Das Zustandekommen und die Wirksamkeit einer in einem Vertrag zur Besorgung von Termingeschäften enthaltenen Schiedsvereinbarung, für die selbst keine Rechtswahl getroffen wurde, richten sich nach dem Sachrecht des Staats, in dem der Anleger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Schiedsklausel in einem Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 29 EGBGB alter Fassung enthalten ist. [LS der Redaktion]
[Sieben Parallelentscheidungen ergingen am 25.1.2011 unter den Az. XI ZR 185/08, XI ZR 196/08, XI ZR 350/08, XI ZR 351/08, XI ZR 104/09, XI ZR 105/09 und XI ZR 106/09.]
Die Kl., deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Deutschland, verlangen von der Bekl., einem Brokerhaus mit Sitz im US-Bundesstaat N., Schadensersatz wegen Verlusten im Zusammenhang mit Terminoptionsgeschäften an US-amerikanischen Börsen. Die Kl. schlossen nach vorausgegangener Werbung mit der in Deutschland ansässigen B. jeweils einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Besorgung und Vermittlung von Termingeschäften. Darin verpflichtete sich B., deren Einschaltung der Bekl. bekannt war, u.a. zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos bei der Bekl. Im Zusammenhang mit dem Abschluss des jeweiligen Geschäftsbesorgungsvertrags unterzeichneten die Kl. ein englischsprachiges Vertragsformular der Bekl. (Option Agreement and Approval Form), das in Nr. 15 seiner AGB auch eine Schiedsklausel enthält. Damit einhergehend eröffnete die Bekl. auf Weisung von B. für die Kl. jeweils ein Transaktionskonto. Die Bekl. übersandte in der Folgezeit turnusmäßig an die Kl. Kontoauszüge, denen sie alle drei Monate ein englischsprachiges Merkblatt (Terms and Conditions) beifügte, das eine vom Vertragsformular abweichende Schiedsklausel mit dem auf diese bezogenen Hinweis der Maßgeblichkeit New Yorker Rechts enthielt.
Das LG hat die Klagen abgewiesen. Auf die hiergegen gerichteten Berufungen der Kl. hat das Berufungsgericht den Klagen teilweise stattgegeben. Mit der – vom Berufungsgericht zugelassenen – Revision begehrt die Bekl. die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
[1]Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ...
[2]II. ... 1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Klagen ausgegangen.
[3]a) Das Berufungsgericht hat zutreffend die – auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende – internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Klage bejaht. Nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag der Kl. ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß der hier anwendbaren Regelung des § 32 ZPO gegeben (vgl. Senatsurteile vom 9.3.2010 – XI ZR 93/09 (IPRspr 2010-49b), BGHZ 184, 365 Rz. 18 f., vom 8.6.2010 – XI ZR 349/08 (IPRspr 2010-304), WM 2010, 2025 Rz. 17 und – XI ZR 41/09 (IPRspr 2010-210b), WM 2010, 2032 Rz. 17).
[4]b) Der Geltendmachung eines Anspruchs wegen Beihilfe zu einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung steht auch die durch die Bekl. erhobene Einrede des Schiedsvertrages nicht entgegen ...
[5]bb) Im Verhältnis zum Kl. zu 3), auf dessen im Juni 2002 begründetes Rechtsverhältnis zur Bekl. der am 1.7.2002 in Kraft getretene § 37h WpHG noch keine Anwendung findet, ist die Schiedsklausel unwirksam, weil sie formungültig ist.
[6](1) Wie der Senat bereits zu einer vergleichbaren von der Bekl. verwendeten Schiedsklausel entschieden und im Einzelnen begründet hat, wahrt sie die Schriftform des Art. II UNÜ nicht (vgl. Senatsurteile vom 8.6.2010 aaO Rz. 25 ff. und aaO Rz. 19 ff., jeweils m.w.N.).
[7](2) Schließlich genügt die Schiedsklausel auch nicht den Formvorschriften des deutschen Rechts (§ 1031 V ZPO), dessen Anwendung hier über den Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII UNÜ) eröffnet ist.Zustandekommen und Wirksamkeit einer Schiedsvereinbarung bemessen sich n. st. Rspr. des BGH im Kollisionsfall nach den Regeln des deutschen IPR (BGH, Urteile vom 28.11.1963 – VII ZR 112/62 (IPRspr. 1962–1963 Nr. 213), BGHZ 40, 320, 322 f.; vom 29.2.1968 – VII ZR 102/65 (IPRspr. 1968–1969 Nr. 199), BGHZ 49, 384, 386; Senatsurteile vom 8.6.2010 aaO Rz. 30 und aaO Rz. 26). Die danach im Streitfall zeitlich noch anwendbaren Art. 27 ff. EGBGB a.F. (vgl. BGH, Beschl. vom 21.9.2005 – III ZB 18/05 (IPRspr 2005-187), WM 2005, 2201, 2203) führen in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem für die Schiedsvereinbarung selbst keine Rechtswahl getroffen ist, zur Geltung des Sachrechts des Staats, in dem der Anleger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn die Schiedsklauseln in Verbraucherverträgen im Sinne von Art. 29 EGBGB a.F. enthalten sind (vgl. Senatsurteile vom 8.6.2010 aaO Rz. 35 und aaO Rz. 29).Danach ist deutsches Recht anzuwenden, da der Kl. zu 3) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und es sich bei dem Kontoführungsvertrag, in dem die Schiedsklausel enthalten ist, um einen Verbrauchervertrag handelt. Der Kl. zu 3) hat ausdrücklich vorgetragen, dass er die streitgegenständlichen Geschäfte zu privaten Zwecken und damit als Verbraucher getätigt habe. Demgegenüber hat die in der Einredesituation für das wirksame Zustandekommen der Schiedsvereinbarung darlegungs- und beweispflichtige Bekl. (vgl. Senatsurteil vom 9.3.2010 aaO Rz. 22) keine der Verbrauchereigenschaft des Kl. zu 3) entgegenstehenden Umstände dargelegt. Der allgemeine Hinweis auf eine ‚selbständige’ Tätigkeit des Kl. zu 3) und seine daraus folgende Kaufmannseigenschaft stehen einer Verbrauchereigenschaft schon deswegen nicht entgegen, weil Bank- und Börsengeschäfte, die der Pflege des eigenen Vermögens dienen, grunds. nicht als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit gelten (vgl. Senatsurteile vom 23.10.2001 – XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80, 86 und vom 8.6.2010 aaO Rz. 34; OLG Frankfurt, WM 2009, 718, 719 (IPRspr 2008-138); Reithmann-Martiny-Mankowski, Internationales Vertragsrecht, 7. Aufl., Rz. 2351; Staudinger-Magnus, BGB [2002], Art. 29 EGBGB Rz. 33).
[8]Art. 29 (I bis III) EGBGB a.F. ist vorliegend nicht durch Art. 29 IV 1 Nr. 2 EGBGB a.F. ausgeschlossen. Die Bekl. hatte nach dem maßgeblichen Vertragsinhalt Geldleistungen – etwaige Gewinne bzw. bei Vertragsende auf dem Transaktionskonto vorhandene Anlagegelder – in den gewöhnlichen Aufenthaltsstaat der Anleger zu übermitteln, sodass es sich bei dem Kontoführungsvertrag nicht um einen ganz in einem anderen Staat als dem gewöhnlichen Aufenthaltsstaat der Kl. abzuwickelnden Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 29 IV 1 Nr. 2 EGBGB a.F. handelte (vgl. Senatsurteil vom 8.6.2010 aaO Rz. 36 m.w.N.).
[9]Da Verträge deutscher Verbraucher vorliegen, sind aufgrund der besonderen Kollisionsnorm des Art. 29 III 2 EGBGB a.F. (vgl. dazu Prütting-Wegen-Weinreich-Remien, BGB, 5. Aufl., ex Art. 29 EGBGB Rz. 24 m.w.N.), die Formvorschriften des deutschen Rechts maßgeblich. Die Voraussetzungen der danach auf Schiedsabreden anwendbaren strengen – den Verbraucherschutz betonenden – Formvorschrift des § 1031 V ZPO sind nicht erfüllt. Die Urkunden, in der sich die Schiedsabreden befinden, enthalten auch andere Vereinbarungen, die sich nicht auf das schiedsgerichtliche Verfahren beziehen, und sind auch nicht eigenhändig von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden ...
[10]III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO) ...
[11]2. ... a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt hat (vgl. Senatsurteile vom 9.3.2010 aaO Rz. 29 ff., vom 8.6.2010 aaO Rz. 44 f. und aaO Rz. 31, vom 13.7.2010 – XI ZR 57/08, ZIP 2010, 2004 Rz. 35 und XI ZR 28/09 (IPRspr 2010-228), WM 2010, 1590 Rz. 37 und vom 12.10.2010 – XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rz. 38, jeweils m.w.N.).