Grundsätzlich sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, vor den Gerichten dieses Staats zu verklagen (Art. 2 I EuGVO). Abweichend von dieser Regel können in einem Vertragsstaat ansässige Personen vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt werden, wenn dort einer der in Art. 5 ff. EuGVO genannten Wahlgerichtsstände besteht.
Eine analoge Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften der EuGVO scheidet schon deshalb aus, weil es für den Kläger oder den Beklagten anhand der EuGVO unschwer feststellbar sein muss, vor welchem Gericht jemand klagen oder verklagt werden kann und die Ausnahmevorschriften der EuGVO deswegen einer über ihren Wortlaut hinausgehenden Auslegung nicht zugänglich sind.
Der gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVO maßgebliche Ort, „an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist“, liegt bei einer Finanzvermittlung neben dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, am Ort des Anwerbens und der Aufklärung über die Verlustrisiken bei Optionsgeschäften. Für die Annahme der Zuständigkeit ist hierbei ausreichend, dass eine unerlaubte Handlung möglich erscheint.
Bei Unterlassungsdelikten ist im Rahmen von Art. 40 EGBGB der Ort entscheidend, an welchem durch die Handlung der Eintritt der Rechtsgutsverletzung hätte verhindert werden können und an dem der Schädiger nach dem dort geltenden Recht hätte handeln müssen.
[Die Revision schwebt beim BGH unter dem Az. XI ZR 141/06.]
Der Kl. begehrt von der Bekl. Schadensersatz in Höhe von 7 060,51 € wegen erlittener Verluste bei Börsentermingeschäften, die die H. Finanzvermittlung auf der Grundlage eines Introducing Broker Agreement mit der Bekl. an diese vermittelt hat.
Das LG hat die Bekl. zur Zahlung des geltend gemachten Betrags bis auf einen Teil der Zinsforderung verurteilt. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Bekl., mit der sie die Klageabweisung weiterverfolgt.
[1]II. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
[2]1. Das LG hat zutreffend seine internationale Zuständigkeit für die vom Kl. auf eine unerlaubte Handlung gestützte Schadensersatzklage bejaht und die internationale Zuständigkeit für vertragliche und vertragsähnliche Ansprüche verneint.
[3]Das Berufungsgericht ist verpflichtet, die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach der EuGVO zu überprüfen. § 513 II ZPO steht dem insoweit nicht entgegen. Zwar erstreckt sich nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die berufungsrechtliche Zuständigkeitsprüfung nicht darauf, ob das Gericht des ersten Rechtszugs ‚seine’ Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Damit kann aber nur die Zuständigkeitsverteilung unter den deutschen Gerichten gemeint sein, nämlich insbesondere die Frage der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit, nicht jedoch diejenige zwischen den deutschen und den ausländischen Gerichten (BGH, NJW 2003, 426 ff. (IPRspr. 2002 Nr. 157) zu dem mit § 513 II ZPO inhaltlich übereinstimmenden § 545 II ZPO).
[4]Die mithin gebotene berufungsrechtliche Prüfung ergibt, dass im Streitfall das angerufene LG Kleve zwar nicht für die von dem Kl. gegen die Bekl. geltend gemachten vertraglichen Ansprüche, aber für die Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO international zuständig ist.
[5]Im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zu Großbritannien ist die EuGVO in Zivil- und Handelsachen (Art. 1 I EuGVO) anwendbar. Die Vorschriften der EuGVO zur internationalen Zuständigkeit der Gerichte verdrängen die entsprechenden Regelungen des autonomen internationalen Zivilprozessrechts (BGH, RIW 1999, 456 (IPRspr. 1999 Nr. 139) zu dem durch die EuGVO ersetzten EuGVÜ). Grundsätzlich sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, vor den Gerichten dieses Staats zu verklagen (Art. 2 I EuGVO). Abweichend von dieser Regel können in einem Vertragsstaat ansässige Personen vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats verklagt werden, wenn dort einer der in Art. 5 ff. EuGVO genannten Wahlgerichtsstände besteht (Art. 3 I EuGVO). Dabei tritt an die Stelle des Wohnsitzes gemäß Art. 60 I EuGVO für Gesellschaften oder juristische Personen deren satzungsmäßiger Sitz. Von dem Grundsatz, dass das Gericht des Vertragsstaats zuständig ist, in dessen Vertragsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, darf demnach nur eine Ausnahme in den ausdrücklich geregelten Fällen gemacht werden. Bei der Anwendung der Ausnahmeregelungen sind die dort verwendeten Begriffe gemeinschaftsrechtsautonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung des Übereinkommens berücksichtigt werden müssen. Zu diesen Zielen gehört es insbesondere, die Zuständigkeitsregeln für die Gerichte der Vertragsstaaten zu vereinheitlichen und den Rechtsschutz für die in der Gemeinschaft niedergelassenen Personen dadurch zu verbessern, dass ein Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und einem verständigen Beklagten erkennbar wird, vor welchem Gericht er verklagt werden kann (EuGH, NJW 2002, 3159, 3160; 2004, 2441, 2442).
[6]a) Auf dieser Grundlage ergibt sich keine Zuständigkeit des LG Kleve für vertragliche Ansprüche nach der EuGVO. Dabei kann dahinstehen, ob es sich um eine Verbrauchersache im Sinne des Art. 15 I lit. c EuGVO handelt, weil die Bekl. ihre Tätigkeit ‚auf irgendeinem Weg’ auch auf Deutschland ausgerichtet hätte. Denn die örtliche Zuständigkeit des LG Kleve ist nach Art. 16 I EuGVO nicht begründet, weil der Kl. seinen Wohnsitz nicht im Gerichtsbezirk des LG Kleve hat.
[7]Zu Recht hat das LG auch eine örtliche Zuständigkeit für vertragliche Ansprüche nach Art. 5 Nr. 5 EuGVO verneint, weil es sich bei der H. Finanzvermittlung nicht um eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung der Bekl. handelt. Eine analoge Anwendung, wie sie die Kl. für möglich erachtet, scheidet schon nach dem oben geschilderten Grundsatz aus, dass es für den Kläger oder den Beklagten anhand der EuGVO unschwer feststellbar sein muss, vor welchem Gericht jemand klagen oder verklagt werden kann, und [weil] die Ausnahmevorschriften der EuGVO deswegen einer über ihren Wortlaut hinausgehenden Auslegung nicht zugänglich sind.
[8]Eine Zuständigkeit des LG Kleve nach Art. 5 Nr. 1 EuGVO kommt nach der zutreffenden Ansicht der Bekl. schon deswegen nicht in Betracht, weil die von ihr zu erbringenden Leistungen in J. oder am Wohnsitz des Kl. hätten erbracht werden müssen.
[9]Auch folgt aus Art. 5 Nr. 3 EuGVO, auf den der Kl. die Zuständigkeit für die Geltendmachung seiner Ansprüche aus unerlaubter Handlung stützt, nach der Rechtsprechung des BGH keine Annexzuständigkeit für die Prüfung anderer, nicht deliktsrechtlicher Anspruchsgrundlagen (BGH Urt. vom 7.12.2004, NJW-RR 2005, 581, 584 f. (IPRspr 2004-130)).
[10]b) Das LG hat des Weiteren zu Recht seine Zuständigkeit für vertragsähnliche Ansprüche verneint.
[11]Aus der zuletzt genannten Entscheidung des BGH ergibt sich, dass das nachvollziehbare Interesse des Klägers, eine alle Anspruchsgrundlagen umfassende Prüfung an einem Gericht zu erreichen, eine Annexkompetenz gerade dann nicht erfordert, wenn die Klärung des gesamten Streitstoffs am Wohnsitzgericht des Beklagten möglich ist (BGH aaO 583). Eine Klärung wäre hier umfassend vor dem Gericht am Sitz der Bekl. in J. möglich gewesen. Auch spricht die Tatsache, dass für die Frage der internationalen Zuständigkeit ein besonderes Bedürfnis nach Rechtssicherheit besteht und die Regelungen des EuGVÜ – was auch für die Regelungen der hier anwendbaren EuGVO gilt – abschließend und keiner erweiternden Auslegung zugänglich sein sollen (BGH aaO 584), dafür, die Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) nicht unter Art. 5 Nr. 3 EuGVO zu fassen, sondern sie den vertraglichen Ansprüchen zuzuordnen, die nach Art. 15 EuGVO ebenfalls eine internationale Zuständigkeit begründen können, örtlich allerdings nur am Wohnsitz des Verbrauchers und damit Klägers.
[12]Im Übrigen wären Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsschluss, auf die sich der Kl. zur Verteidigung des angefochtenen Urteils nicht mehr beruft, nicht gegeben. Denn bestünden vertragliche Ansprüche, würden sich diese einschließlich solcher wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten wegen der getroffenen Rechtswahl nach englischem Recht richten. Die Verletzung einer Aufklärungspflicht nach englischem Recht hat der Kl. jedoch nicht dargetan. Beurteilte man hingegen die Wirksamkeit der Rechtswahlklausel abweichend und wendete deutsches Recht an, wäre ein etwaiger Anspruch nach § 37a WpHG a.F. verjährt, weil der Erwerb der Optionen bereits im Jahr 2000 stattgefunden hat und der Schaden spätestens mit dem letzten Geschäft eingetreten ist, weswegen die dreijährige Verjährungsfrist bei Klageerhebung im Jahr 2006 bereits lange verstrichen war.
[13]c) Zutreffend hat das LG Kleve nach den oben geschilderten Grundsätzen seine internationale örtliche Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 3 EuGVO bejaht.
[14]Die unstreitig in Großbritannien geschäftsansässige Bekl. kann danach vor einem deutschen Gericht verklagt werden, weil in der Bundesrepublik Deutschland die internationale Zuständigkeit der unerlaubten Handlung begründet ist, auf die der Kl. seine Klage in der Hauptsache stützt. Der gemäß Art. 5 Nr. 3 EuGVO maßgebliche Ort, ‚an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist’, liegt sowohl an dem Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch an dem Ort des ursächlichen Geschehens (EuGH, Urt. vom 30.11.1976 – Rs 21/76 [Bier], EuGHE 1976, 1735, 1746 f. und vom 7.3.1995 – Rs C-68/93 [Shevill], EuGHE 1995 I 415, 460; BGH, NJW 2003, 426 ff. (IPRspr. 2002 Nr. 157)). Dementsprechend konnte die Bekl. an dem für den Geschäftssitz der H. Finanzvermittlung zuständigen LG Kleve verklagt werden. Dort liegt aufgrund des Anwerbens und der Aufklärung des Kl. über die Verlustrisiken bei Optionsgeschäften durch die H. Finanzvermittlung der Ort des ursächlichen Geschehens. Ebenso wurden die – nach dem Vorbringen des Kl. – vermögensschädigenden Handlungen der H. Finanzvermittlung, die u.a. in einer Spesenreiterei bestanden haben sollen, zu der die Bekl. nach der Behauptung des Kl. Beihilfe geleistet haben soll, in der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen. Dabei ist für die Annahme der Zuständigkeit ausreichend, dass eine unerlaubte Handlung möglich erscheint (OLG Frankfurt, Urt. vom 8.6.2006 – 16 U 106/05, ZIP 2006, 2385 ff. (IPRspr 2006-124)).
[15]2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
[16]Der Kl. hat gegen die Bekl. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung.
[17]a) Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass hinsichtlich der vom Kl. auf eine unerlaubte Handlung der Bekl. gestützten Ansprüche das deutsche Deliktsrecht Anwendung findet.
[18]Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Parteien durch eine wirksame Rechtswahl englisches Recht vereinbart haben, umfasst diese jedoch schon nach ihrem Wortlaut (English law governs this agreement) nicht auch deliktische Ansprüche. Einer solchen Rechtswahl vor Eintritt des Ereignisses würde auch Art. 42 EGBGB entgegenstehen (OLG Düsseldorf Urt. vom 14.9.2006 – I-6 U 170/05, 6). Da die Rechtswahlklausel deliktische Ansprüche nicht erfasst, ist das deutsche Recht nach Art. 40, 41 EGBGB anzuwenden. Dabei ist auch, soweit es um Ansprüche wegen unterlassener Aufklärung nach § 31 II WpHG a.F. geht, Deutschland Handlungsort.
[19]Bei Unterlassungsdelikten ist entscheidend der Ort, an welchem durch die Handlung der Eintritt der Rechtsgutsverletzung hätte verhindert werden können und an dem der Schädiger nach dem dort geltenden Recht hätte handeln müssen (Palandt-Heldrich, BGB, 66. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz. 3). Nichts anderes kann dann gelten, wenn eine gebotene Aufklärung unterlassen wird. Zwar hat die Bekl. ihren Sitz in J. Da die Beauftragung der Bekl. nach der Vereinbarung der Bekl. mit der H. Finanzvermittlung im Introducing Broker Agreement jedoch durch die H. Finanzvermittlung in Deutschland vermittelt werden sollte und diese deswegen auch im Besitz der Unterlagen der Bekl. war, insbesondere der Unterlagen, durch die die Börsentermingeschäftsfähigkeit der Kunden und damit auch des Kl. herbeigeführt werden sollte, hätte auch eine Aufklärung des Kl. durch die Bekl. selbst in Deutschland erfolgen müssen, z.B. durch Überlassung geeigneter Unterlagen an die H. Finanzvermittlung.
[20]Soweit es um Ansprüche wegen gemeinschaftlicher sittenwidriger Schädigung (§§ 826, 830 BGB) geht, ist Deutschland ebenfalls Handlungsort. Zwar ist bei Mittätern grundsätzlich auf den Ort abzustellen, an dem der Mittäter gehandelt hat. Etwas anderes gilt aber, wenn eine gemeinsame wesentlich engere Beziehung zum Recht eines anderen Staats besteht. Dies ist auch hier der Fall: Denn wenn man unterstellt, dass der Kl. gemeinschaftlich von der H. Finanzvermittlung und der Bekl. vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden ist, lag der Schwerpunkt der unerlaubten Handlung in Deutschland, weil die entscheidende Hürde, die bei Ausführung der unerlaubten Handlung zu überwinden war, darin bestand, den Kl. zu den verlustbringenden Handlungen zu bewegen. Dies ist durch die H. Finanzvermittlung in Deutschland geschehen. Der Anwendung deutschen Deliktsrechts mit der Begründung, dass der Schwerpunkt der unerlaubten Handlung in Deutschland liegt, steht Art. 41 II EGBGB nicht entgegen. Denn danach kann, nicht muss, sich eine wesentlich engere Beziehung mit dem Recht eines Staats aus einer besonderen rechtlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit einem Schuldverhältnis ergeben. Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, einen Gleichklang von Deliktsstatut und Vertragsstatut zu erreichen. Obwohl auf die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kl. und der Bekl. englisches Recht anzuwenden ist, führt dies im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung des genannten Gesetzeszwecks nicht zur Anwendung englischen Deliktsrechts. Denn bei der wegen gemeinschaftlicher Tatbegehung gebotenen einheitlichen Betrachtung der unerlaubten Handlung wird die durch das englische Vertragsstatut begründete Bindung an das englische Recht dadurch überlagert, dass im Verhältnis des Kl. zur primär handelden H. Finanzvermittlung unzweifelhaft deutsches Recht Anwendung findet.
[21]Soweit als Tatort auch ein Ort außerhalb des Rechtsgebiets der Bundesrepublik in Betracht kommt, braucht der Frage, ob die in Betracht kommende ausländische Rechtsordnung (von Großbritannien) eine für den jeweiligen Kläger günstigere Regelung vorsieht und ob in einem solchen Fall das dem jeweiligen Kläger günstigere Recht gilt, nicht nachgegangen zu werden. Denn der Kl. hat eine (einseitige) Wahlmöglichkeit unter den als Deliktsstatuten in Betracht kommenden Rechten ausgeübt und dadurch die Heranziehung deutschen Rechts gewählt, dass er sich während des gesamten Rechtsstreits ausschließlich auf deutsches Recht bezogen hat (vgl. auch BGH, Urt. vom 28.2.1989 – XI ZR 70/88, WM 1989, 1047 ff. (IPRspr. 1989 Nr. 184)).
[22]b) Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 31 WpHG a.F. ...
[23]c) Der Kl. hat gegen die Bekl. auch keinen Anspruch aus § 831 BGB i.V.m. § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung des Kl. durch die H. Finanzvermittlung, weil die H. Finanzvermittlung nicht Verrichtungsgehilfin der Bekl. war.