Bei einer Online-Eheschließung vor einem Reverend in Utah, USA, mittels Videoübertragung der Nupturienten aus Deutschland handelt es sich i.S.d. Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB um eine Ehe im Inland, die nur in der in Deutschland vorgeschriebenen Form geschlossen werden kann.
Erkennt ein EU-Mitgliedstaat eine im Ausland geschlossene Ehe als wirksam an, trägt diese in sein nationales Personenstandsregister ein und stellt eine Eheurkunde aus, ist dieses Ehe-Anerkenntnis aufgrund der EU-Apostillenverordnung für deutsche Behörden bindend.
Der Kläger ist türkischer Staatsbürger. Am 20. Oktober 2022 reiste er erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 31. August 2023 heiratete er die bulgarische Staatsangehörige R ... . Die Eheschließung erfolgte online mittels Videoübertragung der Kläger in Berlin an den die Ehe schließenden Reverend H ... in Utah, USA, und ist durch ein „Certificate of Marriage“ der Stadt Draper in Utah vom 31. August 2023 nebst Apostille der Lieutenant Governor I ... vom 5. September 2023 nachgewiesen. Die Eheschließung wurde am 10. Januar 2024 in das Eheregister der Stadt Varna in Bulgarien eingetragen und eine Eheurkunde ausgestellt.
Am 10. Oktober 2023 beantragte der Kläger beim Landesamt für Einwanderung die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Familienangehörige von EU-Bürgern. Mit Bescheid vom 11. April 2024 lehnte der Beklagte durch das Landesamt für Einwanderung den Antrag des Klägers auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte ab (Bescheidziffer I.), drohte die Abschiebung in die Türkei an (Bescheidziffer II.), ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an und befristete dieses auf zwei Jahre ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Abschiebung (Bescheidziffer III.). Hiergegen richtet sich die am 23. April 2024 bei Gericht eingegangene Klage mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für Einwanderung vom 11. April 2024 zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltskarte auszustellen.
[1]...
[2]Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet ...
[3]I. ... II. Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
[4]Der Kläger ist als türkischer Staatsangehöriger nicht selbst Unionsbürger und ist als Ehemann einer bulgarischen Staatsangehörigen freizügigkeitsberechtigter Familienangehöriger einer Unionsbürgerin i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 3 a) FreizügG/EU.
[5]1. Zwar ist die Online-Eheschließung in den USA nach deutschem Sachrecht nicht formwirksam erfolgt (siehe dazu: OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2022 –
[6]Auf die Form der Eheschließung ist deutsches Sachrecht anwendbar. Eine Ehe kann gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) "im Inland" nur in der in Deutschland vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Um eine (auch) "im Inland" geschlossene Ehe handelt es sich selbst dann, wenn nur die Verlobten ihre Erklärungen auf Eingehung der Ehe in Deutschland abgeben, während die Stelle, welche aufgrund der Erklärungen das Zustandekommen der Ehe feststellt, sich in einem anderen Staat befindet. Die Abgabe der Erklärungen auf Eingehung der Ehe ist für die Eheschließung derart wesentlich, dass die Eheschließung (auch) am Ort der Abgabe der Erklärungen stattfindet. Sinn und Zweck der einseitigen Kollisionsvorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB erfordern eine solche Auslegung, damit die in Deutschland vorgeschriebene Form der Eheschließung nicht ohne Aufwand mithilfe einer Videotelefonie unterlaufen werden kann. Als Spezialregelung geht Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB im Rahmen seines Anwendungsbereichs der allgemeineren Kollisionsvorschrift des Art. 11 EGBGB vor. Um keine "im Inland" geschlossene Ehe handelt es sich dagegen, wenn die Verlobten sich zwar während der Eheschließung in Deutschland aufhalten, die Erklärungen auf Eingehung der Ehe allerdings von Stellvertretern in der Erklärung in einem anderen Staat vor einer dort zuständigen Stelle abgegeben werden (hierzu: BGH, Beschluss vom 29. September 2021 –
[7]Der Kläger und seine Verlobte – die Nupturienten – haben ihre Erklärungen auf Eingehung der Ehe persönlich in Deutschland abgegeben, sodass es sich um eine Heirat "im Inland" im Sinne von Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB handelt. Die in Deutschland abgegebenen Erklärungen sind lediglich zeitgleich in Bild und Ton nach Utah übertragen worden. Der Inlandsbezug beschränkt sich nicht darauf, dass in Deutschland bloß eine Beauftragung von Stellvertretern stattgefunden hat, die dann in Utah die Erklärungen zur Eingehung der Ehe abgegeben haben, sondern die Erklärungen zur Eingehung der Ehe selbst sind "im Inland" abgegeben worden. Die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB sind schon deshalb nicht erfüllt, weil keiner der Nupturienten Staatsangehöriger der Vereinigten Staaten von Amerika ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2022 –
[8]Nach dem anzuwendenden deutschen Sachrecht ist keine formgültige Ehe zustande gekommen. Die Ehe wird gemäß § 1310 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Deutschland nur dadurch geschlossen, dass die Eheschließenden vor dem Standesbeamten erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen. Die Eheschließenden müssen die Erklärungen dabei gemäß § 1311 Satz 1 BGB persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit abgeben (OLG Köln, Beschluss vom 8. März 2022 –
[9]2. Jedoch ist die Ehe aufgrund der bulgarischen Eheurkunde vom 10. Januar 2024 als wirksam anzusehen.
[10]a) Denn nach Art. 1 Abs. 1 lit. a) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 und Art. 4 der Verordnung (EU) 2016/1191 (EU-Apostillen-Verordnung) darf für öffentliche Urkunden, die von den Behörden eines Mitgliedstaats – hier Bulgarien – gemäß dessen nationalem Recht ausgestellt werden, den Behörden eines anderen Mitgliedstaats vorgelegt werden müssen und in erster Linie dazu dienen, einen oder mehrere der folgenden Sachverhalte – hier nach Art. 2 Abs. 1 lit. e) „Eheschließung, einschließlich Ehefähigkeit und Familienstand“ – zu belegen, weder eine Legalisation oder eine Apostille verlangt werden (vgl. Brandhuber/Heussler, Standesamt und Ausländer, Stand: 62. Lieferung, Juli 2024, Band I, Bulgarien, XII. 4.).
[11]Folglich ist für den Beklagten die in der Eheurkunde bescheinigte Eheschließung ohne weitere Legalisierung bindend.
[12]b) Überdies kommt die Nachregistrierung der Ehe in Bulgarien der Heilung der Nichtehe nach § 1310 Abs. 3 Nr. 1 BGB gleich.
[13]Eine Heilung der nach deutschem Recht formunwirksamen Ehe – wie vom Beklagten angefordert (vgl. Bl. 316 VV) – vor dem deutschen Standesamt ist nicht möglich, da nach § 34 Abs. 1 Personenstandgesetz eine Nachbeurkundung der Ehe nur für Deutsche, Staatenlose, heimatlose Ausländer und ausländische Flüchtlinge mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland zulässig ist.
[14]Ausländer, wie der Kläger und seine Ehefrau, müssen die Nachbeurkundung in ihrem Heimatland vornehmen lassen (vgl. a. Auskunft des Standesamtes Treptow-Köpenick vom 20. November 2023, Bl. 40 GA). Dies ist hier durch die Eintragung in das bulgarische Personenstandsregister erfolgt.
[15]Insoweit ist ergänzend anzumerken, dass die in den USA geschlossene Ehe nach dem bulgarischen Internationalen Privatrecht (abgedruckt in: Bergmann/Ferid/Heinrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Band IV, Bulgarien, Stand: 1. Mai 2021, S. 46) als wirksam geschlossen anzusehen ist. Denn nach Art. 75 Abs. 1 IPR Bulgarien unterliegt die Form der Ehe dem Recht des Staates, vor dessen Organ sie geschlossen wird. Dies ist hier Utah in den USA, da die Ehe vor dessen Organ – Reverend H ... – geschlossen worden ist. Sodann wurde die Ehe in Bulgarien wirksam anerkannt. Nach Art. 75 Abs. 3 IPR Bulgarien wird eine im Ausland geschlossene Ehe in der Republik Bulgarien anerkannt, wenn die in dem nach § 75 Abs. 1 IPR Bulgarien anwendbaren Recht festgelegte Form gewahrt ist. Dies ist hier der Fall. Die Wirksamkeit der Ehe nach amerikanischem Recht ist durch die Eheurkunde vom 31. August 2023 (Bl. 27 GA) und die Apostille der Lieutenant Governor vom 5. September 2023 (Bl. 26 GA) bestätigt.
[16]Da hier die Anerkennung der in Bulgarien als wirksam eingetragenen Ehe in Deutschland aufgrund der Apostillen-Verordnung erfolgt, kommt es auf etwaige Kollisionen des internationalen Privatrechts im Übrigen nicht an. Insbesondere dürfte ein Fall des „ärgeren Rechts“ (vgl. dazu: Stürner, in: Erman BGB, Kommentar, 17. Auflage 2023, Art. 13 EGBGB Rn. 47 m.w.N.) nicht vorliegen, da nicht die Eheschließungsstatute der Eheleute zu verschiedenen Rechtsfolgen führen, sondern das bulgarische – der Ehefrau – und das deutsche Eheschließungsstatut, das insoweit jeweils durch die für alle Mitgliedsstaaten verbindliche EU-Apostillen-Verordnung überlagert wird.
[17]III. ...
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