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Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee, Beschl. vom 27.02.2023 – 10 F 702/18
KG, Beschl. vom 30.08.2023 – 16 UF 43/23, IPRspr 2023-289

Rechtsgebiete

Zuständigkeit → Zuständigkeit in Ehe- und Kindschaftssachen
Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Güterrecht
Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Scheidung, Trennung

Leitsatz

Die Bestimmungen der EU-​Güterrechtsverordnung gelten nur für Ehen, die am 29. Januar 2019 oder später eingegangen wurden und nicht für die Übertragung von Ansprüchen auf Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten, die zwar während der Ehe erworben wurden, aber noch zu keinem ehezeitlichen Renteneinkommen geführt haben.

Nach dem autonomem deutschen Kollisionsrecht folgt das Statut des Versorgungsausgleichs dem Scheidungsstatut und deshalb untersteht die Regelung des Versorgungsausgleichs dem nach der Rom III-​VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht. [LS von der Redaktion neu gefasst]

Rechtsnormen

EGBGB Art. 3; EGBGB Art. 17; EGBGB Art. 229 § 28
EuEheVO 2019/1111 Art. 100
EuEheVO 2201/2003 Art. 3
EuGüVO 2016/1103 Art. 1; EuGüVO 2016/1103 Art. 3; EuGüVO 2016/1103 Art. 69
FamFG § 58; FamFG § 63; FamFG § 64; FamFG § 98
Rom III-VO 1259/2010 Art. 5; Rom III-VO 1259/2010 Art. 8; Rom III-VO 1259/2010 Art. 11

Sachverhalt

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich in dem vom Familiengericht am 27. Februar 2023 verkündeten Scheidungsverbundbeschluss, mit dem die Ehe der Beteiligten geschieden und der Versorgungsausgleich den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend durchgeführt wurde.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]1. Die Beschwerde ist zulässig:

[3]a) Die Antragsgegnerin hat ihr Rechtsmittel fristgerecht angebracht und ordnungsgemäß begründet (§§ 58, 63 Abs. 1, 64 FamFG).

[4]b) Aufgrund des Umstands, dass der Antragsteller die spanische Staatsangehörigkeit besitzt, weist der zu beurteilende Sachverhalt zwar eine Verbindung zu einem ausländischen Staat auf. Das Familiengericht hat dennoch zu Recht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. KG, Beschluss vom 26. Juli 2018 - 3 UF 16/18, IPRspr 2018, 317 Nr. 138 [Rz. 23] sowie Thomas/Putzo-​Hüßtege, ZPO [44. Aufl. 2023], Vor § 1 ZPO Rn. 7): Sie ergibt sich, nachdem beide Ehegatten sich bereits seit vielen Jahren für gewöhnlich in B… und damit im Inland aufhalten und das Verfahren schon im Januar 2018 eingeleitet wurde (Art. 100 Abs. 1 Brüssel IIb-​VO), noch aus Art. 3 Abs. 1 lit. a, 1. Spiegelstrich Brüssel IIa-​VO. Die danach für die Scheidung bestehende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte erstreckt sich nach dem Gesetz (§ 98 Abs. 3 FamFG) auch auf die Folgesache Versorgungsausgleich. Denn insoweit existiert keine zuständigkeitsbegründende supranationale oder europäische Norm, so dass es beim autonomen Verfahrensrecht sein Bewenden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2021 - XII ZB 190/18 (IPRspr 2021-52), FamRZ 2021, 1609 [Rz. 12] sowie Niethammer-​Jürgens/Erb-​Klünemann, Internationales Familienrecht in der Praxis [3. Aufl. 2022], S. 84f.).

[5]2. In der Sache selbst erweist sich die Beschwerde der Antragsgegnerin dagegen als nicht begründet. Denn auch unter Berücksichtigung ihres Beschwerdevortrags gibt es gegen die Entscheidung des Familiengerichts in der Folgesache Versorgungsausgleich im Ergebnis nichts zu erinnern:

[6]a) Aufgrund der spanischen Staatsangehörigkeit des Antragstellers liegt ein Sachverhalt mit Auslandsbezug vor (Art. 3 EGBGB). Dennoch richtet sich die streitgegenständliche Regelung des Versorgungsausgleichs nach deutschem materiellen Recht:

[7](aa) Das ergibt sich allerdings noch nicht aus der EU-​Güterrechtsverordnung. Zwar hat der Versorgungsausgleich einen ganz klaren güterrechtlichen Bezug, weil es sich hierbei um ein Ausgleichssystem handelt, bei dem es letztlich ebenfalls um den Ausgleich der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten aus Anlass der Auflösung einer Ehe geht (Art. 3 Abs. 1 lit. a EuGüVO). Aber die Bestimmungen der EU-​Güterrechtsverordnung gelten nur für Ehen, die am 29. Januar 2019 oder später eingegangen wurden - die Beteiligten haben bereits im Jahr 1994 geheiratet - und, bedeutsamer, sie gilt nicht für die Übertragung von Ansprüchen auf Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrenten, die zwar während der Ehe erworben wurden, aber - wie hier - noch zu keinem ehezeitlichen Renteneinkommen geführt haben (Art. 69 Abs. 3, Art. 1 Abs. 2 lit. f EuGüVO sowie Winter, Internationales Familienrecht bei Fällen mit Auslandsbezug [1. Aufl. 2023], Rn. 328, 330). Daher entscheidet über die Anwendbarkeit des deutschen Sachrechts nicht supranationales, sondern das autonome Kollisionsrecht.

[8](bb) Nach dem autonomen internationalen und intertemporalen Kollisionsrecht untersteht der Versorgungsausgleich dem nach der Rom III-​VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht; das Statut des Versorgungsausgleichs folgt dem Scheidungsstatut (Art. 229 § 28 Abs. 2 EGBGB iVm. Art. 17 Abs. 4 EGBGB; vgl. Winter, a.a.O. Rn. 339; Niethammer-​Jürgens/Erb-​Klünemann, a.a.O. S. 85): Die Scheidung unterliegt, wie das Familiengericht zutreffend festgestellt hat, dem deutschen Sachrecht. Denn die Ehegatten haben keine Rechtswahl getroffen (Art. 5 Abs. 1 Rom III-​VO) und sie haben im Januar 2018, bei Anbringung des Scheidungsantrages, beide im Inland gelebt, so dass auf die Scheidung das deutsche Scheidungsrecht als Recht ihres gewöhnlichen Aufenthalts anwendbar ist (Art. 8 lit. a, 11 Rom III-​VO). Die weitere Voraussetzung dafür, dass der Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen ist, liegt vor: Am 1. März 2018, bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags, war die Antragsgegnerin deutsche Staatsangehörige und das deutsche materielle Familienrecht sieht mit dem Versorgungsausgleichsgesetz eine Regelung des Versorgungsausgleichs vor (Art. 17 Abs. 4 Satz 1, 2. HS EGBGB). Damit untersteht der Versorgungsausgleich dem deutschen Recht.

[9]b) ...

Fundstellen

LS und Gründe

FamRB, 2024, 324

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2023-289

Lizenz

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