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Verfahrensgang

OLG München, Beschl. vom 14.11.2011 – 34 Sch 10/11, IPRspr 2011-305

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit

Leitsatz

Ein Grund, dem ausländischen Schiedsspruch im Inland die Anerkennung zu versagen, liegt nicht zwingend darin, dass das Schiedsgericht unabhängig von den Darlegungen in vorgelegten Parteigutachten aus externen Anknüpfungspunkten auf die höhere Plausibilität des einen Gutachtens schließt, ohne auf Antrag der anderen Partei ein (schieds-)gerichtliches Gutachten einzuholen.

Rechtsnormen

GG Art. 103
GZVJu-Bay § 8
UNÜ Art. IV; UNÜ Art. V; UNÜ Art. VII
ZPO § 17; ZPO § 1025; ZPO § 1042; ZPO § 1061; ZPO § 1062; ZPO § 1064

Sachverhalt

Die ASt. verkaufte an eine Tochtergesellschaft der AGg. alle Anteile an ihrer eigenen Tochtergesellschaft, der P&C. Die AGg. sollte als Garantin des Unternehmenskaufvertrags dafür Sorge tragen, dass P&C in der Folge keine Ansprüche gegen die ASt. aus oder im Zusammenhang mit ihrer Gesellschafterstellung erhob (Ziff. 2.5). Der Kaufvertrag vom 20.6.2005 enthält eine Schiedsklausel. Hiernach sollen alle Streitigkeiten am Schiedsort Zürich durch drei Schiedsrichter entspr. den Regeln der DIS beigelegt werden. In einer Vergleichsvereinbarung verzichtete die ASt. auf Darlehensansprüche gegenüber P&C. Eine Schwestergesellschaft der ASt., die S. Immobilien AG, erwarb von P&C deren Betriebsgrundstück in L. zum Kaufpreis von 14 500 000 €. Der Erlös floss teilweise an Gläubiger von P&C, um diese zu entschulden. Im Zeitraum von 2005 bis 2008 machte P&C aus dem Gesellschaftsverhältnis Ansprüche gegen die ASt. geltend. Diese trat in Vergleichsverhandlungen mit P&C und deren neuen Alleingesellschafter ein. In einem Vergleich verpflichtete sich die ASt. zur Zahlung von 7 500 000 €  zur Abgeltung aller Ansprüche von P&C aus dem Gesellschaftsverhältnis. Zur Aufbringung dieses Betrags wurde vereinbarungsgemäß das frühere Betriebsgrundstück in L. zum Preis von 7 500 000 €  an die neue Muttergesellschaft von P&C veräußert und die Kaufsumme unmittelbar an P&C bezahlt. Die Vergleichsforderung war ausdrücklich auf den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks beschränkt. Die ASt. hat der S. Immobilien AG diesen Betrag ersetzt. Über das Vermögen der P&C wurde am 1.9.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die ASt. machte als Kl. im Schiedsverfahren einen Zahlungsanspruch u.a. bzgl. der Vergleichssumme von 7 500 000 € aus Ziff. 2.5 des Unternehmenskaufvertrags geltend. Die AGg. bestritt als Schiedsbeklagte die tatsächliche Höhe der aufgrund des Vergleichs vom 28.8.2008 gezahlten Summe. Das Schiedsgericht erließ einen Schiedsspruch, mit dem es der Klage im Wesentlichen stattgab. Zur Begründung führte es aus, dass die Bekl. nicht mit Erfolg einwenden könne, das Grundstück habe nicht den ihm im Vergleich beigelegten Wert von 7,5 Mio. €  gehabt. Die Kl. habe dazu ein von P&C eingeholtes Bewertungsgutachten eines Bausachverständigen vorgelegt. Das von der Schiedsbeklagten vorgelegte eigene Gutachten überzeuge nicht. Die ASt. hat die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs beantragt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des im Ausland ergangenen Schiedsspruchs ist im begehrten Umfang stattzugeben.

[2]1. Für den Antrag ist das OLG München zuständig (§§ 1025 IV, 1062 I Nr. 4, II und V ZPO i.V.m. § 8 Gerichtliche ZuständigkeitsVO Justiz vom 16.11.2004 (BayGVBl. 471), weil die AGg. ihren Sitz (§ 17 ZPO) in Bayern hat.

[3]2. Der Antrag ist zulässig (§§ 1025 IV, 1061 I, 1064 I 1 und III ZPO). Die ASt. hat den Schiedsspruch anwaltlich beglaubigt vorgelegt. Soweit Art. IV UNÜ über § 1064 I und III ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das Günstigkeitsprinzip. Das insoweit anerkennungsfreundlichere nationale Recht verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in anwaltlich beglaubigter Abschrift.

[4]3. Der Schiedsspruch ist gemäß § 1061 I ZPO für vollstreckbar zu erklären, weil der gerügte Gehörsverstoß, mag er unter Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ (fehlende Möglichkeit, Verteidigungsmittel geltend zu machen) oder unter die Generalklausel des Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ (ordre public) fallen, nicht vorliegt. Dies gilt auch für einen Verstoß gegen Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ (von der Parteivereinbarung abweichendes schiedsrichterliches Verfahren), soweit dieser überhaupt substanziiert geltend gemacht wird; denn die Rüge beträfe dieselben Umstände, die für die erstgenannten Verstöße maßgeblich sein sollen. Andere Aufhebungsgründe, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, werden ausdrücklich nicht geltend gemacht. Umstände sonstiger Art, die unabhängig von ihrer Geltendmachung vom staatlichen Gericht berücksichtigt werden müssten, sind nicht ersichtlich.

[5]a) Die ASt. hat der urspr. Eigentümerin, da der Erlös an P&C ging, den mit dem Kaufpreis von 7,5 Mio. €  angesetzten Wert des Grundstücks ersetzt. Das Schiedsgericht geht, wie die Ausführungen zu Punkt 8.2, aber auch bereits zuvor zum Sachvortrag der Schiedsbeklagten (Punkt 0.16) zeigen, ersichtlich davon aus, dass die ASt. (lediglich) den tatsächlichen Wert des Grundstücks erstatten musste, nicht unabhängig davon den im Vergleich vom 30.8.2008 vereinbarten Betrag. Andernfalls hätte es keine Erwägungen zum Wert des Grundstücks angestellt. Hiervon muss auch das staatliche Gericht ausgehen. Im Übrigen hätte dann, wenn das Schiedsgericht den Wert des Grundstücks für unerheblich gehalten hätte, ein eventueller Gehörsverstoß bei der Feststellung dieses Werts keinerlei Auswirkungen.

[6]b) Die AGg. trägt nicht ausdrücklich vor, dass sie (s. Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ) ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht hätte geltend machen können. Sie behauptet allerdings, das Schiedsgericht habe das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) verletzt, weil es das von der ASt. vorgelegte Parteigutachten seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, ohne auf das von der AGg. eingebrachte Gutachten eingegangen zu sein. Nach diesem Gutachten hatte das Grundstück entweder wegen der auf ihm lastenden Rückauflassungsvormerkungen gar keinen Wert oder nur einen Wert von 4,4 Mio. €. Das Schiedsgericht hätte nach Meinung der AGg. entweder ein eigenes (schieds-)gerichtliches Gutachten einholen oder seine eigene Sachkunde zwingend darlegen müssen. Die AGg. sieht in dem Vorgehen des Schiedsgerichts einen Verstoß gegen vereinbartes Verfahrensrecht sowie Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ, in letzterer Hinsicht unter dem Gesichtspunkt des verfahrensrechtlichen internationalen ordre public, welcher tangiert ist, wenn von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in solchem Maße abgewichen wird, dass die Entscheidung nach der deutschen Rechtsordnung nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann (z.B. BGH, WM 2010, 1522 (IPRspr 2010-267); OLG Köln, SchiedsVZ 2005, 163 (IPRspr 2004-193); zum früheren Schiedsrecht etwa BGH, NJW 1978, 1114/1115 (IPRspr. 1977 Nr. 151)).

[7]c) Das Recht der AGg. auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt.

[8]Der in Art. 103 I GG zum Grundrecht erhobenen Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt für alle staatlichen Verfahren und ist auch im schiedsrichterlichen Verfahren zu beachten. Allerdings bleibt die nähere Ausgestaltung des rechtlichen Gehörs den jeweiligen Verfahrensordnungen überlassen, die im Umfang ihrer Gewährleistungen auch über das von Verfassung wegen garantierte Maß hinausgehen können. Deshalb ist nicht jeder Verstoß gegen verfahrensrechtliche Vorschriften zugleich eine Verletzung von Art. 103 I GG (etwa BVerfG, NJW 1998, 2273). Verletzungen von einfachgesetzlichen Verfahrensnormen sind vielmehr im Einzelfall daraufhin zu überprüfen, ob unter Berücksichtigung des Wirkungszusammenhangs aller einschlägigen Normen der betroffenen Verfahrensordnung durch sie das unabdingbare Mindestmaß des verfassungsrechtlich gewährleisteten rechtlichen Gehörs verletzt worden ist (BVerfG, NJW 1982, 1636). Der verfassungsrechtliche Grundsatz des Art. 103 I GG bleibt demnach (vgl. Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rz. 1300 m.w.N.) hinter den für den (deutschen) Zivilprozess speziell geltenden und einfachgesetzlich ausgeformten Anforderungen zurück. Im Gegensatz zu zivilprozessualen Vorschriften begründet er im Allgemeinen keine Hinweis-, Frage- und Aufklärungspflichten und fordert im Regelfall auch kein Rechtsgespräch mit den Beteiligten. Auch für das schiedsrichterliche Verfahren gilt aber, regelmäßig unabhängig von dem von den Parteien autonom festgelegten Verfahrensrecht (vgl. für das Inland § 1042 III ZPO), dass die Parteien einerseits Gelegenheit haben müssen, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt in tatsächlicher und auch rechtlicher Hinsicht zu äußern, und andererseits das Schiedsgericht die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis nehmen sowie tatsächlich in Erwägung ziehen muss (vgl. Lachmann aaO Rz. 1299). Zwar muss es nicht auf jedes Einzelargument der Parteien eingehen. Dem Schiedsgericht kann grunds. unterstellt werden, dass es den Parteivortrag wahrgenommen und auch geistig verarbeitet hat. Ergibt sich jedoch aus den Entscheidungsgründen klar, dass dies hins. eines nicht von der Hand zu weisenden, tatsächlich oder rechtlich im Vortrag der Parteien zentral wichtigen Punkts nicht der Fall ist, ist das rechtliche Gehör verletzt (vgl. Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anh. § 1061 Rz. 96). Das bedeutet grunds. auch, dass das Schiedsgericht Beweisangebote aufgreifen muss, wenn es sich um entscheidungserhebliche Tatsachen handelt. Angebotener Sachverständigenbeweis muss erhoben werden, wenn die Schiedsrichter nicht sachkundig sind. Aus dem Fehlen einer Begründung für die Ablehnung eines Beweisantrags lässt sich allerdings nicht auf einen Gehörsverstoß schließen, wenn das Schiedsgericht den Beweisantrag nicht völlig stillschweigend übergeht, sondern sich wenigstens kurz mit der Beweisfrage befasst (vgl. Stein-Jonas-Schlosser aaO Rz. 98). Nach diesen Grundsätzen hat das Schiedsgericht den Anspruch der AGg. auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt.

[9](1) Das von der AGg. vorgelegte Gutachten hält es für möglich, dass das Grundstück wegen Rückauflassungsvormerkungen keinen Wert hat. Hierbei handelt es sich von vornherein um keine Sachverständigenfrage. Es ist auch nicht ersichtlich, worin bei der Beurteilung dieser Frage durch das Schiedsgericht ein Gehörsverstoß liegen soll. Das Schiedsgericht hat für seine Meinung, dass von den Rückauflassungsvormerkungen kein Gebrauch gemacht worden wäre, eine – wenn auch kurze und aus dem öffentlich-rechtlichen Zweck der gemeindlichen Sicherung sich erschließende – Begründung gegeben, nämlich den Erhalt gewerblicher Flächen im Fall eines Verkaufs an Dritte. Wird dies bei einem Verkauf sichergestellt, ist die Geltendmachung der vormerkungsgesicherten Ansprüche nämlich unwahrscheinlich und in der Bewertung zu vernachlässigen.

[10](2) Ein Gehörsverstoß liegt auch nicht in der unterbliebenen Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens im Hinblick auf die bestehende Bewertungsdifferenz (4,4 bzw. 4,6 Mio. €  zu 7,6 Mio. €) zwischen beiden Gutachten. Das Schiedsgericht hat den Vortrag beider Parteien einschließlich, wie sich aus den Gründen des Schiedsspruchs ergibt, des durch die AGg. vorgelegten Privatgutachtens zur Kenntnis genommen. Soweit das Schiedsgericht, bezogen auf das von der Schiedsbeklagten vorgelegte Gutachten, einen Verkehrswert von 4,6 Mio. €  (statt richtig 4,4 Mio. €) erwähnt, erscheint dies als offenbare Unrichtigkeit. Das Schiedsgericht konnte sich ohne Verstoß gegen den deutschen ordre public zugunsten des Klägervortrags entscheiden.

[11]Zwar ist eine [sich] auf die Verwendung von Leerformeln beschränkende, nur scheinbar das Parteivorbringen würdigende Befassung oder die Ablehnung von Beweisangeboten auch als Weigerung des Gerichts anzusehen, in der nach Art. 103 I GG gebotenen Weise den Parteivortrag zur Kenntnis zu nehmen und sich mit ihm inhaltlich auseinander zu setzen, und daher dem kommentarlosen Übergehen des Parteivortrags gleichzustellen (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 1409). Ein solches kommentarloses Übergehen liegt aber nicht vor. Das Schiedsgericht hat sich vielmehr mit der Frage, welchem Gutachten zu folgen ist und welchen Wert das Grundstück hat, ersichtlich befasst. Die dabei herangezogenen Argumente stellen jedenfalls keine bloßen Leerformeln dar, sondern beruhen auf konkreten mit dem Grundbesitz im Zusammenhang stehenden Faktoren. Bestätigt wird dies letztlich auch dadurch, dass sich die AGg. im Vollstreckbarerklärungsverfahren ausführlich damit auseinandersetzt. Die Richtigkeit der verwendeten Indizienkette kann vom staatlichen Gericht nicht im Einzelnen überprüft werden. Es erscheint aber nicht von vornherein abwegig, etwa darauf abzustellen, in welcher Höhe ein Kreditinstitut als nicht in das Geschäft involvierter Dritter das Grundstück beliehen hat und welcher Kaufpreis tatsächlich erzielt wurde. Die Gewährung eines Darlehens in dieser Höhe ergibt sich aus dem Vertrag vom 28.8.2008 (6.2). Auch wenn der Erlös dann an P&C floss, war es für die Käuferin als deren Muttergesellschaft nicht gleichgültig, welchen Gegenwert sie erhielt.

[12](3) Ob der in der mündlichen Senatsverhandlung dezidiert vorgetragenen und mit Rspr. des BVerfG (etwa NJW 1996, 122 Rz. 26) und des BGH (etwa NJW 1993, 2382 Rz. 22) unterlegten Meinung der AGg., eine ‚sachunkundige’ Befassung komme einem kommentarlosen Übergehen von Parteivortrag gleich, zu folgen wäre, kann offen bleiben. Es kommt auch nicht entscheidungserheblich darauf an, ob dem Schiedsgericht objektiv die notwendige Sachkunde – ganz oder teilweise – fehlen müsste oder ob nur ein bewusstes Entscheiden über nur dem Sachverständigenbeweis zugängliche Fragen ohne Einholung eines Gutachtens ein Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs darstellt. Denn ein Fall ‚sachunkundiger’ Befassung liegt nicht vor.

[13]Beide Gutachten gehen übereinstimmend von derselben Bewertungsmethode (Ertragswertverfahren) aus, die auch die Schiedsparteien nicht in Frage gestellt hatten. Die Ausgangsbasis für die Bewertung war somit identisch, ohne dass sich das Schiedsgericht damit näher befassen musste. Aus der Sicht des Senats kommt es auch nicht darauf an, ob – was von der AGg. als notwendig angesehen wird, um ohne ‚Obergutachten’ entscheiden zu dürfen – das Schiedsgericht (oder zumindest eines seiner Mitglieder) selbst die notwendige Sachkunde hatte und selbst beurteilen konnte, welche Wertermittlungsmethode hier angebracht bzw. nach welcher Methode auch immer der Wert des Grundstücks zu ermitteln war. Maßgeblich ist vielmehr, dass das Schiedsgericht, ohne auf die einzelnen streitigen Fragen und Anknüpfungstatsachen einzugehen, vom Ergebnis der beiden Gutachten ausgehend anhand außerhalb liegender Indizien danach entschieden hat, welches Ergebnis die höhere Plausibilität beanspruchen konnte. Damit hat es sich auch nicht in Widerspruch zum von beiden Sachverständigen angewandten Ertragswertverfahren gesetzt. Deshalb hat das Schiedsgericht auch nicht ‚laienhaft’ seine Meinung an die Stelle derjenigen der Gutachter gesetzt oder gar eine ‚falsche’ Wertermittlungsmethode angewandt. Es hat vielmehr nach indiziellen Anhaltspunkten für den Wert des Grundstücks und für die Richtigkeit des Ergebnisses eines der beiden Gutachten gesucht. Die gefundenen Kriterien wurden auch nicht willkürlich ausgewählt. Ob sie zu einem in jeder Hinsicht ‚richtigen’ Ergebnis führten, ist wegen des Verbots der révision au fond (siehe etwa Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1042 Rz. 11a; § 1059 Rz. 47) unerheblich. Dabei spielt es auch keine Rolle, dass die vom Schiedsgericht herangezogenen Umstände in den Gutachten nicht angesprochen sind. Sich damit zu befassen war nicht Aufgabe der Sachverständigen und auch nicht notwendig, weil diese unabhängig davon nach einer wissenschaftlich anerkannten Methode den Wert des Grundstücks zu ermitteln hatten.

[14](4) Die von den Parteien zugrunde gelegte DIS-SGO berechtigte zu dieser Vorgehensweise. § 27.1 SGO verpflichtet das Schiedsgericht, den zugrunde liegenden Sachverhalt zu ermitteln. Wo es die Grenze seiner Ermittlungen sieht, unterliegt im Rahmen von § 24.1 SGO seinem Ermessen. Es kann Anordnungen treffen und ist an Beweisanträge ausdrücklich nicht gebunden (§ 27.1-3 SGO). Nach § 27.2-1 SGO kann das Schiedsgericht mangels abweichender Parteivereinbarung einen oder mehrere Sachverständige zur Erstattung eines Gutachtens über bestimmte Fragen bestellen, ohne aber dazu verfahrensmäßig verpflichtet zu sein, selbst wenn derartige Anträge gestellt sind (vgl. Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 8. Aufl., Kap. 57 Rz. 11). Das (internationale) Schiedsgericht ist insoweit h.M. nach (vgl. Schwab-Walter aaO Kap. 15 Rz. 8; Stein-Jonas-Schlosser aaO) freier gestellt als das staatliche Gericht. Es mag zwar Tendenzen geben, auch im internationalen Schiedsverfahren die Parteiherrschaft innerhalb der Beweisaufnahme zu stärken (siehe Lionnet, Parteiherrschaft im Schiedsgerichtsprozess bei der Beweisaufnahme: FS Glossner 1994, 209 Anm. 23); indessen wird auch im neuen Verfahrensrecht die Ermessensfreiheit schiedsrichterlicher Tatsachenfindung im Grundsatz aufrechterhalten (§ 1042 IV ZPO; vgl. dazu MünchKommZPO-Münch, 3. Aufl., § 1042 Rz. 109 f.). Jedenfalls unter der Herrschaft der DIS-SGO ist die Verfahrensweise des Schiedsgerichts zwischen amtswegiger Ermittlung und Parteienbindung klargestellt (s. MünchKommZPO-Münch aaO Rz. 110).

Fundstellen

LS und Gründe

SchiedsVZ, 2012, 43

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