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Verfahrensgang

AG München, Beschl. vom 06.03.2024 – 721 III 225/23, IPRspr 2024-258

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Eine Namenswahl nach Art. 48 EGBGB ist nur möglich, wenn der Antragsteller den Namen während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der EU erworben hat. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

Cc (Frankr.) Art. 61-3-1; Cc (Frankr.) Art. 311-21
CIEC-Ü Nr. 4 Art. 1; CIEC-Ü Nr. 4 Art. 3
EGBGB Art. 48
PStG § 49

Sachverhalt

Am ...1991 wurde die Betroffene in München geboren und beim Standesamt IV München, jetzt München unter der Nr. ...1991 beurkundet. Die Mutter der Betroffenen ist französische Staatsangehörige, der Vater ist deutscher Staatsangehöriger. Die Betroffene hat durch Geburt beide Staatsangehörigkeiten erworben. Die Eltern haben in München geheiratet und nach deutschem Recht ihren Ehenamen bestimmt. Dieser lautet H. Die Namensführung das Kind betreffend richtet sich demnach nach deutschem Recht. Der Geburtsname der Betroffenen lautet ebenfalls auf H. Die Betroffene, die ihren Wohnsitz in Deutschland hat, führt nach Erklärung gegenüber den französischen Behörden in Frankreich den Namen Mi. Mu. Ba. Die Namensänderung wurde am 12.2.2023 in das französische Geburtenregister eingetragen. Als Rechtsgrundlage für die Namensänderung wird Art. 61-3-1 Code Civil genannt. Sie beantragt nunmehr, die in Frankreich bewilligte Namensänderung für den deutschen Rechtsraum anzuerkennen und die mit Wirkung zum 12.1.2023 eingetragene Namensänderung in das deutsche Geburtenregister einzutragen.

Das Standesamt München hat Zweifel, ob die in Frankreich erfolgte Namensänderung in Deutschland ohne Weiteres übernommen werden kann bzw. ob vielmehr eine öffentlich-rechtliche Namensänderung nach dem Namensänderungsgesetz zu beantragen ist und legt das Verfahren gemäß § 49 Abs. 2 PStG dem AG München zur Entscheidung vor.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]... Die Standesamtsaufsicht München beantragt, von einer Anweisung des Standesamts abzusehen. Sie führt aus, dass eine Namensänderung nach Art. 3 Satz 1 des CIEC-Abk. vom 4.9.1958 über die Änderung von Namen und Vornamen nicht möglich sei. Der Anwendungsbereich des Abkommens erfasse nach dessen Art. 1 nur die Änderung von Namen, die von der zuständigen Behörde bewilligt werden und nicht solche, die Folge einer privatrechtsgestaltenden Erklärung der Betroffenen gegenüber dem Standesamt ist. Zur Umsetzung der in Frankreich vollzogenen Namensänderung sei ein Verfahren nach dem Namensänderungsgesetz durchzuführen. 

[2]Der Antrag ist gemäß § 49 Abs. 2 PStG zulässig. Das AG München ist sachlich und örtlich zur Entscheidung zuständig. 

[3]Der Rechtsauffassung der Standesamtsaufsicht München schließt sich das Gericht an. Die Betroffene hat zunächst ein Verfahren nach dem Namensänderungsgesetz durchzuführen. 

[4]Gemäß Art. 3 des CIEC-Abk. vom 4.9.1958 über die Änderung von Namen und Vornamen, dem sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch Frankreich beigetreten sind und dessen Anwendungsbereich damit grundsätzlich eröffnet ist, ist eine unanfechtbare Entscheidung, die in einem Vertragsstaat ergangen ist und durch die eine Änderung des Namens oder von Vornamen eines eigenen Staatsangehörigen bewilligt wird, ohne Weiteres rechtswirksam, soweit seine öffentliche Ordnung hierdurch nicht beeinträchtigt wird. Dabei betrifft das [Ü]bereinkommen nach Art. 1 Änderungen von Namen und Vornamen, die von der zuständigen Behörde bewilligt werden, mit Ausnahme derjenigen, die sich aus Änderungen des Personenstandes oder aus der Berichtigung eines Irrtums ergeben. 

[5]Seit dem 1.7.2022 ist es in Frankreich einem Volljährigen gemäß Art. 61-3-1 und Art. 311-21 des Code Civil möglich, den Vor- und Nachnamen durch einfache Erklärung gegenüber dem Standesamt zu ändern. Es kann damit der Name eines Elternteils oder ein Doppelname aus den Namen beider Eltern gewählt bzw. der Name eines Elternteils abgelegt werden. Eine solche Erklärung hat die Betroffene abgegeben und ihren Familiennamen geändert. Diese Erklärung wurde im französischen Geburtenregister ohne weitere Überprüfung oder behördliche Entscheidung eingetragen. 

[6]Der sachliche Anwendungsbereich des Übereinkommens ist damit nicht eröffnet. Dieser erfasst nach Art. 1 nur behördliche Namensänderungen (siehe hierzu MüKo/Gössl, BGB, 9. Aufl. 2024, Art. 10 EGBGB Rn. 67, OLG München 1.4.2014, StAZ 2014, 179 (IPRspr 2014-7)). Die Namensänderung in Frankreich erfolgte nicht aufgrund einer behördlichen Entscheidung oder Bewilligung, sondern beruhte allein auf einer privatrechtlichen Erklärung der Betroffenen gegenüber dem Standesamt, die dann ohne weitere behördliche Prüfung bzw. Entscheidung in das Geburtenregister übertragen wurde. Die Namensänderung beruht nicht auf einer auf öffentlichem Recht beruhenden Willenserklärung, kann daher nicht ohne Durchführung eines Verfahrens nach dem Namensänderungsgesetz im deutschen Rechtsraum übernommen werden. 

[7]Auch der Anwendungsbereich des Art. 48 EGBGB ist nicht eröffnet ...

[8]Nach dem vorliegenden meldebehördlichen Auszug lebte die Betroffene in der Zeit vom ...2021 bis ...2023 in München, ist im Anschluss innerhalb Deutschlands nach Markt Schwaben gezogen. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gegenüber den französischen Behörden am ...2022 war ihr Wohnsitz ebenfalls in München. Sie hat den Namen damit nicht während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der EU erworben, sodass der Anwendungsbereich des Art. 48 EGBGB nicht eröffnet ist.

Fundstellen

LS und Gründe

StAZ, 2025, 22, mitgeteilt v. Hensel

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-258

Lizenz

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