Nach dem Brexit ist Großbritannien im Rahmen der EuGVVO ein Drittstaat. Aus diesem Grund bestimmt sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in diesen Fällen nach den autonomen Zuständigkeitsregelungen. [LS der Redaktion]
Die Parteien streiten um die Rückerstattungspflicht der Beklagten hinsichtlich einer Genussrechtsbeteiligung an der 2007 (dem Jahr der Zeichnung durch die Klägerin) noch in Österreich ansässigen D. AG, die im Juli 2007 in eine Genussrechtsbeteiligung (G. Fund ...) der T. AG (diese Gesellschaften künftig auch: Beklagte) umgewandelt wurde, die wiederum zum 31.12.2018 nach einer zunächst erfolgten Umwandlung in eine österreichische GmbH auf die Beklagte in Großbritannien mit Sitz in London verschmolzen wurde. Streitgegenstand ist nicht eine etwaige Falschberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb der Genussrechtsbeteiligung von 2007, sondern die nach Ansicht der Klägerin rechtswidrige Umwandlung ihrer Genussrechte in sogenannte B-Aktien im Zusammenhang mit der Verschmelzung auf die Beklagte mit der nach ihrer Ansicht damit einhergehenden Schadensersatzpflicht bzw. Rückerstattungspflicht betreffend ihre Einlage bei der Beklagten durch diese entsprechend den Genussrechtsbedingungen.
Mit Endurteil vom 25.04.2024 verurteilte das LG München I die Beklagte zur Zahlung in Höhe von € ... nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von wohl noch € ... Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte, das Urteil des Landgerichts München I, Az.
[1]III.
[2]Die Klage ist wegen internationaler Unzuständigkeit deutscher Gerichte abzuweisen.
[3]Deutsche Gerichte sind international unzuständig. Es gibt drei Rechts„ebenen“, die zunächst in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden müssen:
[4]1. § 341 Abs. 2 Satz 1 UmwG in der seit 01.03.2023 geltenden Fassung (im Gegenschluss) könnte die Zulässigkeit der Klage nachträglich wieder beseitigt haben (da Art. 25 Abs 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Gesetze [BGBl. Teil I Nr. 51 vom 28.02.2023, Seite 34] keine Übergangsregelung enthält) oder klarstellen, dass von Anfang an nur unter den dort gegebenen Voraussetzungen die Zulässigkeit der Klage vor deutschen Gerichten zu bejahen wäre. Das scheitert nach Ansicht des Senats zum Einen an einer dann bestehenden echten Rückwirkung zum Nachteil der Klägerin und zum Anderen an der Normenhierarchie des hier bestehenden Vorrangs des EU-Rechts.
[5]2. Es ist an eine Anwendung der Art. 17 Abs. 1 c, 18 Abs. 1, 6 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (künftig: EuGVVO) zu denken.
[6]3. Vorrangig könnten aber auch Art. 67 Abs. 1 a, 126 des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft 2019 (künftig: Austrittsabkommen; Amtsblatt der Europäischen Union vom 12.11.2019,
[7]4. Der Senat entscheidet sich für Letzteres, da ansonsten die Regelungen des Austrittsabkommens zur Beendigung der Anwendbarkeit der EuGVVO zu großen Teilen leer liefen, was mit Sicherheit keine der beiden Vertragsparteien so gewollt hat (sonst wäre die Regelung nicht vereinbart worden). Der Senat teilt daher die Ansicht der Klägerin, die EuGVVO griffe (über Art. 6 EuGVVO?) hier durch, nicht. Im Übrigen wird auf Art. 216 Abs. 2 AEUV verwiesen. Die EuGVVO wäre danach hier nicht anwendbar. Soweit andere Oberlandesgerichte und Literaturmeinungen das Gegenteil vertreten (vgl. zuletzt OLG Köln, Urteil vom 23.05.2024,
[8]5. § 13 Nr. 2 GRB steht einer Klage in Deutschland nicht entgegen, sofern sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte anderweitig bejahen lässt, begründet selbst aber keinen solchen Gerichtsstand in Deutschland.
[9]6. Das Haager Gerichtsstandsübereinkommen vom 30.06.2005 (vgl. Anhang zum Beschluss des Rates vom 26.02.2009 über die Unterzeichnung des Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen Nr. 2009/397/EG - nach juris; künftig: HGÜ) ist nicht einschlägig, da es lediglich die internationale Zuständigkeit aufgrund von Gerichtsstandsvereinbarungen regelt (Art. 1 Abs. 1 HGÜ), was hier nicht relevant ist, zumal Verbraucher (diese Eigenschaft bei der Klägerin unterstellt) nicht in den Anwendungsbereich des Abkommens fallen (Art. 2 Abs. 1 a HGÜ).
[10]7. Wendet man Art. 6 EuGVVO hier nicht an, gelten die allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung (vgl. Tintemann/Ali, Klage am Verbrauchergerichtsstand in Deutschland nach Brexit möglich?, VuR 2022, 336, 337, Ziffer II 2), hier u.a. § 32 ZPO:
[11]a) Die Klägerin macht eine vertragliche Pflichtverletzung geltend, nicht jedoch eine vermögensschützende unerlaubte Handlung. Eine solche ist auch nicht ersichtlich. Aber nur eine unerlaubte Handlung (in Großbritannien oder Österreich) mit Schadenseintritt (hier:) in Deutschland kann den Gerichtsstand des § 32 ZPO begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 10.12.2002,
[12]b) Darüber hinaus liegen Schadenshandlung und Schadenseintrittsort (Umwandlung der Genussscheine in sogenannte B-Aktien der jetzigen Beklagten) nicht in Deutschland, da nichts dafür ersichtlich ist, dass im Zeitpunkt der Umwandlung exakt allein und durch diese ein Wertverfall der Anteilsscheine stattgefunden hat (allein dann wäre an einen Schadenseintritt in Deutschland zu denken). Dabei kann offen bleiben, ob mit diesem Ergebnis die internationale Zuständigkeit österreichischer Gerichte begründet wäre (vgl. § 13 Nr. 2 GRB) oder die Beklagte allein in Großbritannien verklagt werden könnte.
[13]8. § 29 ZPO (wegen behaupteter Vertragspflichtverletzung) verweist im Hinblick auf § 269 BGB auf den Sitz der Beklagten in Großbritannien.
[14]9. §§ 12, 17 ZPO verweisen ebenfalls auf die internationale Zuständigkeit britischer Gerichte am Sitz der Beklagten.
[15]10. Damit kommt es auf die Frage, ob ein Verbraucher, der Genussscheine der Beklagten gezeichnet hat, für rechtliche Auseinandersetzungen im Rahmen dieses Vertragsverhältnisses noch Verbraucher ist, nicht mehr an.
[16]IV. ...
[17]Die Revision war zuzulassen, da für die Frage der internationalen (Un-) Zuständigkeit deutscher Gerichte im Zusammenhang mit dem Austrittsabkommen die grundsätzliche Bedeutung zu bejahen ist (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Allein die Feststellung des BGH im Beschluss vom 15.06.2021 (
Dieses Werk steht unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.