Der gewöhnliche Aufenthalt eines im Ausland (hier: in der Ukraine) von einer Leihmutter geborenen Kindes, das entsprechend dem übereinstimmenden Willen aller an der Leihmutterschaft beteiligten Personen alsbald nach der Geburt rechtmäßig nach Deutschland verbracht wird, ist in Deutschland. Ein vorheriger gewöhnlicher Aufenthalt im Geburtsland bestand dann nicht.
Die Bet. streiten um die Berichtigung einer Eintragung im Geburtenregister. Die Bet. zu 1) und 2) sind in Deutschland lebende Ehegatten deutscher Staatsangehörigkeit. Nach den Feststellungen des OLG wurde in der Ukraine eine mit dem Sperma des Ehemanns [Bet. zu 1)] befruchtete Eizelle der Ehefrau [Bet. zu 2)] der ukrainischen Leihmutter [Bet. zu 5)] eingesetzt. Diese gebar im Dezember 2015 in Kiew das betroffene Kind.
Bereits vor der Geburt hatte der Ehemann vor der Deutschen Botschaft in Kiew die Vaterschaft mit Zustimmung der Leihmutter anerkannt. Zudem hatten diese Sorgeerklärungen nach § 1626a BGB abgegeben. Nach der Geburt gab die Leihmutter vor einer Privatnotarin in Kiew eine Erklärung ab, nach der das Kind mit Hilfe der zusätzlichen reproduktiven Technologien mittels Ersatzmutterschaft geboren sei und genetische Ähnlichkeit mit den Bet. zu 1) und 2) als seinen genetischen Eltern habe. Das ukrainische Standesamt registrierte sodann die Bet. zu 1) und 2) als Eltern und stellte eine entsprechende Geburtsurkunde aus.
Nachdem die Bet. zu 1) und 2) mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt waren, wurde auf ihren Antrag im Januar 2016 die Auslandsgeburt entsprechend der ukrainischen Geburtsurkunde beurkundet. Erst aufgrund eines später eingegangenen und ebenfalls auf die Beurkundung der Auslandsgeburt gerichteten Antrags der Deutschen Botschaft in Kiew ergab sich für das Standesamt [Bet. zu 3)], dass das Kind von einer Leihmutter geboren wurde.
Auf Antrag der Standesamtsaufsicht [Bet. zu 4)] hat das AG das Standesamt angewiesen, den Eintrag im Geburtenregister zu berichtigen und anstelle der Ehefrau die Leihmutter als Mutter des Kindes einzutragen. Das OLG hat – nach Beteiligung der Leihmutter am Verfahren – die Beschwerde der Bet. zu 1) und 2) zurückgewiesen. Dagegen richten sich deren zugelassene Rechtsbeschwerden.
II. [6] Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.
[7] 1. ... [13] 2. ... [14] a) Das OLG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Berichtigung des Eintrags im Geburtenregister nach §§ 47, 48 PStG nicht wegen einer – vorrangig zu prüfenden – verfahrensrechtlichen Anerkennung der in der Ukraine erfolgten Eintragung im Geburtenregister gehindert ist. Weil diese wie auch die Ausstellung der entsprechenden Geburtsurkunde keine einer Gerichtsentscheidung vergleichbaren Wirkungen entfalten, handelt es sich nicht um anerkennungsfähige Entscheidungen i.S.v. § 108 I FamFG (vgl. Senatsbeschluss vom 20.3.2019 – XII ZB 320/17 (IPRspr 2019-336) – z.V.b.).
[15] b) Wie das OLG zu Recht angenommen hat, ist auf die im vorliegenden Verfahren zu beurteilende Frage der rechtlichen Abstammung des betroffenen Kindes deutsches Recht anzuwenden.
[16] aa) ... [17] Die in Art. 19 I EGBGB aufgeführten Alternativen stehen in keinem Rangverhältnis zueinander, sondern sind einander gleichwertig (Senatsbeschlüsse BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rz. 28 (IPRspr 2016-139) und vom 3.8.2016 – XII ZB 110/16 (IPRspr. 2016 Nr. 136), FamRZ 2016, 1847 Rz. 8 m.w.N.). Während die beiden erstgenannten Alternativen (Aufenthaltsstatut und Heimatrecht der Eltern) grundsätzlich wandelbar sind, ist die dritte Alternative (Ehewirkungsstatut) auf einen festen Zeitpunkt, nämlich den Zeitpunkt der Geburt des Kindes, bezogen. Daraus folgt, dass die Voraussetzungen der ersten beiden Alternativen bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen sind (Senatsbeschluss vom 5.7.2017 – XII ZB 277/16 (IPRspr 2017-42), FamRZ 2017, 1682 Rz. 15). Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S.137).
[18] bb) Das Heimatstatut der Eltern und das Ehewirkungsstatut führen in der vorliegenden Fallkonstellation im Hinblick auf eine gesetzliche Elternschaft der Bet. zu 1) und 2) unzweifelhaft zur Anwendbarkeit des deutschen Rechts. Etwas anderes kann sich mithin nur aus der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes nach Art. 19 I 1 EGBGB ergeben.
[19] (1) Nach der Rechtsprechung des BGH ist der gewöhnliche Aufenthalt der Schwerpunkt der Bindungen der betroffenen Person, ihr Daseinsmittelpunkt (Senatsbeschluss BGHZ 78, 293 = FamRZ 1981, 135, 136 f. (IPRspr. 1980 Nr. 94) zum Haager Minderjährigenschutzabkommen; BGH, Urt. vom 5.2.1975 – IV ZR 103/73 (IPRspr. 1975 Nr. 83), FamRZ 1975, 272, 273 zum Haager Unterhaltsübereinkommen). Dieser ist aufgrund der gegebenen tatsächlichen Umstände zu beurteilen und muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Ein bloß vorübergehender Aufenthalt in einem Staat begründet dort noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt (EuGH, Urt. vom 22.12.2010 – Barbara Mercredi ./. Richard Chaffe, Rs C-497/10 PPU, FamRZ 2011, 617 Rz. 51). Bei minderjährigen Kindern, insbes. bei Neugeborenen, ist vorwiegend auf die Bezugspersonen des Kindes, die es betreuen und versorgen, sowie deren soziales und familiäres Umfeld abzustellen (vgl. EuGH, Urt. vom 22.12.2010 – Mercredi, FamRZ 2011, 617 Rz. 5 ff.; vgl. auch EuGH, Urt. vom 8.6.2017 – OL ./. PQ, Rs C-111/17 PPU, FamRZ 2017, 1506). Befindet sich das Kind bei seinen Eltern, wird es regelmäßig deren gewöhnlichen Aufenthalt teilen. Ausnahmsweise können allerdings der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes und der seiner – auch sorgeberechtigten – Eltern auseinanderfallen (vgl. Art. 10 Brüssel IIa-VO – Aufenthaltswechsel trotz Kindesentführung; Budzikiewicz/Heiderhoff/Klinkhammer/Niethammer-Jürgens/Budzikiewicz, Migration und IPR, 2018, 95, 115 f. – minderjährige unbegleitete Flüchtlinge). Im Regelfall lassen aber neben der tatsächlichen Integration des Kindes in sein jeweiliges Umfeld die rechtlichen Gegebenheiten (rechtliche Abstammung, Staatsangehörigkeit, Sorgerecht; vgl. EuGH, Urt. vom 22.12.2010 – Mercredi, FamRZ 2011, 617 Rz. 23, 48) einen Schluss darauf zu, ob das Kind den gewöhnlichen Aufenthalt seiner Eltern oder sonstiger Bezugspersonen teilt oder ob es ausnahmsweise einen von diesen getrennten Daseinsmittelpunkt hat. Steht nach allen in Betracht kommenden Rechtsordnungen ein rechtlicher Elternteil des Kindes fest, kommt dessen Elternstellung wie auch einer sich daraus etwa ergebenden Staatsangehörigkeit des Kindes Bedeutung zu, welche in Fällen der vorliegenden Art vor allem Voraussetzung für eine (rechtmäßige) Einreise nach Deutschland ist.
[20] Ist die rechtliche Abstammung des Kindes von keinem Elternteil zweifelsfrei feststellbar, weil die in Betracht kommenden Rechtsordnungen in dieser Frage zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, so ist aufgrund anderer, gesicherter Umstände zu prüfen, ob das Kind etwa seinen Aufenthalt alsbald wechseln oder voraussichtlich an seinem gegenwärtigen Aufenthalt verbleiben wird. Dabei kommt es auf die soziale Integration des Kindes an, wobei diese neben den tatsächlichen auch von rechtlichen Faktoren abhängen kann, wenn diese den künftigen Aufenthalt des Kindes wirksam bestimmen. Insbesondere ist darauf Rücksicht zu nehmen, welche Personen faktisch über den Aufenthalt des Kindes bestimmen und wo dieses sich voraussichtlich künftig aufhalten wird.
[21] (2) Nach diesen Maßstäben ist das OLG im vorliegenden Fall mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass das betroffene Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
[22] Es entsprach von vornherein der übereinstimmenden Absicht aller an der Leihmutterschaft Beteiligten, dass das Kind alsbald nach der Geburt mit den Bet. zu 1) und 2) nach Deutschland gelangen und dort dauerhaft bleiben sollte. Zudem ist die rechtliche Vaterstellung des Bet. zu 1) nach beiden in Betracht kommenden Rechtsordnungen gesichert. Denn dieser ist sowohl nach ukrainischem als auch nach deutschem Recht als rechtlicher Vater des Kindes anzusehen, was von der – insoweit nicht verfahrensgegenständlichen – Eintragung des Bet. zu 1) als Vater des Kindes im Geburtenregister bestätigt wird (§ 54 PStG; vgl. Senatsbeschluss vom 23.1.2019 – XII ZB 265/17 (IPRspr 2019-308), juris Rz. 18 zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Aufgrund der rechtlichen Vaterschaft des Bet. zu 1) besitzt das Kind nach § 4 I StAG zumindest auch die deutsche Staatsangehörigkeit und hält sich somit rechtmäßig in Deutschland auf. Da der Bet. zu 1) jedenfalls mitsorgeberechtigt ist, wäre es der Leihmutter – ihre rechtliche Mutterschaft unterstellt – selbst im Fall eines Sinneswandels nicht möglich, das Kind gegen den Willen des Bet. zu 1) in die Ukraine zu verbringen (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rz. 16; Kropholler, FS Jayme, 471 ff.).
[23] cc) Das OLG ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund des ukrainischen Rechts keine rechtliche Abstammungszuordnung des Kindes zur Bet. zu 2) hergestellt worden ist, die einen Statutenwechsel ggf. hätte überdauern können.
[24] Ob eine nach einer früher anwendbaren Rechtsordnung bereits begründete Abstammungsbeziehung den aufgrund der Wandelbarkeit der Anknüpfung eröffneten Statutenwechsel überdauern kann, musste vom Senat bislang nicht entschieden werden. Der BGH ist in verschiedenen Fallgestaltungen zwar von der Möglichkeit des Fortbestands wohlerworbener Rechte ausgegangen (BGHZ 63, 107 = FamRZ 1975, 24, 25 (IPRspr. 1974 Nr. 60) – Ehename; BGH, Urt. vom 27.10.1976 – IV ZR 147/75, FamRZ 1977, 46, 47 (IPRspr. 1976 Nr. 87b) – Befugnis zur Vaterschaftsfeststellungsklage).
[25] Die Frage kann hier aber offen bleiben, weil eine Begründung der rechtlichen Abstammung des Kindes von der Bet. zu 2) als Wunschmutter durch das ukrainische Recht im Ergebnis nicht erfolgt ist. Allerdings bedurfte es in diesem Zusammenhang der vom OLG durchgeführten isolierten Prüfung des ukrainischen internationalen Privatrechts nicht (vgl. auch Duden, Leihmutterschaft im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 2015, 46 f. m.w.N.). Da der vorliegende Fall schon aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit der Bet. zu 1) und 2) als Wunscheltern einen starken Inlandsbezug aufweist, findet das deutsche Kollisionsrecht schon auf die Rechtslage bei Geburt des Kindes unmittelbare Anwendung (vgl. auch Senatsbeschluss BGHZ 210, 59 = FamRZ 2016, 1251 Rz. 28 (IPRspr 2016-139)).
[26] Eine Anwendbarkeit des ukrainischen Rechts auf die Abstammung des Kindes von der Bet. zu 2) käme in der vorliegenden Fallkonstellation allenfalls aufgrund der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes gemäß Art. 19 I 1 EGBGB in Betracht. Ein gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes in der Ukraine bestand jedoch zu keinem Zeitpunkt. Wie bereits ausgeführt, entsprach es der Absicht aller an der Leihmutterschaft Beteiligten, dass das Kind alsbald nach der Geburt mit den Bet. zu 1) und 2) nach Deutschland gelangen und dort dauerhaft bleiben sollte. Da diese Absicht auch umgesetzt wurde, hatte das Kind in der Ukraine, wo es nur kurzzeitig verbleiben sollte, nie einen gewöhnlichen Aufenthalt. Die gegenteilige Auffassung, das neugeborene Kind habe in der vorliegenden Fallkonstellation seinen gewöhnlichen Aufenthalt stets dort, wo auch die Frau, die es geboren hat, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat (so Siehr, StAZ 2015, 258, 266 m.w.N.), widerspricht demgegenüber sowohl den tatsächlichen als auch den im Geburtsstaat bestehenden rechtlichen Gegebenheiten.
[27] Eine rechtliche Mutterschaft der Bet. zu 2) konnte wegen des insoweit allein anwendbaren deutschen Rechts mithin nicht begründet werden.
[28] 3. Als rechtliche Mutter ist stattdessen die Leihmutter im Geburtenregister einzutragen. Das OLG hat zutreffend ausgeführt, dass die alternative Anknüpfung in Art. 19 I EGBGB hins. der Leihmutter sowohl auf das deutsche Recht (Art. 19 I 1 EGBGB) als auch das ukrainische Recht (Art. 19 I 2 EGBGB) verweist. Da insoweit aber nur das deutsche Recht zur Feststellung einer Abstammungsbeziehung führt, ist es im vorliegenden Fall entsprechend Sinn und Zweck [die] in Art. 19 I EGBGB enthaltenen Mehrfachanknüpfung anzuwenden. Dass diese dem Kind möglichst zur Zuordnung eines rechtlichen Vaters verhelfen soll (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 215, 271 = FamRZ 2017, 1687 Rz. 19 m.w.N. – zur Vaterschaft), bleibt nicht auf die Vaterschaft beschränkt, sondern ist auch in Bezug auf die rechtliche Mutterschaft anzuwenden. Dass die Leihmutter die Übernahme der Elternstellung ablehnt, ist aufgrund der bewusst getroffenen gegenläufigen gesetzgeberischen Entscheidung, wie sie in der Regelung des § 1591 BGB zum Ausdruck kommt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 203, 350 = FamRZ 2015, 240 Rz. 35 (IPRspr 2014-254b)), nicht ausschlaggebend. Um die gewünschten Rechtswirkungen auch für die Bet. zu 2) zu erzielen, sind die Bet. zu 1) und 2) somit auf ein Adoptionsverfahren zu verweisen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2017, 976 (IPRspr 2017-149)).