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Verfahrensgang

OLG Hamm, Beschl. vom 21.11.2024 – 18 U 105/24
OLG Hamm, Beschl. vom 21.11.2024 – 18 U 105/24, IPRspr 2024-247

Rechtsgebiete

Außervertragliche Schuldverhältnisse → Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigte Bereicherung

Leitsatz

Die infolge der Weisungserteilung entstandenen Aufwendungsersatz- bzw. Vergütungsansprüche ergeben sich unabhängig vom Seefrachtvertrag aus Gesetz bzw. aus einem quasi-​vertraglichen Tatbestand, der internationalprivatrechtlich gesondert gem. Art. 11 Rom ​II-​VO anzuknüpfen ist. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

HGB § 25; HGB § 491
Rom II-VO 864/2007 Art. 11
ZPO § 513; ZPO § 522; ZPO § 529; ZPO § 546

Sachverhalt

Die Beklagte hatte bei der in O. ansässigen I. Co. Ltd. eine größere Anzahl von zusammenlegbaren Containern erworben, die zum Transport in neunzehn „Bundles“ zusammengefasst wurden. Die I. Co. Ltd. als „Shipper“/Befrachter ließ die 19 „Bundles“ durch die Klägerin zu 2) von K. nach R. transportieren. Empfängerin („Consignee“) war die Beklagte. Sie beauftragte die Streithelferin mit dem (Weiter-​)Transport des Gutes jedenfalls nach N.. Nachdem es zunächst am xx.5.2021 im Terminal zur Verladung der „Bundles“ auf einen Güterzug gekommen war, stellte sich, jedenfalls nach Darstellung der Beklagten, heraus, dass ein Bahntransport nicht durchführbar war. Darauf veranlasste die Beklagte „durch ihren Spediteur“, dass das Gut vom Güterzug/Bahnbereich abgeholt und am 27.5.2021 wieder in den Containerbestand der Klägerin zu 2) am D. Terminal übernommen wurde. Nach der Beauftragung von Binnenschiff-​Reedereien mit dem Weitertransport bat die Beklagte per E-​Mail vom xx.6.2021, gerichtet an Frau C. unter der E-​Mail-​Adresse, erneut um Freistellung und erklärte, „sämtliche Kosten, die damit zu tun haben“, zu übernehmen. Die Freistellung erfolgte noch an demselben Tag; die „Bundles“ wurden sodann per Binnenschiff im Juni 2021 aufgenommen und weitertransportiert. Im Februar 2022 erstellte die Klägerin zu 1) der Beklagten eine Rechnung über das Lagergeld in Höhe von ... €; die Rechnung enthielt den Vermerk „For and on behalf of V. ... Y.- France“). Berechnet wurden in Bezug auf 6 „Bundles“ Lagerkosten („Storage“) für 8 Tage in Höhe von je 70,00 €/Bundle/Tag sowie „Extra Move Charges“, ferner in Bezug auf 13 weitere „Bundles“ Lagerkosten in gestaffelter Höhe sowie auch insoweit „Extra Move Charges“.

Am 20.6.2022 haben die Klägerinnen beim Landgericht Bielefeld Klage erhoben. Das Gericht hat die Klage der Klägerin zu 1) mangels Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen, jedoch der von der Klägerin zu 2) erhobenen Klage stattgegeben. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren vollständigen Klageabweisungsantrag weiter.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]B.

[2]Die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung per Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO liegen gegenwärtig vor.

[3]I. Die Berufung hat nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).

[4]Das Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546) noch rechtfertigen nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

[5]1. Hauptforderung

[6]Die Beklagte schuldet der Klägerin zu 2) wegen der Einlagerung der „Flats“ (bzw. „Bundles“) sowie deren Handling die verlangte Vergütung in Höhe von ... €.

[7]a) Die Haftung der Beklagten auf die geltend gemachten Handling- und Lagerkosten folgt zwar nicht aus dem Seefrachtvertrag zwischen der O.schen Befrachterin und der Klägerin zu 2) bzw. aus dem insoweit ergänzend anzuwendenden (wohl) französischen Recht. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Beklagte Partei dieses Vertrags geworden ist oder dass darin zu ihren Lasten – wirksam – Pflichten begründet worden sind. Aus der Klausel 202 im „Waybill“ betr. „Demurrage“ und „Detention“ lässt sich eine solche Pflicht ohnehin nicht ableiten. Weder ist dort der Empfänger als Schuldner bezeichnet, noch handelt es sich bei den von der Klägerin in diesem Rechtsstreit verlangten Kosten um „Demurrage“ oder „Detention“.

[8]b) ... aa) ... Die infolge der Weisungserteilung entstandenen Aufwendungsersatz- bzw. Vergütungsansprüche der Klägerin zu 2) ergeben sich unabhängig vom Seefrachtvertrag aus Gesetz bzw. aus einem quasi-​vertraglichen Tatbestand.

[9]Ein solcher Sachverhalt, nämlich die Entstehung einer gesetzlichen Haftung des Empfängers, ist international-​privatrechtlich gesondert anzuknüpfen (Rabe/Bahnsen, Seehandelsrecht, 5. Aufl., § 494 Rn. 48 unter Hinweis auf BGH, Urt. vom 23.10.2013, Az. VIII ZR 423/12 (IPRspr 2013-51) betr. § 25 HGB). Das gilt auch für den Aufwendungsersatz- und Vergütungsanspruch des Verfrachters aus § 491 Abs. 2 S. 3 HGB.

[10]Die von der Klägerin zu 2) – weisungsgemäß – ergriffenen Maßnahmen haben ein „außervertragliches Schuldverhältnis aus Geschäftsführung ohne Auftrag“ im Sinne von Art. 11 Rom-​II-​VO begründet, auch wenn dieser Tatbestand eng zu verstehen sein sollte und nur solche Schuldverhältnisse erfasst, die auf einer vom Geschäftsführer/Intervenienten durchgeführten Maßnahme („act performed“) beruhen, welche die Angelegenheiten bzw. den Interessenkreis („affairs“) des Geschäftsherrn/Prinzipals berührt, ohne dass ein Auftrag bzw. eine besondere Befugnis („due authority“) hierfür vorliegt (in diesem Sinn BeckOGK/Schinkels, 1.8.2018, Rom II-​VO Art. 11 Rn. 11; s.a. Hüßtege u.a./Limbach, BGB, Rom-​Verordnungen, Stand 4.2024, Rom II Art. 11 Rn. 6, beck-​online). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Mangels Anknüpfbarkeit an ein bereits zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis (Abs. 1 – es bestand keine vertragliche Verbindung zwischen den Parteien) und mangels eines gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Parteien (Abs. 2) ist Art. 11 Abs. 3 Rom-​II-​VO maßgeblich, wonach das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem die Geschäftsführung erfolgt ist, also deutsches Recht.

[11]bb) ...

Fundstellen

Volltext

Link, NRWE (Rechtsprechungsdatenbank NRW)
Link, openJur

LS und Gründe

NJOZ, 2025, 280
RdTW, 2025, 105

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2024-247

Lizenz

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