Regelmäßig wird der gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes nach Art. 22 Abs. 1 EGBGB an den der austragenden Mutter angeknüpft. Der gewöhnliche Aufenthalt von Kindern, die nach einer Leihmutterschaft geboren worden sind, ist gerade wegen der mit der Pandemie und dem Kriegsausbruch in der Ukraine verbundenen Verzögerungen nach besonderen Kriterien zu beurteilen. Steht wie hier bereits mit Geburt des Kindes fest, dass es nicht in der Obhut seiner Mutter bleiben wird, und wechselt das Kind sogleich in die Obhut einer dritten Person, die es nur deswegen nicht an seinen Zielort im Inland bringen kann, weil eine Pandemie zu Grenzschließungen führt, ist jedenfalls dann kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden, wenn die Verzögerungen nicht zu einem tatsächlichen Aufenthalt beitragen, der einen Zeitraum von sechs Monaten überschreitet. [LS der Redaktion]
Mit notarieller Urkunde hat die 1968 geborene Frau Vorname1 V (im Folgenden: die Annehmende) im Dezember 2020 beim Amtsgericht Stadt2 beantragt auszusprechen, dass sie das Kind Vorname3 V als Kind annimmt. Vorname3 (im Folgenden: der Anzunehmende) ist ausweislich der dem Antrag beigefügten Geburtsurkunde, der Sohn von Herrn Vorname2 V, mit dem die Annehmende das zweite Mal verheiratet ist. Mutter des anzunehmenden Kindes ist Frau Vorname5 X. Die Annehmende und der Vater des Kindes hatten sich an eine in Tschechien und der Ukraine rechtmäßig handelnde Kinderwunschklinik in Stadt5 (Tschechien) gewendet. Dort ist mithilfe einer Eizellspende bei Frau X eine Schwangerschaft eingeleitet worden (sog. „Leihmutterschaft“). Nach der Geburt des Kindes hat Herr V die Vaterschaft für das Kind anerkannt. Am 18. Januar 2023 hat das Amtsgericht ohne persönliche Anhörung der Beteiligten den Adoptionsantrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Annehmende und der Vater des Kindes mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde.
Da das Ehepaar zwei Kinder wollte, ist außerdem noch ein weiteres Kind, Vorname4 V, auch über den Weg einer Leihmutterschaft entstanden. Für die von einer anderen Frau am XX.XX.2020 geborene Vorname4 hat ausweislich des beigezogenen Vorgangs ... des Amtsgerichts Stadt2 ebenfalls Herr Vorname2 V die Vaterschaft anerkannt. In dem erwähnten Verfahren strebt die hiesige Annehmende ebenfalls an, ihr Stiefkind Vorname4 zu adoptieren. In diesem Verfahren ist noch keine Entscheidung des Amtsgerichts ergangen, weil vor dem Hintergrund der schwierigen Frage einer sittlichen Rechtfertigung der Adoption der Ausgang des vorliegenden Verfahrens abgewartet werden soll.
[1]II.
[2]Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere nach § 63 FamFG fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach dem während des Beschwerderechtzuges zulässig nachgeholten Vortrag begründet, denn nach dem im Beschwerdeverfahren festzustellenden Sachverhalt ist der Adoptionsantrag zulässig und begründet. Gemäß §§ 1741 Abs. 2 Satz 3, 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 2 BGB ist die Annahme des Kindes Vorname3 als Kind der Annehmenden auszusprechen.
[3]Im Einzelnen gilt folgendes:
[4]1. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass für das Adoptionsverhältnis gem. Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB ausschließlich die deutschen Sachvorschriften, mithin auch § 1741 BGB, Anwendung finden, da sowohl die Annehmende als auch ihr Ehemann (der rechtliche Vater des Kindes) jeweils auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und alle - also auch das anzunehmende Kind - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Da auch das Kind - vermittelt durch die rechtliche Vaterschaft des Ehemanns der Annehmenden - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 S. 1 StAG), kommen auch hinsichtlich der erforderlichen Zustimmungen für die Annahme als Kind ausschließlich die deutschen Sachvorschriften zur Anwendung (Art. 23 S. 1 EGBGB).
[5]Zwar wird grundsätzlich an den gewöhnlichen Aufenthalt der das Kind austragenden Mutter angeknüpft. Das schließt allerdings an die Vermutung an, dass ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo es seinen Lebensmittelpunkt hat. Dieser befindet sich im Allgemeinen in den ersten Lebensmonaten an dem Ort, an dem es zusammen mit seiner Mutter lebt (Henrich, in: Staudinger, Stand 2022, Rn. 13 zu Art. 19 EGBGB). Der gewöhnliche Aufenthalt von Kindern, die nach einer Leihmutterschaft geboren worden sind, ist gerade wegen der mit der Pandemie und dem Kriegsausbruch in der Ukraine verbundenen Verzögerungen nach besonderen Kriterien zu beurteilen (Kvit/Spickhoff, FamRZ 2023, 653, 658ff., vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. März 2019 -
[6]2. ...