Zur Vollstreckbarerklärung eines spanischen Schiedsspruchs.
Der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs steht nicht in jedem Fall entgegen, dass dieser nur von der Mehrheit der Mitglieder des Schiedsgerichts unterzeichnet und der Grund für die fehlende Unterschrift nicht angegeben ist.
Zu den Auswirkungen der verwendeten Verfahrenssprache auf die Anerkennungsfähigkeit des Schiedsspruchs.
Es bildet regelmäßig keinen die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs hindernden Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, wenn die zuvor im Verfahren angehörte Partei in der abschließenden Verhandlung vor dem Schiedsgericht neben ihrem Verfahrensbevollmächtigten keine Gelegenheit mehr erhält, persönlich das Wort zu ergreifen und vorzutragen.
Die ASt. begehrt die Vollstreckbarerklärung eines in Spanien ergangenen Schiedsspruchs. Mit Vertrag vom 19.2.2001 schlossen die ASt. und die AGg., ein deutsches Unternehmen, das mittlerweile seinen Sitz nach Bayern verlegt hat, einen Exklusivvertriebsvertrag über die Abnahme und den Vertrieb von Antiallergenen ab. Der Vertrag ist gemäß Nr. 15.1 dem spanischen Recht unterstellt, enthält eine Schiedsklausel zugunsten des Schiedsgerichts der Handelskammer Madrid und verweist insoweit auf das Gesetz Nr. 36/1988 – Ley de Arbitraje – vom 7.12.1988 (B.O.E. Nr. 293). Als Schiedsgerichtssprache ist Englisch bestimmt. Die Parteien stritten u.a. über Mindestabnahmeverpflichtungen der AGg. Die ASt. kündigte deshalb im Juni 2005 den Vertrag wegen Nichterfüllung. Im Schiedsverfahren machte sie rückständige, in der Sache unstreitige, Rechnungsbeträge geltend. Gegenstand des Schiedsverfahrens bildeten ferner wechselseitige Schadensersatz- und Entschädigungsforderungen, mit denen die AGg. aufrechnete. Am 1.2.2007 gab das angerufene spanische Schiedsgericht der Schiedsklage statt, die wechselseitigen Schadensersatz- und Entschädigungsforderungen wies es ab, die Kündigung selbst erklärte es für rechtmäßig. Den schriftlich niedergelegten Schiedsspruch hat der von der AGg. benannte dritte Schiedsrichter nicht unterschrieben. Ein Grund dafür wurde nicht angegeben. Das Verfahren wurde auf Spanisch durchgeführt.
Die AGg. erhob beim Landgericht Madrid (Audiencia Provincial de Madrid) Nichtigkeitsklage gegen den vorgenannten Schiedsspruch. Das Landgericht Madrid wies die Nichtigkeitsklage ab. Die ASt. hat nunmehr beantragt, den Schiedsspruch des Schiedsgerichtshofs der Handelskammer Madrid vom 1.2.2007 zzgl. Zinsen für vollstreckbar zu erklären.
[1]II. Der Antrag, den Schiedsspruch vom 1.2.2007 im bezeichneten Umfang für vollstreckbar zu erklären, ist zulässig und überwiegend begründet.
[2]1. Das OLG München ist für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung zuständig (§§ 1025 IV, 1061, 1062 I Nr. 4, II und V ZPO i.V.m. § 8 der GZVJu vom 16.11.2004 (BayGVBl. 471). Die AGg. hat ihren Geschäftssitz (§ 17 ZPO) zwar inzwischen nach Hamburg verlegt, sie hatte diesen Anfang 2009 bei Zustellung des Antrags jedoch im OLG-Bezirk München. Die Sitzverlegung beruhte erst auf einem Gesellschafterbeschluss vom 8.4.2009. Entsprechend § 261 III Nr. 2 ZPO wird die örtliche Zuständigkeit des Gerichts durch diesen später eingetretenen Umstand nicht berührt.
[3]2. Die ASt. hat den Schiedsspruch in anwaltlich beglaubigter Abschrift (§ 1064 I 2 ZPO) sowie in dt. Übersetzung, zusätzlich auch den Vertrag mit der in ihm enthaltenen Schiedsklausel (in engl. Sprache), vorgelegt. Trotz teilweise höherer Anforderungen in internationalen Übereinkommen genügt dies hier.
[4]a) Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Spanien über die Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie vollstreckbaren öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 14. 11.1983 (BGBl 1987 II, 34; 1988 II, 207) ist nach dessen Art. 3 Nr. 4 nicht auf die Schiedsgerichtsbarkeit anzuwenden. Das im spanisch-deutschen Verhältnis geltende Europäische Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 (BGBl 1964 II, 425; Thomas-Putzo-Reichold, ZPO, 29. Aufl., § 1061 Rz. 10) ändert das UNÜ teilweise ab (siehe Art. IX Abs. 2) und geht diesem vor (vgl. § 1061 I 2 ZPO). Es gilt jedoch, auch im Verhältnis zum innerstaatlichen Recht, das Meistbegünstigungsprinzip, wonach auf das anerkennungsfreundlichere Regelwerk zurückzugreifen ist (BGH, NJW-RR 2004, 1504 (IPRspr. 2003 Nr. 203); SchiedsVZ 2005, 306 (IPRspr 2005-187); BayObLGZ 2000, 233 (IPRspr. 2000 Nr. 186); Thomas-Putzo-Reichold aaO Rz. 7).
[5]Demnach sind die formellen Voraussetzungen für den Antrag erfüllt (§§ 1025 IV, 1061 I, 1064 I 1 und III ZPO). Das Europäische Übereinkommen besagt nichts über die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung in einem anderen Vertragsstaat. Soweit Art. IV UNÜ über § 1064 I und III ZPO hinausgehende Anforderungen an die Vorlage von Urkunden, Übersetzungen und deren Qualität stellt, gilt nach Art. VII Abs. 1 UNÜ das anerkennungsfreundlichere nationale Recht (BGH, NJW-RR aaO). Dieses verlangt zwingend auch für ausländische Schiedssprüche nur die Vorlage des Schiedsspruchs im Original oder in anwaltlich beglaubigter Abschrift. Die Beibringung von Übersetzungen oder der Schiedsvereinbarung dienen dem innerstaatlichen Gericht allein dazu, die Anerkennungsvoraussetzungen sachgerecht zu prüfen (vgl. auch Senat vom 11.5.2009 – 34 Sch 23/08 (IPRspr 2009-274)).
[6]b) Bei dem schiedsrichterlichen Erkenntnis vom 1.2.2007 handelt es sich um einen Schiedsspruch, nämlich um die endgültige verbindliche Entscheidung über den von den Parteien unterbreiteten Streitgegenstand. An einer abschließenden verbindlichen Entscheidung des Schiedsgerichts fehlt es nicht deshalb, weil den Schiedsspruch nur zwei der drei Schiedsrichter unterschrieben haben und der Grund für die fehlende dritte Unterschrift nicht angegeben ist.
[7](1) Das maßgebliche spanische Recht (Art. 37 III des Gesetzes Nr. 60/2003 – Ley de Arbitraje – vom 23.12.2003 [B.O.E. Nr. 309]) enthält allerdings, wie auch dem vorgelegten Urteil des Landgerichts Madrid vom 17.6.2008 zu entnehmen ist, eine dem deutschen Recht in § 1054 I 2 ZPO vergleichbare Regelung. Im Verfahren mit mehr als einem Schiedsrichter genügen hiernach die Unterschriften der Mehrheit aller Mitglieder. Notwendig ist jedoch die Angabe des Grundes für die fehlende Unterschrift, worauf nach deutschem Recht nicht verzichtet werden kann (h.M.; Thomas-Putzo-Reichold aaO § 1054 Rz. 10; Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 1054 Rz. 2 und 7; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis ,3. Aufl., Rz. 1752). Ohne den Zusatz ist der Schiedsspruch noch nicht wirksam. Ob aus Art. 45 der von den Parteien bestimmten Schiedsordnung der Handelskammer Madrid vom 26.3.2004 gefolgert werden kann, dass der dritte Schiedsrichter nicht zu unterschreiben braucht und die fehlende Unterschrift ohne Angabe von Gründen als Anschluss an die von den beiden übrigen Schiedsrichtern getroffene Mehrheitsentscheidung zu werten ist, die entsprechende Bestimmung also einen etwaigen Zusatz überflüssig macht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung des Senats. Denn das im Aufhebungsverfahren befasste staatliche spanische Gericht hat im Zuge der Nichtigkeitsklage unter ‚neuntens’ im Umstand der fehlenden dritten Unterschrift keinen Nichtigkeitsgrund erkannt. Der Senat entnimmt hieraus, dass das spanische Gericht damit auch die Vorfrage der Existenz oder Wirksamkeit des Schiedsspruchs bejaht hat. Im Verhältnis der Parteien bindet jene Entscheidung vom 17.6.2008 nach Maßgabe von § 328 I ZPO, d.h. die im ausländischen Urteil festgestellte Rechtsfolge ist auch für das inländische Gericht bindend, soweit es um die Vorfrage geht, ob ein wirksamer Schiedsspruch nach nationalem spanischem Recht überhaupt vorliegt (vgl. OLG Bremen, BB 2000 Beilage 12 S. 18 f. (IPRspr. 1999 Nr. 181); MünchKommZPO-Gottwald, 3. Aufl., § 328 Rz. 7; Musielak-Voit, ZPO, 6. Aufl., § 1059 Rz. 20; Harbst, SchiedsVZ 2007, 22/30). Ein Grund, dem Urteil des ausländischen Gerichts nach § 328 I ZPO die Anerkennung im Inland zu versagen, liegt insoweit nicht vor. Insbesondere kennt auch das deutsche staatliche Recht die Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidungen ohne die Unterschriften sämtlicher Richter und auch ohne Kenntlichmachung von Gründen für die fehlende Unterschrift (vgl. BGHZ 148, 55/59; BayObLG, ZWE 2001, 594; Thomas-Putzo-Reichold aaO § 329 Rz. 11).
[8](2) Aus der Entscheidung des Landgerichts Madrid folgt zudem, dass die fehlende Unterschrift mitnichten auf einer fehlenden Abschlussberatung beruhte, sondern die Entscheidung des gesamten Schiedsrichterkollegiums bereits am 9.1.2007 getroffen wurde und der dritte Schiedsrichter erst im Anschluss hieran Rücktrittsgründe erfolglos geltend machte. Insoweit ist der Senat auch in der Sache davon überzeugt, dass das den Parteien übermittelte Exemplar tatsächlich den Schiedsspruch wiedergibt und nicht nur einen noch abschließend im Gremium zu beratenden Entwurf beinhaltet.
[9]3. Der Schiedsspruch ist in dessen Ausspruch zu ‚erstens’ in dem oben wiedergegebenen Umfang für vollstreckbar zu erklären, weil Gründe nach Art. V Abs. 1 und Abs. 2 UNÜ, ihm die Anerkennung zu versagen, weder nachgewiesen (Abs. 1) noch sonst erkennbar (Abs. 2) sind.
[10]a) Die Anwendung der spanischen Sprache im Schiedsverfahren widerspricht nicht der Parteivereinbarung (Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ).
[11](1) In ihrer Schiedsklausel vom 19.2.2001 vereinbarten die Parteien allerdings Englisch als Verfahrenssprache. Jedoch unterwarfen sie sich der Jurisdiktion eines institutionellen Schiedsgerichts und damit auch dessen Verfahrensordnung, welche in Art. 6 die spanische Sprache vorschreibt und in Verbindung mit der maßgeblichen Übergangsbestimmung (disposicion transitoria) auf die im Dezember 2005 erhobene Schiedsklage anzuwenden ist. Diesen Widerspruch aufgelöst haben die Parteien jedoch einvernehmlich dadurch, dass sie bei Einleitung des Schiedsverfahrens Abweichendes vereinbarten, nämlich unter ausdrücklichem Hinweis auf Art. 6 der Schiedsordnung auf Vorschlag der Schiedsklägerin: (1) alle Dokumente auf Verlangen in Spanisch und Englisch vorzulegen und (2) keine Einwände zu erheben, wenn Dokumente auf Englisch vorgelegt oder Handlungen auf Englisch vorgenommen werden. Die Beklagtenseite hat dies gebilligt mit ihrer Klageerwiderung vom 19.12.2005 und erneut ausdrücklich mit Schriftsätzen vom 5.5.2006 sowie bestätigt unter dem 13.12.2006. Für die durch einen spanischen Verfahrensbevollmächtigten vertretene AGg. war hierbei ersichtlich, dass mit Unterwerfung der Streitigkeit unter die Rechtsprechungsgewalt dieses Schiedsgerichts Spanisch als maßgebliche Verfahrenssprache akzeptiert wurde (vgl. Art. 1 Abs. 2 Satz 1 der maßgeblichen Schiedsordnung) und Englisch nur eine Hilfsfunktion im Verkehr der Parteien untereinander hatte.
[12](2) Im Übrigen kann dahinstehen, ob das Verfahren des Schiedsgerichts, bezogen auf die Verfahrenssprache und die Zulassung englischsprachiger Dokumente, fehlerhaft war. Die AGg. rügt insoweit namentlich die Verfügung des Schiedsgerichts vom 24.7.2006, wonach sie alle eingereichten Dokumente (auch) in die spanische Sprache übersetzen lassen müsse. Sie kann aber nicht belegen, hierdurch in ihrer Verteidigung relevant behindert worden zu sein, geschweige denn, dass sich dies auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat (vgl. Musielak-Voit aaO § 1061 Rz. 17; § 1059 Rz. 17 zur Parallelvorschrift des § 1059 II Nr. 1 lit. d). Die AGg. war im gesamten Schiedsverfahren durch einen Spanisch sprechenden Verfahrensbevollmächtigten vertreten. Dass Vortrag nicht berücksichtigt worden wäre, weil er in englischer Sprache gebracht worden ist, behauptet sie selbst nicht. Zu keinem anderen Ergebnis käme man, wenn zwischen wesentlichen und unwesentlichen Verfahrensmängeln unterschieden würde (Schwab-Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 57 Rz. 13). Denn die durch zusätzliche Aufwendungen der AGg. bedingten Erschwernisse bei der Geltendmachung ihrer Rechte sind in der Gesamtschau nicht derart wesentlich, dass sie die Versagung der Anerkennungsfähigkeit rechtfertigen könnten.
[13](3) Demnach ist auch nicht der Beweis erbracht, dass die AGg. aus Gründen der Verwendung einer anderen als der vereinbarten Verfahrenssprache ihre Angriffs und Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können (Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ).
[14](4) Schließlich kann sich die AGg. auf den Versagungsgrund der Verwendung einer nicht vereinbarten Verfahrenssprache auch deshalb nicht berufen, weil das Landgericht Madrid im Nichtigkeitsverfahren sich unter ‚zweitens’ und ‚fünftens’ (am Ende) mit den Erschwernissen der AGg. durch die Verwendung einer ihr fremden Verfahrenssprache ausdrücklich befasst und eine darauf begründete Nichtigkeit des Schiedsspruchs verneint hat. Insoweit ist jenem Urteil des staatlichen spanischen Gerichts die Anerkennungswirkung nach § 328 ZPO ebenfalls nicht zu versagen [s.o. unter II. 2. b) (1)].
[15]b) Der Vollstreckbarerklärung steht unter dem Gesichtspunkt eines fehlerhaften Verfahrens (Art. V Abs. 1 lit. d UNÜ) auch nicht entgegen, dass das Schiedsgericht dem Antrag der AGg., in der Verhandlung vom 13.12.2006 deren Geschäftsführerin mit Hilfe eines Dolmetschers anzuhören, nicht nachgekommen ist. Das Verfahren beruhte insoweit auf der kraft Parteiabrede maßgeblichen Schiedsordnung der Handelskammer Madrid und dessen Art. 39 Abs. 1, wonach das Schiedsgericht am 13.12.2006 eine mündliche Anhörung der Parteivertreter zu deren Schlussvorträgen angesetzt hatte. Nach dem unbestrittenen Verfahrensablauf wurden zuvor bereits am 27.9.2006 Zeugen vernommen und die gesetzlichen Vertreter der Parteien angehört. Im Rahmen dieses Termins kam auch die Geschäftsführerin R. zu Wort. Es ist nicht ersichtlich, dass die vom Schiedsgericht gewählte Verfahrensweise der Parteivereinbarung widersprochen hätte.
[16]c) Der Anerkennung des Schiedsspruchs stehen weder Art. V Abs. 1 lit. b UNÜ (wegen fehlender Möglichkeit der Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln) noch Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ (ordre public) entgegen. Die AGg. rügt insoweit, dass die Verfahrensweise des Schiedsgerichts, namentlich im Zusammenhang mit der unterbliebenen Anhörung ihrer Geschäftsführerin am 13.12.2006 und die Verweigerung eines Dolmetschers, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe. Doch kann sie auch damit nicht durchdringen.
[17](1) Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Versagungsgrund für die Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, dass nach der deutschen Rechtsordnung das Urteil nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann. Bei der Frage der Anwendung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs kann nicht ein Vergleich zwischen dem deutschen und dem ausländischen Recht vorgenommen werden. Es ist vielmehr auf die Grundwerte zurückzugehen, die Art. 103 I GG schützen will. Das ist einmal der Umstand, dass es das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit grundsätzlich verbietet, eine Entscheidung zu treffen, bevor der Betroffene Gelegenheit hatte, sich zu äußern. Zum anderen verlangt es die Unantastbarkeit der Menschenwürde, dass ein Verfahrensbeteiligter auf die Verfahrensgestaltung aktiv Einfluss nehmen kann (z.B. BGH, NJW 1978, 1114/1115; 2007, 772/774 (IPRspr 2006-205); WM 2009, 573/574).
[18](2) Die AGg. hatte in jeder Phase des Verfahrens Gelegenheit, sich Gehör zu verschaffen; sie war, auch im Schlusstermin vom 13.12.2006, durch einen der Gerichtssprache mächtigen Bevollmächtigten vertreten. Die Befugnis zu jederzeitigen unmittelbaren Parteiausführungen ist von Art. 103 I GG nicht mit umfasst (BVerwG, NJW 1984, 625/626; BVerfGE 31, 364/370). Im Falle anwaltlicher Vertretung verlangt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht, dass auch der Beteiligte selbst angehört werden muss (Maunz/Dürig/Schmidt-Aßmann, GG [27. Lfg.], Art. 103 Rz. 109; BayVerfGHE 23, 177; Lindner-Möstl-Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2008, Art. 91 Rz. 17), mag dies das einfachgesetzliche Recht wie etwa in § 137 IV ZPO auch verlangen.
[19](3) Überdies hatte das Schiedsgericht die Geschäftsführerin am 27.9.2006 in deren Muttersprache unmittelbar angehört. Hierbei hätte Frau R. Gelegenheit gehabt, dem Schiedsgericht ihre Sichtweise der maßgeblichen Punkte, nämlich keine Ankaufs-, sondern Verkaufsverpflichtung (siehe Nr. 4 des Vertrags vom 19.2.2001: purchase objectives) und Aneignung des Kundenstamms der AGg., darzustellen. Die unterschiedlichen Vertragsinterpretationen waren bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt, wie der Schriftsatz der Antragstellerseite vom 8.6.2006 an das Schiedsgericht zeigt. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass die Geschäftsführerin noch im Verlauf des Anhörungstermins vom 27.9.2006 keine Gelegenheit gehabt hätte, auf die Einlassung des im selben Termin vernommenen Geschäftsführers der ASt. zu antworten, dessen Unternehmen habe von der Firma N. in Bezug auf den Kundenstamm kein Geld erhalten.
[20]Auf die im Übrigen nach dem Schiedsspruch zweifelhafte Kausalität der behaupteten Verstöße für dessen Ergebnis braucht deshalb nicht mehr eingegangen zu werden.
[21](4) Schließlich sind keine sonstigen Gründe ersichtlich, die unter dem Gesichtspunkt des ordre public zur Versagung der Anerkennung führen würden. Eine revision au fond, also die Überprüfung, ob das Schiedsgericht in der Sache richtig entschieden hat (Lachmann aaO Rz. 2147), findet nicht statt (z.B. BayObLG vom 23.9.2004 – 4 Z Sch 5/04). Insbesondere sind die Grundanforderungen eines fairen Verfahrens nicht verletzt. Die in der Hauptsache zuerkannte Rechtsfolge, nämlich Zuerkennung eines offenen Rechnungsbetrags von 496 046,98 Euro für Medikamentenlieferungen unter Abweisung einer insoweit auch zur Aufrechnung gestellten Entschädigungsforderung wegen vertragswidriger Kündigung, steht zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und der in ihnen liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen nicht in einem derartigen Widerspruch, dass es aus deutscher Sicht untragbar erscheint (BGH, NJW 2002, 960/961) (IPRspr. 2001 Nr. 212). Dies gilt auch, soweit die AGg. mutmaßt, die Schiedsrichter seien bestechlich gewesen. Unstreitig hat keine der Parteien irgendwelche Beträge an das Schiedsgericht gezahlt, sodass die Ursächlichkeit eines etwaigen Bestechungsversuchs für den Ausgang des Schiedsverfahrens von vornherein ausscheidet.
[22]4. Hingegen ist der Zinsausspruch des Schiedsgerichts in dieser Form zur Vollstreckbarerklärung ungeeignet, weil ihm die hinreichende Bestimmtheit fehlt ...
[23]Jedoch ist aus dem Schiedsspruch noch hinreichend ersichtlich, dass die sich aus verschiedenen Rechnungsbeträgen zusammensetzende Forderung nicht nur fällig war, sondern sich die AGg. spätestens im Zeitpunkt des Schiedsspruchs mit der Zahlung auch in Verzug befand. Demnach hält es der Senat unter Wahrung von § 308 ZPO und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Erteilung der Vollstreckungsklausel für ausländische Titel (BGH, WM 1990, 1122 (IPRspr. 1990 Nr. 198); NJW 1993, 1801/1803 (IPRspr. 1993 Nr. 171)) für zulässig, den Spruch dementsprechend nach Zeitpunkt und Zinssätzen zu konkretisieren. Der ‚gesetzliche Zinssatz’ nach dem von den Parteien gewählten spanischen Recht errechnet sich entsprechend Art. 1 des Gesetzes Nr. 24/1984 vom 29.6.1984 (B.O.E. Nr. 158) und beläuft sich nach dem unbestrittenen und mit entsprechenden Gesetzesauszügen unterlegten Vortrag der ASt. für 2007 auf 5%, für 2008 auf 5,5% und für 2009 auf 4%.