Dem Verfahrensrecht ist Vorrang vor dem Kollisionsrecht einzuräumen.
Die verfahrensrechtliche Vorfrage der Wirksamkeit einer inländischen Ehescheidung richtet sich deshalb nicht nach dem hier für die Namensführung berufenen Sachrecht, sondern nach dem inländischen Verfahrensrecht.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Standesamtsaufsicht gegen einen Beschluss zur Namensführung einer türkischen Staatsangehörigen nach Ehescheidung.
Die Betroffene ist ausschließlich türkische Staatsangehörige und war mit dem ebenfalls türkischen Staatsangehörigen D... C... verheiratet, dessen Familienname die Betroffene seit der Eheschließung führte. Rechtswahlerklärungen zur Namensführung gaben die Eheleute nicht ab. Ihre in R... geschlossene Ehe wurde durch Endbeschluss des AG Straubing vom 22.10.2020 rechtskräftig geschieden. Das Standesamt hat der Betroffenen Gelegenheit gegeben, die Scheidung in der Türkei anerkennen zu lassen. Ein Anerkenntnisurteil wurde bis heute nicht vorgelegt. Nach Angaben der Betroffenen wurde die Ehescheidung in der Türkei bisher noch nicht anerkannt. Gegenüber dem Standesamt erklärte die Betroffene, dass sie auch nach der Scheidung weiterhin den Familiennamen ihres früheren Ehemanns führen wolle.
Das Standesamt hat Zweifel, ob im Eheregister gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 PStG gleichwohl eine Folgebeurkundung dahingehend aufzunehmen sei, dass die Betroffene mit Eintritt der Rechtskraft der Scheidung wieder ihren Geburtsnamen führt, und hat deshalb gemäß § 49 Abs. 2 PStG das AG Regensburg angerufen. Die Beantwortung der Frage hänge davon ab, ob verfahrensrechtliche Vorfragen im internationalen Namensrecht selbstständig oder unselbstständig anzuknüpfen seien. Dies sei höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Das Amtsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 29.9.2021 das Standesamt angewiesen, die fragliche Folgebeurkundung vorzunehmen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Standesamtsaufsicht mit ihrer Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
[1]II.
[2]Die gemäß §§ 58, 59 Abs. 3, § 63 FamFG, § 51 Abs. 2, § 53 Abs. 2 PStG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
[3]1. Wie vom Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt, bestimmt sich die Namensführung der Betroffenen gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört, hier also dem türkischen Recht. Eine Rechtswahl gemäß Art. 10 Abs. 2 EGBGB ist nicht erfolgt.
[4]Das türkische Recht nimmt die Verweisung an, wobei es im Ergebnis nicht darauf ankommt, ob die Namensführung nach der Ehescheidung gemäß dem türkischen Recht dem Personal- oder dem Scheidungsstatut zu unterstellen ist (BGH FamRZ 2007, 1540 Rn. 13 (IPRspr 2007-4b); Henrich IPRax 2008, 121, 122).
[5]Nach Art. 173 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 türk. ZGB nimmt die geschiedene Frau den Familiennamen wieder an, den sie vor der Eheschließung hatte.
[6]2. Ob es sich bei der Betroffenen um eine „geschiedene“ Frau handelt, ist eine Vorfrage, bei der die Gestaltungswirkung des deutschen rechtskräftigen Scheidungsbeschlusses die kollisionsrechtliche Anknüpfung überdeckt (Mäsch IPRax 2004, 102, 103). Insoweit handelt es sich nicht um eine Frage des internationalen materiellen Rechts, sondern um eine Frage des internationalen Verfahrensrechts.
[7]a) Nach türkischem Recht bedürfte eine ausländische Scheidung der Anerkennung durch das zuständige türkische Gericht oder der personenstandsrechtlichen Registrierung. Da eine solche Anerkennung noch nicht erfolgt ist, führt die Betroffene in der Türkei den bisherigen Ehenamen weiter. Würde man die verfahrensrechtliche Vorfrage, ob der Scheidungsbeschluss wirksam ist, deshalb ebenfalls nach dem Personalstatut, also unselbstständig anknüpfen, könnte dem Wunsch der Betroffenen entsprochen werden.
[8]Das Bayerische Oberste Landesgericht ist diesen Weg in einer Entscheidung aus dem Jahr 2002 (FamRZ 2003, 310 (IPRspr. 2002 Nr. 12)) gegangen. In der Begründung der Entscheidung wird eingeräumt, dass eine statusgestaltende Gerichtsentscheidung inmitten stehe, die grundsätzlich die Bestimmung eines für die Vorfrage einschlägigen Sachrechts erübrige. Durch eine unselbständige Anknüpfung bei der Bestimmung des Namens der Frau werde die statusrechtliche Wirkung des deutschen Scheidungsurteils aber nicht in Frage gestellt. Selbstverständlich bleibe es dabei, dass die Frau für den deutschen Rechtskreis - unabhängig davon, ob ihre heimatliche Rechtsordnung die Scheidung anerkennt - geschieden sei. Das hindere aber nicht, im Rahmen der Namensbestimmung nach dem von Art. 10 Abs. 1 EGBGB berufenen türkischen Recht die Sichtweise dieser Rechtsordnung zugrunde zu legen. Der interne Entscheidungseinklang werde nicht gestört. Das nach türkischem Recht im Wege der unselbständigen Anknüpfung gewonnene Ergebnis, dass die Frau weiter den Ehenamen führt, stimme mit der deutschen Rechtsordnung überein. Nach deutschem Sachrecht behalte die geschiedene Frau ihren Ehenamen (§ 1355 Abs. 5 Satz 1 BGB). Die Vorfrage der Scheidung stelle sich hier überhaupt nur bei Anwendung türkischen Rechts. Ihre gleichwohl selbständige Anknüpfung nach deutschem Recht hätte das widersinnige Ergebnis zur Folge, dass die Frau einen Namen führen müsste, nämlich ihren vorehelichen Namen, den sie nach keiner Rechtsordnung - je für sich genommen - führen muss, der nicht in ihren türkischen Ausweispapieren stehe und den sie nicht führen wolle. Bei dieser Sachlage sehe der Senat keinen vernünftigen Grund, im konkreten Fall bei der Bestimmung des Namens gemäß Art. 10 Abs. 1 EGBGB von der unselbständigen Anknüpfung abzuweichen. Im Hinblick auf die persönlichkeitsrechtliche Bedeutung der Namensführung (Art. 2 Abs. 1 GG) komme bei der vorliegenden Fallgestaltung dem Grundsatz des Entscheidungseinklangs das maßgebliche Gewicht zu.
[9]b) Die Gegenauffassung zu dieser Entscheidung weist zunächst schon darauf hin, dass die unselbständige Anknüpfung im Ergebnis nur zufällig zu einer übereinstimmenden Lösung, also einem Entscheidungseinklang im deutschen und türkischen Recht geführt habe (Mäsch IPRax 2004, 102). Tatsächlich wird man die grundsätzliche Frage, ob eine deutsche rechtsgestaltende Statusentscheidung Bindungswirkung auch bei der Anwendung des berufenen ausländischen Sachrechts entfaltet, nicht davon abhängig beantworten können, ob das ausländische Sachrecht zu demselben Ergebnis käme wie das (fiktiv) anzuwendende deutsche Sachrecht.
[10]Mit dem Amtsgericht und der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur sprechen aber auch weitere Argumente für die Bindungswirkung der deutschen Statusentscheidung.
[11]Die unselbstständige Anknüpfung der verfahrensrechtlichen Vorfrage würde zunächst dem internen Entscheidungseinklang zuwiderlaufen. Dem Verfahrensrecht ist Vorrang vor dem Kollisionsrecht einzuräumen (OLG Hamm StAZ 2004, 171 (IPRspr 2007-4a); OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 328; KG FamRZ 1994, 1413 (IPRspr. 1994 Nr. 116); Hausmann in Staudinger, BGB, Bearb. 2019, Art. 10 EGBGB Rn. 143; Janal in jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand 06.03.2020, Art. 10 EGBGB Rn. 40; Lipp in MünchKomm-BGB, 8. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 39 f.; Mankowski in Heidel/Hüßtege/ Mansel/Noack, BGB AT/EGBGB, 4. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 19a; Thorn in Palandt, BGB, 71. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 2; Mäsch in BeckOK BGB, Stand 01.08.2021, Art. 10 EGBGB Rn. 12). Der Standesbeamte würde ansonsten verpflichtet, den Scheidungsbeschluss eines deutschen Gerichts außer Acht zu lassen (Hausmann a.a.O. Rn. 11; Wall StAZ 2021, 245, 247 jeweils mit weiteren Nachweisen; Mäsch IPRax 2004, 102, 103).
[12]Auch der Senat teilt diese der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses gerecht werdende Auffassung, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen ist.
[13]Die im Ergebnis hinkende Namensführung, also eine Namensführung, die derzeit von den türkischen Behörden nicht anerkannt wird, kann die Betroffene von sich aus beenden, indem sie ihre Scheidung in der Türkei anerkennen lässt. Dies ist von ihr, wenn auch nicht sofort, sowieso geplant. Die für sie nach eigenen Angaben belastende Situation ist also nur vorübergehender Natur.
[14]III. ...