Verbraucher im Sinne des Art. 17 f. Brüssel Ia-VO kann auch eine erwerbstätige Person sein, die einen Vertrag über die Teilnahme am Online-Poker-Spiel mit dem Ziel abschließt, daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften.
Maßgeblich für die Bestimmung der Verbrauchereigenschaft ist die Stellung der Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung. Eine in einem Prozessfinanzierungsvertrag getroffene Vereinbarung hat grds. keinen Einfluss auf die internationale Zuständigkeit. [LS der Redaktion]
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen mit Sitz in A, zu dessen Gegenstand der Betrieb einer über die URL "webadresse01" erreichbaren Website gehört, auf der Nutzer online an Glücksspielen wie Roulette, Blackjack etc. teilnehmen sowie virtuelle Spielautomaten ("Slots") betätigen können. Spielinhalte, Kundensupport und Kontaktangaben der Beklagten sind in deutscher Sprache formuliert. Sie verfügt über eine Lizenz aus A, nicht hingegen über eine Glücksspiellizenz deutscher Behörden. Die Klägerin nahm an Spielen der Variante Videopoker teil, bei denen sie nicht gegen andere menschliche, sondern virtuelle Spieler antrat. Die Nutzung des Angebots der Beklagten durch die Klägerin erfolgte, nachdem sie sich auf der Website der Beklagten unter Angabe des Wohnsitzes registriert hatte, von der Wohnung der Klägerin in B aus. Die Klägerin, die tagsüber einer geregelten Arbeit als kaufmännische Angestellte nachging, spielte abends und an den Wochenenden. Insgesamt erlitt die Klägerin in Form von an die Beklagte im Zeitraum von 2018 bis 2019 mittels Online-Überweisung oder Kreditkartenbuchung geleisteter Zahlungen über ... EUR (K2) - abzüglich ausgezahlter Gewinne in Höhe von ... EUR - einen Verlust in Höhe von ... EUR. Dieser Betrag ist Gegenstand der Klageforderung.
Mit am 8.7.2021 verkündetem Urteil hat das Landgericht Paderborn die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von ... EUR nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
[1]II.
[2]Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Eine unvollständige oder unrichtige Tatsachenfeststellung durch das Landgericht ist im Ergebnis nicht festzustellen. Die auf Grundlage der festgestellten Tatsachen getroffene rechtliche Würdigung ist nicht zu beanstanden. Die Klage ist zulässig und begründet.
[3]1.
[4]Die Klage ist zulässig. Das Landgericht hat sowohl seine internationale Zuständigkeit als auch die Anwendbarkeit deutschen Rechts zu Recht und mit zutreffender Begründung bejaht. Wenn ein Verbraucher mit Wohnsitz in Deutschland Wetteinsätze zurückverlangt, die er beim (verbotenen) Online-Glücksspiel eines im europäischen Ausland ansässigen gewerblichen Anbieters verloren hat, dann sind für die Klage gem. Art. 18 I EuGVVO die deutschen Gerichte international zuständig, und in dem Prozess ist gem. Art. 6 I Rom I deutsches Recht anzuwenden; die Rechtswahlklausel in den AGB der Beklagten ist aus den vom Landgericht zutreffend angeführten Gründen unwirksam (OLG Frankfurt, Beschluss v. 8.4.2022,
[5]a)
[6]Als Verbraucher ist in diesem Zusammenhang jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Verbraucher ist daher auch die Person, die einen Vertrag über die Teilnahme am Online-Poker-Spiel mit dem Ziel abschließt, daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften. Die Klägerin ist Verbraucherin, denn sie ging unstreitig während des gesamten hier streitgegenständlichen Zeitraums einer in Vollschicht ausgeübten Erwerbstätigkeit als kaufmännische Angestellte nach, die mit der Glücksspielteilnahme nicht in Zusammenhang stand. Eine unternehmerische oder gewerbliche Tätigkeit ist nicht konkret vorgetragen oder aus den Umständen erkennbar.
[7]Die im Prozessfinanzierungsvertrag getroffenen Vereinbarungen haben keinen Einfluss auf die internationale Zuständigkeit. Der Begriff des Verbrauchers im Sinne der Art. 15 und 16 VO Nr. 44/2001 (a.F.) ist anhand der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht anhand ihrer subjektiven Stellung zu bestimmen. Deshalb fallen nur Verträge, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen allein zu dem Zweck schließt, ihren Eigenbedarf beim privaten Verbrauch zu decken, unter die Sonderregelung, welche die VO zum Schutz des Verbrauchers vorsieht, wohingegen dieser Schutz nicht gerechtfertigt ist bei Verträgen, deren Zweck in einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit besteht (EuGH NJW 2018, 1003, 1004). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die wortgleichen Bestimmungen in Art. 17 und 18 EuGVVO n.F. (Paulus, NJW 2018, 987, 989). Maßgeblich für die Bestimmung der Verbrauchereigenschaft ist mithin nicht die Art der Geltendmachung der sich aus einem Vertrag ergebenden Ansprüche - hier im Wege der Prozessstandschaft,- sondern die Zielsetzung des Vertrags bei Abschluss und Durchführung. Eine Forderungsabtretung kann für sich allein keinen Einfluss auf die Bestimmung des zuständigen Gerichts haben (EuGH NJW 2018, 1003, 1005).
[8]b)
[9]Auch richtet die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland aus. So waren ihre Glücksspielangebote gerade auch in deutscher Sprache verfügbar. Wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist. Gem. Art. 6 I lit b) Rom I unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt (OLG Köln, Urteil v. 31.10.2022,
[10]2. ...