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Verfahrensgang

BGH, Beschl. vom 21.09.2005 – III ZB 18/05, IPRspr 2005-187

Rechtsgebiete

Schiedsgerichtsbarkeit
Anerkennung und Vollstreckung → Vermögensrechtliche Angelegenheiten

Leitsatz

Die durch den Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII Abs. 1 UNÜ gebotene Anwendung schiedsfreundlicheren nationalen Rechts umfasst die Bestimmungen zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen (§§ 1025 ff. ZPO) und die (nationalen) Kollisionsregeln sowie das danach als Statut der Schiedsvereinbarung berufene nationale Recht.

Unterliegt die Schiedsvereinbarung nach dem durch den Lex-fori-Grundsatz bestimmten internationalen Privatrecht des Exequaturstaats einem nationalen Recht, das liberalere Formvorschriften hat als diejenigen des Art. II Abs. 1 und 2 UNÜ, ist dieses anerkennungsfreundlichere nationale Recht gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ maßgeblich.

Rechtsnormen

EGBGB Art. 11; EGBGB Art. 28
UNÜ Art. II; UNÜ Art. V; UNÜ Art. VII
ZPO § 574; ZPO § 577; ZPO § 1025; ZPO §§ 1025 ff.; ZPO § 1031; ZPO § 1061; ZPO §§ 1061 ff.; ZPO § 1062; ZPO § 1065

Sachverhalt

Die ASt. beansprucht von der AGg. restliche Vergütung für die Erledigung von Baggerarbeiten. Sie erhob deshalb Schiedsklage gegen die AGg. vor der Schiedskommission „Allgemeine Geschäftsbedingungen für E.-Betriebe“ in W./Niederlande. Die AGg. rügte die Zuständigkeit dieses Schiedsgerichts.

Durch Schiedsspruch („Arbitraal vonnis“) vom 17.12.2003 hat das Schiedsgericht die AGg. verurteilt, an die ASt. 34 387,83 Euro nebst Zinsen und Kosten zu zahlen. Das OLG lehnte die Anerkennung des Schiedsspruchs im Inland ab. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die ASt. ihr Begehren der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs mit Erfolg weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die gemäß § 574 I 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 1025 IV, 1065 I 1, 1062 I Nr. 4 Alt. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 574 II Nr. 1 ZPO).

[2]Die Rechtsbeschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG (§ 577 IV 1 ZPO).

[3]1. Das OLG hat im Wesentlichen ausgeführt:

[4]Die Vollstreckbarerklärung nach dem UNÜ sei zu versagen, weil die Entscheidung des Schiedsgerichts nicht durch eine ‚schriftliche Vereinbarung’ im Sinne der Art. V Abs. 1 lit. a, II Abs. 2 UNÜ legitimiert gewesen sei. Die Parteien hätten die zu erbringenden Leistungen mündlich vereinbart. Zwar habe sich auf den Rechnungen der ASt. ein Hinweis auf AGB befunden, die eine Schiedsklausel enthalten hätten. Das habe aber mangels gesonderten Hinweises auf die Schiedsklausel der von Art. II Abs. 2 UNÜ geforderten Schriftform nicht genügt.

[5]Dem UNÜ könne nationales, hier also deutsches, Recht vorgehen, soweit es der Vollstreckbarkeitserklärung günstiger sei. Es gebe aber keinen Schiedsvertrag, der den Anforderungen des § 1031 I bis III ZPO entspreche.

[6]2. Die Begründung des OLG hält in einem entscheidenden Punkt der rechtlichen Prüfung nicht stand. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Parteien eine formwirksame Schiedsvereinbarung geschlossen haben und damit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs stattzugeben ist.

[7]a) Die Rechtsbeschwerde nimmt hin, dass das OLG die Formerfordernisse, die Art. II UNÜ an eine Schiedsvereinbarung stellt, im Streitfall nicht für erfüllt angesehen und deshalb die Anerkennung des Schiedsspruchs nach dem UNÜ versagt hat. Dagegen ist auch nichts zu erinnern.

[8]Art. II Abs. 1 UNÜ fordert eine schriftliche Vereinbarung. Darunter ist gemäß Art. II Abs. 2 UNÜ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder in Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben. Hier hatten die Parteien indes lediglich mündliche Abreden über die Beauftragung der ASt. mit Baggerarbeiten getroffen. Der Verweis auf die in AGB niedergelegte Schiedsklausel befand sich allein auf Rechnungen, die die ASt. der AGg. übersandte, mithin nicht in gewechselten Schriftstücken.

[9]b) Die Rechtsbeschwerde meint, nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz, Art. VII Abs. 1 UNÜ, sei der Rückgriff auf nationales Recht erlaubt. Die Formerfordernisse des danach maßgeblichen § 1031 ZPO seien entgegen der Auffassung des OLG erfüllt. Dem ist nicht beizutreten.

[10]aa) An dieser Stelle mag – was noch zu erörtern sein wird – mit der Rechtsbeschwerde davon ausgegangen werden, dass Art. VII Abs. 1 UNÜ die Anwendung des § 1031 ZPO gestattet. Die Vorschrift kann der Rechtsbeschwerde aber nicht zum Erfolg verhelfen; denn die dort niedergelegten Formalien einer Schiedsvereinbarung sind ebenfalls nicht eingehalten.

[11]bb) Die Schiedsvereinbarung war weder in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument (§ 1031 I Alt. 1 ZPO) noch in nicht notwendigerweise unterschriebenen gewechselten Dokumenten oder anderen Formen der Nachrichtenübermittlung (§ 1031 I Alt. 2 ZPO) enthalten. Lediglich die einseitig von der ASt. der AGg. übermittelten Rechnungen enthielten einen Verweis auf AGB, die u.a. ein Schiedsverfahren vorsahen.

[12]Die Rechnungen können auch nicht als kaufmännische Bestätigungsschreiben aufgefasst werden, die gemäß § 1031 II Alt. 1 i.V.m. III ZPO wirksam auf die AGB-mäßige Schiedsklausel Bezug genommen hätten. Die Rechnungen waren ebenso wenig wie die von der Rechtsbeschwerde in den Rechnungen gesehenen Auftragsbestätigungen dazu bestimmt, den Vertragsschluss und den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen verbindlich festzulegen; mit ihnen sollten erkennbar lediglich die von der ASt. erbrachten Werkleistungen gegenüber der AGg. abgerechnet werden.

[13]c) Auf einem anderen Wege könnte aber der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII Abs. 1 UNÜ) zur Anerkennung der Schiedsvereinbarung und damit des Schiedsspruchs führen:

[14]aa) Das UNÜ lässt die Anwendung nationalen Rechts zu, soweit es der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs günstiger ist (Art. VII Abs. 1 UNÜ). Das deutsche Gericht ist deshalb befugt, auch ohne dass sich die Parteien darauf berufen, auf das anerkennungsfreundlichere innerstaatliche Recht in toto zurückzugreifen; denn es hat das Recht völkerrechtliche Verträge ebenso wie (originär-)nationales Recht von Amts wegen zu beachten (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 25.9.2003 – III ZB 68/02 (IPRspr. 2003 Nr. 203), SchiedsVZ 2003, 281, 282 m.w.N.).

[15]bb) Nach dem vorbeschriebenen Meistbegünstigungsgrundsatz wäre mithin – sofern schiedsfreundlicher – das deutsche Recht, d.h. die Vorschriften der ZPO zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (§§ 1025 IV, 1061 ff. ZPO) anwendbar. Dort wird aber (vgl. § 1061 I 1 ZPO) abgesehen von wenigen eigenständigen Regelungen (vgl. Musielak-Voit, ZPO, 4. Aufl., § 1061 Rz. 11) das UNÜ in Bezug genommen (dessen formfordernder Art. II Abs. 1 und 2 wie dargelegt hier nicht genügt worden ist). Weitgehend wird zwar der Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII Abs. 1 UNÜ) dahin verstanden, dass er unter Durchbrechung der Rückverweisung des nationalen Rechts auf das UNÜ die Anwendung von im Vergleich zu Art. II Abs. 2 UNÜ zurückhaltenderen nationalen Formvorschriften, wie die des § 1031 ZPO, erlaubt (vgl. Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anh. § 1061 Rz. 159; so wohl auch Schwab-Walter-Baumbach, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 44 Rz. 12 f., jeweils m.w.N.; MünchKommZPO-Gottwald, 2. Aufl., Art. II UNÜ Rz. 13 [bb]; a.A. Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1061 Rz. 2; Musielak-Voit aaO § 1061 Rz. 14 und § 1031 Rz. 18 sowie MünchKommZPO-Münch aaO § 1061 Rz. 6 unter Hinweis [N. 27] auf Moller, NZG 1999, 143, 145, 146). Für ein solches anerkennungsfreundlicheres Verständnis des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht viel. Das kann jedoch dahinstehen; die Formerfordernisse des danach ggf. berufenen § 1031 ZPO sind hier nicht erfüllt (siehe oben II. 2. b, bb).

[16]cc) Die durch den Meistbegünstigungsgrundsatz gebotene Anwendung schiedsfreundlicheren nationalen Rechts gilt allerdings nicht nur für die Bestimmungen zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen (§§ 1025 ff. ZPO); sie umfasst – was das OLG nicht berücksichtigt hat – ferner die (nationalen) Kollisionsregeln und das danach als Statut der Schiedsvereinbarung berufene nationale Recht. Unterliegt die Schiedsvereinbarung nach dem durch den Lex-fori-Grundsatz bestimmten IPR des Exequaturstaats einem nationalen Recht, das liberalere Formvorschriften hat als diejenigen des Art. II Abs. 1 und 2 UNÜ, ist dieses anerkennungsfreundlichere nationale Recht gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ maßgeblich (vgl. Stein-Jonas-Schlosser aaO § 1031 Rz. 24; Schwab-Walter aaO). So könnte der Streitfall liegen, was im Verfahren der Rechtsbeschwerde indes nicht abschließend entschieden werden kann.

[17]Kollisionsrecht ist hier das (deutsche) EGBGB als lex fori. Danach kommt es für das Recht, dem die Schiedsvereinbarung unterliegt – und dessen Form regiert (vgl. Art. 11 I Alt. 1 EGBGB) – auf die Parteivereinbarung an (vgl. BGHZ 40, 320, 322 ff. (IPRspr. 1962–1963 Nr. 213); <Senat> 71, 131, 137 (IPRspr. 1978 Nr. 187); BGH, Urteil vom 25.5.1970 – VII ZR 157/68 (IPRspr. 1970 Nr. 133), AWD 1970, 417, 418; Schwab-Walter aaO Kap. 43 Rz. 5 ff. und Kap. 44 Rz. 17; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufl., Rz. 253 m.w.N.). Diesbezüglich hat die ASt. vorgetragen, die Parteien hätten, was gemäß Art. 28 II EGBGB zu vermuten sei, den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag über Baggerleistungen und die Schiedsvereinbarung niederländischem Recht unterstellt. Nach der somit maßgeblichen niederländischen Rechtsprechung sei für die Einbeziehung der die Schiedsklausel enthaltenden AGB ausreichend, wenn bei langjährigen Geschäftsbeziehungen wie geschehen ein entsprechender Hinweis auf die Rechnungen oder auf dem Briefpapier erfolge (vgl. auch Schlosser aaO Rz. 380 und 382 [zum EuGVÜ] zur Lehre von der ‚facture acceptée’).

[18]Das OLG hat diesen Punkt nicht geklärt. Es lässt sich im Rahmen der rechtlichen Prüfung deshalb nicht ausschließen, dass die Formgültigkeit der Schiedsvereinbarung nach dem weniger strengen niederländischen Recht zu beurteilen ist und dies zur Anerkennung der Schiedsvereinbarung als formwirksam führt. Nach den Feststellungen des OLG kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Vollstreckbarerklärung ein sonstiges Hindernis entgegensteht.

Fundstellen

LS und Gründe

Europ. Leg. Forum, 2005, I-234 (II-154)
IHR, 2005, 261
NJW, 2005, 3499
WM, 2005, 2201
InVo, 2006, 161
IPRax, 2006, 266

Aufsatz

Geimer, IPRax, 2006, 233 A

nur Leitsatz

LMK, 2006, 42, mit Anm. Geimer

Bericht

Kröll, SchiedsVZ, 2007, 145

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2005-187

Lizenz

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