellung von Schaumstoff sowie zugehöriges Know-how gegen eine pauschale Lizenzgebühr zur Verfügung gestellt. Der Lizenzvertrag wurde zwischen der ASt. und der AGg. fortgesetzt; er statuiert ein Verbot des Nachbaus der Anlage und eine Geheimhaltungspflicht zulasten des Lizenznehmers. Er erhält weiterhin eine Schiedsvereinbarung, nach der die koreanische Schlichtungsstelle für Handelsfragen bei Streitigkeiten aus dem Vertrag angerufen werden sollte. Im Jahr 2005 erfuhr die ASt., dass die AGg. im Jahr 2004 eine zweite Produktionslinie für die Herstellung von Schaumstoffen aufgenommen hatte, und vermutete, dass die AGg. bei Errichtung der zweiten Anlage gegen das Nachbauverbot bzw. die Geheimhaltungspflicht verstoßen hatte. Zunächst wurde von der ASt. ein selbständiges Beweisverfahren und einstweiliges Verfügungsverfahren in Deutschland eingeleitet. Sodann reichte die AGg. wegen der in Deutschland entstandenen Verfahrenskosten eine Schiedsklage ein. Im Verlauf des Schiedsverfahrens machte die ASt. im Wege der Widerklage Schadensersatzansprüche geltend. Im Schiedsverfahren erstellte der Patentanwalt Dr. M. nach Schluss der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme, die den Parteien vor der Entscheidung nicht zugeleitet wurde. Das Schiedsgericht wies mit seinem Schiedsspruch die Klage der AGg. ab und sprach der ASt. auf die Widerklage hin einen Schadersatzanspruch zu. Die AGg. strengte dagegen in Korea ein Aufhebungsverfahren an. Durch Urteil des Seoul Central District Court wurde der Aufhebungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der AGg. wurde durch Urteil des Obergerichts Seoul ebenfalls zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die AGg. Revision zum Koreanischen Obersten Gerichtshof eingelegt.
Die ASt. beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.
[1]II. Der Schiedsspruch vom 15.6.2010, auf den Bezug genommen wird, war antragsgemäß für vollstreckbar zu erklären. Nach § 1061 I ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem UNÜ.
[2]1. Der auf § 1061 I ZPO gestützte Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist zulässig. Das OLG Köln ist gemäß § 1062 II ZPO sachlich und örtlich zuständig, da die AGg. in seinem Bezirk ansässig ist. Die ASt. hat gemäß den §§ 1064 I 2, II, 1061 I 1 ZPO, Art. IV Abs. 1 lit. a, Abs. 2 UNÜ eine beglaubigte Abschrift des in koranischer Sprache gehaltenen Schiedsspruchs sowie eine beglaubigte Abschrift der deutschen Übersetzung vorgelegt.
[3]2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hat auch in der Sache Erfolg. Gründe, die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs nach Art. V Abs. 1, 2 UNÜ zu versagen, sind nicht gegeben:
[4]a) Ein Versagungsgrund nach Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ liegt nicht vor, da das koreanische Schiedsgericht aufgrund einer seine Zuständigkeit begründenden gültigen Schiedsvereinbarung der Parteien im Sinne des Art. II UNÜ zur Entscheidung über die vertragliche Streitigkeit berufen war.
[5]Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs ist gemäß § 1061 I ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. e UNÜ weiterhin, dass der Schiedsspruch verbindlich ist. Nach der Rspr. des BGH ist ein Schiedsspruch für die Parteien dann als verbindlich anzusehen, wenn er weder bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz noch mit einem Rechtsmittel angegriffen werden kann. Die Möglichkeit, den Schiedsspruch im Erlassstaat mit einem der deutschen Aufhebungsklage vergleichbaren Rechtsbehelf nachträglich zu beseitigen, steht nach einh. Rspr. der Verbindlichkeit nicht entgegen (BGHZ 52, 184, 188 (IPRspr. 1968–1969 Nr. 258); BGH, NJW 1988, 3090 ff. (IPRspr. 1988 Nr. 216) zit. n. juris Rz. 23; BayObLG, SchiedsVZ 2003, 142 ff. (IPRspr. 2002 Nr. 224) zit. n. juris Rz. 52; OLG Hamm, Beschl. vom 28.11.2008 – 25 Sch 6/08 (IPRspr 2008-206); Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rz. 2529). Dies gilt auch dann, wenn ein solches Aufhebungsverfahren – wie hier – bereits eingeleitet ist (BayObLG aaO; Lachmann aaO). Begründet wird diese Auffassung damit, dass ein Aufhebungsverfahren im Heimatstaat lediglich die Möglichkeit bietet, den Schiedsspruch nachträglich zu beseitigen. Auch im Streitfall ist daher trotz des noch schwebenden Aufhebungsverfahrens von der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs auszugehen.
[6]b) Der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs stehen auch keine Einwände gemäß § 1061 I ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ entgegen.
[7]Nach § 1061 I ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 lit. d, Abs. 2 lit. b UNÜ kann die Vollstreckbarerklärung versagt werden, wenn das Verfahrensrecht oder der ordre public verletzt sind. Eine solche Verletzung ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maß abweicht, dass sie nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Nicht jeder Verfahrensfehler ist von Bedeutung, vielmehr müssen Mindeststandards an Verfahrensgerechtigkeit verletzt sein, und die Entscheidung muss auf dieser Verletzung beruhen können (OLG Köln, Beschl. vom 23.4.2004 – 9 Sch 1/03 (IPRspr 2004-193); Senatsbeschluss vom 19.11.2010 – 19 Sch 7/10 (IPRspr 2010-309); Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 24 Rz. 21; Zöller-Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 1061 Rz. 31). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist eine Unterschreitung von Mindeststandards an Verfahrensgerechtigkeit nicht gegeben:
[8](aa) Keine Missachtung einer verfahrensrechtlichen Parteivereinbarung zum Status des Sachverständigen Dr. M.
[9]Aus dem Vortrag der Parteien zum Ablauf des schiedsgerichtlichen Verfahrens und aus den vorgelegten Unterlagen, insbes. den Protokollen der zweiten und sechsten mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht, lässt sich nicht entnehmen, dass die Parteien eine Vereinbarung im Sinne von Art. 20 I des südkoreanischen Arbitration Act i.d.F. von 1999 (nachfolgend: KCAA) getroffen hätten, dass kein Gutachten im engeren Sinne eingeholt werden, sondern nur ein Berater hinzugezogen werden soll, der die technischen Aspekte erläutert und dem Schiedsgericht zugänglich macht. Ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils des Obergerichts Seoul, den beide Parteien zum Gegenstand ihres Vortrags machen, kündigte das Schiedsgericht in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 11.6.2009 an, dass es hinsichtlich der Frage, ob es sich bei dem in Deutschland befindlichen Vertikalofen um eine Nachahmung des ersten Ofens handelt, nicht genügend eigenes Ingenieurwissen habe, eine Feststellung dazu schwierig sei und es daher beabsichtige, zur Unterstützung einen Gutachter oder einen sachkundigen Berater zu bestellen. Einwände der Parteien dagegen lassen sich dem Protokoll der zweiten mündlichen Verhandlung nicht entnehmen. Die ASt. äußerte daraufhin mit Schriftsatz vom 3.7.2009, dass sie den Experten nicht als Gutachter im Sinne des Art. 27 KCAA (ähnlich Sachverständigen nach deutschen Recht) sehe, sondern als technischen Berater. Sie machte Vorschläge zur Person des Experten. Die AGg. nahm zu dem Ansinnen des Schiedsgerichts ebenfalls Stellung und rügte, dass nicht klar sei, was Gegenstand des Gutachtens sein solle, und welche Rolle der Gutachter spielen solle. Sie vertrat die Ansicht, dass ein Gutachten gar nicht erforderlich sei, da das deutsche Gutachten ausreiche. Für den Fall, dass das Schiedsgericht entscheide, dass für ein besseres Verständnis die Hilfestellung eines Gutachters erforderlich sei, machte sie ebenfalls Vorschläge. Daraus ergibt sich weder eine Vereinbarung der Parteien über die Stellung des Experten noch eine Übereinkunft zwischen den Parteien, dass der Gutachtenauftrag auf rein technische Fragen beschränkt werden soll. Die o.g. Stellungnahmen werden nicht in Bezug aufeinander abgegeben und lassen übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien nicht erkennen. Zutreffend verweist die ASt. auch darauf, dass am 19.1.2010 seitens der AGg. vor dem Schiedsgericht ein Antrag auf Begutachtung (der zweiten Anlage) gestellt wurde, also ein Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens im Sinne des Art. 27 KCAA. Damit hätte sie sich gegen die von ihr behauptete Parteivereinbarung gestellt.
[10]bb) Kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs
[11]Zu den unabdingbaren Verfahrensregeln im Sinne des ordre public zählt der Grundsatz des fairen und transparenten Verfahrens und als dessen besondere Ausprägung die Gewährung rechtlichen Gehörs (Schwab-Walter aaO Kap. 30 Rz. 24 f.; Thomas-Putzo-Hüßtege, ZPO, 32. Aufl., § 328 Rz. 15 ff.). Die Nichtgewährung des in Art. 103 I GG garantierten rechtlichen Gehörs kann dabei neben einem zur Versagung der Anerkennung des Schiedsspruchs führenden Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public gemäß Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ auch einen Anerkennungsversagungsgrund wegen verfahrensrechtlicher Behinderung und Mängeln des schiedsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des Art. V Abs. 1 litt. b und d UNÜ darstellen, ohne dass Letzterer eine Spezialregelung ist (vgl. Zöller-Geimer aaO § 1059 Rz. 40, 48, 68; Schwab-Walter aaO Kap. 15 Rz. 1, Kap. 57 Rz. 8).
[12]Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Schiedsverfahren erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Zudem müssen die Parteien die Gelegenheit haben, sich zu allen tatsächlichen Erwägungen zu äußern, auf die die Entscheidung des Schiedsgerichts gegründet werden soll (BGH, NJW 1990, 2199 (IPRspr. 1990 Nr. 238), zit. n. juris Rz. 21). Insoweit gelten für inländische und ausländische Schiedsverfahren grundsätzlich dieselben Regeln. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gewährt allerdings keinen Schutz dagegen, dass das Schiedsgericht Beweisanträge der Parteien aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lässt. Das gilt selbst dann, wenn die Beurteilung im Einzelfall fehlerhaft sein sollte, solange sie jedenfalls nicht nur vorgeschoben ist, um zu verdecken, dass das Schiedsgericht sich mit dem Vorbringen der Parteien überhaupt nicht befasst hat (BGH, NJW 1992, 2299, 2300 (IPRspr. 1992 Nr. 250); vgl. auch österr. OGH, IPRax 1992, 331).
[13]Nach diesen Grundsätzen liegt hier jedenfalls kein erheblicher Verstoß gegen das rechtliche Gehör vor.
[14](1) Zunächst hat das Schiedsgericht das Verfahren nicht so intransparent gestaltet, dass die Parteien nach Treu und Glauben schlechterdings nicht damit rechnen konnten, dass es das ‚Expertenwissen’ zur Grundlage seiner Entscheidung macht, und zwar in der Form, dass es dessen tatsächliche und rechtliche Einschätzung übernimmt.
[15](a) So ergibt sich zunächst aus der Stellung des Gutachters als ‚Patentanwalt’ keine Beschränkung auf die Beantwortung rein technischer Fragen. Im Gegenteil überrascht es nicht, wenn Herr Dr. M. bei der Frage, ob die Technik der von der ASt. an die AGg. gelieferten ersten Anlage ‚allgemein bekannt’ war, eine Gesamtbetrachtung der Summe der Komponenten als Erfindung anstellt und bei der Beantwortung der Frage, ob die erste und zweite Anlage identisch sind, die Maßstäbe für Patente entsprechend anwendet, obwohl die Anlagen in Bezug auf die technischen Daten keinen gewerblichen Schutzrechten unterliegen.
[16](b) Auch aus dem Verfahrensablauf ergibt sich nicht, dass sich das Schiedsgericht dahingehend positioniert hätte, dass es Herrn Dr. M. allein für die Beantwortung technischer Fragen hinzuzieht. Dies gilt auch, wenn man den Vortrag der AGg. als zutreffend unterstellt, dass der Gutachter bei dem dritten bis fünften Verhandlungstermin in erster Linie Fragen zur technischen Struktur der ersten und zweiten Anlage gestellt und dem Schiedsgericht die technischen Eigenschaften erklärt hätte. Denn jedenfalls aus dem Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung vom 1.2.2010 ergibt sich die Entscheidung des Schiedsgerichts, dass die technischen Aspekte der zweiten Anlage nicht weiter untersucht werden sollten und die Ankündigung, dass eine Gesamtbewertung des Sachverständigen in seine Entscheidung mit einbezogen werden soll. Das Schiedsgericht führt ausweislich des Wortprotokolls aus, dass es nicht angemessen sei, (allein) nach technischen Kriterien zu beurteilen, ob eine Verletzung des Lizenzvertrags stattgefunden habe. Die Schiedsrichter und der bewertende Berater seien Fachleute, die (nunmehr) nach der Teilnahme am Ortstermin eine fachliche Einschätzung abgeben könnten. Die fachliche Einschätzung des Sachverständigen solle als eine Art Beitrag zur Meinungsbildung berücksichtigt werden.
[17]Zwar mögen die Ausführungen des Schiedsgerichts zum weiteren Vorgehen etwas ‚schwammig’ sein. Es wird aber jedenfalls deutlich, dass der Gutachter keine fachliche Begutachtung im engeren Sinne durchführen, sondern seine Einschätzung als Fachmann, also als expert advisor, ausdrücken sollte, und zwar ohne Beschränkung auf rein technische Fragen, sodass auch eine rechtliche Bewertung umfasst war. Für dieses Verständnis spricht auch, dass die Parteien die technischen Unterschiede der beiden Anlagen überwiegend unstreitig gestellt hatten. Dass der Sachverständige also überhaupt eine rechtliche Bewertung abgegeben hat, ist nicht überraschend.
[18](c) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann die AGg. auch nicht daraus herleiten, dass das Schiedsgericht dem von ihr im Schiedsverfahren gestellten Antrag auf Begutachtung der Anlage in Deutschland nicht nachgekommen ist. Denn zum einen hat die AGg. der Ablehnung ihres Antrags in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen, sodass sie mit diesem Einwand präkludiert ist. Zum anderen sind Schiedsgerichte in ihrer Verfahrensführung auch freier als staatliche Gerichte. Der Grundsatz vollständiger Beweismittelerschöpfung besteht nicht. Schiedsgerichte können nach Ermessen die Beweisaufnahme abbrechen, wenn sie sich für hinreichend informiert halten (vgl. auch BGH, Urt. vom 21.12.1989 – III ZR 44/89, zit. n. juris Rz. 5, Senatsbeschlüsse vom 21.11.2008 – 19 Sch 12/08, zit. n. juris Rz. 32; und vom 19.11.2010 aaO). Hier hat das Schiedsgericht die Ablehnung auf Begutachtung der Anlage in Deutschland begründet, sodass sich ein ordre-public-widriger Verfahrensverstoß daraus nicht herleiten lässt.
[19](2) Auch darin, dass das Schiedsgericht die Stellungnahme des Herrn Dr. M. vor seiner Entscheidung nicht zugänglich gemacht hat, liegt kein erheblicher Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs.
[20](a) Nach den obigen Ausführungen ist die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. M. nicht als Gutachten im eigentlichen Sinne (wie nach Art. 27 KCAA oder wie ein Sachverständigengutachten nach deutschem Recht) einzustufen, sondern als Zusammenfassung der im Laufe des Prozesses gewonnenen Informationen über die technischen Aspekte der Anlagen und als eine rechtliche Bewertung. Für diese Stellungnahme eines Experten gelten nicht dieselben strengen Kriterien wie für ein Gutachten im eigentlichen Sinne, sodass es auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellt, wenn das Gericht diese ‚geschriebene Meinung’ nicht den Parteien vor seiner Entscheidung zugänglich macht. Zwar ergibt sich aus Art. 164-2 des koreanischen Civil Procedure Act – Act No. 547 of April 4, 1960 – i.d.F. vom 23.7.2010 (nachfolgend CCP), dass eine schriftliche Stellungnahme, die ein expert advisor (kor.: jeonmunwiwon = sachlicher Berater) abgibt, den Parteien zur Stellungnahme zuzuleiten ist. Art. 25 IV KCAA, nach dem Gutachten und Urkundsmittel, auf deren Grundlage das Schiedsgericht entscheidet, beiden Parteien zur Kenntnis zu geben sind, bezieht sich aber ausdrücklich nur auf den Sachverständigen im engeren Sinne (kor.: gamjeognis = Gutachter) und ist daher unmittelbar auf den sachverständigen Berater im Schiedsverfahren nicht anzuwenden. Soweit die International Arbitration Rules des Korean Commercial Arbitration Board in Art. 23 vorsehen, dass auch Expertenmeinungen vor der Entscheidung den Parteien zugänglich gemacht werden sollen, so sind diese Regeln vorliegend nicht anwendbar, weil die Schiedsvereinbarung auf diese internationalen Schiedsregeln nicht explizit Bezug nimmt und die International Arbitration Rules in der bei Beginn des Schiedsverfahrens g.F. eine automatische Einbeziehung nicht vorsahen. Das heißt, dass es zwingende gesetzliche Vorgaben, nach denen das Schiedsgericht den Parteien die Stellungnahme hätte zuleiten müssen, nicht gibt. Zwar wäre es, wie dies auch das Berufungsgericht in Seoul ausgeführt hat, besser gewesen, wenn das Schiedsgericht in entspr. Anwendung des Art. 25 IV KCAA den Parteien die gutachterliche Stellungnahme vor der Entscheidung zugeleitet hätte, schon weil die Stellungnahme wie ein schriftliches Gutachten aufgebaut war und der Gutachter selbst eingangs seiner Stellungnahme einen umfassenden Auftrag definiert. Da das Schiedsgericht aber nur um eine ‚Expertenmeinung’ gebeten hatte und diese inhaltlich ihren Schwerpunkt in der rechtlichen Bewertung der in wesentlichen unstreitigen tatsächlichen Aspekte hat, die schon vorher in sechs mündlichen Verhandlungen, davon vier in Anwesenheit des Experten Dr. M., ausgetauscht wurden oder jedenfalls werden konnten, liegt jedenfalls kein einschneidender Verstoß gegen das rechtliche Gehör vor.
[21](b) Zudem hat die AGg. nicht dargelegt, dass sie durch die Nichtübersendung der Stellungnahme in den Möglichkeiten einer effektiven Verteidigung beschnitten wurde. Die AGg. beschränkt sich darauf vorzutragen, dass der Schiedsspruch und die diesem zugrunde liegende Expertenmeinung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht falsch seien ... Soweit sie auf das im Düsseldorfer Verfahren eingeholte gerichtliche Gutachten und die dort angeblich festgestellten Unterschiede zwischen der von der AGg. betriebenen zweiten Anlage und der von der ASt. gelieferten ersten Anlage abstellt, zeigt sie indes nicht auf, welche Unterschiede der Anlagen sich aus diesem Gutachten ergeben, die der Sachverständige Dr. M. bei seiner Stellungnahme nicht berücksichtigt hat. Der pauschale Verweis auf dieses Gutachten ist nicht ausreichend, selbst wenn dieses allgemein zugänglich wäre. Substanziierter Vortrag zur Kausalität des Gehörsverstoßes ist aber nötig, wenn man daraus Anerkennungsversagungsgründe herleiten will (BGH, NJW 1986, 3027 (IPRspr. 1986 Nr. 198), zit. n. juris Rz. 23; BGH, SchiedsVZ 2009, 126 (IPRspr 2009-269), zit. n. juris Rz. 7 m.w.N.). Hier wird aber noch nicht einmal deutlich, wie sich die Stellungnahme der AGg. zur schriftlichen Bewertung des Sachverständigen ausgewirkt haben könnte. Berücksichtigt man, dass das Schiedsgericht in der Gestaltung der Beweisaufnahme freier ist als ordentliche Gerichte und der Grundsatz der Beweismittelerschöpfung nicht gilt, hätte die AGg. vortragen müssen, dass der Sachverständige Dr. M. auf Basis der ihm vorliegenden Erkenntnisse zu einem anderen Ergebnis hätte kommen müssen bzw. welche Aspekte er bei seiner Bewertung nicht berücksichtigt hat.
[22]Es liegt daher jedenfalls keine erhebliche Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes der AGg. vor und sie hat nicht aufgezeigt, dass sich die Nichtübersendung der schriftlichen Ausarbeitung des Dr. M. und die fehlende Stellungnahmemöglichkeit auf den weiteren Verlauf und die Entscheidung des Schiedsgerichts ausgewirkt haben.
[23](3) Dass das Schiedsgericht die Bewertung des Experten überwiegend im Wortlaut übernommen hat, wie die Synopse der AGg. aufzeigt, ist, was die technischen Beschreibungen anbelangt, schon deshalb unproblematisch, weil diese im wesentlichen unstreitig gestellt wurden. Die rechtliche Bewertung wird zwar auch übernommen. Dies reicht aber nicht aus, um anzunehmen, dass eine eigenständige Befassung des Schiedsgerichts mit den Argumenten der Parteien nicht stattgefunden hat. Selbst wenn das Schiedsgericht die Ausführungen des Sachverständigen größtenteils unkritisch übernommen hätte, stellt dies im Übrigen keinen gravierenden prozessualen Mangel dar (s. BGH, NJW 1990 aaO z. Mitwirkung eines jur. Beraters in einem ausl. Schiedsverfahren, der an Beratungen teilgenommen und schließlich Schiedsspruch und Begründung schriftlich niedergelegt hat).
[24]cc) Auch bei der Bestimmung der Schadensersatzhöhe ist dem Schiedsgericht kein erheblicher Verfahrensverstoß unterlaufen, der gegen den ordre public verstieße. Das Schiedsgericht hat entgegen der Einschätzung der AGg. keine reine Billigkeitsentscheidung getroffen, sondern es hat die Höhe des ersatzfähigen Schadens geschätzt, wobei auch nach koreanischem Recht Beweiserleichterungen für den Nachweis eines ersatzfähigen Schadens bestehen. Das Schiedsgericht hat dabei tatsächliche Umstände des Vertrags und der Vertragsverletzung bei der Bestimmung der Schadenshöhe zugrunde gelegt. Dass die Begründung knapp ausgefallen ist, ist unschädlich. Denn die Begründung lässt jedenfalls die tragenden Erwägungen des Schiedsgerichts erkennen. Dass der ASt. überhaupt ein Schaden (entgangener Gewinn) entstanden ist, konnte das Schiedsgericht bei einem festgestellten Verstoß gegen Geheimhaltungspflichten und das Nachbauverbot und der Aufnahme einer zweiten Produktionslinie mit der nachgebauten Anlage unterstellen. Als Kriterien für die Bemessung der Höhe des Schadens erwähnt das Schiedsgericht ausdrücklich den Umfang des Lizenzvertrags, die Lizenzgebühr, die Reichweite der Geheimhaltungspflicht, den Zeitpunkt des Ablaufs des Nachahmungsverbots, den Umfang der Bekanntgabe der Details zum ersten Ofen und den Grad der Wesensgleichheit der Anlagen ... Dies sind keine offensichtlich sachfremden Erwägungen, sodass die Begründung vor dem Hintergrund ausreichend ist, dass im Schiedsverfahren an die Begründung des Schiedsspruchs nur die Minimalanforderungen gestellt werden, dass diese nicht widersinnig ist oder nur aus inhaltsleeren Wendungen besteht (vgl. BGH, WM 1983, 1207). Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall.
[25]dd) Da nicht mehrere Verfahrensverstöße vorliegen, kommt es auch nicht darauf an, ob die Verfahrensverstöße kumuliert zu betrachten sind und in der Gesamtschau ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt.
[26]Nach alledem ergeben sich aus § 1061 I ZPO i.V.m. dem UNÜ keine Gründe, die der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des streitgegenständlichen Schiedsspruchs entgegenstehen.
[27]2. Da Anerkennungsversagungsgründe nicht vorliegen, besteht schon deshalb kein Anlass, das Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. VI Abs. 1 UNÜ im Hinblick auf das in Korea anhängig Aufhebungsverfahren auszusetzen. Vielmehr überwiegt bei dem derzeitigen Verfahrensstand das Vollstreckungsinteresse der ASt. Die AGg. kann, falls sie in Korea in letzter Instanz mit der Anfechtung des Schiedsspruchs durchdringt, Aufhebung der Vollstreckbarkeitserklärung nach § 1061 I ZPO verlangen.