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Verfahrensgang

OLG Jena, Beschl. vom 09.09.2005 – 6 W 302/05, IPRspr 2005-222

Rechtsgebiete

Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen
Juristische Personen und Gesellschaften → Gesellschaftsstatut, insbesondere Rechts- und Parteifähigkeit

Leitsatz

Die von einer ausländischen (hier: englischen) Hauptniederlassung zu erfüllenden Voraussetzungen bei der Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung in das deutsche Handelsregister richten sich nach § 13e II 3 HGB.

Die Offenlegungspflicht am Eintragungsort der Zweigniederlassung beschränkt sich gemäß § 13e II 3 HGB, der die Elfte Richtlinie des Rates 89/666 vom 21.12. 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen umsetzt, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen (ABl. Nr. L 395/36), ausschließlich auf Angaben zur Tätigkeit der Zweigniederlassung.

Es ist mit § 13e HGB unvereinbar, zusätzlich zu verlangen, dass sich aus der Anmeldung ergibt, ob sich die Tätigkeit der Zweigniederlassung innerhalb des Geschäftszwecks der Hauptnierlassung hält.

Rechtsnormen

1. Publizitäts-RL 68/151/EWG Art. 1
4. Bilanz-RL 78/660/EWG Art. 1
FGG § 19
GmbHG § 3
HGB § 13d; HGB § 13e
Kosmetik-RL 88/667/EWG Art. 1
Zweigniederlassung 89/666/EWG Art. 2

Sachverhalt

Im Juni 2004 ist gemäß Bestätigung des Handelsregisters für England und Wales eine Gesellschaft englischen Rechts mit dem Namen B. Metall & Kunststofftechnik BMK Limited als Private Company Limited by Shares gegründet worden. Sitz der Gesellschaft ist Birmingham. Die 1 000 Gesellschaftsanteile hat sämtlich Frau I. B. übernommen. Als Geschäftsführer wurde R. B. benannt. Das Gründungsdokument (Memorandum of Association), bezeichnet als Hauptzweck des Unternehmens (main purpose of the company) das Betreiben „von Geschäften als gewerbliches Unternehmen“ und das Betreiben „jeglicher Geschäfte oder Handel, die nach Auffassung der Geschäftsführung durch die Ausführung für die Gesellschaft vorteilhaft sein können“.

Am 6.7.2004 hat R. B. zur Eintragung in das Handelsregister des AG Gera angemeldet, dass die Fa. B. Metallbau & Kunststoffelemente Ltd. in ... eine Zweigniederlassung errichtet hat. Diese beschäftige sich mit „Handel, Entwicklung, Beratung und Bearbeitung von technischen Halb- und Fertigteilen“. Die Beteiligte zu 2) hat gegen die Eintragung der Zweigniederlassung Bedenken. Daraufhin hat das Registergericht gemäß Verfügung vom 15.11.2004 die „Beanstandungen der gerichtlichen Verfügung vom 1.9.2004“ als Eintragungshindernis bezeichnet und zu dessen Beseitigung der Beteiligten zu 1) eine Frist von 6 Wochen gesetzt. Die Beteiligte zu 1) hat das gemäß der Verfügung vom 15.11.2004 erstellte Schreiben vom 18.11.2004 als Zwischenverfügung angesehen und hiergegen am 14.12.2004 Beschwerde eingelegt. Das Registergericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG Gera hat mit Beschluss vom 17.5.2005 die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) mit Erfolg.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. 1. Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerde sich auf eine anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 19 FGG bezieht. Auch wenn es sich dabei lediglich um eine Zwischenverfügung handelt, über die Anmeldung selbst mithin noch nicht entschieden ist, wird nach allgemeiner Meinung gegen vom Registergericht zu einer Handelsregisteranmeldung mittels Zwischenverfügung vorgebrachte Beanstandungen die Beschwerde zugelassen (BayObLGZ, 1970, 133, 134 f.; Keidel-Kuntze-Winkler-Krahl, FGG, 13. Aufl., § 19, Rz. 16).

[2]2. Die weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung verletzt § 13e II 3 HGB.

[3]a) § 13e II 3 HGB bestimmt die Einzelheiten einer Zweigniederlassungsanmeldung für den Fall, dass die ‚Mutter’ eine Kapitalgesellschaft ist, welche ihren Sitz im Ausland hat. Dies ist vorliegend der Fall. Der Sitz der anmeldenden Gesellschaft ist in Birmingham (England). Die anmeldende Gesellschaft ist als Private Company Limited by Shares auch eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 13e I HGB (vgl. Art. 1 der Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9.3.1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 II des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. 1968 Nr. L 65/8) i.V.m. Art. 1 der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates aufgrund von Art. 54 III lit. g des Vertrages über den Jahresabschluß von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vom 25.7.1978 (ABl. 1978 Nr. L 222) und Art. 1 der Richtlinie 88/667/EWG des Rates zur vierten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel vom 21.12.1988 (ABl. 1988 Nr. L 382/46).

[4]b) Die Eintragungsvoraussetzungen ergeben sich aus dem [im Rahmen des] zur Durchführung der Elften Richtlinie des Rates 89/666 vom 21.12.1989 erlassenen deutschen Gesetz[es] vom 22.7.1993 (BGBl. I 1282) in das HGB eingefügten §§ 13d und 13e. Zweck der genannten Richtlinie ist, die durch die Erste Richtlinie 68/151/ EWG des Rates vom 9.3.1968 und die Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.7.1978 erfolgten gesellschaftsrechtlichen Koordinierungen auf Zweigniederlassungen zu übertragen. Verweist § 13d III HGB für die bei der Anmeldung zu beachtenden Vorschriften generell auf das für inländische Hauptniederlassungen geltende Recht, so enthält § 13e für die einer deutschen GmbH gleichgestellten Gesellschaften mit Sitz im Ausland, mithin einer englischen Private Company Limited by Shares, Sonderbestimmungen. Danach ist bei der Anmeldung der Zweigniederlassung das Bestehen der Gesellschaft als solcher sowie erforderlichenfalls eine nach inländischem Recht gebotene Betriebsgenehmigung nachzuweisen (§ 13e II 2 HGB). Ferner sind in der Anmeldung die in § 13e II 4 Nrn. 1, 2 und 4 geforderten Angaben zur Muttergesellschaft bzw. zu den die Gesellschaft in ihrer Zweigniederlassung rechtswirksam repräsentierenden Personen zu machen (Nr. 3). Hinsichtlich der Tätigkeit der Zweigniederlassung verlangt § 13e II 3 HGB, dass die Anmeldung neben der Anschrift ‚den Gegenstand der Zweigniederlassung’ zu benennen habe. Mit diesen Vorgaben setzt § 13e HGB die Bestimmungen der Zweigniederlassungsrichtlinie 89/666/EWG um, welche den Begründungserwägungen zufolge das Offenlegungsbedürfnis am Zweigstellenstandort, abgesehen von der Vertretungsmacht, der Firma, der Rechtsform sowie der Auflösung der Gesellschaft ‚auf Angaben beschränkt, welche die Zweigniederlassung selbst betreffen sowie auf Hinweise auf das Register der Gesellschaft’. Demgemäß erstreckt Art. 2 I der Zweigniederlassungs-Richtlinie die Offenlegungspflicht ‚lediglich’ auf Angaben ‚zur Tätigkeit der Zweigniederlassung’ (Art. 2  lit. b).

[5]c) Diesen Anforderungen genügt die durch die Beteiligte zu 1) am 6.7.2005 eingereichte Anmeldung. Die Beteiligte zu 1) hat ihre Existenz nachgewiesen. Belegt ist auch die Vertretungsberechtigung für die Gesellschaft. Die Angaben zur Tätigkeit der Zweigniederlassung sind inhaltlich präzise und für den Rechtsverkehr ohne weiteres nachvollziehbar. Weitergehende Angaben, insbesondere die Forderung, die Anmeldung müsse erkennen lassen, dass die Tätigkeit der Zweigniederlassung innerhalb des Geschäftszwecks der Gesellschaft selbst verbleibe, sind mit § 13e HGB nicht zu vereinbaren. Derartige Angaben können auch nicht – über § 13e II 3 HGB hinausgehend – zwecks Feststellung verlangt werden, dass es sich bei der angemeldeten Zweigniederlassung nicht um eine eigenständige Gesellschaft, sondern um einen Nebenbetrieb der Gesellschaft selbst handele, sofern aus der konkreten Angabe zur Tätigkeit der Zweigniederlassung die Notwendigkeit eines im Sinne des § 3 I Nr. 2 GmbHG bestimmten Unternehmensgegenstands abgeleitet wird. Für derartige Erwägungen lässt § 13e HGB seinem Wortlaut und seiner Aufgabenstellung nach keinen Raum. Er ist – wie ausgeführt – zur Umsetzung mit der Zweigniederlassungsrichtlinie vom 21.12.1989 erlassen worden. Über die in die Richtlinie 89/666/EWG enthaltenen Anforderungen hinausgehende Eintragungsvoraussetzungen sind mit dieser unvereinbar (EuGH, Urt. vom 30.9.2003, Rs C-167/01, NJW 2003, 331, 333 [Inspire Art]). Da Art. 13e HGB den dem nationalen (Umsetzungs-)Gesetzgeber überlassenen Rahmen ausschöpft, bewirkt jede § 13e HGB erweiternde Auslegung eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts, so dass eine solche Interpretation des nationalen Rechts unvereinbar ist mit der allen mitgliedstaatlichen Gerichten obliegenden Aufgabe, das Gemeinschaftsrecht bei der Anwendung des nationalen Rechts voll zur Geltung zu bringen (sogenannte gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung mit effet utile).

[6]Die in der untergerichtlichen Rechtsprechung (LG Bielefeld, Rpfleger 2004, 708) (IPRspr 2004-228) vertretene Gegenansicht kann angesichts der eindeutigen gemeinschaftsrechtlichen Gegebenheiten nicht überzeugen. Die dort vertretene Meinung läuft letztlich darauf hinaus, dass die dem Recht des Gründungsstaats entsprechenden Gründungserfordernisse dem deutschen Recht anzupassen wären. Diese Konsequenz unterstreicht die Unvereinbarkeit der Rechtsauslegung mit den der Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit dienenden gesellschaftsrechtlichen Richtlinien der europäischen Gemeinschaft. Demgemäß ist das OLG Hamm der vom LG Bielefeld vertretenen Ansicht in einem Beschluss vom 28.6.2005 (GmbHR 2005, 1130) (IPRspr 2005-218) ausdrücklich entgegengetreten.

[7]d) Lässt demgemäß § 13e HGB für die der Beteiligten zu 1) in der Zwischenverfügung vom 15.11.2004 gemachten Auflagen keinen Raum, kann der diese Auflagen bestätigende Beschluss des LG ebenso wenig wie die mit der Beschwerde angefochtene Zwischenverfügung Bestand haben. Diese Entscheidungen sind aufzuheben. Das für den Vollzug der Anmeldung ausschließlich zuständige Registergericht ist anzuweisen, die Anmeldung unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats durchzuführen.

Fundstellen

LS und Gründe

DNotZ, 2006, 153
NJ, 2006, 180

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2005-222

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