Teile eines Schiedsspruchs können in einem hierauf beschränkten Verfahren für vollstreckbar erklärt werden, wenn sie gegenüber dem Rest des entschiedenen Streitstoffs einen selbständig abgrenzbaren Teil darstellen.
Hat das Schiedsgericht im Verfahren über eine isolierte Beschlussfeststellungsklage zwischen Gesellschaftern einer GmbH und der Gesellschaft mit Wirkung inter omnes positiv festgestellt, dass ein Gesellschafterbeschluss mit bestimmtem Inhalt wirksam gefasst worden ist, steht die Unteilbarkeit des Schiedsspruchs einem Verfahren der Vollstreckbarerklärung entgegen, das nur zwischen Gesellschaftern, nicht aber zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft geführt wird.
Eine erstinstanzliche Parteierweiterung auf Antragstellerseite im Verfahren über den Antrag auf Aufhebung eines Schiedsspruchs und den Gegenantrag auf Vollstreckbarerklärung ist trotz mangelnden Einverständnisses der Gegenseite im Fall der Sachdienlichkeit zulässig.
Im Umfang der Aufhebung eines Schiedsspruchs kann die Sache auch dann an das Schiedsgericht zurückverwiesen werden, wenn nur eine Partei die Zurückverweisung beantragt, sofern keine augenfällige, gravierende Verletzung des rechtlichen Gehörs einer Partei vorliegt und die Zurückverweisung sachdienlich erscheint.
Die Antragstellerinnen zu 1) und 2) und die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) sind die Gesellschafterinnen der Antragstellerin zu 3), einer GmbH mit Sitz in M. (im Folgenden auch: GmbH oder Gesellschaft). Hinsichtlich mehrerer Beschlüsse, die im Oktober und November 2019 in drei Gesellschafterversammlungen gefasst worden sind, sind in drei von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (im Folgenden: DIS) administrierten Schiedsverfahren am 25. März 2021 Schiedssprüche ergangen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens über die Aufhebung bzw. Vollstreckbarerklärung sind diese Entscheidungen des Schiedsgerichts insoweit, als sie zu Gesellschafterbeschlüssen ergangen sind, die die Abberufung des Geschäftsführers Dr. Sh. und Kündigung seines Dienstvertrags sowie den Abschluss des nachverhandelten Vertrags der Gesellschaft mit dem XXX Engineerin Center for XXX (im Folgenden: SE.) zum Gegenstand hatten.
Nachdem die Anträge der Antragstellerinnen auf Aufhebung bzw. teilweise Aufhebung der Schiedssprüche übereinstimmend für erledigt erklärt worden sind, ist nur noch über die Gegenanträge der Antragsgegnerinnen auf Vollstreckbarerklärung zu entscheiden.
[1]II.
[2]Nachdem die Anträge auf Aufhebung (XX2) bzw. teilweise Aufhebung (XX4 und XX9) der Schiedssprüche übereinstimmend für erledigt erklärt worden sind, ist in der Sache nur noch über die Gegenanträge auf Vollstreckbarerklärung zu entscheiden. Diese Anträge erweisen sich jedenfalls bei Schluss der mündlichen Verhandlung als zulässig. Ihnen ist stattzugeben, soweit sie sich auf die Ziffern 1, 2 und 4 des unter dem Gz. XX2 erlassenen Schiedsspruchs und die jeweilige Ziffer 1 der unter den Gz. XX4 und XX9 erlassenen Schiedssprüche beziehen. Die weitergehenden Anträge auf Vollstreckbarerklärung der Ziffern 3 und 7 des Schiedsspruchs XX4 sowie Ziffern 5 und 9 des Schiedsspruchs XX9 sind unter Teil-Aufhebung dieser Schiedssprüche (§ 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und Zurückverweisung an das Schiedsgericht (entsprechend § 1059 Abs. 4 ZPO) abzulehnen, weil insoweit Aufhebungsgründe vorliegen.
[3]1. Die Anträge auf Vollstreckbarerklärung sind zulässig.
[4]a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 ZPO i. V. m. § 7 BayGZVJu in der seit dem 1. Mai 2020 geltenden Fassung zuständig, weil der vertraglich festgelegte Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Bayern liegt.
[5]b) Die besonderen Beweismittelanforderungen des § 1064 Abs. 1 ZPO sind durch die Vorlage der unterschriebenen Schiedssprüche in anwaltlich beglaubigter Abschrift erfüllt. Die Authentizität der Schiedssprüche ist zudem nicht bestritten.
[6]c) Bei den Entscheidungen des Schiedsgerichts, auf die sich der Antrag bezieht, handelt es sich um wirksame Schiedssprüche.
[7]Alle streitgegenständlichen Schiedssprüche erfüllen die formellen Voraussetzungen des § 1054 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 ZPO. Insbesondere tragen sie ausweislich der von den Antragsgegnerinnen vorgelegten, anwaltlich beglaubigten Abschriften und der von der Antragstellerin zu 1) eingereichten elektronischen Dokumente abschließend die Unterschriften der Schiedsrichter.
[8]Die von den Antragstellerinnen geäußerten Zweifel am Vorliegen eines wirksamen Schiedsspruchs im Verfahren XX2 teilt der Senat nicht. Mit ihrem Hinweis auf die tatsächliche Gesamtlänge des Schiedsspruchs von 31 Seiten und der Paginierung „page
[9]d) Der Umstand, dass eine Vollstreckbarerklärung nur hinsichtlich einzelner Teile der Schiedssprüche beantragt wird, steht der Zulässigkeit der Anträge nicht entgegen.
[10]aa) Die Vollstreckbarerklärung kann auf Teile des Schiedsspruchs beschränkt werden, die gegenüber dem Rest des entschiedenen Streitstoffs einen selbständig abgrenzbaren Teil darstellen (BayObLG, Beschl. v. 7. Dezember 2022,
[11]bb) Die erforderliche Teil- und Abgrenzbarkeit auf die von den Anträgen auf Vollstreckbarerklärung umfassten Teile der Schiedssprüche ist gegeben. Ziffer 3 des Schiedsspruchs im Verfahren XX2, mit dem alle anderen Anträge, soweit ihnen nicht stattgegeben worden ist, abgewiesen worden sind, betrifft ausweislich des im Schiedsspruch dargestellten Streitstoffs keinen Sachantrag. Ziffern 2, 4 und 5 des Schiedsspruchs XX4 sowie Ziffern 2 bis 4 und Ziffern 6, 7 des Schiedsspruchs XX9 beziehen sich auf weitere, selbständige Beschlussfassungen in den Gesellschafterversammlungen am 17. Oktober und 21. November 2019. Die Abweisung „aller anderen Anträge, denen nicht stattgegeben wird“ (Ziffer 6 des Schiedsspruchs XX4; Ziffer 8 des Schiedsspruchs XX9) bezieht sich gegebenenfalls, das heißt, sofern dem Ausspruch ein eigenständiger Regelungsgegenstand innewohnen soll, auf die Widerklagen der Schiedsbeklagten zu 2) und 3) gegen die Schiedsklägerinnen. Die erforderliche Teilbarkeit der Schiedssprüche ist diesbezüglich gegeben, weil diese Widerklagen Feststellungsklagen nach § 256 ZPO unter Gesellschafterinnen darstellen und nicht als Beschlussfeststellungsklagen – die zwingend gegen die Gesellschaft zu richten gewesen wären – qualifiziert werden können (vgl. auch BGH, Beschl. v. 16. April 2015,
[12]e) Aufgrund der Parteierweiterung steht der Zulässigkeit auch nicht mehr der Umstand entgegen, dass eine Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung nur im Verhältnis zwischen einzelnen Gesellschafterinnen, nicht aber im Verhältnis zur Gesellschaft der insoweit gesondert zu beurteilenden Unteilbarkeit des Schiedsspruchs widerspräche.
[13]aa) Die zwischen allen Gesellschafterinnen und der Gesellschaft ergangenen Schiedssprüche über (soweit hier streitgegenständlich) isolierte Beschlussfeststellungsklagen der Schiedsklägerinnen wirken erga omnes – sei es in entsprechender Anwendung der § 248 Abs. 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG, sei es aufgrund Ziffer II. der Konsolidierungs- und Umstrukturierungsvereinbarung. Eine Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung allein im Verhältnis zwischen einzelnen Gesellschafterinnen als Parteien des Vollstreckbarerklärungsverfahrens ohne Einbeziehung insbesondere der Gesellschaft selbst in dieses Verfahren, in dem die Schiedssprüche einer – nach Maßgabe des § 1059 Abs. 2 ZPO beschränkten – Überprüfung unterzogen werden, hätte mit der intendierten Einheitlichkeit der Rechtslage und damit verbundenen Unteilbarkeit des jeweiligen Schiedsspruchs in Konflikt stehen können. Die Gefahr einer gespaltenen Rechtslage besteht jedoch nicht mehr, weil aufgrund der Parteierweiterung eine Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und allen ihren Gesellschafterinnen ergehen kann.
[14]bb) Die Parteierweiterung auf Antragstellerseite durch die im Einverständnis mit der Antragstellerin zu 1) erklärten Beitritte ist prozessual wirksam erfolgt. Sie wird aus Gründen der Sachdienlichkeit zugelassen ...
[15]Im Streitfall erachtet der Senat die Parteierweiterung als sachdienlich. Sie zielt darauf ab, entsprechend § 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG eine einheitliche Rechtslage hinsichtlich der streitgegenständlichen schiedsgerichtlichen Urteile über die Frage, ob und mit welchem Inhalt bestimmte Gesellschafterbeschlüsse gefasst worden sind, zu gewährleisten. Die Einbeziehung der Gesellschaft, der Antragstellerin zu 3), und der Beitritt der weiteren Gesellschafterin, der Antragstellerin zu 2), sind geeignet, im vorliegenden Verfahren eine Klärung des betroffenen Streits im Verhältnis zwischen Gesellschafterinnen und Gesellschaft mit Wirkung inter omnes herbeizuführen. Würden die Beitritte nicht zugelassen, so wäre über die Streitigkeit nach Abtrennung in gesonderten Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 263 Rn. 77). Sämtliche Verfahren wären aus den im Hinweisbeschluss des Senats vom 10. Dezember 2021 genannten Gründen unzulässig. Unzulässig wäre im Fall einer Abtrennung aus denselben Gründen auch der vorliegende Antrag der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) auf (Teil)Vollstreckbarerklärung der Schiedssprüche. Erst die Zulassung der Beitritte ermöglicht die notwendig einheitlich zu treffende Entscheidung. Erst sie ermöglicht auch die Kontrolle der Schiedssprüche auf ihre Vereinbarkeit mit dem ordre public, § 1059 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) ZPO, und die Vollstreckbarerklärung in dem Umfang, in dem ein solcher Verstoß nicht festzustellen ist. Die aufgrund einer solchen inhaltlichen Prüfung ergehende Entscheidung ist weit besser geeignet, den Rechtsfrieden zu fördern, als eine auf lediglich prozessualen Gründen beruhende Bestandskraft der Schiedssprüche. Prozessrecht ist nicht Selbstzweck. Seine Normen sind so auszulegen, dass sie ein praktisches Verfahren ermöglichen (Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl. 2022, Einl VI Rn. 3).
[16]Der nach Parteierweiterung ausdrücklich gegen alle Antragstellerinnen gerichtete Gegenantrag auf Vollstreckbarerklärung ermöglicht somit eine einheitliche Entscheidung.
[17]f) Auch ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben.
[18]Dem steht nicht entgegen, dass die zur jeweiligen Hauptsache getroffenen schiedsgerichtlichen Entscheidungen keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben, denn die Vollstreckbarerklärung dient nicht nur dazu, die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen (BGH, Besch. v. 30. März 2006,
[19]Vorliegend kann nur eine Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung Rechtsfrieden hinsichtlich der gegenständlichen Streitpunkte herbeiführen. Da die Antragstellerinnen die Ansicht vertreten, die Schiedssprüche beruhten auf einer Verletzung des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), besteht ein rechtliches Interesse der Antragsgegnerinnen daran, diesen Vorwurf im Verfahren vor einem staatlichen Gericht auszuräumen. Durch die Vollstreckbarerklärung wird bescheinigt, dass der von den Antragstellerinnen behauptete und auch von Amts wegen zu beachtende Aufhebungsgrund nicht vorliegt und somit die Anerkennung der Schiedssprüche den inländischen ordre public nicht verletzt.
[20]Keinen Einfluss auf das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende Verfahren hat der Umstand, dass mittlerweile unter dem Geschäftszeichen XX0 am 10. Januar 2022 ein weiterer Schiedsspruch ergangen ist (Anlage AG 7; Aktenzeichen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht:
[21]Schon wegen des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Kostengrundentscheidung und Hauptsacheentscheidung (vgl. BGH, Beschl. v. 29. Januar 2009,
[22]Dass die im Schiedsspruch XX2 betragsmäßig ausgewiesene Kostenforderung aufgrund der nach Erlass des Schiedsspruchs geleisteten Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist und der materiell-rechtliche Einwand im Verfahren der Vollstreckbarerklärung geltend gemacht werden kann (BGH, Beschl. v. 31. März 2016,
[23]2. Den Anträgen auf Vollstreckbarerklärung ist stattzugeben, soweit sie sich auf die Entscheidungen des Schiedsgerichts beziehen, welche die Beschlussfassungen über die Abberufung des Geschäftsführers Dr. Sh. und die außerordentliche Kündigung seines Dienstvertrags betreffen (jeweils Ziffer 1 der Schiedssprüche XX2, XX4 und XX9, Ziffer 2 des Schiedsspruchs XX2). Insoweit liegen keine Aufhebungsgründe vor.
[24]Gemäß § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung eines Schiedsspruchs abzulehnen, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. Im Streitfall steht einer Vollstreckbarerklärung der Schiedssprüche im beschriebenen Umfang nicht der verfahrensrechtliche ordre public entgegen, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO. Entgegen der Meinung der Antragstellerinnen hat das Schiedsgericht den Anspruch auf rechtliches Gehör insoweit nicht verletzt.
[25]a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ist Bestandteil des (verfahrensrechtlichen) ordre public (vgl. BGH, Beschl. v. 21. April 2022,
[26]Das Gebot rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet die Gerichte, die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Das Gericht braucht dabei nicht jedes Vorbringen ausdrücklich zu bescheiden; es hat vielmehr bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken. Die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen aber, die den Kern des Parteivorbringens darstellen und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung sind, müssen in den Gründen verarbeitet werden. Ein Schweigen zu den insoweit vorgebrachten Argumenten lässt den Schluss zu, dass der Vortrag nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet wurde (st. Rspr.; BVerfG, Beschl. v. 20. Mai 2022,
[27]Schiedsgerichte haben rechtliches Gehör in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte zu gewähren (vgl. BGH NJW 1992, 2299 [juris Rn. 12] (IPRspr. 1992 Nr. 250); Urt. v. 11. November 1982,
[28]b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht ersichtlich, dass das Schiedsgericht, soweit es über die Beschlussfeststellungen zur Abberufung und Kündigung des Geschäftsführers Dr. Sh. geurteilt hat, den Anspruch der Antragstellerinnen zu 1) und 2) auf rechtliches Gehör verletzt hätte. Es hat die Feststellung getroffen, dass Beschlüsse gemäß den Beschlussanträgen nicht wirksam zustande gekommen seien, weil vorliegend die Abberufung und außerordentliche Kündigung einen wichtigen Grund voraussetzten, der jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erwiesen sei. Bei seiner Würdigung hat das Schiedsgericht keinen wesentlichen und entscheidungserheblichen Vortrag, den die Antragstellerinnen zu 1) und 2) in den Schiedsverfahren vorgebracht haben, unberücksichtigt gelassen.
[29]aa) Die Antragstellerinnen können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, das Schiedsgericht habe den Kern des Vorbringens zum behaupteten Interessenkonflikt übergangen.
[30]Das Schiedsgericht ist mit den Antragstellerinnen davon ausgegangen, dass ein Tätigwerden eines Geschäftsführers zum Nachteil seiner Gesellschaft grundsätzlich einen wichtigen Grund darstellen kann. Es hat das darauf bezogene Vorbringen zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung erwogen, indem es über den streitigen Vortrag Beweis erhoben, die Beweise gewürdigt und sodann das von ihm festgestellte Beweisergebnis seiner rechtlichen Bewertung zugrunde gelegt hat.
[31]Das Schiedsgericht hat sich auf der Grundlage der durchgeführten Beweiserhebung – ausweislich der Schiedssprüche durch Zeugenvernehmung und Auswertung von E-Mails – eine eigene Überzeugung von den Tatsachen gebildet (SSp XX2 Rn. 152 bis 166; SSp XX4 Rn. 194 bis 208; SSp XX9 Rn. 205 bis 219) und auf dieser Tatsachengrundlage eine rechtliche Bewertung angestellt. Dass es den erhobenen Vorwurf nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bestätigt gesehen hat und deshalb zu der Wertung gelangt ist, dass eine Pflichtverletzung unter dem Aspekt des Interessenkonflikts entgegen der Ansicht der Antragstellerinnen nicht vorliege, beruht nicht auf einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die (Schieds-)Gerichte weder, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen, noch sich ihrer Beweiswürdigung anzuschließen ...
[32]bb) Auch die Kernargumente, die in den Schiedsverfahren in Bezug auf den angeblichen Geheimnisverrat des Dr. Sh. vorgebracht worden sind, hat das Schiedsgericht nicht übergangen.
[33]Mit den Antragstellerinnen ist das Schiedsgericht davon ausgegangen, dass ein Geheimnisverrat eines Geschäftsführers zum Nachteil seiner Gesellschaft grundsätzlich einen wichtigen Abberufungs- und Kündigungsgrund darstellen kann. Ausgehend hiervon ist es dem streitigen Vortrag nachgegangen und hat Beweis erhoben, sich eine (eigene) Überzeugung von der Tatsachengrundlage gebildet und diese sodann einer rechtlichen Würdigung unterzogen. Es hat mithin das Vorbringen zur Kenntnis genommen und geprüft, ob ein Geheimnisverrat zu bejahen ist (SSp XX2 Rn. 143 bis 149; XX4 Rn. 185 bis 191; XX9 Rn. 196 bis 202) ...
[34]cc) ... c) Nach alledem ist dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung des im Verfahren XX2 ergangenen Schiedsspruchs, ausgenommen den vom Antrag nicht umfassten Ausspruch in Ziffer 3 des Tenors, stattzugeben.
[35]Das Schiedsgericht hat aus den dargestellten Gründen keinen wesentlichen und entscheidungserheblichen Sachvortrag der Antragstellerinnen zum Vorliegen von Abberufungs- und Kündigungsgründen – dem alleinigen Gegenstand in diesem Verfahren – unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Die Anerkennung des Schiedsspruchs in Ziffer 1 des Tenors und der korrespondierenden Ziffer 2 (Abweisung der denselben Gesellschafterbeschluss betreffenden Widerklage) verstößt mithin nicht gegen den ordre public.
[36]Da ein Gehörsverstoß in Bezug auf die Kostenentscheidung von den Antragstellerinnen nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich ist, ist dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung auch insoweit (Ziffer 4 des Tenors) stattzugeben, allerdings – wie bereits ausgeführt – unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Zahlung.
[37]d) Aus denselben Gründen ist auch dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung der in den Verfahren XX4 und XX9 jeweils unter Ziffer 1 des Tenors ergangenen schiedsgerichtlichen Entscheidungen stattzugeben.
[38]Einer Vollstreckbarerklärung der Ziffer 1 des im Verfahren XX4 ergangenen Schiedsspruchs steht nicht entgegen, dass das Schiedsgericht das Vorbringen zur Unzumutbarkeit des Versammlungsorts übergangen hat.
[39]Eine darin möglicherweise liegende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich. Das Schiedsgericht hat ohnehin festgestellt, dass der Beschluss über die Abberufung und Kündigung des Dr. Sh. nicht wirksam gefasst worden ist. Ob der Beschluss außerdem wegen eines Einberufungsmangels nicht wirksam zustande gekommen ist, ist für die Entscheidung ohne Belang. Die Feststellung, dass der Beschluss nicht wirksam gefasst worden ist, ist erst recht dann richtig, wenn der Einberufungsmangel unterstellt wird.
[40]3. Die Anträge auf Vollstreckbarerklärungen sind unter teilweiser Aufhebung der in den Verfahren XX4 und XX9 ergangenen Schiedssprüche abzulehnen, soweit sie die Beschlussfassungen zum Abschluss des Nachtragsvertrags mit SE. betreffen (XX4 Ziffer 3 des Tenors; XX9: Ziffer 5 des Tenors). Dies steht auch einer Vollstreckbarerklärung der Kostenentscheidungen dieser Schiedssprüche entgegen.
[41]a) In den Gründen des zu XX4 ergangenen Schiedsspruchs hat das Schiedsgericht das wesentliche und entscheidungserhebliche Vorbringen, der Versammlungsort der Gesellschafterversammlung am 17. Oktober 2019 sei für die Antragstellerin zu 1) unzumutbar gewesen, nicht erwähnt und bei seiner Feststellung, der Gesellschafterbeschluss zum Abschluss des Nachtragsvertrags sei wirksam gefasst worden, nicht berücksichtigt. Dies verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG.
[42]aa) ... bb) ... b) Darüber hinaus hat das Schiedsgericht den Antragsgegnerinnen im Verfahren XX4 mehr zugesprochen, als sie nach den im Schiedsspruch wiedergegebenen Anträgen beantragt hatten.
[43]In den Gründen des Schiedsspruchs sind die Anträge der Schiedsklägerinnen unter Rn. 58, diejenigen der Schiedsbeklagten unter Rn. 60 bis 62 wiedergegeben. Danach hatten die Schiedsklägerinnen nicht die Feststellung beantragt, dass in der Gesellschafterversammlung vom 17. Oktober 2019 der Beschluss betreffend die Ergänzungsvereinbarung mit SE. wirksam gefasst worden ist. Vielmehr haben die Schiedsbeklagten widerklagend die Feststellung begehrt, der Beschluss sei nicht wirksam gefasst worden. Die Schiedsklägerinnen haben sich insoweit auf einen Abweisungsantrag beschränkt.
[44]Indem das Schiedsgericht dennoch positiv festgestellt hat, ein wirksamer Beschluss sei gefasst worden, hat es gegen das in § 308 Abs. 1 ZPO zum Ausdruck kommende grundlegende Prinzip „ne ultra petita“ verstoßen, wonach die (schieds-)gerichtliche Entscheidungsbefugnis durch den Parteiantrag beschränkt ist. Dieser Verstoß stellt zugleich eine Verletzung rechtlichen Gehörs dar (BGH, Beschl. v. 5. Juli 2022,
[45]Darin liegt ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public, der von Amts wegen zu beachten ist, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO (vgl. Wilske/Markert in BeckOK ZPO, § 1060 Rn. 5; Voit in Musielak/Voit, ZPO, § 1060 Rn. 9). Er geht unmittelbar aus dem Inhalt des Schiedsspruchs hervor und kann daher auch ohne eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge der Parteien berücksichtigt werden (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 9. Dezember 2021,
[46]c) Das Schiedsgericht hat es zudem unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG versäumt, in den Gründen der Schiedssprüche zu XX4 und XX9 auf die in den Schiedsverfahren aufgeworfene Frage der für eine wirksame Beschlussfassung erforderlichen Mehrheit in der gebotenen Weise einzugehen ...
[47]d) Die dargestellten Aufhebungsgründe stehen der beantragten Vollstreckbarerklärung der unter Ziffer 3 im Verfahren XX4 und Ziffer 5 im Verfahren XX9 ergangenen Schiedssprüche entgegen. Auf die weiteren behaupteten Gehörsverstöße kommt es in diesem Zusammenhang nicht mehr an.
[48]Auch die Kostenaussprüche der Schiedssprüche in den genannten Verfahren können infolgedessen nicht für vollstreckbar erklärt werden. Denn bereits die teilweise Aufhebung eines Schiedsspruchs bewirkt wegen der Abhängigkeit des Kostenentscheids von der Entscheidung zur Hauptsache, dass die Kostenentscheidung nicht selbständig für vollstreckbar erklärt werden kann (BGH, Beschl. v. 29. Januar 2009,
[49]4. Auf den Antrag der Antragsgegnerinnen verweist der Senat die Sachen in analoger Anwendung des § 1059 Abs. 4 ZPO im Umfang der Aufhebung an das Schiedsgericht zurück.
[50]Für eine Zurückverweisung spricht, dass sich das Schiedsgericht mit dem komplexen Sachverhalt bereits intensiv befasst hat. Die dabei erworbenen Kenntnisse können im weiteren Verfahren verwendet werden.
[51]Zwar haben nur die Antragsgegnerinnen Zurückverweisung beantragt, während die Antragstellerinnen sich dagegen ausgesprochen haben. Dies steht jedoch im Streitfall einer Zurückverweisung nicht entgegen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt eine Zurückverweisung an das Schiedsgericht in direkter oder analoger Anwendung von § 1059 Abs. 4 ZPO nicht in Betracht, wenn sie nur von einer Partei beantragt worden ist und der Aufhebungsgrund einer augenfälligen, gravierenden Verletzung des rechtlichen Gehörs einer Partei vorliegt. Augenfällige und gravierende Verletzungen des rechtlichen Gehörs sind jedoch nicht zutage getreten. Die von den Antragstellerinnen geltend gemachten Verletzungen des Gehörsrechts haben sich zum großen Teil als nicht berechtigt erwiesen. Die oben festgestellten Gehörsverstöße sind nicht als gravierend und augenfällig zu qualifizieren. Den Verstoß gegen den Grundsatz „ne ultra petita“ haben die Antragstellerinnen selbst nicht einmal von sich aus geltend gemacht. Dass der Einwand eines Einberufungsmangels unbearbeitet geblieben ist, lässt sich mit einem einfachen Versehen erklären. Das Vorbringen in den parallel durchgeführten Schiedsverfahren war weitgehend deckungsgleich, der Einberufungsmangel wurde allerdings nur in einem der drei Schiedsverfahren geltend gemacht. Die Frage des erforderlichen Mehrheitsverhältnisses ist nicht gänzlich übersehen worden.
[52]Ein augenfälliger und gravierender Gehörsverstoß ist auch insoweit nicht feststellbar, als die Antragstellerinnen geltend machen, das Schiedsgericht habe sich mit dem Vorbringen nicht auseinandergesetzt, dass der Nachtragsvertrag mit SE. für die Gesellschaft nachteilig sei und die Zustimmung einen Treuepflichtverstoß darstelle ...
[53]III. 1. ... 2. Die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses Beschlusses ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO im Umfang der Vollstreckbarerklärung anzuordnen.
[54]3. ...