PDF-Version

Verfahrensgang

BGH, Beschl. vom 03.08.2011 – XII ZB 187/10, IPRspr 2011-270

Rechtsgebiete

Anerkennung und Vollstreckung → Unterhaltssachen

Leitsatz

Art. 34 Nr. 2 EuGVO stellt nicht auf die formal ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach Art. 8 EuZVO 2000, sondern auf die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte ab. Diese gelten als gewahrt, wenn der Beklagte Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt hat und deswegen seine Rechte geltend machen konnte.

Im Hinblick auf den Zweck des Art. 34 Nr. 2 EuGVO, das rechtliche Gehör des Beklagten zu gewährleisten, gilt als Einlassung im Sinne der Vorschrift jedes Verhandeln, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangt und die Möglichkeit der Verteidigung gegen den Angriff des Klägers erhalten hat, es sei denn, sein Vorbringen beschränkt sich darauf, den Fortgang des Verfahrens zu rügen, weil das Gericht unzuständig sei oder weil die Zustellung nicht so erfolgt sei, dass er sich verteidigen könne. Ein Beklagter, der sich auf das Verfahren eingelassen hat, kann sich zumindest dann nicht mehr auf das Vollstreckungshindernis berufen, wenn er Gelegenheit zur Verteidigung erhalten hat.

Grundsätzlich ist die Rüge eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public dann ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner des Vollstreckbarkeitsverfahrens im Erkenntnisverfahren nicht alle nach dem Recht des Ursprungsstaats statthaften, zulässigen und zumutbaren Rechtsmittel ausgeschöpft hat. Weil dadurch die Rechtsposition des Beklagten nicht unerheblich eingeschränkt wird, setzt dies voraus, dass der Beklagte nicht nur von der Existenz eines Urteils, sondern auch von dessen genauem Inhalt Kenntnis erlangt hat.

Rechtsnormen

AUG § 20; AUG § 77
AVAG § 15
EUGVVO 44/2001 Art. 34; EUGVVO 44/2001 Art. 34 f.; EUGVVO 44/2001 Art. 42; EUGVVO 44/2001 Art. 44; EUGVVO 44/2001 Art. 45
EuGVÜ Art. 27
EuUntVO 4/2009 Art. 75; EuUntVO 4/2009 Art. 76
EuZVO 1348/2000 Art. 8
EuZVO 1393/2007 Art. 8; EuZVO 1393/2007 Art. 26
ZPO § 180; ZPO § 574
ZVGB 1964 (Polen) Art. 367; ZVGB 1964 (Polen) Art. 1135

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Vollstreckbarkeit der Unterhaltspflicht des AGg. aus einem Urteil des poln. Amtsgerichts S. Der ASt. lebt bei seiner Mutter in Polen. Die Klageschrift in dem poln. Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft, Zahlung von Kindesunterhalt und weiterer, mit der Vaterschaft verbundener Ansprüche wurde dem AGg. am 7.12.2007 auf der Grundlage der EuZVO 2000 an seinem Wohnort in Deutschland zugestellt. Mit Zustellung der Klageschrift wurde dem AGg. ein Formular nach Art. 8 EuZVO 2000 ausgehändigt, wonach er die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer in dieser Vorschrift genannten Sprache, also der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst ist. Noch am gleichen Tag erschien der AGg. bei der dt. Empfangsstelle und gab die zugestellten Unterlagen mit dem Bemerken zurück, er habe mit dieser Sache nichts zu tun und er kenne weder das Kind noch die Mutter. Unter Hinweis auf die verweigerte Entgegennahme der Klageschrift sandte das dt. AG das Ersuchen an das poln. Amtsgericht zurück. Mit Urteil vom 26.11.2008 wurde die Vaterschaft festgestellt und der AGg. verurteilt, an den ASt. monatlichen Unterhalt zu zahlen. Dem AGg. wurden die Gerichtskosten, die Kosten für Übersetzungen und die Kosten für die Erstellung eines DNA-Gutachtens auferlegt.

Das LG hat die Unterhaltspflicht des AGg. aus dem Urteil des poln. Amtsgerichts S. für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar erklärt. Das OLG hat die Beschwerde des AGg. gegen diesen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des AGg., mit der er seinen Abweisungsantrag weiterverfolgt.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Rechtsbeschwerde ist nach Art. 44 i.V.m. Anhang IV der EuGVO i.V.m. § 15 I AVAG und § 574 I Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 II ZPO nicht vorliegen. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist weder zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. noch wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung erforderlich.

[2]1. Zutreffend sind die Instanzgerichte davon ausgegangen, dass sich die Vollstreckbarkeit des polnischen Unterhaltstitels in der Bundesrepublik Deutschland nach den Vorschriften der EuGVO richtet. Die VO ist für Deutschland am 1.3.2002 in Kraft getreten und gilt für Polen seit dem 1.5.2004. Die neue EuUnthVO und das zur Ausführung erlassene AUG sind erst zum 18.6.2011 in Kraft getreten (Art. 76 EuUnthVO und § 20 AUG) und gelten nicht für die bei ihrem Inkrafttreten bereits eingeleiteten Vollstreckbarkeitsverfahren (Art. 75 I EuUnthVO und § 77 Nr. 1 AUG; vgl. Heger/Selg, FamRZ 2011, 1101 ff. und Wendl-Staudigl-Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Aufl., § 9 Rz. 675 ff.).

[3]2. Ebenfalls zu Recht hat das OLG die inländische Vollstreckbarkeit nicht nach Art. 45 I i.V.m. Art. 34 Nr. 2 EuGVO versagt.

[4]a) Soweit der AGg. einwendet, der Antrag in dem polnischen Ausgangsverfahren sei ihm nicht so rechtzeitig zugestellt worden, dass er sich gegen die Klage verteidigen konnte, hat das OLG dies mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

[5]aa) Die Zustellung der Klageschrift in dem polnischen Ausgangsverfahren erfolgte am 7.12.2007 nach den Vorschriften der EuZVO 2000. Die neue EuZVO 2007 ist nach ihrem Art. 26 erst zum 13.11.2008 in Kraft getreten und galt deswegen bei den hier relevanten Zustellungen noch nicht.

[6]Der Erwgr. 2 der EuZVO 2000 führt zum Zweck der Verordnung Folgendes aus: ‚Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts muss die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, die in einem Mitgliedstaat zugestellt werden sollen, zwischen den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt werden.’ Nach Erwgr. 7 erfordert die gebotene schnelle Übermittlung ‚den Einsatz aller geeigneten Mittel, wobei bestimmte Anforderungen an die Lesbarkeit und die Übereinstimmung des empfangenen Schriftstücks mit dem Inhalt des versandten Schriftstücks zu beachten sind. Aus Sicherheitsgründen muss das zu übermittelnde Schriftstück mit einem Formblatt versehen sein, das in der Sprache des Orts auszufüllen ist, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer anderen vom Empfängerstaat anerkannten Sprache.’

[7]Um die Interessen des Empfängers zu wahren, erfolgt die Zustellung nach Erwgr. 10 ‚in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Orts, an dem sie vorgenommen wird, oder in einer anderen Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht’. Entsprechend ist nach Art. 8 EuZVO 2000 der Empfänger davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern darf, wenn dieses in einer anderen als der genannten Sprache abgefasst ist. Insoweit ist in Erwgr. 8 der EuZVO 2000 allerdings ausdrücklich ausgeführt: ‚Um die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, ist die Möglichkeit, die Zustellung von Schriftstücken zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränkt.’

[8]Bei der Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Möglichkeit zur Verweigerung der Annahme nach Art. 8 EuZVO 2000 kann auch der weitere Zweck der Verordnung, eine Vollstreckbarkeit der nachfolgenden Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, nicht außer Betracht bleiben (vgl. EuGH, Urt. vom 25.6.2009 – Roda Golf & Beach Resort SL, Rs C-14/08, Slg. 2009 I-05439, FamRZ 2009, 1471 Rz. 50 ff.). Die insoweit hier anwendbare EuGVO will für die Vollstreckbarkeit ein angemessenes Gleichgewicht schaffen zwischen dem gegenseitigen Vertrauen in die Justiz einerseits, das es rechtfertigt, die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat grundsätzlich von Rechts wegen anzuerkennen und zu vollstrecken, und der Wahrung der Verteidigungsrechte andererseits, die dem Schuldner einen in einem streitigen Verfahren zu prüfenden Rechtsbehelf ermöglichen, wenn er einen Grund für die Versagung der Vollstreckung geltend macht.

[9]Art. 34 Nr. 2 EuGVO stellt nicht mehr auf die formal ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ab, wie dies noch in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ der Fall war, sondern auf die tatsächliche Wahrung der Verteidigungsrechte. Diese gelten als gewahrt, wenn der Beklagte Kenntnis vom laufenden Gerichtsverfahren erlangt hat und deswegen seine Rechte geltend machen konnte (EuGH, Urt. vom 28.4.2009 – Apostolides: Meletis Apostolides ./. David Charles Orams und Linda Elizabeth Oram, Rs C-420/07, Slg. 2009 I-03571 Rz. 73, 75; Senatsbeschluss vom 12.12.2007 – XII ZB 240/05 (IPRspr 2007-204), FamRZ 2008, 586 Rz. 27). Diese Änderung stützt zugleich die Auslegung des Begriffs eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks, das den Beklagten zur Wahrung seines rechtlichen Gehörs von dem gegen ihn gerichteten gerichtlichen Verfahren in Kenntnis setzen soll. Durch die rechtzeitige Zustellung soll der Beklagte in die Lage versetzt werden, seine Rechte in einem gerichtlichen Verfahren des Übermittlungsstaats geltend zu machen. Einem solchen Schriftstück müssen sich deswegen zumindest Gegenstand und Grund des Antrags sowie die Aufforderung entnehmen lassen, sich vor Gericht einzulassen (EuGH, Urt. vom 8.5.2008 – Weiss und Partner: Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR ./. Industrie- und Handelskammer Berlin, Rs C-14/07, Slg. 2008 I-03367, NJW 2008, 1721 Rz. 66 ff., 73; vgl. auch Kropholler-v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl., Art. 34 EuGVO Rz. 30 und Geimer-Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 3. Aufl., § 34 EuGVVO Rz. 91).

[10]bb) Unter Berücksichtigung dessen hat das OLG mit zutreffenden Gründen eine berechtigte Annahmeverweigerung im Sinne von Art. 8 EuZVO 2000 i.V.m. Art. 34 Nr. 2 EuGVO wegen fehlender Übersetzung der Klageschrift verneint.

[11]Zwar steht die erst nachträgliche Rückgabe der Klageschrift durch den AGg. einer berechtigten Annahmeverweigerung nach Art. 8 EuZVO 2000 nicht entgegen. Denn die Entscheidung, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks wegen fehlender Übersetzung zu verweigern, muss nicht sofort bei Übergabe fallen. Insbesondere im Falle einer Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten nach § 180 ZPO muss dem Zustellungsempfänger die Möglichkeit verbleiben, eine Zustellung in angemessener Frist auch nachträglich zu verweigern (vgl. Schlosser, EuZPR, 3. Aufl., Art. 8 EuZVO Rz. 4).

[12]Eine nach Art. 8 EuZVO 2000 zulässige Annahmeverweigerung wegen nicht ausreichender Übersetzung liegt hier schon nicht vor. Ausweislich des Vermerks der Empfangsstelle hat der AGg. die Annahme nicht wegen fehlender Übersetzung, sondern deswegen verweigert, weil er behauptet hat, mit dem Verfahren nichts zu tun zu haben. Er kenne weder das Kind noch die Mutter und sein Geburtsdatum stimme, trotz richtig angegebener Adresse, nicht mit dem Geburtsdatum des Beklagten in der Klageschrift überein. Diese Begründung der Annahmeverweigerung ist dem polnischen Amtsgericht vom Rechtshilfegericht auch mitgeteilt worden. Auf dieser Grundlage ist das polnische Gericht von einer Einlassung des AGg. zur Sache ausgegangen und hat nicht im Versäumnisverfahren entschieden. Aufgrund seiner Einlassung hatte das polnische Ausgangsgericht auch keine Veranlassung mehr, die jetzt behauptete fehlende Übersetzung nachzureichen. Denn schon auf der Grundlage der EuZVO 2000 konnte der Mangel einer nicht ausreichenden Übersetzung dadurch geheilt werden, dass die geforderte Übersetzung nachgereicht wird (EuGH, Urt. vom 8.11.2005 – Leffler: Götz Leffler ./. Berlin Chemie AG, Rs C-443/03, Slg. 2005 I-09611, NJW 2006, 491 Rz. 37 ff.). Die an die Stelle der hier anwendbaren EuZVO 2000 getretene neue EuZVO 2007 sieht eine solche Heilungsmöglichkeit nunmehr sogar ausdrücklich in Art. 8 III vor.

[13]Weil der AGg. sich nicht nach Art. 8 EuZVO 2000 i.V.m. Art. 34 Nr. 2 EuGVO auf eine fehlende Übersetzung berufen hat, kommt es nicht darauf an, ob eine solche Übersetzung in die deutsche Sprache tatsächlich fehlte. Dagegen spricht allerdings, dass das polnische Amtsgericht dem AGg. die konkret bezifferten Kosten für Übersetzungen in dem Ausgangsverfahren auferlegt hat.

[14]cc) Der AGg., der die Annahme der Klageschrift im polnischen Ausgangsverfahren nicht wegen fehlender Übersetzung verweigert hatte, hat sich stattdessen in jenem Verfahren zur Sache eingelassen. Auch dies steht nach Art. 45 I, 34 Nr. 2 EuGVO einem Vollstreckungshindernis entgegen. Denn der Schutz des Art. 34 Nr. 2 EuGVO beschränkt sich ausdrücklich auf solche Beklagte, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen haben.

[15]Der Begriff der Einlassung ist dabei unionsrechtlich autonom zu bestimmen. Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift, das rechtliche Gehör des Beklagten zu gewährleisten, gilt als Einlassung im Sinne der Vorschrift jedes Verhandeln, aus dem sich ergibt, dass der Beklagte von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangt und die Möglichkeit der Verteidigung gegen den Angriff des Klägers erhalten hat, es sei denn, sein Vorbringen beschränkt sich darauf, den Fortgang des Verfahrens zu rügen, weil das Gericht unzuständig sei oder weil die Zustellung nicht so erfolgt sei, dass er sich verteidigen könne (Kropholler-v. Hein aaO Rz. 27; Geimer-Schütze aaO Rz. 109 ff.; Schlosser aaO Art. 34-36 EuGVVO Rz. 20). Entsprechend hatte der EuGH bereits zur Vorgängerregelung des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ entschieden, dass sich ein Beklagter, der sich auf das Verfahren eingelassen hat, zumindest dann nicht mehr auf das Vollstreckungshindernis berufen kann, wenn er Gelegenheit zur Verteidigung erhalten hat (EuGH, Urt. vom 21.4.1993 – Sonntag: Volker Sonntag ./. Hans Waidmann u.a., Rs C-172/91, Slg. 1993 I-01963, NJW 1993, 2091 Rz. 36 ff.).

[16]Auf die Rechtsfrage, ob eine das Vollstreckungshindernis des Art. 34 Nr. 2 EuGVO ausschließende Einlassung auch dann vorliegt, wenn die Einlassung zur Sache neben der Rüge einer unwirksamen Zustellung oder der Unzuständigkeit des Gerichts erfolgt, kommt es hier nicht an (zum Streit vgl. EuGH, Urt. vom 24.6.1981 – Elefanten Schuh: Elefanten Schuh GmbH ./. Pierre Jacqmain, Rs C-150/80, Slg. 1981, 01671 Rz. 14, EuGH, Urt. vom 22.10.1981 – Rohr: Établissements Rohr Société anonyme gegen Dina Ossberger, Rs C-27/81, Slg. 1981, 02431 und OGH Wien, ZfRV 2000, 112). Denn der AGg. hat im Ausgangsverfahren nicht eine fehlende Übersetzung der Klageschrift gerügt, sondern sich darauf beschränkt, in der Sache vorzutragen. Seine Einlassung, er kenne weder das Kind noch die Mutter und sei nicht als Beklagter gemeint, zielt auf eine fehlende Passivlegitimation und richtet sich somit gegen die Begründetheit der Klage (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., Vor § 253 Rz. 25).

[17]Auch die weitere Frage, ob eine Einlassung des Bekl. im Sinne des Art. 34 Nr. 2 EuGVO darin zu erblicken ist, dass er durch Abgabe einer Blutprobe an der vom Gericht angeordneten Beweisaufnahme durch Einholung eines DNA-Gutachtens mitgewirkt hat, kann hier dahinstehen. Denn der AGg. hatte sich bereits zuvor entschieden, nicht die unterbliebene Übersetzung nach Art. 8 EuZVO 2000 zu rügen, sondern sich in der Sache selbst einzulassen.

[18]b) Schließlich entfällt ein Vollstreckungshindernis nach Art. 45 I, 34 Nr. 2 EuGVO auch deswegen, weil der AGg. gegen das Ausgangsurteil des polnischen Amtsgerichts kein Rechtsmittel eingelegt hat, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

[19]Grundsätzlich ist die Rüge eines Verstoßes gegen den verfahrensrechtlichen ordre public dann ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner des Vollstreckbarkeitsverfahrens im Erkenntnisverfahren nicht alle nach dem Recht des Ursprungsstaats statthaften, zulässigen und zumutbaren Rechtsmittel ausgeschöpft hat (Senatsbeschluss, BGHZ 182, 188 = FamRZ 2009, 1816 Rz. 40 m.w.N. (IPRspr 2009-252)). Für die Rüge einer nicht rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist dies in Art. 34 Nr. 2 EuGVO ausdrücklich geregelt. Diese Regelung lässt sich damit rechtfertigen, dass über Verfahrensfehler möglichst sachnah im Ursprungsstaat entschieden werden soll. Zudem ist die prozessuale Lage, auf der das Vollstreckungshindernis des Art. 34 Nr. 2 EuGVO beruht, wenn der Beklagte das verfahrenseinleitende Schriftstück zwar nicht rechtzeitig erhalten, von der anhängigen Klage aber in einem späteren Stadium, z.B. durch Zustellung des Urteils, erfahren hat, durch die weitere Entwicklung überholt. Dadurch wird die Rechtsposition des Beklagten allerdings nicht unerheblich eingeschränkt. Erforderlich ist deshalb, dass der Beklagte nicht nur von der Existenz eines Urteils, sondern auch von dessen genauem Inhalt Kenntnis erlangt (Kropholler-v. Hein aaO Rz. 42; Geimer-Schütze aaO Rz. 94 ff.; Schlosser aaO Rz. 19). Selbst wenn der Beklagte erst im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 42 II EuGVO vom Inhalt der Entscheidung Kenntnis erlangt, ist er verpflichtet, die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung im Ausgangsstaat einzulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17.12.2009 – IX ZB 124/08 (IPRspr 2009-244), NJW-RR 2010, 571 und vom 21.1.2010 – IX ZB 193/07 (IPRspr 2010-260), NJW-RR 2010, 1001).

[20]Gegen das Urteil des polnischen Amtsgerichts war nach Art. 367 des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuchs vom 17.11. 1964 (Dz.U. Nr. 43, Pos. 296; nachfolgend ZVGB) eine Berufung zulässig. Nach dem Inhalt der Entscheidung und der ausdrücklichen Stellungnahme des Bezirksgerichts im Vollstreckbarkeitsverfahren hatte das Amtsgericht berücksichtigt, dass der AGg. auf die Zustellung der Klageschrift in der Sache geantwortet hatte, und deswegen nicht in Form eines Versäumnisurteils entschieden. Anhaltspunkte dafür, dass dem AGg. nach Art. 1135 § 1 und 2 ZVGB keine weiteren Zustellungen zugegangen sind und ihm auch das Urteil des Amtsgerichts nicht zugestellt wurde, liegen nicht vor (vgl. insoweit Senatsbeschluss aaO FamRZ Rz. 41 ff.). Zwar sind die Versagungsgründe des Art. 34 EuGVO im Vollstreckbarkeitsverfahren von Amts wegen auch ohne eine entsprechende Rüge des Beklagten zu prüfen. Dabei besteht allerdings keine Verpflichtung des BeschwG, die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln (Senatsbeschluss vom 12.12.2007 aaO Rz. 22 ff.). Eine fehlende Zustellung des polnischen Ausgangsurteils hat der AGg. im Vollstreckbarkeitsverfahren nicht behauptet.

[21]3. Weil auch keine sonstigen Gründe gegen eine Versagung der Vollstreckbarkeit des Unterhaltsausspruchs aus dem polnischen Urteil vom 26.11.2008 im Sinne der Art. 45 I, 34 f. EuGVO ersichtlich sind, hat das OLG die Beschwerde des AGg. gegen die angeordnete Vollstreckbarkeit zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

Fundstellen

LS und Gründe

BGHZ, 191, 9
FamRZ, 2011, 1568, mit Anm. Heiderhoff
FuR, 2011, 687
JAmt, 2011, 487
MDR, 2011, 1135
NJW, 2011, 3103, mit Anm. Sujecki
FamRBint., 2012, 8, mit Anm. Block

nur Leitsatz

FoVo, 2011, 239
NJ, 2011, 511, mit Anm. Frey

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2011-270

Lizenz

Copyright (c) 2024 Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht
Creative-Commons-Lizenz Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
<% if Mpi.live? %> <% end %>