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Verfahrensgang

AG Weiden/Oberpfalz, Beschl. vom 23.08.2022 – UR III 10/22
OLG Nürnberg, Beschl. vom 20.03.2023 – 11 W 3036/22, IPRspr 2023-236

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht
Freiwillige Gerichtsbarkeit → Registersachen

Leitsatz

Die Eintragung des in der amerikanischen Geburtsurkunde genannten Namens eines Elternteils in der Form "A... J... (Vorname und Mittelname)" in das deutsche Geburtenbuch bedarf keiner materiellen Angleichung. Derartige Namen und Namensbestandteile sollen in den Personenstandsregistern unter Hinweis auf die jeweilige Art der ausländischen Namensform bezeichnet werden. Etwas anderes gilt nur, wenn es sich bei dem "middle name" lediglich um einen weiteren Vornamen handelt, der nicht nach amerikanischer Tradition und familiärem Brauch erteilt worden ist, um die Familie zu ehren. [LS der Redaktion]


Rechtsnormen

EGBGB Art. 10; EGBGB Art. 48
FamFG § 58; FamFG § 59; FamFG § 63
PStG § 47; PStG § 48; PStG § 51; PStG § 53
PStV § 21
ZPO § 286

Sachverhalt

Das Kind E… I… F… wurde am … in Weiden i.d. OPf. geboren. Mutter des Kindes ist die deutsche Staatsangehörige S… M… F… Die Geburt wurde beim Standesamt unter der Registernummer … beurkundet. Nachdem im Zeitpunkt der Geburt noch keine Vaterschaftsanerkennung vorlag, wurde die Geburt des Kindes ohne Eintragung des Vaters beurkundet. Das Kind erhielt gemäß § 1617a Abs. 1 BGB den Familiennamen der Mutter als Geburtsnamen. 2021 schlossen die Eltern im Wege einer doppelseitigen Stellvertreterehe beim Standesamt in K…, Bundesstaat M…, Vereinigte Staaten von Amerika, die Ehe. Mit Urkunde vom ...2021 (Urkundenregister Nr. …) erkannte der Vater vor dem Stadtjugendamt Weiden in der Oberpfalz die Vaterschaft für das Kind an. Die Mutter stimmte mit Urkunde vom selben Tag (Urkundenregister Nr. …) der Anerkennung der Vaterschaft zu. Die Eintragung der Vaterschaftsanerkennung in das Geburtenregister erfolgte am 31.08.2021 mit folgenden Angaben zum Vater: Familienname: F, Vorname(n) A… J… (Vorname und Mittelname). Die Namensangaben beruhen auf der amerikanischen Geburtsurkunde des Vaters, ausgestellt durch das Department of Health, State of W…, am 02.01.2019, in der die Namen des Vaters „A… J…“ als „first and middle name(s)“ und der Name „F…“ als „last name(s)“ geführt werden. Nachfolgend wurde noch der Familienname des Kindes nach amerikanischem Recht neu bestimmt.

Die Standesamtsaufsicht hat beantragt, das Geburtenregister … dahingehend zu berichtigen, dass bei den Namen des Vaters „A… J…“ der Klammerzusatz „Vorname und Mittelname" entfällt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 23.08.2022 den Antrag der Standesamtsaufsicht zurückgewiesen. Gegen diesen der Standesamtsaufsicht zugestellten Beschluss wendet sie sich mit ihrer Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat. 

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II.

[2]Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, §§ 51, 53 Abs. 2 PStG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Weiden i.d. OPf. vom 23. August 2022 hat in der Sache keinen Erfolg.

[3]Ein abgeschlossener Registereintrag darf in den Fällen des § 47 PStG von dem Standesamt berichtigt werden. Im Übrigen darf die Berichtigung nur auf Anordnung des Gerichts erfolgen, § 48 Abs. 1 Satz 1 PStG. Voraussetzung ist die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der beantragten Eintragung. An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BGH FamRZ 2017, 1337; Senat StAZ 2015, 84; KG FamRZ 2021, 357). Es ist voller Beweis erforderlich. Nach § 286 ZPO hat der Senat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann.

[4]Eine Überzeugung von der Unrichtigkeit des Registereintrags konnte der Senat nicht gewinnen.

[5]In seiner rechtlichen Beurteilung folgt der Senat dabei weitgehend der Stellungnahme des Fachausschusses des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, kommt aber zu einer anderen Schlussfolgerung.

[6]Zwischennamen können in ein Geburtenbuch eingetragen werden (so schon hinsichtlich des Kindes BGH MDR 1971, 996 (IPRspr. 1971 Nr. 6)). Sie könnten sogar nach Art. 48 EGBGB gewählt werden (BGH FamRZ 2017, 1179 m. Anm. Dutta (IPRspr 2017-7b)). Gemäß § 21 Abs. 2 und 3 PStV ist bei Personen, die neben Vor- und Familiennamen weitere Namensbestandteile führen, der sich aus Urkunden ergebende Name mit allen Namensbestandteilen in die Personenstandsregister einzutragen. Derartige Namen und Namensbestandteile sollen in den Personenstandsregistern unter Hinweis auf die jeweilige Art der ausländischen Namensform bezeichnet werden. In der Stellungnahme des Fachausschusses wird bereits darauf hingewiesen, dass sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass amerikanische Staatsangehörige zumindest die Möglichkeit haben, einen Mittelnamen zu führen (hierzu etwa Hausmann, in: Staudinger, BGB, Bearb, 2019, Art. 10 EGBGB Rn. 24a). Das OLG Karlsruhe (StAZ 2014, 51 juris Rn. 17 (IPRspr 2013-11)) führt hierzu aus, es sei bekannt, dass in den Vereinigten Staaten häufig Familiennamen als sogenannte „middle names“ gewählt werden, um traditionelle Familiennamen zu ehren oder der verbreiteten Praxis zu folgen, die Familie der Mutter oder der Großmutter zu ehren, indem deren Familienname als „middle name“ gewählt werde (zu dieser Funktion auch Lugani, in: Staudinger, BGB, Bearb. 2020, § 1616 BGB Rn. 94).

[7]Vorliegend stellt sich nicht die Frage eines Statutenwechsels, weil sich die Namensführung des Vaters gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB allein nach dem Personalstatut und damit dem Recht der Vereinigten Staaten richtet. Das Namensstatut beherrscht alle privatrechtlichen Erwerbs- und Änderungstatbestände (vgl. Hepting/Dutta, Familie und Personenstand, 4. Aufl., Rn. II-​180; Thorn, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 1). Das deutsche Personenstandsrecht hat dabei allein dienende Funktion. Es handelt sich bei der „Übernahme“ des in der amerikanischen Geburtsurkunde genannten Namens in das deutsche Geburtenbuch nicht um ein Problem der materiellen Angleichung, sondern nur um ein Problem der Darstellung der ausländischen Namensführung im Geburtenbuch (Hepting StAZ 2001, 257, 258f.). Die materielle Rechtslage soll nicht geregelt, sondern nur dargestellt werden (Hepting a.a.O. S. 259). Bei der Prüfung der Eintragung von Vor- und Familienname in das Geburtenbuch kommt es darauf an, ob die fremden Rechtserscheinungen das deutsche Tatbestandsmerkmal ausfüllen, d. h. „substituieren“, wobei danach gefragt wird, ob sie den deutschen Tatbestandsmerkmalen „gleichwertig“ oder „funktionsäquivalent“ sind (Hepting a.a.O. S. 260). Dabei hat ein zweiter Vorname aus Sicht des deutschen Rechts keine über die weitere Individualisierung des Namensträgers hinausgehende Funktion, obwohl er - zumindest traditionell - auch in Deutschland von familiären Bräuchen geprägt sein kann, was sich etwa am Patennamen zeigt (hierzu Majewska, abrufbar unter http://www.gencat.cat/llengua/BTPL/ICOS2011/087.pdf).

[8]...

Fundstellen

LS und Gründe

FamRZ, 2023, 1625
MDR, 2023, 915
StAZ, 2023, 183, mit Anm. Wall

nur Leitsatz

FF, 2023, 216

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2023-236

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