Für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung sind gem. Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIb-VO für die Begründung der internationalen Zuständigkeit der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes maßgeblich. Ist noch kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, stellt Art. 11 Abs. 1 Brüssel IIb-VO auf den tatsächlichen Aufenthalt ab. [LS der Redaktion]
Mit Antrag vom 5.12.2022 hat das Jugendamt mitgeteilt, dass es den Jugendlichen G. P. A., geb. 00.0.2005, in Obhut genommen habe, und beantragt, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen und das Jugendamt als Amtsvormund zu bestellen. Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht den Antrag des Jugendamts, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen, zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde verfolgt das Jugendamt in erster Linie sein erstinstanzliches Begehren weiter, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen, hilfsweise eine Entscheidung nach § 1666 BGB.
[1]B.
[2]Die Beschwerde des Jugendamtes ist zulässig (§ 162 Abs. 3 S. 2 FamFG) und in der Sache begründet. Entgegen der vom Familiengericht vertretenen Auffassung liegen die Voraussetzungen des § 1674 Abs. 1 BGB für ein Ruhen der elterlichen Sorge vor. Gem. §§ 1675, 1773 Abs. 1 Nr. 3 BGB ist für den Minderjährigen somit ein Vormund zu bestellen.
[3]I. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Regelung der elterlichen Sorge ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIb-VO oder Art. 11 Brüssel IIb-VO. Diese ist vorliegend nach Art. 100 der Brüssel IIb-VO (VO (EU) 2019/1111 v. 25.6.2019, ABl. 2019 L 178) anwendbar, da das Verfahren nach dem 1.8.2022 eingeleitet worden ist.
[4]Nach Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa- sind für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist noch kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet, stellt Art. 11 Abs. 1 Brüssel IIb-VO auf den tatsächlichen Aufenthalt ab. Dies gilt nach Abs. 2 auch dann, wenn es sich bei dem Kind um einen Flüchtling handelt. Im vorliegenden Fall hat G. seinen gewöhnlichen, jedenfalls aber seinen tatsächlichen Aufenthalt in Deutschland.
[5]In der Sache ist gemäß Art. 15 Abs. 1 KSÜ deutsches Recht anwendbar. Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ gilt das lex fori-Prinzip. Ist die Zuständigkeit eines Vertragsstaates begründet, wendet dieser sein eigenes Recht an. Dabei ist unerheblich, ob das betreffende Kind Angehöriger eines Vertragsstaates oder eines Drittstaates ist (OLG Bamberg, Beschl. v. 10.3.2022 -
[6]II. ... III. Zur Überzeugung des Senats steht weiter fest, dass G. noch minderjährig ist und daher grundsätzlich noch unter elterlicher Sorge steht.
[7]Kollisionsrechtlich ist die Frage der Minderjährigkeit als Vorfrage selbstständig nach Art. 7 EGBGB anzuknüpfen, sodass grundsätzlich das Heimatrecht zur Anwendung gelangt. Nach afghanischem Recht tritt die Volljährigkeit - genau wie nach deutschem Recht - mit Erreichen des 18. Lebensjahres ein (BeckOK BGB/Mäsch, Stand: 1.2.2023, Art. 7 EGBGB Rn. 58.1).
[8]G. hat bei seiner persönlichen Anhörung angegeben, am 00.0.2005 geboren und damit aktuell 17 Jahre alt zu sein. Dieses Geburtsdatum ist im Termin durch die vorgelegten Urkunden bestätigt worden und stimmt im Übrigen auch mit dem unmittelbaren Eindruck überein, den der Senat von G. gewonnen hat. Auch das Jugendamt geht von einer Minderjährigkeit des Betroffenen aus. Da das Alter von G. hiernach nicht zweifelhaft erscheint, ist eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes in diesem Punkt nicht erforderlich.
[9]IV. ...