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Verfahrensgang

OLG Celle, Beschl. vom 01.12.2006 – 9 W 91/06, IPRspr 2006-257

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Auch bei der Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft (hier: einer Private Limited Company) erstreckt sich die Prüfungskompetenz des Registergerichts auf die Frage, ob deren Tätigkeit im Inland genehmigungspflichtig ist.

Der Unternehmensgegenstand muss hinreichend individualisiert angegeben werden; die „Abwicklung von Geschäften als allgemein kommerzielles Unternehmen“ reicht dafür nicht aus.

Soweit eine alleinige Vertretungsberechtigung eines Direktors (director) angemeldet wird, muss angegeben werden, ob dieser nur derzeit alleinvertretungsberechtigt sein soll, weil kein weiterer Geschäftsführer bestellt ist (abstrakte Vertretungsberechtigung), oder ob die Vertretungsberechtigung aufgrund eines besonderen Gesellschafterbeschlusses bestehen soll (konkrete Vertretungsberechtigung).

Rechtsnormen

GmbHG § 8
HGB § 13b; HGB § 13d; HGB § 13e; HGB § 13g; HGB § 15
Zweigniederlassung 89/666/EWG Art. 2

Sachverhalt

Es wird die Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft (Ltd.) in das deutsche Handelsregister begehrt.

Die Anmeldung enthielt folgenden Hinweis: „Zur alleinigen Vertretung ist berechtigt der Direktor, Frau C. P.“. Der Satzung der Private Limited Company ist außerdem die Regelung zu entnehmen, dass die Gesellschafter nur gemeinsam vertretungsbefugt sein sollen, es sei denn, es wurde durch Gesellschafterbeschluss etwas anderes bestimmt oder ein alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer bestellt.

Das Registergericht hatte die Eintragung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde ohne Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Registergericht die Eintragung verweigert.

[2]1. Die Anmeldung und Eintragung der Gesellschaft bestimmen sich nach §§ 13d, 13e, 13g HGB; es ist davon auszugehen, dass die englische Private Limited Company mit der deutschen GmbH vergleichbar ist (vgl. etwa Klose/Mokroß, DStR 2005, 971, 972). Damit bezieht sich die Prüfungskompetenz des Registergerichts bei Eintragung einer Limited auf alle Eintragungsvoraussetzungen, auch soweit sie ausländisches Recht betreffen. Für die Zweigniederlassung gilt die Registerpublizität des § 15 HGB, wofür die Eintragungen und Bekanntmachungen durch das Gericht der Zweigniederlassung maßgebend sind (Klose/Mokroß aaO). Für die Anmeldung der Firma muss grundsätzlich der Gegenstand der Zweigniederlassung angegeben werden (§ 13e II 3 HGB). Dieser ist anschließend auch ins Handelsregister einzutragen und im BAnz. sowie im ABl. zu publizieren (§ 13g III HGB). Ob dies hinsichtlich der Eintragung uneingeschränkt gilt, bedarf keiner Entscheidung, liegt aber nahe. Das Registergericht hat jedoch zu prüfen, ob der Gegenstand der Zweigniederlassung im Inland genehmigungspflichtig ist (§ 13e II 2 HGB). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Dabei kommt es auf die konkrete Tätigkeit an (Lutter-Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 8 Rz. 7). Bei begründeten Zweifeln kann das Registergericht die Vorlage eines Negativattests verlangen (BayObLG, GmbHR 1979, 224; Lutter-Hommelhoff aaO). Der Senat ist im Gegensatz zu kritischen Stimmen in der Literatur (vgl. etwa Wachter, MDR 2004, 611, 616; Werner, GmbHR 2005, 288, 291) nicht der Auffassung, dass § 13e II 2 HGB gegen die Elfte Richtlinie des Rates 89/666 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen verstößt, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, vom 21.12.1989 (ABl. Nr. L 395/36), in der eine Pflicht zur Vorlage einer Genehmigung nicht erwähnt ist. Die Richtlinie soll nämlich ihrem Zweck nach öffentlich-rechtliche Genehmigungspflichten nicht verhindern, sondern regeln, in welchem Umfang Offenlegungen von Urkunden und Angaben von den registerführenden Stellen der einzelnen Mitgliedstaaten verlangt werden können (Klose/Mokroß aaO 975), weshalb teilweise angenommen wird, dass Vorschriften europarechtskonform dahingehend ausgelegt werden müssen, dass der Gegenstand der Zweigniederlassung in das Handelsregister einzutragen ist, da Art. 2 I lit. b der Zweigniederlassungsrichtlinie lediglich die Offenlegung der Tätigkeit der Zweigniederlassung verlangt (OLG Frankfurt, 20 W 315/05 (IPRspr 2005-226)). Die Limited darf nicht dazu benutzt werden, den deutschen Genehmigungserfordernissen zu entgehen. Zudem wird auch von Vertretern der Ansicht, die Zweigniederlassungsrichtlinie sei abschließend und § 13e II 2 HGB sei nicht anzuwenden, zugegeben, der Gesellschaft dürfe die Eintragung versagt werden, wenn eine Missbrauchskonstellation vorliege. Auch der Gesetzgeber ging bei der Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie ohne weiteres davon aus, dass die bisher geltenden Erfordernisse des § 8 I Nr. 6 GmbHG i.V.m. § 13b III HGB a.F. in die Neuregelung zu übernehmen seien (BT-Drucks. 12/3908 S. 15 f.; zur Angabe des Geschäftsgegenstands der Zweigniederlassung auch LG Bielefeld, GmbHR 2005, 98, 99 (IPRspr 2004-228)). Anhand des Unternehmensgegenstands der Beschwf. lässt sich eine Prüfung der Genehmigungsbedürftigkeit jedoch nicht vornehmen, da dieser Gegenstand unzureichend konkretisiert ist. Die ungenügende Individualisierung des Unternehmensgegenstands ist Eintragungshindernis nach deutschem Recht (Baumbach-Hueck/Fastrich, GmbHG, 13. Aufl., § 3 Rz. 12). Für die Individualisierung des Unternehmensgegenstands muss zumindest der Schwerpunkt der Tätigkeit der Gesellschaft für die Beteiligten aus den Angaben im Gesellschaftsvertrag erkennbar sein (BGH, WM 1981, 163). Die Angaben müssen dabei so konkret sein, dass die interessierten Verkehrskreise aus der Satzung ablesen können, in welchem Geschäftszweig (Branche) und in welcher Weise sich die Gesellschaft (hier: mit ihrer Zweigniederlassung) betätigen will (Scholz-Emmerich, GmbHG, 9. Aufl., § 3 Rz. 13). Beides ist hier nicht zu erkennen. Der Unternehmensgegenstand als ‚Abwicklung von Geschäften als allgemeines kommerzielles Unternehmen’ lässt nicht auf einen bestimmten Geschäftszweig deuten. Es ist nicht ersichtlich, ob dieser Gegenstand einer Genehmigungspflicht unterliegt. Auch die weitere Konkretisierung – ‚die Abwicklung anderer Geschäftstätigkeiten oder Handlungen, die von den Geschäftsführern und/oder der Gesellschafterversammlung als für die Gesellschaft als vorteilhaft erachtet werden und jedwede Maßnahme, die direkt oder indirekt der Realisierung der Ziele und dem Vorteil der Gesellschaft dienen’ – ist im Hinblick auf § 13d III HGB nicht ausreichend. Eine Branche lässt sich nicht erkennen. Für einen interessierten Dritten ist nicht ersichtlich, in welchem Tätigkeitsfeld die Zweigniederlassung der Beschwf. tätig wird.

[3]2. Die Angabe in der Anmeldung ‚Zur alleinigen Vertretung ist berechtigt der Direktor, Frau C. P.’ lässt nicht erkennen, welche Vertretungsregelung vorliegt. Bei der Anmeldung müssen die Vertreter der ausländischen Gesellschaft nebst deren Vertretungsbefugnissen angegeben werden (§ 13g II HGB i.V.m. § 8 IV GmbHG). Dabei werden wie bei der deutschen GmbH sowohl die abstrakten als auch die konkreten Vertretungsbefugnisse eingetragen. Für die abstrakten Vertretungsverhältnisse bei einer Limited ist die Satzung maßgebend, in der niedergelegt wird, wie viele Geschäftsführer die Gesellschaft haben darf, und ob Einzel- oder Gesamtvertretungsmacht besteht. Ohne anderslautende Regelung sind mehrere Geschäftsführer nur gesamtvertretungsberechtigt (vgl. Klose/Mokroß, DStR 2005, 1013, 1013). Allerdings kann auch einzelnen Personen konkretes Einzelvertretungsrecht eingeräumt werden, welches durch Beschluss der Gesellschafterversammlung entsteht, wenn die Satzung es zulässt (Klose/Mokroß aaO 1014).

[4]Auch in der Satzung der Limited befindet sich eine derartige Regelung: Grundsätzlich sollen die Geschäftsführer die Gesellschaft nur gemeinsam vertreten, wenn nichts anderes per Gesellschafterbeschluss bestimmt ist (Nr. 25 Articles of Association). Nur wenn die Gesellschaft über lediglich einen Geschäftsführer verfügt, ist dieser alleinvertretungsberechtigt (Nr. 24 Articles of Association). Aus der Anmeldung der Beschwf. ist jedoch nicht ersichtlich, ob die Direktorin nur derzeit allein vertretungsberechtigt sein soll, weil kein weiterer Geschäftsführer bestellt wurde (abstrakte Vertretungsberechtigung gemäß Nr. 24), oder ob sie konkrete Alleinvertretungsberechtigung aufgrund eines besonderen Gesellschafterbeschlusses haben soll (Nr. 25). Ein entsprechender Gesellschafterbeschluss wurde von der Beschwf. nicht vorgelegt. Daher kann zwar davon ausgegangen werden, dass eine abstrakte Vertretungsberechtigung gemäß Nr. 24 vorliegen soll. Jedoch ist nicht ausgeschlossen, dass noch ein weiterer Direktor bestellt werden könnte. Dann wären die Direktoren jedoch nach der maßgeblichen Regelung in der Satzung (Nr. 25 Satz 2 Articles of Association) nur gesamtvertretungsberechtigt, während in dem Handelsregister aufgrund der Anmeldung die Formulierung stünde ‚Zur alleinigen Vertretung ist berechtigt der Direktor, Frau C. P.’. Ein interessierter Dritter würde bei Einsicht in das Handelsregister den nicht zutreffenden Schluss ziehen können, dass die Direktorin C. P. stets einzelvertretungsberechtigt wäre. Es ist daher entweder in der Anmeldung klarzustellen, ob abstrakte Vertretungsmacht vorliegen soll, so dass dann ggf. der Zusatz ‚alleinige’ zu streichen wäre, oder es müsste ein Gesellschafterbeschluss vorgelegt werden, aus dem sich die konkrete Einzelvertretungsbefugnis der Beschwf. entnehmen ließe.

Fundstellen

LS und Gründe

DB, 2007, 681
GmbHR, 2007, 203, mit Anm. Wachter
RNotZ, 2007, 161
ZIP, 2007, 71

Bericht

Mödl, RNotZ, 2008, 1

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2006-257

Lizenz

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