Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs (hier: des Internationalen Schiedsgerichtshof in Zürich) setzt gemäß Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ eine wirksame Schiedsvereinbarung voraus, die aber nicht bereits dadurch entfällt, dass der Hauptvertrag zwischen den Parteien (hier: ein Handelsvertretervertrag) aufgehoben wurde. Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung sind nämlich streng voneinander zu trennen.
Unabhängig von der Frage, ob eine Aufrechnung grundsätzlich im Verfahren der Vollsttreckbarerklärung eines Schiedsspruchs zulässig ist, scheidet sie zumindest dann aus, wenn die zeitlichen Grenzen des § 767 II ZPO überschritten sind, der Antragsgegner die Aufrechnung also schon im Schiedsverfahren hätte erklären können.
Die Parteien standen in Geschäftsbeziehungen zueinander. Am 2.5.1995 schlossen sie einen Handelsvertretervertrag, der eine Schiedsvereinbarung enthält. Mit Vertrag vom 9.6.1999 trafen die Parteien eine Aufhebungsvereinbarung, nach deren Inhalt der Handelsvertretervertrag mit sofortiger Wirkung aufgehoben wurde. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass der Anspruch der AGg. auf Erhalt von Provisionen, die zum Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung noch nicht fällig waren, begrenzt war auf die in der Aufhebungsvereinbarung aufgeführten Bestellungen. Anschließend kam es zu einer weiteren Vertragsvermittlung. In Bezug auf diesen Auftrag stellte die AGg. der ASt. am 14.7.2000 eine Provisionsrechnung über einen Betrag von 79 666 900 Lire (41 925,93 Euro).
Als es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über Zahlungsverpflichtungen aus der Geschäftsverbindung kam, leitete die AGg. im April 2000 ein Schiedsverfahren beim Internationalen Schiedsgerichtshof in Zürich ein.
Der Internationale Schiedsgerichtshof hat am 24.1.2005 einen Schiedsspruch erlassen, den die ASt. für vollstreckbar erklären lassen will.
Daraufhin erklärte die AGg. hilfsweise die Aufrechnung mit dem Provisionsanspruch in Höhe von 41 925,93 Euro aus dem der ASt. vermittelten Auftrag.
[1]II. Dem Antrag ist stattzugeben.
[2]Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgt aus § 1062 II, I Nr. 4 ZPO, da die AGg. ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts hat.
[3]Der Antrag ist formgerecht gestellt. Gemäß Art. VII Abs. 1 UNÜ genügen nach dem Günstigkeitsprinzip die Formvorschriften des § 1064 ZPO. Diese sind erfüllt.
[4]Der Antrag ist auch begründet.
[5]Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche richtet sich nach dem UNÜ (§ 1061 I ZPO). Hiernach darf die Vollstreckung des Schiedsspruches nur unter den Voraussetzungen des Art. V UNÜ versagt werden.
[6]Die Voraussetzungen für die Versagung liegen hier nicht vor.
[7]Der Einwand der AGg., das Schiedsgericht habe wegen fehlender Schiedsvereinbarung nicht entscheiden dürfen (Art. V Abs. 1 lit. a UNÜ), ist unbegründet.
[8]Zwar haben die Parteien mit der Aufhebungsvereinbarung vom 9.6.1999 dem Wortlaut nach den Handelsvertretervertrag vom 2.5.1995 aufgehoben. Die Aufhebung des Handelsvertretervertrags bedeutet jedoch nicht ohne weiteres, dass damit zugleich die darin enthaltene Schiedsvereinbarung unwirksam geworden ist. Hauptvertrag und Schiedsvereinbarung sind streng voneinander zu trennen. Der Hauptvertrag ist ein materiell-rechtlicher Vertrag, während die Schiedsvereinbarung einen Prozessvertrag darstellt. Die Unwirksamkeit des Hauptvertrags bewirkt nicht ‚automatisch’ die der Schiedsvereinbarung und umgekehrt (vgl. Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 1029 Rz. 1).
[9]Die AGg. hat zwar behauptet, die Parteien hätten mit dem Handelsvertretervertrag auch die Schiedsvereinbarung aufheben wollen. Sie hat diese Behauptung aber nicht bewiesen. Ihrem Antrag, sie selbst hierzu als Partei zu vernehmen oder anzuhören, war nicht nachzugehen. Die Gegnerin hat widersprochen. Die Voraussetzungen des § 448 ZPO liegen nicht vor. Auch zu einer informatorischen Anhörung sieht der Senat keinen Anlass.
[10]Unabhängig davon wäre die AGg. mit diesem Einwand auch präkludiert.
[11]Nimmt die beschwerte Partei an einem Schiedsverfahren teil, so muss sie die nach ihrer Ansicht fehlende wirksame Schiedsvereinbarung bereits im Schiedsverfahren rügen, anderenfalls ist sie mit diesem Einwand im Vollstreckbarkeitsverfahren ausgeschlossen (Zöller-Geimer aaO § 1061 Rz. 37).
[12]Eine solche Rüge hat die AGg. im Schiedsverfahren nicht erhoben. Die AGg. hat vielmehr selbst das Schiedsverfahren beantragt, u.a. mit dem Antrag festzustellen, dass die jetzt in Bezug genommene Aufhebungsvereinbarung als Scheingeschäft unwirksam sei.
[13]Soweit sie im Schriftsatz vom 21.7.2005 vorgetragen hat, bereits im Schiedsverfahren die Zuständigkeit des Schiedsgerichts im Hinblick auf die Widerklagen beanstandet zu haben, lässt sich nicht feststellen, dass diese Rüge, die auch im Schiedsspruch erwähnt wird, sich auf die angeblich fehlende Schiedsabrede bezogen hat. Sollte dies im angegebenen Schriftsatz behauptet werden wollen, was der Senat nicht feststellen kann, dann wäre dies ein neuer Vortrag nach Ende der mündlichen Verhandlung, der durch den gewährten Schriftsatzvorbehalt nicht gedeckt wäre und dem Senat auch keinen Anlass gäbe, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Die AGg. hatte nämlich zum Schriftsatz der Gegenseite vom 6.7.2005 bereits mit Schriftsatz vom 12.7.2005 sachlich Stellung genommen und darin lediglich angekündigt, zur aufzurechnenden Gegenforderung noch vortragen zu wollen. In diesem Sinne war ihr Antrag auf Schriftsatzvorbehalt zu verstehen und auch nur insoweit hat der Senat ihn gewährt.
[14]Die Rüge der AGg. zielt ersichtlich nur darauf ab, dass sie geltend machen will, gerügt zu haben, dass die Widerklageansprüche nicht unter die Schiedsvereinbarung fielen. Hiermit hat sich das Schiedsgericht zutreffend auseinandergesetzt und deshalb auch den Widerklageanspruch zu 1) abgewiesen. Soweit es der Widerklage stattgegeben hat, liegt auch nach Auffassung des Senats kein Verstoß gegen Art. V Abs. 1 lit. c UNÜ vor.
[15]Auch die Hilfsaufrechnung hat keinen Erfolg.
[16]Die Frage, ob die Aufrechnung mit Gegenforderungen im Vollstreckbarkeitsverfahren \linebreak von Schiedssprüchen zulässig ist, ist streitig. Im Wesentlichen werden hier zwei Ansichten vertreten. So sieht das BayObLG nach Inkrafttreten des neuen Schiedsverfahrensrechts keinen Raum mehr für eine Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung gegen den im Schiedsspruch titulierten Anspruch im Vollstreckbarkeitsverfahren (BayObLG, MDR 2000, 968). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die neu geschaffene Eingangszuständigkeit bei den OLG bzw. dem BayObLG führe nach dem Verfahren über die Vollstreckbarerklärung zu keiner weiteren Tatsacheninstanz, sondern erlaube nur noch die revisionsrechtlich ausgestaltete Rechtsbeschwerde zum BGH und habe daher im Hinblick auf zur Aufrechnung gestellte Gegensprüche den Verlust einer Tatsacheninstanz zur Folge. Durch die Berücksichtigung von materiellen Einwendungen – die in der Regel mit umfangreichen und zeitraubenden Beweiserhebungen verbunden seien – würde zudem die gesetzgeberische Absicht der Vereinfachung und Straffung des gerichtlichen Verfahrens unterlaufen.
[17]Der Senat neigt eher dazu, dieser Auffassung nicht zu folgen, sondern die Aufrechnung auch im Verfahren der Vollstreckbarkeitserklärung grundsätzlich zuzulassen. (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2001, 1362; OLG Düsseldorf, Beschl. vom 19.1.2005 (IPRspr 2005-183) [26 Sch 05/03]; OLG Köln, Beschl. vom 23.4.2004 [9 Sch 03/03]).
[18]Der Senat kann die Frage jedoch im Ergebnis für die Entscheidung offen lassen, denn nach einhelliger Ansicht ist die Aufrechnung mit Gegenforderungen im Vollstreckbarkeitsverfahren nur in den zeitlichen Grenzen des § 767 II ZPO zulässig. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn das Schiedsgericht sich der Entscheidung über die zur Aufrechnung gestellte Forderung wegen Unzuständigkeit enthalten hat. Konnte der Antragsgegner dagegen bereits im Schiedsverfahren die Aufrechnung erklären, standen ihr sonst keine Hindernisse entgegen und hat er dies nicht getan, ist er mit der Aufrechnung im Vollstreckbarkeitsverfahren ausgeschlossen.
[19]So ist die Sachlage hier.
[20]Der zur Aufrechnung gestellte Gegenanspruch war bereits Gegenstand des Schiedsverfahrens und ist von der AGg. mit dem Hilfsantrag ... in das Verfahren eingeführt worden. Das Schiedsgericht hat den Antrag abgewiesen, weil die AGg. den Antrag unter der prozessualen Bedingung gestellt hat, dass das Schiedsgericht die Unwirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung feststellt. Das Schiedsgericht hat die Wirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung festgestellt; eine Aussage zur Zuständigkeit für die Entscheidung über die mit dem Hilfsantrag ... verfolgte Provisionsforderung hat das Schiedsgericht nicht getroffen. Die AGg. war nicht gehindert, bereits im Schiedsverfahren mit ihrer Gegenforderung zumindest hilfsweise aufzurechnen und damit eine Klärung herbeizuführen, ob das Schiedsgericht bereit war, sich mit der Aufrechnung sachlich zu befassen und darüber zu entscheiden. Das ist nicht geschehen und geht zu Lasten der AGg. Die nunmehr erst im Vollstreckbarkeitsverfahren erklärte Aufrechnung ist ausgeschlossen.
[21]Soweit die AGg. rügt, die ASt. habe bestehende Auskunftspflichten verletzt und im Schiedsverfahren falsch vorgetragen, steht auch dies der Vollstreckbarkeitserklärung nicht entgegen. Das Schiedsgericht hat über die gestellten Anträge entschieden. Ein sachliche Nachprüfung findet im Vollstreckbarkeitsverfahren grundsätzlich nicht statt. Selbst wenn man das Vorbringen der AGg. als richtig unterstellt, läge darin nach Auffassung des Senats kein so schwerwiegender Verfahrensverstoß, dass allein deswegen die Vollstreckbarkeitserklärung nach Art. V Abs. 2 lit. b UNÜ versagt werden könnte.
[22]Bei der Vollstreckbarkeitserklärung hinsichtlich des Zinsausspruchs, der nur ganz allgemein auf ‚Zinsen’ nach dem gesetzlichen italienischen Zinssatz lautet, hat der Senat den Schiedsspruch ergänzend ausgelegt und diese Zinsen unter Feststellung und Anwendung des italienischen Rechts konkret ermittelt (vgl. hierzu OLGR Zweibrücken 2005, 222 ff. (IPRspr 2004-170) m.w.N. zum vergleichbaren Fall der Vollstreckbarkeitserklärung ausländischer Urteile). Die ASt. hat den Zinssatz nach Art. 1284 ital. Cc i.V.m. dem Ministerialdekret vom 1.12.2003 zutreffend ermittelt und in der Antragsschrift angegeben (vgl. hierzu auch OLG Zweibrücken aaO).