Einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung ist nicht wegen Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung zu versagen, nur weil die Kindesanhörung nicht durch das Gericht persönlich, sondern durch eine Gutachterin erfolgt ist.
Die Verfahrensbeteiligten sind die unverheirateten Eltern zweier Kinder, die in Südafrika geboren worden sind und dort mit ihren seit 2006 getrennten Eltern bis Mitte 2011 gelebt haben. Ab Anfang 2009 bis zur Rückkehr nach Deutschland lebten die Kinder unter der Obhut des Vaters; die Mutter hatte an den Wochenenden Umgang. Nachdem die Mutter Klage wegen Kindesunterhalts erhoben hatte, haben die Beteiligten im Jahr 2009 eine anwaltlich beglaubigte Sorgevereinbarung geschlossen, die gerichtlich durch den High Court of South Africa, Gauteng Division, Pretoria anerkannt worden ist. In der Folgezeit kam es zum Streit zwischen den Eltern über die Frage, ob der Vater mit den Kindern nach Deutschland übersiedeln durfte. Daraufhin beantragte der Vater beim High Court die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich allein. Während der mündlichen Verhandlung war die AGg. anwaltlich vertreten. Auf Veranlassung des Gerichts wurde ein Gutachten erstellt, im Zuge dessen Einzelgespräche mit beiden Eltern und den Kindern geführt wurden. Im April 2011 sprach der High Court per Beschluss das Sorgerecht dem Vater zu, der mit den Kindern kurze Zeit später nach Deutschland ausgereist ist und Wohnsitz in Oldenburg genommen hat.
Die Mutter, die zwischenzeitlich auch nach Deutschland zurückgekehrt ist, begehrte daraufhin vor dem FamG Feststellung, dass ihr das alleinige Sorgerecht zustehe, hilfsweise, dass ihr dieses zugewiesen würde. Diese Anträge wies das FamG durch Beschluss zurück. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Mutter.
[1]II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
[2]Die Entscheidung des High Court of South Africa, Gauteng Division, Pretoria vom 8.4.2011 ist wirksam und für die deutschen Gerichte bindend. Abänderungsgründe im Sinne des § 1696 BGB, wonach der Mutter nach dem nunmehr anwendbaren deutschen Sorgerecht die gemeinsame Sorge mit dem Vater zu übertragen sein könnte, liegen nicht vor.
[3]Im Übrigen wäre dem Vater nach § 1696 BGB jedenfalls nunmehr die Alleinsorge zu übertragen, wäre der Entscheidung die Anerkennung zu versagen.
[4]1. Der Senat ist überzeugt, dass die Entscheidung des High Court of South Africa vom 8.4.2011 tatsächlich so ergangen ist, wie vom AGg. vorgetragen. Er teilt die Zweifel der ASt. nicht, hält sie im Gegenteil für abwegig. Der High Court hatte im Verhandlungstermin im März 2011 der ASt. Gelegenheit gegeben, noch einmal die Kinder begutachten zu lassen, und für Anfang April die Abschlussentscheidung angekündigt. Es lagen zwei Gutachten vor, die sich dafür aussprachen, dass der Vater mit den Kindern nach Deutschland zieht. Danach ist nicht erklärlich, warum sich der AGg. in dieser Situation zu einer Fälschung der Entscheidung entschließen sollte, völlig unklar bliebe, warum das Gericht entgegen seiner Ankündigung nicht entschieden haben sollte und letztlich die ASt. davon keine Kenntnis erhalten haben sollte bzw. von einer tatsächlich abweichenden Entscheidung des High Court nichts gehört haben sollte. Zumal in letzterem Fall anzunehmen gewesen wäre, dass die ASt. alles getan hätte, die Ausreise zu verhindern. Insofern fügt es sich auch ins Bild, dass die ASt. erstmals ein Jahr nach der Verhandlung in Südafrika in der Beschwerdeinstanz nach dem Wechsel ihres Verfahrensbevollmächtigten auf die Idee verfallen ist, die Existenz der Sorgerechtsentscheidung des High Court in Zweifel zu ziehen, nachdem sie noch am 18.10.2011 gegenüber der Ergänzungspflegerin erklärt hat, sie ... habe das südafrikanische Urteil aus Geldmangel nicht anfechten können; zudem hätte ein Rechtsmittel zu viel Zeit erfordert. Der Senat hatte auf diesen Umstand hingewiesen. Die ASt. hat sich zu diesem Widerspruch nicht erklärt.
[5]Die E-Mail einer Frau S., die erfolglos beim High Court um eine Ausfertigung der Entscheidung nachgesucht haben will, beweist insoweit nichts.
[6]Der südafrikanischen Entscheidung ist auch nicht nach § 109 I Nr.2 FamFG die Anerkennung zu versagen, weil der ASt. das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt worden wäre, denn die ASt. hat sich zur Hauptsache im Verfahren hinreichend äußern können. Am 18.3.2011 im ersten Termin war sie durch ihre Anwälte vertreten, im Abschlußtermin am 8.4.2011 hat sie ihre Rechte nach eigenem Vortrag selbst wahrgenommen. In der Zwischenzeit hatte sie sich zudem mehrfach gegenüber der Gutachterin äußern können. In diesem Fall kommt es auf die Frage, ob ihr der verfahrenseinleitende Schriftsatz zugestellt [worden] ist, im Ergebnis nicht an. Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die ASt. zudem eingeräumt hat, den Schriftsatz jedenfalls in der Form erhalten zu haben, wie sie ihn als Anlage 2 zur Akte gereicht hat. Danach war sie im Bilde, dass der AGg. mit den Kindern Aufenthalt in Deutschland nehmen wollte und sie insoweit Umgang haben sollte.
[7]Im Ergebnis hält es der Senat auch nicht für geboten, der Entscheidung die Anerkennung zu versagen, weil der verfahrenseinleitende Antrag des Vaters nur auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei im Übrigen gemeinsamer Sorge gerichtet war und das Gericht dann am 8.4.2011 die ‚primary responsibilities and rights’ im Ganzen auf den Kindesvater übertragen hat. Wenn, wie hier, ein Elternteil mit den Kindern das Land verlassen will und sich der andere Elternteil dem widersetzt und im Lande bleiben will, muss allen Verfahrensbeteiligten klar sein, dass auch immer eine Übertragung des Sorgerechts im Ganzen im Raum steht. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der ASt. kann der Senat darin nicht erblicken, jedenfalls nicht in einem solchen Maße, dass es geboten wäre, der Entscheidung des High Court die Anerkennung zu versagen, zumal die ASt. nicht dargetan hat, dass über diesen Gesichtspunkt nicht verhandelt worden wäre und inwieweit sie sich durch diesen Umstand in ihren Rechten verletzt gesehen hat, also inwieweit sie anderes vorgetragen oder geltend gemacht hätte.
[8]Die Entscheidung des High Court of South Africa verstößt nicht gegen den ordre public (§ 109 I Nr. 4 FamFG), weil die Kinder nicht angehört worden wären.
[9]Der ASt. ist darin zuzustimmen, dass die Anhörung der Kinder, um ihren Willen zu erforschen und eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu ermöglichen, ein fundamentales Prinzip des deutschen Sorgerechtsverfahrens darstellt. Dem entspricht, dass in den wesentlichen supra- und internationalen Regelungen sinngemäß vorgesehen ist, dass bei unterbliebener Anhörung des Kindes der ausländischen Sorgerechtsentscheidung die Anerkennung zu versagen ist, wenn die Anhörung ein wesentliches Verfahrensprinzip des Anerkennungsstaats darstellt (vgl. Art. 23 lit b EuEheVO, Art. 23 II lit b KSÜ). Dementsprechend versagen deutsche Gerichte zutreffend unter Hinweis auf den ordre public die Anerkennung, wenn eine Anhörung unterblieben ist [vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 31.3.2011 – OVG 3 B 8/08 (IPRspr 2011-96); juris 1. b) cc); OLG Frankfurt, Beschl. vom 16.1.2006 – 1UF 40/04 (IPRspr 2006-146), NJOZ 2006, 2652, 2654 a.E. f.; OLG Schleswig-Holstein, Beschl. vom 19.5.2008 – 12 UF 203/07 (IPRspr 2008-184), juris Rz. 37 ff.; vgl. auch MünchKommZPO-Rauscher, 3. Aufl., Bd. 4, FamFG, § 109 Rz. 39).
[10]Hier hat indessen eine Anhörung der Kinder stattgefunden und zwar durch die Gutachterin, und zwar eine Woche vor der Entscheidung des High Court. Wie dem vorliegenden Gutachten der Sachverständigen S. zu entnehmen ist, hat sie den Kindeswillen erforscht und diesen dem Gericht in dem Gutachten ausführlich mitgeteilt ... Im Gutachten ist explizit das Gespräch mit den Kindern wiedergegeben, die sich dafür ausgesprochen haben, mit dem Vater nach Deutschland zu gehen. Der High Court hat seine Entscheidung damit entgegen der Annahme der ASt. unter Berücksichtigung des Kindeswillens getroffen.
[11]Sofern die ASt. meinen sollte, der Entscheidung sei deshalb die Anerkennung zu versagen, weil die Anhörung nicht durch den Richter persönlich durchgeführt worden ist, wie dies das deutsche Recht vorsieht bzw. durch die HRR für den gesamten Spruchkörper postuliert wird, ist diese Sichtweise nicht zutreffend. Vorrangiger Sinn des § 159 FamFG ist es, verfahrensrechtlich sicherzustellen, dass der Kindeswille zuverlässig festgestellt und im Verfahren berücksichtigt wird. Dieses Ziel wird auch erreicht, wenn der Kindeswille in der Weise festgestellt wird, dass das Kind durch andere sachkundige Stellen angehört wird und diese dem Gericht das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitteilen, sodass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen. Nach Ansicht des Senats handelt es sich auch insoweit um den Mindeststandard, der gewahrt sein muss, damit eine ausländische Entscheidung die inländische Anerkennung erfahren kann. Dem entspricht Art. 12 II der UN-Kinderrechtskonvention, der festlegt, dass der Kindeswille nicht nur durch unmittelbare Anhörung, sondern auch durch Anhörung eines Vertreters oder durch Anhörung vor geeigneten staatliche Stellen ermittelt werden kann.
[12]Soweit das deutsche Verfahrensrecht darüber hinaus die persönliche Anhörung durch das Gericht verlangt und demgemäß die Äußerung gegenüber einem Sachverständigen regelmäßig nicht ausreichen lässt (§ 159 FamFG bzw. § 50b FGG a.F.), wird der Zweck gemeinhin darin gesehen, dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, das Gutachten aus eigener Anschauung kritisch würdigen zu können, und darin sicherzustellen, dass das Kind als Betroffener im Verfahren zu Wort kommt (BayObLG, Beschl. vom 11.6.1997 – 1 Z BR 74/97, juris Rz. 11). Diese Erwägungen des deutschen Gesetzgebers erscheinen dem Senat indessen nicht als so bedeutsam in ihren Auswirkungen für die Rechte der Verfahrensbeteiligten, dass es geboten wäre, die persönliche Anhörung durch das erkennende Gericht zum absoluten Mindeststandard der internationalen Urteilsanerkennung in Sorgerechtssachen zu machen, solange die Kindesanhörung zeitnah durch kompetente Stellen für das Gericht durchgeführt und diesem das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitgeteilt wird, sodass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen.
[13]Damit ist die Beschwerde schon deshalb zurückzuweisen, weil die Entscheidung des High Court, mit welcher dem AGg. das Sorgerecht zugewiesen worden ist, für die inländischen Gerichte bindend ist und – wie das FamG zutreffend ausgeführt hat – Gründe nach dem nunmehr anwendbaren deutschen Recht für eine Abänderung zugunsten der ASt. nicht bestehen (§ 1696 BGB).
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