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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 03.05.2011 – XI ZR 373/08, IPRspr 2011-301

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit
Vertragliche Schuldverhältnisse → Allgemeines Vertragsrecht

Leitsatz

Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bemessen sich im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen IPR. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

EGBGB Art. 27; EGBGB Art. 27 ff.; EGBGB Art. 29; EGBGB Art. 38 ff.; EGBGB Art. 40; EGBGB Art. 41; EGBGB Art. 42
UNÜ Art. I; UNÜ Art. II; UNÜ Art. VII
ZPO § 32; ZPO § 1031; ZPO § 1032

Sachverhalt

[Mit gleichem Datum erging unter dem Az. XI ZR 374/08 eine Parallelentscheidung.]


Der Kl., ein Deutscher mit Wohnsitz in Deutschland, verlangt von der Bekl., einem US-amerikanischen Brokerunternehmen mit Sitz in C., Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Aktienoptionsgeschäften. Die G. GmbH (nachfolgend G.) mit Sitz in K. warb den Kl. für über die Bekl. abzuschließende Optionsgeschäfte und übersandte ihm deren Vertragsunterlagen sowie Informationsmaterial. Der Kl. und G. schlossen einen Vermittlungsvertrag und einen formularmäßigen Schiedsvertrag. Ferner schloss der Kl. mit der Bekl. ein „Cash and Margin Agreement“, das in Nr. 20 die Geltung des Rechts des Staats New York vorsieht und in Nr. 29 ebenfalls eine Schiedsvereinbarung enthält. G. eröffnete zur Durchführung der Geschäfte bei der Bekl. ein Einzelkonto für den Kl. Dieser macht mit der Klage Verluste geltend, die im Zuge der von G. vermittelten Aufträge eingetreten sind.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Bekl. ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung stand, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

[2]1. Das Berufungsgericht ist zu Recht von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen.

[3]a) Es hat entgegen der Auffassung der Revision die – auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende (BGH, Urteile vom 28.11.2002 – III ZR 102/02 (IPRspr. 2002 Nr. 157), BGHZ 153, 82, 84 ff., vom 9.7.2009 – Xa ZR 19/08 (IPRspr 2009-28), BGHZ 182, 24 Rz. 9, vom 9.3.2010 – XI ZR 93/09 (IPRspr 2010-49b), BGHZ 184, 365 Rz. 17 und vom 23.3.2010 – VI ZR 57/09 (IPRspr 2010-48b), WM 2010, 928 Rz. 8, jeweils m.w.N.) – internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage rechtsfehlerfrei bejaht. Nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag des Kl. ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß der hier anwendbaren Regelung des § 32 ZPO gegeben, weil der Haupttäter, dem die Bekl. Beihilfe geleistet haben soll, in Deutschland gehandelt hat (vgl. Senatsurteile vom 9.3.2010 aaO Rz. 18 f., vom 8.6.2010 – XI ZR 349/08 (IPRspr 2010-304), WM 2010, 2025 Rz. 17 und XI ZR 41/09 (IPRspr 2010-210b), WM 2010, 2032 Rz. 17) ...

[4]c) Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht die in Nr. 29 des ‚Cash and Margin Agreements’ enthaltene Schiedsklausel entgegen. Diese ist entgegen der Auffassung der Revision formungültig.

[5]aa) Die Schiedsklausel erfüllt nicht die in Art. II UNÜ vorgeschriebene Form, die auch in der hier geb. Einredesituation des § 1032 I ZPO gewahrt sein muss, wenn die Schiedsabrede – wie hier – zu einem ausländischen Schiedsspruch im Sinne von Art. I Abs. 1 UNÜ führen kann (vgl. XI ZR 41/09 aaO Rz. 19 m.w.N.).

[6](1) Art. II Abs. 1 UNÜ fordert eine schriftliche Vereinbarung. Darunter ist nach Art. II Abs. 2 UNÜ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben. Beides ist hier nicht der Fall.

[7](2) Die erste Schriftformalternative ist nicht erfüllt, weil das ‚Cash and Margin Agreement’ nur vom Kl. unterzeichnet worden ist und damit nicht das beiderseitige Schriftformerfordernis wahrt (vgl. XI ZR 41/09 aaO Rz. 21 m.w.N.). Die unter der Überschrift ‚For Internal Use Only’ angebrachten Unterschriften von Mitarbeitern der Bekl. rechtfertigen, wie bereits das LG rechtsfehlerfrei angenommen hat, keine andere Beurteilung. Sie dienen nur internen Zwecken und dokumentieren nicht den Willen der Bekl., mit dem Kl. das ‚Cash and Margin Agreement’ einschl. der darin enthaltenen Schiedsklausel abzuschließen.

[8]Ein Schriftwechsel im Sinne des Art. II Abs. 2 Alt. 2 UNÜ liegt zwischen den Parteien schon deswegen nicht vor, weil nach den rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts dem Kl. die zur Durchführung der Optionsgeschäfte erforderlichen Vertragsunterlagen von G. – und nicht von der Bekl. – übersandt worden sind. Anderes zeigt die Revision nicht auf.

[9]bb) Der Kl. verhält sich nicht widersprüchlich, indem er sich auf die Formungültigkeit der Schiedsklausel beruft. Dabei kann dahinstehen, ob das Verbot widersprüchlichen Verhaltens dem UNÜ inhärent ist und es danach einer Partei, die eine Schiedsvereinbarung unterschrieben hat, verwehrt sein kann, unter Hinweis darauf, dass der die Schiedseinrede erhebende Vertragspartner sie selbst nicht unterschrieben hat, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung geltend zu machen (vgl. XI ZR 41/09 aaO Rz. 22 m.w.N.). Denn dem Kl. kann schon deswegen kein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen werden, weil die Bekl. sich ihrerseits widersprüchlich verhalten hat. Sie stützt ihre Schiedseinrede auf zwei verschiedene Schiedsvereinbarungen, die Schiedsverfahren vor verschiedenen Schiedsgerichten nach verschiedenen Verfahrensordnungen vorsehen.

[10]cc) Die Schiedsklausel genügt auch nicht den Formvorschriften des nationalen Rechts, deren Anwendung über den Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII UNÜ) eröffnet ist.

[11](1) Dabei kann dahinstehen, ob der Meistbegünstigungsgrundsatz so verstanden werden könnte, dass er – unter Durchbrechung einer Rückverweisung nationalen Rechts auf das UNÜ – unmittelbar auf im Vergleich zu Art. II UNÜ zurückhaltendere nationale Formvorschriften der lex fori verweist (vgl. dazu BGH, Beschl. vom 21.9.2005 – III ZB 18/05 (IPRspr 2005-187), WM 2005, 2201, 2203 m.w.N.). Denn die Formalien des danach berufenen § 1031 V ZPO sind nicht erfüllt, da insoweit keine geringeren Anforderungen gelten als nach Art. II UNÜ (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1031 Rz. 5).

[12]§ 1031 V ZPO ist anwendbar, weil der Kl. als Verbraucher anzusehen ist. Das Berufungsgericht hat hierzu zwar keine ausdrückliche Feststellung getroffen. Es hat aber auf das landgerichtliche Urteil verwiesen, das festgestellt hat, dass der Vertrag zwischen den Parteien nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Kl., sondern ausschließlich seiner privaten Vermögensanlage zuzurechnen und der Kl. deshalb als Verbraucher anzusehen ist. Auch im Berufungsverfahren ist die Verbrauchereigenschaft des Kl. zwischen den Parteien unstreitig geblieben. Die Bekl. hat die dahingehende Behauptung des Kl. nicht bestritten, sondern lediglich geltend gemacht, das US-Recht enthalte, auch für Verbraucherverträge, liberalere Formvorschriften.

[13](2) Auch Formvorschriften des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts, das – ebenso wie die zu seiner Ermittlung berufenen nationalen Kollisionsregeln – von der über den Meistbegünstigungsgrundsatz gebotenen Anwendung schiedsfreundlicheren nationalen Rechts umfasst wird (BGH, Beschl. vom 21.9.2005 aaO), sind nicht eingehalten.

[14]Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bemessen sich im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen IPR (BGH, Urt. vom 28.11.1963 – VII ZR 112/62 (IPRspr. 1962–1963 Nr. 213), BGHZ 40, 320, 322 f.). Die danach im Streitfall zeitlich noch anwendbaren Art. 27 ff. EGBGB a.F. (BGH, Beschl. vom 21.9.2005 aaO) führen aufgrund der Rechtswahl in Nr. 20 des ‚Cash and Margin Agreements’, die mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch für die darin enthaltene Schiedsklausel gilt (vgl. BGH, Urteile vom 28.11.1963 aaO und vom 12.2.1976 – III ZR 42/74 (IPRspr. 1976 Nr. 188), WM 1976, 435, 437; Kröll, NJW 2007, 743, 749 m.w.N.), grunds. zur Geltung des Rechts des Staats New York (Art. 27 I EGBGB a.F.). Die zu wahrende Form richtet sich aber, da ein Verbrauchervertrag vorliegt, gemäß Art. 29 I Nrn. 1 und 2, III 2 EGBGB a.F., nach dem Recht des Staats, in dem der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, d.h. nach deutschem Recht. Die Form des § 1031 V ZPO ist aber, wie dargelegt, nicht gewahrt. Art. 29 EGBGB a.F. ist nicht durch Art. 29 IV 1 Nr. 2 EGBGB a.F. ausgeschlossen, weil die Bekl. nach dem maßgeblichen Vertragsinhalt Geldleistungen, d.h. etwaige Gewinne, in den gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Kl. zu übermitteln hatte (vgl. Senatsurteile vom 8.6.2010 aaO Rz. 36 m.w.N. und vom 25.1.2011 – XI ZR 100/09 (IPRspr 2011-295), WM 2011, 645 Rz. 28).

[15]2. Auch die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage als begründet angesehen hat, hält rechtlicher Überprüfung stand.

[16]a) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt (Senatsurteile vom 9.3.2010 aaO 29 ff., XI ZR 41/09 aaO Rz. 31 und vom 8.6.2010 aaO Rz. 44 f.). Die Bekl. hat entscheidende Teilnahmehandlungen in Deutschland vorgenommen (Art. 40 I 1 EGBGB), indem sie hier ihr Vertragsformular über G. dem Kl. hat vorlegen und von ihm unterschreiben lassen. Dabei handelte es sich nicht lediglich um eine Vorbereitungshandlung, sondern um einen unverzichtbaren Tatbeitrag, ohne den der Kl. seine Anlagebeträge nicht aus Deutschland auf das bei der Bekl. eröffnete Konto überwiesen hätte. Darüber hinaus ist in Fällen der vorliegenden Art auch nach Art. 41 I EGBGB deutsches Recht anzuwenden, weil die den Sachverhalt wesentlich prägende Handlung in Deutschland stattgefunden hat (vgl. Senatsurteile vom 9.3.2010 aaO, vom 8.6.2010 aaO Rz. 44 f., vom 13.7.2010 – XI ZR 57/08, BKR 2010, 421 Rz. 35 und vom 12.10.2010 – XI ZR 394/08 (Siehe hierzu Hinweis IPRspr. 2010 Nr. 228), WM 2010, 2214 Rz. 38).

[17]Die in Nr. 20 des ‚Cash and Margin Agreements’ getroffene Rechtswahl führt zu keinem anderen Ergebnis. Art. 42 Satz 1 EGBGB schließt für Ansprüche aus unerlaubter Handlung eine Rechtswahl vor Eintritt des Ereignisses, durch das ein außervertragliches Schuldverhältnis entstanden ist, aus, ohne selbst ein Recht für anwendbar zu erklären. Das anzuwendende Recht ergibt sich aus Art. 38 bis 41 EGBGB, die, wie dargelegt, entgegen der Auffassung der Revision zur Anwendbarkeit deutschen Deliktsrechts führen.

Fundstellen

nur Leitsatz

DB, 2011, 1861
MDR, 2011, 1090
ZBB, 2011, 472

LS und Gründe

NJW-RR, 2011, 1350
WM, 2011, 1465
RIW, 2012, 81

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2011-301

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