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Verfahrensgang

AG Lennestadt, Vorlagebeschl. vom 11.01.2021 – 3 C 232/20, IPRspr 2021-255
EuGH, Beschl. vom 21.09.2021 – C-30/21
AG Lennestadt, Urt. vom 28.04.2022 – 3 C 232/20
AG Lennestadt, Urt. vom 12.01.2023 – 3 C 232/20, IPRspr 2023-290

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Allgemeiner Gerichtsstand
Vertragliche Schuldverhältnisse → Allgemeines Vertragsrecht
Allgemeine Lehren → Ordre public

Leitsatz

Bei Klagen gegen einen Fahrzeugführer mit Wohnsitz im Inland, die einen Verstoß gegen die ausländische (hier: ungarische) Mautpflicht zum Gegenstand haben, kann im Anschluss an EuGH, Beschluss vom 21.09.2021 – C-30/21, der Rechtsweg zu inländischen Gerichte eröffnet und deren internationale Zuständigkeit nach Art. 4 Abs.1 Brüssel Ia-VO  gegeben sein.

Die Geltendmachung der erhöhten Zusatzgebühr für die Benutzung der mautpflichtigen ungarischen Autobahn verstößt nicht gegen den ordre public. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

36/2007 (III. 26) GMK (Ungarn) Anl. 1; 36/2007 (III. 26) GMK (Ungarn) § 7/A
EuGVVO 1215/2012 Art. 4
I/1988 VerkehrsG (Ungarn) § 33/A
Rom I-VO 593/2008 Art. 4 

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 28.04.2022 ist zulässig, insbesondere rechtzeitig erfolgt. In der Sache ist die Klage, soweit sie nach der teilweisen Klagerücknahme aus dem Schriftsatz vom 24.11.2022 (Bl. 269 der Akte) noch anhängig ist, zulässig und begründet.

[2]A. Zulässigkeit und internationale Rechtsfragen

[3]Nach der im vorliegenden Rechtsstreit ergangenen Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 21.09.2021 (Rs. C-​30/21, Bl. 125 ff. der Akte), die für das Amtsgericht Lennestadt als vorlegendes Gericht bindend ist (vgl. EuGH, Urteil vom 16.06.2015, Rs. C-​62/14, NJW 2015, 2013, Rn. 16), und dem in einem gleich gelagerten Rechtsstreit ergangenen Urteil des BGH vom 23.09.2022 (Az. XII ZR 7/22 (IPRspr 2022-242), ZIP 2022, 2393) können keine Zweifel mehr an der internationalen Zuständigkeit sowie an der Rechtswegzuständigkeit des Amtsgerichts Lennestadt bestehen. Ebenso ist die Klägerin nicht etwa aufgrund eines Ordre-​public-​Verstoßes daran gehindert, die erhöhte Zusatzgebühr für die Benutzung der mautpflichtigen ungarischen Autobahn geltend zu machen. Auf die umfangreichen Ausführungen in dem Beschluss des EuGH vom 21.09.2021 und dem Urteil des BGH vom 23.09.2022 wird verwiesen; eine erneute Darstellung erscheint entbehrlich ...

[4]B. Begründetheit

[5]Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von ... HUF gemäß § 33/A Abs. 1 des ungarischen Straßenverkehrsgesetzes in Verbindung mit § 7/A Abs. 6 und 10 sowie Anlage 1 der ungarischen Mautverordnung.

[6]Insoweit ist zunächst festzustellen, dass auf den vorliegenden Rechtsstreit gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. b oder jedenfalls Art. 4 Abs. 2 der Rom-​I-VO (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) das materielle ungarische Recht anzuwenden ist (BGH, Urteil vom 23.09.2022, Az. XII ZR 7/22 (IPRspr 2022-242), ZIP 2022, 2393). Nach den vorgenannten ungarischen Vorschriften hat der Halter eines PKW, der ohne Mautvignette eine mautpflichtige ungarische Straße befährt, eine Ersatzmaut von 14.875,00 ungarischen Forint (HUF) zu zahlen, wenn er diese innerhalb von 60 Tagen nach Zugang einer Zahlungsaufforderung bezahlt; nach Ablauf von 60 Tagen ist eine erhöhte Zusatzgebühr von 59.500,00 HUF zu zahlen. Soweit die Mautvignette innerhalb einer Karenzzeit von 60 Minuten gekauft wird, wird keine Ersatzmaut oder Zusatzgebühr fällig (§ 7/A Abs. 3 der ungarischen Mautverordnung).

[7]...

Fundstellen

LS und Gründe

BeckRS, 2023, 48306

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2023-290

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