Eine Geburtsurkunde aus Guinea kann mangels einer Qualifizierung als Entscheidung nicht nach § 108 Abs. 1 FamFG anerkannt werden. Die Geburtsurkunde erschöpft sich inhaltlich in der bloßen Registrierung der Geburt, eine rechtsbegründende oder rechtsfeststellende Wirkung kommt ihr nicht zu. [LS der Redaktion]
Im Januar 2022 meldete sich der Antragsteller in der Erstaufnahmeeinrichtung in Bremen. Seine Personalien gab er gemäß Aufnahmeformular mit ..., geb. am ... in ..., Guinea, an. Im März 2022 fand ein Erstgespräch zum Zwecke der Alterseinschätzung mit zwei Mitarbeitern des Jugendamtes unter Einbeziehung eines Dolmetschers in der Sprache Fula statt. Nach der über das Erstgespräch gefertigten Niederschrift gab der Antragsteller an, 15 Jahre alt zu sein. Anfang 2021, den Monat könne er nicht angeben, habe er Guinea verlassen. Die Unterzeichner hätten eher den Eindruck gewonnen, dass es sich beim Antragsteller um einen erwachsenen Mann handele, der absichtlich falsche Angaben mache, um über sein wahres Alter hinwegzutäuschen und um die vorteilhaften Leistungen der Jugendhilfe zu beziehen.
Mit Bescheid vom 23.03.2022 beendete das Amt für Soziale Dienste die vorläufige Inobhutnahme gemäß § 42a SGB VIII des Antragstellers. Im Oktober 2022 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid Widerspruch, der – soweit nach Aktenlage ersichtlich – bisher nicht beschieden wurde. Ebenfalls im Oktober 2022 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Der Antragsteller beantragt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 23.3.2022 anzuordnen. Hilfsweise sei die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller gem. § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen und ihm Jugendhilfeleistungen im gesetzlichen Umfang zu gewähren, insbesondere sofort das Clearing-Verfahren durchzuführen.
[1]II. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat keinen Erfolg.
[2]1. ... 2. Der hilfsweise gestellte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller gem. § 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen, ist ebenfalls abzulehnen ...
[3]a. ... b. ... b. ... Der danach grundsätzliche statthafte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist aber abzulehnen, weil der Antragsteller das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII nicht glaubhaft gemacht hat.
[4]Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
[5]Der Antragsteller hat in Bezug auf eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII und die sofortige Durchführung eines Clearingverfahrens einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat hier nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei ihm noch um einen Jugendlichen im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII handelt, d.h., dass er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
[6](1) Die vom Antragsteller im gerichtlichen Verfahren in Kopie vorgelegte Geburtsurkunde ist nicht geeignet, das von ihm behauptete Geburtsdatum zu belegen. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Bremen (vgl. Beschluss v. 22.02.2016 –
[7]Der Geburtsurkunde aus Guinea kommt auch im Übrigen kein belastbarer Beweiswert zu, weil keine hinreichende Gewähr für deren inhaltliche Richtigkeit besteht. In einem Merkblatt der Deutschen Botschaft Conakry (Stand: Januar 2019) und auf den aktuellen Internetseiten der Botschaft wird darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen zur Legalisation von öffentlichen Urkunden aus Guinea bis auf weiteres nicht gegeben seien, weil ein hoher Prozentsatz der vorgelegten Urkunden gefälscht, verfälscht oder inhaltlich unrichtig sei. Die Legalisation sei deshalb mit Billigung des Auswärtigen Amtes eingestellt worden. Es besteht damit keine hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der Angaben in der Urkunde, die der Antragsteller vorgelegt hat.
[8]Schon aus diesem Grund sind entgegen der Ansicht des Antragstellers die Angaben in der vom ihm vorgelegten Geburtsurkunde von deutschen Behörden und Gerichten nicht ungeprüft als richtig anzusehen.
[9]Soweit sich der Antragsteller im diesem Zusammenhang auf die Regelung des § 108 Abs. 1 FamFG beruft, ist diese bereits nicht einschlägig.
[10]Gemäß § 181 Abs. 1 FamFG werden, abgesehen von Entscheidungen in Ehesachen sowie von Entscheidungen nach § 1 Absatz 2 des Adoptionswirkungsgesetzes, ausländische Entscheidungen anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Entscheidungen im Sinne des § 108 Abs. 1 FamFG sind zunächst Urteile und Beschlüsse ausländischer Gerichte, wenn diesen eine rechtsbegründende oder rechtsfeststellende Wirkung zukommt, die der Rechtskraft fähig sind. Grundsätzlich können auch die Entscheidungen ausländischer Behörden oder Notariate eine Entscheidung im Sinne des § 108 FamFG darstellen. Dies setzt aber voraus, dass die Entscheidung der ausländischen Behörde eine rechtsbegründende oder rechtsfeststellende Wirkung hat und damit über eine bloße Registrierung hinausgeht. Die ausländische Behörde muss in ihrer Stellung einem deutschen Gericht vergleichbar sein. Erfolgt durch eine ausländische Behörde dagegen nur die Registrierung eines Rechtsverhältnisses, fehlt es an einem für eine Entscheidung maßgeblichen Erkenntnisakt. Eine anerkennungsfähige Entscheidung liegt daher grundsätzlich nicht vor, wenn eine ausländische Behörde z.B. lediglich ein materiellrechtlich begründetes familienrechtliches Rechtsverhältnis beurkundet oder registriert hat. In diesem Sinne kann z.B. eine vom Standesamt vorgenommene Eintragung in einem Geburtsregister und die auf dieser Eintragung beruhende Ausstellung einer Geburtsurkunde keine rechtsfeststellende oder gar rechtsbegründende Wirkung haben, sondern sich nur als bloße Registrierung darstellen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26. September 2017 –
[11]Schon aus der Überschrift des vom Antragsteller vorlegten Dokuments (EXTRAIT DU REGISTRE DE L’ETAT-CIVIL - Acte de Naissance) ist ersichtlich, dass es sich bei dem Dokument lediglich um den amtlich beglaubigten Auszug aus dem Personenstandsregister handelt. Entscheidungscharakter im Sinne des § 108 Abs. 1 FamFG kann einem solchem Dokument auch dann nicht beigemessen werden, wenn es gerichtsförmlich erstellt worden ist.
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