Das auf Restrukturierung gerichtete Insolvenzverfahren thailändischen Rechts (Chapter III/1 Thai Bankruptcy Act) stellt ein reguläres Insolvenzverfahren dar, das dem deutschen Insolvenzrecht funktionell vergleichbar ist. [LS der Redaktion]
Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Beförderungsentgelt.
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden nur Klägerin) buchte am 10.7.2019 über ein Reisebüro bei der Beklagten und Berufungsbeklagten (Beklagte) einen Flug für sich und ihren Ehemann von Frankfurt am Main über Bangkok nach Trat am 31.3.2020 und einen Rückflug von Trat über Bangkok nach Frankfurt am Main. Am 26.03.2020 annullierte die Beklagte die Flüge aufgrund eines Einreiseverbotes für Touristen nach Thailand. Am 27.05.2020 verfügte das thailändische Zentralinsolvenzgericht in Bangkok, dass ein Antrag der Beklagten auf Durchführung eines Geschäftsrestrukturierungsverfahrens („reorganisation“) angenommen werde (Schwarze Gerichtsnummer …). Das Amtsgericht Frankfurt am Main - Insolvenzgericht - veröffentlichte die Verfügung am 28.5.2020.
Die Klägerin hat am 22.6.2020 die Klage gegen die Beklagte eingereicht, die der Beklagten am 24.8.2020 zugestellt wurde. Am 24.9.2020 veröffentlichte das Amtsgericht Frankfurt am Main - Insolvenzgericht – den weiteren Beschluss des thailändischen Zentralinsolvenzgerichts vom 14.9.2020, in dem das thailändische Insolvenzgericht die Anordnung zur Unternehmensstrukturierung der Beklagten erteilt und sog. Planer ernannt hatte. Das Restrukturierungsverfahren ist noch nicht beendet, die Frist zur Umsetzung der Sanierung noch nicht abgelaufen. Die Beklagte setzte ihren Betrieb fort. Am 19.5.2021 nahm die Gläubigerversammlung einen Plan zur Unternehmenssanierung und einen Änderungsplan an, denen das Zentrale Insolvenzgericht mit Beschluss vom 15.5.2021 zugestimmt hatte. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen. Das Amtsgericht hat die Klage durch Urteil vom 6.8.2021 als unzulässig abgewiesen. Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.
[1]II.
[2]Die statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist unbegründet.
[3]Das Amtsgericht hat die Klage auf Rückzahlung der Flugscheinkosten zu Recht als unzulässig abgewiesen.
[4]Die Klage ist in Übereinstimmung mit dem Urteil des Amtsgerichts unzulässig.
[5]Der Klage steht - als Prozesshindernis - die im Inland anzuerkennende vorläufige Sicherungsmaßnahme in Form des Klageerhebungsverbotes gemäß § 343 Abs. 2 InsO i.V.m. Sec. 90/12 Thai Bancrupty Act im Rahmen des ebenfalls anzuerkennenden Insolvenzverfahrens entgegen.
[6]Zu Recht ging das Amtsgericht von einer Anerkennung des entgegen der Auffassung der Klägerin bestehenden thailändischen Insolvenzverfahrens gemäß Chapter III/1 Thai Bancrupty Act und auch der einstweiligen Sicherungsmaßnahme vom 27.05.2020 (veröffentlicht vom Amtsgericht am 28.05.2020) aus.
[7]Es besteht zunächst ein auf die Restrukturierung gerichtetes Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten in Thailand.
[8]Das Bestreiten der Klägerseite im Hinblick auf das Vorhandensein eines Insolvenzverfahrens ist, in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Amtsgerichts, unsubstantiiert. Dem Vorbringen der Klägerin, dass überhaupt kein Insolvenzverfahren vorliege, ist das Amtsgericht zu Recht nicht nachgegangen und weiterhin nicht nachzugehen. Die Klägerin ist für das Vorliegen auch für die von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen bzw. das Fehlen von Prozesshindernissen darlegungs- und beweisbelastet (vgl. Zöller/Greger, ZPO-Kommentar, 34. Aufl. 2022, § 280 Rz. 5). Sie hätte mithin vorliegend substantiiert darlegen müssen, wieso gar kein Insolvenzverfahren vorliegen soll. Daran fehlt es mit dem bloßen Verweis, es gäbe keine offiziellen Dokumente. Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt kein thailändisches Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten existiert und diese öffentlich zugänglichen und übersetzten Unterlagen insbesondere des Zentralinsolvenzgerichts in Bangkok sämtlich gefälscht sein sollen, sind nicht im Ansatz ersichtlich. Die Beklagte hat hingegen substantiiert dargelegt, dass es ein solches Verfahren gibt und hat - ihrerseits zu Recht - auf die Insolvenzakte des Amtsgerichts Frankfurt - Insolvenzgericht - verwiesen.
[9]Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten - und auch die einstweilige Sicherungsmaßnahme - werden anerkannt, wie das Amtsgericht richtig ausgeführt hat.
[10]Nach § 343 Abs. 1 S. 1 InsO wird die Eröffnung eines ausländischen Insolvenzverfahrens anerkannt, wenn es dem nationalen Insolvenzrecht funktionell vergleichbar ist, es sei denn (Satz 2), die Gerichte des Staates der Verfahrensöffnung wären nach deutschem Recht nicht zuständig oder die Anerkennung verstößt gegen (deutsche) ordre public- Grundsätze. Gemäß § 343 Abs. 2 InsO werden, entsprechend den Voraussetzungen des Abs. 1, dann auch Sicherungsmaßnahmen anerkannt, die nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen werden.
[11]Das von der Beklagten angestrengte, auf Restrukturierung gerichtete Insolvenzverfahren stellt ein reguläres Insolvenzverfahren dar (Chapter III/1 Thai Bankrupty Act), das dem deutschen Insolvenzrecht funktionell vergleichbar ist.
[12]Als Insolvenzverfahren im Sinne des § 343 Abs. 1 InsO werden Auslandsverfahren nicht völlig schrankenlos anerkannt, sondern nur, wenn damit in etwa die gleichen Ziele verfolgt werden wie mit den in der InsO vorgesehenen Verfahren (BGH NZI 2009, 859 (IPRspr 2009-312); BT-Drs.: 15/16, S. 21). Das ausländische Verfahren muss dem deutschen Insolvenzverfahren funktionell vergleichbar sein; eine Vergleichbarkeit mit den wesentlichen Grundzügen des nationalen Insolvenzrechts aufweisen (BeckOK InsR/Weissinger, 26. Ed. 15.7.2021, InsO § 343 Rn. 7 f.). Erforderlich ist, wovon das Amtsgericht richtigerweise ausgegangen ist, grundsätzlich ein staatlich geordnetes und gerichtlich eröffnetes Kollektivverfahren zur Abwicklung der Vermögens- und Haftungsverhältnisse eines Schuldners (vgl. § 1 InsO) zugunsten und unter Beteiligung aller Gläubiger bei mutmaßlich nicht ausreichendem Schuldnervermögen auf der Grundlage eines an die Insolvenz oder Vermögensinsuffizienz anknüpfenden Eröffnungsgrundes (MüKoBGB/Kindler, 8. Aufl. 2021, InsO § 343 Rn. 6 ff. m.w.N.). Ein Tatbestand der Insolvenz liegt dabei etwa vor, wenn keine hinreichende Aussicht darauf besteht, dass der Schuldner seine Gläubiger alle wird befriedigen können (Vermögensinsuffizienz) (BT-Drs. 15/16, 21; MüKoBGB/Kindler, 8. Aufl. 2021, InsO § 343 Rn. 7).
[13]Das von der Beklagten angestrengte Reorganisationsverfahren, das durch Gerichtsbeschluss eröffnet wird (Sec 90/20 ff. Thai Bankrupty Act), verlangt in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts Nürnberg/Fürth (
[14]Anhaltspunkte dafür, dass dieses Verfahren gemäß § 343 Abs. 1 S. 2 InsO gegen (nationale) ordre public-Grundsätze verstößt und dementsprechend ausnahmsweise nicht anzuerkennen wäre, sind nicht ersichtlich. Zudem wäre, bei spiegelbildlicher hypothetischer Anwendung des deutschen Rechts (BGH, Versäumnisurt. v. 20.12.2011 − VI ZR 14/11 = NZI 2012, 572 (IPRspr 2011-259)), die internationale Zuständigkeit des thailändischen Zentralinsolvenzgerichts gegeben (siehe dazu auch: Landgericht Nürnberg-Fürth -
[15]Über die Ausführungen des Landgerichts Nürnberg-Fürth hinaus bestehen im Ergebnis ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken gegen die Anerkennung der als Sicherungsmaßnahmen zu qualifizierenden gesetzlichen Anordnungen in Sec. 90/12 Thai Bancrupty Act gemäß § 342 Abs. 2 InsO i. V. m. § 343 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO des Zentralinsolvenzgerichts vom 27.05.2020 (veröffentlicht vom Amtsgericht Frankfurt am Main am 28.05.2020).
[16]Die kraft Gesetzes geltende Sicherungsmaßnahme gemäß Sec. 90/12 Thai Bancrupty Act steht der Klage der Klägerin gegen die Beklagte entgegen.
[17]Gemäß § 335 InsO unterliegen das ausländische Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. In Section 90/12 Thai Bancrupty Act ist geregelt, dass in der Zeit zwischen der gerichtlichen Annahme des Antrages auf Geschäftsrestrukturierung gemäß Sec. 90/3 und 90/4 Thai Bancrupty Act bis zum Ablauf der für die Umsetzung des Sanierungsplanes festgelegten Frist oder bis zum Tag der erfolgreichen Umsetzung des Sanierungsplanes eine gerichtliche Geltendmachung von Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin nicht zulässig ist. Es sieht überdies eine automatische Einstellung sämtlicher Forderungseinziehungen, Gerichtsverfahren und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner vor (vgl. Landgericht Nürnberg-Fürth -
[18]Die kraft Gesetzes eintretende einstweiligen Sicherungsmaßnahme vom 27.05.2020 im Sinne der Section 90/12 Thai Bancrupty Act steht damit im vorliegenden Fall der erst am 22.06.2020 eingereichten Klage der Klägerin gegen die Beklagte entgegen, weil sie ein Prozesshindernis formuliert oder dem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin entgegensteht. Nach der Systematik des Chapter III/1 Thai Bancrupty Act bleiben diese prozesshindernden Wirkungen auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen.
[19]Nach alldem kommt es nicht darauf an, dass das eigentliche Insolvenzverfahren erst am 14.09.2020 und damit nach Klageerhebung im August eröffnet wurde und welche Wirkungen die Eröffnung auf eine etwaige passive Prozessführungsbefugnis oder das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin gehabt hätte.
[20]...