Für die Frage, ob ein geltend gemachter Anspruch eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LugÜ II darstellt oder die ehelichen Güterstände im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LugÜ II betrifft oder einen Anspruch, welcher dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen im Sinne von Art. 22 Nr. 1 LugÜ II zum Gegenstand hat, ist auf den Hauptgegenstand des Anspruchs abzustellen.
Ein auf §§ 1365, 1368 BGB gestützter Anspruch auf dingliche Rückabwicklung eines Grundstückschenkungsvertrags bzw. auf Feststellung der Unwirksamkeit des zugrundeliegenden schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäfts ist kein Anspruch aus ehelichen Güterständen im Sinne von Art. 1 Abs. 2 LugÜ II, da er nach seinem Hauptgegenstand auf eine zivilrechtliche (konkret dingliche) Rechtsfolge gerichtet ist, bei der die Voraussetzungen des § 1365 BGB lediglich als Vorfrage zu prüfen sind. Dies gilt auch dann, wenn die Vorfrage gem. § 1365 BGB die wesentliche Streitfrage des Falles darstellt.
Die Beteiligten streiten um eine Verfügung über das Vermögen im Ganzen. Die Antragstellerin ist die Mutter der Antragsgegnerin. Sie nimmt im Wege der Verfahrensstandschaft (§ 1368 BGB) die Antragsgegnerin als Eigentümerin einer in D./Schweiz belegenen Eigentumswohnung auf Zustimmung zur Berichtigung des schweizerischen Grundbuchs in Anspruch. Hilfsweise beantragt sie die Feststellung, dass das dem Eigentumserwerb zugrundeliegende Verpflichtungs- bzw. das Verfügungsgeschäft unwirksam ist. Im Jahr 1962 heirateten die Antragstellerin und S., beide deutscher Staatsangehörigkeit. Seit spätestens Mai 2005 leben sie getrennt. Es besteht Zugewinngemeinschaft. Aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen, darunter die Antragsgegnerin (geboren 1964). Das Ehescheidungsverfahren ist seit 2018 anhängig, jedoch bisher noch nicht rechtshängig. Am 17.12.2015 übertrug S. vor einem schweizerischen Notar schenkweise eine Eigentumswohnung in D. (Schweiz) an die Antragsgegnerin. Im Gegenzug räumte die Antragsgegnerin ihm ein lebenslanges Nutznießungsrecht ein. Bei der notariellen Beurkundung ließen sich S. und die Antragsgegnerin vertreten. In dem Vertrag wurde unter anderem vereinbart: Alle sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergebenden Streitigkeiten, einschließlich solcher über sein gültiges Zustandekommen, werden ausschließlich durch die Gerichte am Ort des Vertragsobjektes beurteilt. In der Folge kam es zu Unstimmigkeiten zwischen S. und der Antragsgegnerin. Im April 2017 beantragte S. bei dem Regionalgericht P./D., das Grundbuch betreffend die Eigentumswohnung in D. zu sperren. Der beurkundete Vertrag weiche in relevanten Punkten von dem durch ihn genehmigten Entwurf, auf den sich seine Vollmacht bezogen habe, ab. Im Übrigen habe er bei der Übertragung über sein Vermögen im Ganzen verfügt. Mit Entscheid vom 23.10.2017 wies das Regionalgericht P./D. das Gesuch um Erlass vorsorglicher Maßnahmen (Grundbuchsperre) ab. Parallel hatte die Antragstellerin beim Amtsgericht - Familiengericht - Emmendingen ein einstweiliges Anordnungsverfahren (
Im vorliegenden Verfahren beantragte die Antragstellerin erstinstanzlich, die Antragsgegnerin zu verurteilen, ihre Zustimmung zur Grundbuchberichtigung in Form der Eintragungsbewilligung zu Gunsten von Herrn S. hinsichtlich des Stockwerkseigentums eingetragen in den Grundbüchern von D./Schweiz, Stockwerkseigentum …, zu erteilen. Hilfsweise beantragte sie, festzustellen, dass das Verpflichtungsgeschäft zur schenkweisen Übertragung von Herrn S. an die Antragsgegnerin gemäß Vertrag auf Eigentums- und Dienstbarkeitsübertragung v. 17.12.2015 hinsichtlich des Stockwerkseigentums …, unwirksam ist. Mit nicht angefochtenem Zwischenbeschluss vom 10.05.2019 stellte das Amtsgericht fest, dass es international und örtlich zuständig ist. Am 03.01.2022 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Emmendingen nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung von Zeugen die Anträge abgewiesen. Gegen den Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
[1]II.
[2]Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere ist das Oberlandesgericht für die Beschwerdeentscheidung international zuständig, da ein deutsches Familiengericht entschieden hat. Die entsprechenden Normen (§ 58 Abs. 1 FamFG mit § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. a GVG) gehören zum Verfahrensrecht, das sich nach deutschem Recht richtet (sog. lex fori-Prinzip, vgl. Senat vom 22.03.2017 -
[3]Die Beschwerde der Antragstellerin ist überwiegend nicht begründet. Allerdings ist der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde dahingehend abzuändern, dass der Haupt- und die Hilfsanträge als unzulässig zu verwerfen sind. Denn es fehlt an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte; ausschließlich zuständig sind die schweizerischen Gerichte.
[4]1. Für den Hauptantrag und den zweiten Hilfsantrag sind die schweizerischen Gerichte gemäß Artikel 22 des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (LugÜ) zuständig.
[5]a) Die internationale Zuständigkeit ist im Beschwerdeverfahren von Amts wegen umfassend erneut zu überprüfen. Dem stehen weder § 65 Abs. 4 FamFG noch der (nicht angegriffene) Zwischenbeschluss des Amtsgerichts vom 10.05.2019 betreffend die internationale Zuständigkeit entgegen.
[6]aa) § 65 Abs. 4 FamFG gilt nicht für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit. Mit der Prüfung der internationalen Zuständigkeit wird die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten vorgenommen. Die internationale Zuständigkeit entscheidet - anders als die örtliche, sachliche, funktionelle und ähnliche innerstaatliche Zuständigkeit - über das Verfahrensrecht, dem der Rechtsstreit unterliegt. Nur das deutsche Gericht wendet deutsches Verfahrensrecht an, das ausländische Gericht aber sein eigenes Verfahrensrecht. Darüber hinaus hängt von der internationalen Zuständigkeit nicht selten ab, nach welchem materiellen Recht die Rechtssache entschieden wird. Wird die deutsche internationale Zuständigkeit bejaht, so bestimmt das deutsche internationale Privatrecht, nach welchem materiellen Recht das streitige Rechtsverhältnis zu beurteilen ist; wird aber die deutsche internationale Zuständigkeit verneint (und ruft deshalb die Antragstellerin ein ausländisches Gericht an), so entscheidet dieses nach dem internationalen Privatrecht seines Landes über die anzuwendende Rechtsnorm. Demgemäß kann die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit - im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten - die sachliche Entscheidung des Verfahrens vorwegnehmen (vgl. zum damaligen, mit § 65 Abs. 4 FamFG wortgleichen § 512 a ZPO, jetzt § 513 Abs. 2 ZPO: BGH vom 14.06.1965 -
[7]bb) Der nicht angefochtene Zwischenbeschluss des Amtsgerichts steht der Prüfung der internationalen Zuständigkeit durch das Rechtsmittelgericht nicht entgegen. Zwar ist ein Zwischenbeschluss gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 280 Abs. 2 ZPO selbständig anfechtbar und unterliegt daher der formellen Rechtskraft gemäß § 705 ZPO, so dass rechtskräftig gewordene Zwischenbeschlüsse grundsätzlich nicht mehr im Wege des Rechtsmittels gegen die spätere Endentscheidung überprüft werden können und in diesem Sinne das Rechtsmittelgericht binden gemäß §§ 512, 557 Abs. 2 ZPO (BGH vom 19.01.2011 -
[8]b) Die internationale Zuständigkeit für den Haupt- und den zweiten Hilfsantrag folgt aus Artikel 22 LugÜ.
[9]Nach dieser Vorschrift sind für Anträge, die dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Staates zuständig, in dem die Sache belegen ist.
[10]aa) Es besteht keine vorrangige Zuständigkeit vor dem LugÜ nach der EuGVVO (Brüssel Ia-VO), da die Schweiz kein Vertragsstaat ist.
[11]bb) Ebenso besteht keine vorrangige Zuständigkeit aus der EuGüVO. Diese ist gem. Artikel 69 Abs. 1 EuGüVO nur auf Verfahren anzuwenden, die ab dem 29. Januar 2019 eingeleitet wurden. Für den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung ist in dem gleichlautenden Art. 100 Abs. 1 Brüssel IIb-VO - auch in einem Beschwerdeverfahren - auf den Zeitpunkt des erstinstanzlichen Antrags abzustellen (vgl. EuGH vom 06.06.2019, C-361/18, juris Rn. 24), nicht auf den Zeitpunkt der Einleitung des Beschwerdeverfahrens. Diese Wertung gilt auch für die EuGüVO. Vorliegend wurde das erstinstanzliche Verfahren beim Amtsgericht bereits im Dezember 2018 eingeleitet.
[12]cc) Der Anwendungsbereich des LugÜ ist eröffnet. Bei dem geltend gemachten Anspruch handelt es sich um eine Zivilsache im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 LugÜ.
[13]dd) Der Anwendung des LugÜ steht entgegen der Ansicht des Amtsgerichts im Zwischenbeschluss vom 10.05.2019 nicht die Bereichsausnahme für eheliche Güterstände in Artikel 1 Abs. 2 lit. a LugÜ entgegen, da die vorliegend geltend gemachten Ansprüche nicht den ehelichen Güterständen zuzuordnen sind.
[14] (1) Für die Auslegung des LugÜ gelten dieselben Auslegungsgrundsätze wie für die Auslegung der weitgehend wortgleichen EuGVVO (Brüssel Ia-VO), Artikel 75 LugÜ in Verbindung mit dem ersten Erwägungsgrund der Präambel zum Protokoll 2 zum LugÜ (vgl. BGH vom 20.12.2011 -
[15]Der Begriff der „ehelichen Güterstände“ bestimmt sich danach entgegen der Ansicht des Amtsgerichts nicht nach der Definition der Güterrechtssachen im nationalen Recht, hier § 261 FamFG (vgl. etwa Prütting/Helms/ Heiter, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 261 Rn. 23 f., der auch die Anwendung von §§ 1365, 1368 BGB den Güterrechtssachen zuordnet). Im Rahmen der autonomen Auslegung umfasst der Begriff der ehelichen Güterstände nach der Rechtsprechung des EuGH die vermögensrechtlichen Beziehungen, die sich unmittelbar aus der Ehe oder ihrer Auflösung ergeben (vgl. EuGH vom 6.06.2019, C-361/18, juris Rn. 41, EuGH vom 27.03.1979 - 143/78, NJW 79, 1100, juris Ziff. 7). Diese Definition impliziert zunächst ebenfalls ein weites Verständnis. Zu den güterrechtlichen Gegenständen gehören danach nicht nur die Güterstände im eigentlichen Sinne, sondern darüber hinaus alle vermögensrechtlichen Beziehungen, die sich aus der Ehe oder deren Auflösung ergeben (vgl. Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Auflage 2021, Artikel 1 Brüssel Ia-VO, Rn. 88 f.).
[16]Allerdings stellt der Ausschluss der ehelichen Güterstände vom Anwendungsbereich des LugÜ eine Ausnahme dar, die als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen ist (vgl. EuGH vom 06.06.2019, C-361/18, juris Rn. 43; etwas zurückhaltender Rauscher/Mankowski, a.a.O., Artikel 24 Brüssel Ia-VO, Rn. 6). Hinzu kommt, dass ein weites Verständnis des Begriffs der ehelichen Güterstände nicht dazu führen darf, dass die Sachenrechtsordnung eines Mitgliedstaates, die ein anerkanntes Schutzgut darstellt, welches der EU-Gesetzgeber (und die Vertragsparteien des LugÜ) achtet, in Frage gestellt wird (vgl. Staudinger/Mansel, EGBGB, Stand 17.12.2020, Artikel 43 Rn. 155, 158, 172). Artikel 22 LugÜ weist dementsprechend Anträge, welche Rechte an unbeweglichen Sachen betreffen, ausschließlich den Gerichten des Staates zu, in dem die unbewegliche Sache belegen ist; wobei die Qualifizierung als dinglicher Anspruch im Sinne von Artikel 22 LugÜ für sich genommen nicht den Anwendungsbereich des LugÜ in Artikel 1 LugÜ bestimmen kann.
[17]Um die im LugÜ enthaltenen Regelungen - Ausnahme für eheliche Güterstände in Artikel 1 Abs. 2 LugÜ, ausschließliche Zuständigkeit für dingliche Rechte im Belegenheitsstaat in Artikel 22 Nr. 1 LugÜ - in Einklang zu bringen, ist die Abgrenzung danach vorzunehmen, was Hauptgegenstand des Verfahrens ist (vgl. zu dem Begriff des Hauptgegenstandes EuGH vom 16.11.2016, C-417/15, juris Rn. 25). Hauptgegenstand ist der in dem Verfahren verfolgte Anspruch. Hiervon abzugrenzen sind Vorfragen im Rahmen der Anspruchsprüfung.
[18]Der genannten Entscheidung des EuGH vom 16.11.2016 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem es um die Wirksamkeit und Rückabwicklung eines Schenkungsvertrages über ein Grundstück ging, wobei die Geschäftsfähigkeit des Schenkenden streitig war. Ähnlich wie für eheliche Güterstände gibt es in Artikel 1 Abs. 2 EuGVVO, der wortgleich mit Artikel 1 Abs. 2 LugÜ ist, eine Bereichsausnahme für die Frage der Geschäftsfähigkeit. Die Frage der Geschäftsfähigkeit hat der EuGH in dieser Entscheidung als Vorfrage angesehen und als Hauptgegenstand des Verfahrens sowohl hinsichtlich der dinglichen Rückabwicklung des Schenkungsvertrages als auch hinsichtlich der Beurteilung der Wirksamkeit des dinglichen Verfügungsgeschäfts einen dinglichen Anspruch angenommen; damit war die EuGVVO anwendbar, obwohl als verfahrensentscheidende Vorfrage die Frage der Geschäftsfähigkeit zu beurteilen war, für die eine Bereichsausnahme besteht. Lediglich für die Beurteilung der Wirksamkeit des schuldrechtlichen Schenkungsvertrages hat der EuGH anders angeknüpft. Diese Rechtsprechung des EuGH ist überzeugend. Sie ist auf das Luganer Übereinkommen und auch auf andere Vorfragen, wie zum Beispiel eine güterrechtliche Vorfrage im Rahmen der Prüfung der Rückabwicklung eines Grundstücksschenkungsvertrages und dessen dinglichen Vollzugs, übertragbar.
[19]Die Prüfung der Unwirksamkeit eines Grundstücksschenkungsvertrages und dessen dinglichen Vollzugs sowie die Prüfung der auf Rückabwicklung des Vertrages gerichteten Anspruchsgrundlagen kann je nach Sachverhaltsgestaltung verschiedene Einzelfragen umfassen. Neben der im Fall des EuGH fraglichen Geschäftsfähigkeit des Schenkenden kann es auch um die Frage der Geschäftsfähigkeit des Schenkungsempfängers, der Auslegung von Willenserklärungen, der Stellvertretung, der Anfechtung, der Sittenwidrigkeit, von Treu und Glauben, des groben Undanks, der Verarmung des Schenkenden, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, der Einhaltung von Formvorschriften der schuldrechtlichen und dinglichen Verträge, der notariellen Beurkundung und des Grundbuchs usw. gehen. Nicht zuletzt kann sich die Wirksamkeit - wie im vorliegenden Fall - nach § 1365 BGB beurteilen. Was Hauptgegenstand des Vertrages ist, kann jedoch nicht davon abhängen, welche der o.g. Einzelfragen im konkreten Verfahren zufällig auftauchen; maßgeblich ist vielmehr, auf welche Rechtsfolge der geltend gemachte Anspruch insgesamt gerichtet ist. Die o.g. Einzelfragen tauchen in einer solchen Prüfung ggfs. als Vorfragen auf. Selbst wenn sie - wie im Fall des EuGH - die fallentscheidende (Vor-)Frage sind, ändert dies nichts am Hauptgegenstand des Verfahrens (so Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu C-417/15, juris Rn. 27).
[20]Ist danach im Rahmen der Prüfung des Anspruchs eine güterrechtliche Frage als Vorfrage zu klären, stellt diese Vorfrage nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens dar (vgl. auch OLG Stuttgart vom 07.08.2000 -
[21]Umgekehrt erfasst die ausschließliche Zuständigkeit des Artikels 22 Nr. 1 LugÜ nur Anträge, die auf ein dingliches Recht gestützt sind, somit Anträge, die darauf gerichtet sind, das Eigentum zu bestimmen und den Inhabern dieser Rechte den Schutz der mit ihrer Rechtsstellung verbundenen Vorrechte zu sichern. Kennzeichnend für das dingliche Recht ist, dass es gegenüber jedermann wirkt, während der persönliche Anspruch nur gegen den Schuldner geltend gemacht werden kann (vgl. EuGH vom 03.04.2014, C-438/12, juris Rn. 41 - 43, EuGH vom 16.11.2016, C-417/15, juris Rn. 30).
[22](2) Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Hauptantrag auf Grundbuchberichtigung seinem Hauptgegenstand nach nicht um Ansprüche aus ehelichen Güterständen, sondern um dingliche Rechte.
[23]Die geltend gemachten Anspruchsgrundlagen §§ 894, 985, 812 BGB stammen vornehmlich aus dem Sachenrecht. Das gleiche gilt für schweizerische Anspruchsgrundlagen, falls der Anspruch sich nach schweizerischem Recht richten würde (wobei die güterrechtliche Vorfrage möglicherweise gesondert nach dem Güterstatut anzuknüpfen wäre). Die Zuordnung zu den dinglichen Ansprüchen gilt auch für Feststellungsanträge, die auf das Bestehen solcher Ansprüche gerichtet sind.
[24]Soweit die Antragstellerin beantragt, dass die Antragsgegnerin ihre Zustimmung zur Grundbuchberichtigung erteilt, will sie eine unmittelbare Bestimmung des Eigentums durch eine Grundbucheintragung, die gegen jedermann wirkt, erreichen. Der Antrag zielt auf die Wahrung der sich aus einem dinglichen Recht (Eigentum) ergebenden Rechte ab (vgl. EuGH vom 16.11.2016, C-417/15, juris Rn. 41). Der Grundbuchberichtigungsanspruch folgt unmittelbar aus dem dinglichen Recht und dient durch Behebung des Widerspruchs zwischen Grundbuchinhalt und wahrer Rechtslage seiner Verwirklichung. Er ist daher selbst dinglicher Rechtsnatur (vgl. Herberger/Martinek/ Rüßmann/Weth/ Würdinger/Toussaint, jurisPK-BGB, 9. Auflage, Stand 01.07.2020, § 894, Rn. 2). Der dingliche Charakter entfällt auch nicht, weil eine Willenserklärung (Zustimmung zur Berichtigung) angestrebt wird und erst sodann die Eintragung erfolgen soll. Auch die angestrebte Willenserklärung (Zustimmung) ist dinglicher Natur.
[25](3) Ebenso verhält es sich bei dem Hilfsantrag 2 auf Feststellung der Unwirksamkeit der dinglichen Verfügung. Mit diesem Antrag will die Antragstellerin die Wahrung des Eigentumsrechts von S. bewirken und dessen dingliches Recht wahren (vgl. hierzu EuGH vom 16.11.2016, C-417/15, juris Rn. 30). Es handelt sich um eine negative Feststellungsklage auf Nichtbestehen eines dinglichen Rechts, die als actus contrarius gleichsam von Artikel 22 Nr. 1 Satz 1 Variante 1 LugÜ erfasst wird (vgl. zu Artikel 24 Brüssel Ia-VO Rauscher/Mankowski, a.a.O., Artikel 24 Brüssel Ia-VO, Rn. 35).
[26]Hierfür spricht auch, dass die Prüfung von §§ 1365 Abs. 1, 1368 BGB nicht zwingend die einzige im vorliegenden Verfahren auftauchende Frage ist. Noch im Verfahren vor dem Regionalgericht P./D. hatte S. neben § 1365 BGB auch Fragen des Überschreitens der Vertretungsmacht aufgeworfen und dort sogar zur Hauptbegründung des Verfahrens gemacht. gemäß § 1368 BGB wäre die Antragstellerin als Verfahrensstandschafterin grundsätzlich nicht gehindert, dies auch im vorliegenden Verfahren geltend zu machen.
[27]Dagegen spricht schließlich nicht die Überlegung, dass es sich verfahrensrechtlich vorliegend um eine Familiensache im Sinne von § 111 Nr. 10 FamFG handelt. Denn abgesehen davon, dass eine nationale Regelung der sachlichen Zuständigkeit nicht die Auslegung des LugÜ bestimmen kann, handelt es sich vorliegend um eine Sonstige Familiensache im Sinne von § 266 FamFG, die erst 2009 im Rahmen der Einführung des sog. großen Familiengerichts den Familiengerichten zugewiesen wurde, ohne hierdurch jedoch ihren Charakter oder Hauptgegenstand einschließlich Anspruchsgrundlage aus dem Zivilrecht zu verlieren. Umgekehrt handelt es sich nach der nationalen Regelung bei dem vorliegenden Anspruch nicht um eine Güterrechtssache, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 261 Abs. 2 FamFG ergibt, in dem die hier maßgeblichen §§ 1365 Abs. 2, 1368 BGB ausdrücklich nicht genannt und als güterrechtlich bezeichnet sind.
[28]ee) Die unbewegliche Sache ist in der Schweiz belegen, so dass die Voraussetzungen für die ausschließliche Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte nach Artikel 22 Nr. 1 LugÜ erfüllt sind.
[29]ff) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist auch nicht durch rügelose Einlassung eingetreten. Es kann hier dahinstehen, ob die Antragsgegnerin sich rügelos eingelassen hat; denn gemäß Artikel 24 Satz 2 LugÜ ist eine Zuständigkeit durch rügelose Einlassung im Fall der ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts aus Artikel 22 LugÜ ausgeschlossen. Es kann daher auch dahinstehen, ob eine rügelose Einlassung dadurch erfolgte, dass gegen den Zwischenbeschluss des Amtsgerichts vom 10.05.2019 kein Rechtsmittel eingelegt wurde.
[30]gg) Eine anderweitige Regelung der internationalen Zuständigkeit folgt auch nicht aus einer Gerichtsstandvereinbarung. Denn zum einen hätte eine von dem LugÜ abweichende Gerichtsstandvereinbarung bei der hier vorliegenden ausschließlichen Zuständigkeit nach Artikel 22 LugÜ gemäß Artikel 23 Abs. 5 LugÜ keine rechtliche Wirkung. Zum anderen weicht die in dem notariellen Vertrag enthaltene Gerichtsstandvereinbarung von der sich aus Artikel 22 LugÜ ergebenden internationalen Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte nicht ab.
[31]hh) Es besteht keine internationale Zuständigkeit aus § 105 FamFG, da das LugÜ gemäß § 97 FamFG gegenüber § 105 FamFG vorrangig ist (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 105 FamFG, Rn. 3).
[32]ii) Eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergibt sich schließlich nicht aus § 98 Abs. 3 FamFG in Verbindung mit Konzentrationsvorschriften des Ehescheidungsverbundes.
[33]Es besteht keine Zuständigkeit gemäß § 122 FamFG im Rahmen des Ehescheidungsverbunds. Denn die Anträge werden nicht für den Fall der Scheidung im Sinne von § 137 Abs. 2 FamFG gestellt; die Antragsgegnerin ist nicht Beteiligte des Ehescheidungsverfahrens. Sonstige Familiensachen im Sinne von § 266 FamFG sind im Übrigen nicht folgesachenfähig, vgl. den Katalog in § 137 Abs. 2 FamFG. Insbesondere aber gilt der in § 105 FamFG normierte Grundsatz, dass die internationale Zuständigkeit der örtlichen Zuständigkeit folgt, vorliegend nicht, da § 105 FamFG nicht anwendbar ist (s.o. hh)
[34]Aus diesem Grund besteht auch keine internationale Zuständigkeit für eine isolierte Familiensache am Ort der Ehesache, hier für eine sonstige Familiensache aus § 267 Abs. 1 FamFG.
[35]2. Der erste Hilfsantrag ist ebenfalls unzulässig.
[36]a) Auch soweit die Antragstellerin die Feststellung der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts (des Schenkungsvertrages) mit dem ersten Hilfsantrag erreichen will, sind deutsche Gerichte nicht international zuständig.
[37]aa) Auch bei dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft handelt es sich um eine Zivilsache im Sinne von Artikel 1 Abs. 1 LugÜ.
[38]bb) Ebenfalls ist die Bereichsausnahme aus Artikel 1 Abs. 2 LugÜ für eheliche Güterstände nicht einschlägig. Denn nach den o.g. Ausführungen ist Hauptgegenstand des geltend gemachten Anspruchs die Wirksamkeit eines Schenkungsvertrages. Dabei stellt sich die Frage der Unwirksamkeit des Schenkungsvertrages gemäß § 1365 BGB als Vorfrage dar. Dass das nationale Recht diesen Anspruch als Güterrechtssache im Sinne von § 261 FamFG ansehen würde, steht dem nach den o.g. Ausführungen nicht entgegen.
[39]Etwas anderes gilt nicht im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.06.1981 (
[40]cc) Allerdings besteht keine ausschließliche Zuständigkeit schweizerischer Gerichte gemäß Artikel 22 Abs. 1 LugÜ, da es sich nicht um einen dinglichen Anspruch handelt. Anträge auf Aufhebung der causa für einen dinglichen Rechtserwerb sind mangels Wirkung gegenüber jedermann keine dinglichen Anträge (vgl. Rauscher/Mankowski, a.a.O., Artikel 24 Brüssel Ia-VO, Rn. 30; so auch EuGH vom 16.11.2016, C-417/15, juris Rn. 34 ff.).
[41]dd) Damit käme zwar zunächst eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gemäß Artikel 2 Abs. 1 LugÜ oder gemäß Artikel 5 Nr. 1a LugÜ in Betracht.
[42]ee) Allerdings haben die Antragstellerin und S. eine Vereinbarung über einen ausschließlichen Gerichtsstand schweizerischer Gerichte geschlossen. Diese ist gemäß Artikel 23 LugÜ wirksam; sie wurde namentlich schriftlich im Sinne von Artikel 23 Abs. 1 lit a LugÜ geschlossen.
[43]Die Gerichtsstandvereinbarung gilt auch im Verhältnis zur Antragstellerin. Als Verfahrensstandschafterin gemäß § 1368 BGB rückt sie in die Rechtsstellung von S. ein (vgl. für den Fall einer Gerichtsstandvereinbarung im Sinne von § 38 ZPO, Zöller/Schultzky, a.a.O., § 38, Rn. 13).
[44]Dass gemäß §§ 113 FamFG, 38 Abs. 2 ZPO die internationale Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts durch Gerichtsstandvereinbarung bei hier vorliegendem beidseitigem inländischen allgemeinem Gerichtsstand nicht vereinbart werden kann (Zöller/Schultzky, a.a.O., § 38, Rn. 31), steht dem nicht entgegen, denn § 38 ZPO ist nach der vorrangigen Regelung im LugÜ nicht anwendbar.
[45]ff) Eine rügelose Einlassung ist nicht erfolgt. Die Antragsgegnerin hat die fehlende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in beiden Instanzen ausdrücklich gerügt. Ist einmal die Zuständigkeitsrüge erhoben worden, kommt eine nachträgliche Zuständigkeitsbegründung auch nicht mehr durch einfaches „Fallenlassen“ der Rüge in Betracht (vgl. BeckOK/Toussaint, ZPO, 47. Edition, Stand 1.12.2022, § 39, Rn. 15).
[46]b) Der Antrag ist darüber hinaus auch deswegen unzulässig, weil die Antragstellerin kein Feststellungsinteresse hat.
[47]Ein Feststellungsantrag setzt ein besonderes Feststellungsinteresse gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 256 ZPO voraus (vgl. BGH vom 16.05.1990 -
[48]aa) Entweder ist - entgegen der Behauptung der Antragstellerin - ein Leistungsantrag der Antragstellerin in der Schweiz auf Herausgabe des Eigentums oder Rückabwicklung des Kaufvertrages möglich. In diesem Fall wäre der Leistungsantrag vorrangig, so dass es insoweit an einem Feststellungsinteresse fehlt (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Feststellungsklage, Rn. 7a).
[49]bb) Oder es ist - mit der Antragstellerin - in der Schweiz kein Leistungsantrag möglich. Dann kann sie mithilfe des vorliegenden Feststellungsantrages eine Eigentumsveränderung bezüglich einer schweizerischen Immobilie nicht bewirken. Für eine Feststellung, aus der sich auch nicht potentiell eine Rechtsfolge ergibt, besteht kein Feststellungsinteresse. Ein Feststellungsbeschluss, dass der Schenkungsvertrag unwirksam ist, würde die Rechtsposition der Antragstellerin nicht verbesseRn. Das Ziel der Eigentumsrückübertragung bezüglich einer Immobilie in der Schweiz kann damit mangels Vollstreckbarkeit des Feststellungsbeschlusses nicht erreicht werden. Die Antragstellerin müsste weiterhin den nach ihren Angaben nicht möglichen Leistungsantrag stellen. Die schweizerischen Grundbuchämter werden, wenn schon ein Leistungsantrag in der Schweiz nicht vorgesehen ist, keinen sie nicht betreffenden und nicht vollstreckbaren Feststellungsbeschluss umsetzen (vgl. zu dieser Problematik Münchener Kommentar/Becker-Eberhard, ZPO, 6. Auflage 2020, § 256, Rn. 47 - 49).
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