§ 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO findet auf ein Schiedsverfahren weder direkte noch analoge Anwendung.
§ 1054 Abs. 4 ZPO verlangt die "Übermittelung" eines von den Schiedsrichtern unterschriebenen Exemplars an jede der Parteien, nicht die Verkündung in einem Verkündungstermin.
Die Parteien streiten mit Aufhebungs- und Vollstreckbarerklärungsantrag um die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs, der in einem in Frankfurt am Main geführten Schiedsverfahren am 9.11.2020 erlassen wurde. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin schlossen am 29.7.2011 eine sog. „Erste Kooperationsvereinbarung“, um gemeinsam ein Joint-Venture-Unternehmen - die X GmbH - im Bereich der Schraubenherstellung für die Windkraftindustrie zu gründen. Zum Erwerb eines Grundstücks und der Errichtung der Betriebsstätte gewährte die Antragsgegnerin der X GmbH ein Darlehen. Zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs wurde vereinbart, dass die X GmbH ihr mit diesem Darlehen finanziertes Betriebsgrundstück nicht belastet, weil es als werthaltiges Haftungsobjekt für den Darlehensrückzahlungsanspruch der Antragsgegnerin zur Verfügung stehen sollte. Am 27.3.2015 schlossen die Parteien die sog. „Zweite Kooperationsvereinbarung“, welche in § 18 Ziffer 2 eine Schiedsvereinbarung enthält. Im Zuge dieser „Zweiten Kooperationsvereinbarung“ wurde die Antragsgegnerin von der operativen Kontrolle der X GmbH ausgeschlossen. Sie verringerte ihre Beteiligung an der X GmbH von ursprünglich 24,9 % auf 9,99 % der Anteile. Um der X GmbH Spielraum zur Entwicklung zu geben, stundete die Antragsgegnerin ihren Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens sowie den Zinsanspruch. Beide Parteien gingen davon aus, dass die X GmbH durch die hierdurch gewonnene Zeit und weitere Finanzmittel eine Insolvenz vermeiden und Gewinne erwirtschaften würde. Die weiteren Finanzmittel sollte die Antragstellerin stellen. Sie verpflichtete sich im Rahmen der „Zweiten Kooperationsvereinbarung“ zur Aufnahme eines Darlehens, das die Antragstellerin - wiederum als Darlehen - in voller Höhe und unmittelbar an die X GmbH weiterzuleiten habe. Allerdings vereinbarten die Parteien im Rahmen der „Zweiten Kooperationsvereinbarung“, dass die Antragstellerin zur Aufnahme des Darlehens das - von der Antragsgegnerin finanzierte und bis dahin ihr als Sicherheit dienende - Grundstück der X GmbH mit einer Grundschuld belasten dürfe. Über die Weiterleitung des Darlehens hinaus sollte die Antragstellerin monatlich an die X GmbH zahlen. Die Antragstellerin räumte der Bank1 AG eine Grundschuld auf das Grundstück der X GmbH ein und nahm das Darlehen auf. Dieses wurde ihr am 3.6.2015 in voller Höhe ausgezahlt. Die Antragstellerin leitete das Darlehen lediglich teilweise an die X GmbH weiter. Auch die monatlichen Zahlungen stellte die Antragstellerin alsbald ein. Die X GmbH stellte am 6.8.2015 Insolvenzantrag.
Nachdem die Antragstellerin trotz wiederholter Aufforderung durch die Antragsgegnerin nicht bereit war, eine Schadensersatzpflicht anzuerkennen, beantragte die Antragsgegnerin auf der Grundlage der oben erwähnten Schiedsvereinbarung mit Schreiben vom 21.6.2018, den Rechtsstreit einem Schiedsgericht vorzulegen. Das Schiedsgericht konstituierte sich am 23.10.2018. Als Schiedsrichter fungierten Rechtsanwalt B (von der Antragsgegnerin benannt), Rechtsanwalt C (von der Antragstellerin benannt) und als Vorsitzender Schiedsrichter Rechtsanwalt A. Am 6./11./13.11.2018 und 22.2.2019 unterzeichneten die Verfahrensbevollmächtigten der Parteien und die Mitglieder des Schiedsgerichts den Schiedsauftrag. Mangels Einigung auf die Schiedsregeln einer Institution wurde das Verfahren als Ad hoc-Schiedsverfahren geführt. Mit Schiedsspruch vom 9.11.2020 traf das Schiedsgericht die aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtliche Entscheidung. Unter anderem wurde die Antragstellerin verurteilt, die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens zu tragen, wobei das Schiedsgericht seine eigenen Kosten bezifferte. Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung des Schiedsspruchs.
[1]II.
[2]Der Antrag der Antragsgegnerin auf Vollstreckbarerklärung des inländischen Schiedsspruchs ist zulässig (1) und begründet (2). Der Aufhebungsantrag der Antragstellerin hingegen hat keinen Erfolg.
[3]1. Der Senat ist für die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung gemäß den §§ 1060, 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zuständig, da der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in Frankfurt am Main und damit im Bezirk des hiesigen Oberlandesgerichts liegt.
[4]Der von den Schiedsrichtern unterzeichnete Schiedsspruch stellt einen rechtswirksamen Schiedsspruch im Sinne des § 1054 ZPO dar.
[5]Der Zulässigkeit des Antrags auf Vollstreckbarerklärung steht auch nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin den Schiedsspruch - entgegen § 1064 Abs. 1 ZPO - weder im Original noch als beglaubigte Abschrift vorgelegt hat. Die Vorlage des Schiedsspruchs ist nämlich keine Zulässigkeitsvoraussetzung, sondern lediglich eine besondere Beweismittelanforderung, deren Einhaltung lediglich im Falle des Bestreitens relevant wird (vgl. etwa Voit, in: Musielak/Voit (Hrsg.), ZPO, 18. Aufl. 2021, § 1064, Rdnr. 2; Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 1064, Rdnr. 4; Haas, in: Kindl/Meller-Hannich (Hrsg.), Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, § 1064, Rdnr. 6; in Bezug auf Art. 4 des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche so etwa auch BGH, Beschluss vom 17.08.2000 -
[6]Im Streitfall hat die Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen, dass der von der Antragsgegnerin vorgelegten einfachen Abschrift des Schiedsspruchs eine damit übereinstimmende authentische Urschrift zu Grunde liegt. Es wäre eine leere Förmelei, von der Antragsgegnerin gleichwohl zu verlangen, dass sie die - unstreitige - Existenz und Authentizität des in einfacher Abschrift mitgeteilten Schiedsspruchs zusätzlich mittels der in § 1064 Abs. 1 ZPO genannten Urkunden nachweist (in diesem Sinne in Bezug auf [Art. IV] des Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche etwa auch BGH, Beschluss vom 17.08.2000 -
[7]2. Dem Antrag der Antragsgegnerin auf Vollstreckbarerklärung ist stattzugeben, weil Versagungs- oder Aufhebungsgründe im Sinne von § 1059 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
[8]Im Einzelnen:
[9]a) Entgegen der Behauptung der Antragstellerin hat das Schiedsgericht nicht in unzulässiger Weise über die eigenen Kosten entschieden. Es ist damit auch nicht in unzulässiger Weise als Richter in eigener Sache tätig geworden.
[10]Der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten darf, gilt als unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit auch im Schiedsverfahren. Richterliche Tätigkeit untersteht dem Gebot der Distanz und Neutralität. Es gehört zu ihrem Wesen, dass sie von unbeteiligten Dritten ausgeübt wird. Für die Schiedsgerichtsbarkeit, die ihrer Funktion und Wirkung nach materielle Rechtsprechung ist, besteht insoweit im Grundsatz keine Ausnahme (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28.03.2012 -
[11]In Bezug auf die Kosten führt das Verbot des Tätigwerdens als Richter in eigener Sache jedoch nicht dazu, dass das Schiedsgericht im Schiedsspruch keine Angaben zur Kostenquote und zur Höhe der zu erstattenden Kosten machen darf. Das Schiedsgericht ist nach § 1057 ZPO vielmehr sogar dazu verpflichtet, eine Kostenentscheidung zu treffen. Selbst wenn die Vergütung eines Schiedsgerichts streitwertabhängig ausgestaltet ist - was sie hier nicht war -, darf das Schiedsgericht im Rahmen der zu treffenden Kostenentscheidung den Streitwert festsetzen; die Streitwertfestsetzung ist dann allerdings nur im Verhältnis der Parteien zueinander verbindlich, nicht im Verhältnis der Parteien zum Schiedsgericht (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28.03.2012 -
[12]Gegen diese Grundsätze hat das Schiedsgericht im Streitfall nicht verstoßen. Das Schiedsgericht hat in den Rdnr. 778 ff. des Endschiedsspruchs die Pflicht der Antragstellerin festgestellt, die Kosten der Antragsgegnerin zu tragen. Da beide Parteien Vorschüsse auf das Schiedsrichterhonorar geleistet haben, musste das Schiedsgericht im Schiedsspruch auch die Höhe des Schiedsrichterhonorars darlegen. Denn wäre dieses niedriger gewesen als der geleistete Vorschuss, hätte das Schiedsgericht der Antragsgegnerin den überzahlten Betrag zu erstatten (vgl. BGH, Beschluss vom 02.03.2017 -
[13]In den Rdnr. 808 ff. des Endschiedsspruchs hat das Schiedsgericht sein Honorar und die Auslagen entsprechend den in dem Schiedsauftrag getroffenen Vereinbarungen dargestellt. Im Rahmen der Endabrechnung kam das Schiedsgericht zu dem Ergebnis, dass der bisher gezahlte Vorschuss die tatsächlich entstandenen Kosten nicht vollumfänglich gedeckt habe. Die entstandenen Kosten überstiegen den Vorschuss um € .... Somit wurde der von der Antragsgegnerin gezahlte Vorschuss in vollem Umfang aufgebraucht und war daher der Antragsgegnerin von der Antragstellerin zu erstatten. Genau dies, also den Erstattungsanspruch der Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin, hat das Schiedsgericht im Schiedsspruch tituliert.
[14]Da das Schiedsgericht aus dem Schiedsauftrag einen Anspruch auf Zahlung des vollen Honorars und der Auslagen hat, hat das Schiedsgericht im Endschiedsspruch angekündigt, dass es diesen Differenzbetrag in Höhe von € ... von der Antragstellerin - so wörtlich - „nachfordern"' werde. Dies hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts mit der in Kopie als Anlage AG 2 (Bl. 67 d. A.) vorgelegten Honorarnote vom 9. November 2020 - und gerade nicht durch den Endschiedsspruch - getan.
[15]Das Schiedsgericht hat sich also nicht selbst einen vollstreckbaren Titel geschaffen und ist somit nicht als Richter in eigener Angelegenheit tätig geworden.
[16]b) Der Schiedsspruch verletzt nicht etwa deswegen den verfahrensrechtlichen ordre public, weil das Schiedsgericht den Schiedsspruch außerhalb der für ordentliche Gerichte regelmäßig bestehenden Dreiwochenfrist des § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO erlassen hat.
[17]Zwar hat das Schiedsgericht seinen Schiedsspruch am 9. November 2020 und damit erst circa ein Jahr nach der mündlichen Verhandlung erlassen. Darin liegt aber kein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public. Der von der Antragstellerin bemühte § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist auf ein Schiedsverfahren weder direkt noch analog anwendbar. Die Antragstellerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Parteien die Anwendbarkeit von § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO oder einer anderen Frist für den Erlass des Schiedsspruchs vereinbart hätten.
[18]Selbst wenn man § 310 ZPO - zu Unrecht - entsprechend auch auf Schiedsverfahren anwenden wollte, hätte ein etwaiger Verstoß eines Schiedsgerichts gegen § 310 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zwangsläufig zur Folge, dass ein Schiedsspruch dieses Schiedsgerichts erfolgreich mit einem Aufhebungsantrag nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO angegriffen werden könnte. Im Unterschied zu einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, die individuelle Verfahrensrechte der Parteien regeln, trifft nämlich der verspätete Erlass eines Schiedsspruchs typischerweise beide Parteien in gleicher Weise. Es erscheint deshalb unter dem Aspekt einer Waffengleichheit der Parteien nicht gerechtfertigt, eine Aufhebungsmöglichkeit zu eröffnen, die typischerweise nur die Partei begünstigt, die nach dem Ergebnis des Schiedsspruchs unterliegt. Es kommt hinzu, dass im Falle eines verspäteten Schiedsspruchs regelmäßig besondere Schwierigkeiten bestehen festzustellen, ob sich der verspätete Erlass des Schiedsspruchs im Sinne des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO auf den Schiedsspruch ausgewirkt hat. Insbesondere ist selbst dann, wenn im Einzelfall festgestellt werden kann, dass der Schiedsspruch durch ein mangelndes Erinnerungsvermögen des Schiedsgerichts an die mündliche Verhandlung beeinflusst worden ist, regelmäßig nicht aufklärbar, ob ein entsprechender Mangel des Erinnerungsvermögens den Schiedsspruch nicht auch dann beeinflusst hätte, wenn dieser innerhalb einer gerade noch als angemessen anzusehenden Frist erlassen worden wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 17.12.2020 -
[19]Diesen Überlegungen kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die Parteien eines Schiedsverfahrens einer ungebührlichen Verzögerung des Schiedsverfahrens durch den Schiedsrichter rechtsschutzlos ausgeliefert seien. Vielmehr kann während des laufenden Schiedsverfahrens jede Partei beim zuständigen Oberlandesgericht gemäß § 1038 Abs. 1 ZPO beantragen, die Beendigung des Schiedsrichteramtes auszusprechen, weil der Schiedsrichter seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachkomme (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 17.12.2010 -
[20]Da es im Streitfall - wie dargelegt - keine Frist für den Erlass des Schiedsspruchs gab, musste das Schiedsgericht die Parteien auch nicht zu einer etwaigen Frist anhören.
[21]Die vorgenannten Zusammenhänge werden auch keineswegs kontrovers in Literatur oder Rechtsprechung diskutiert. Das von der Antragstellerin auf S. 3 der Antragsschrift (Bl. 5 d. A.) genannte Urteil des OLG Stuttgart vom 22. Dezember 1986 mit dem Aktenzeichen
[22]Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Entscheidung des OLG Stuttgart durch den Bundesgerichtshof aufgehoben wurde (vgl. BGH, Urteil vom 14.04.1988 -
[23]c) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin musste das Schiedsgericht auch keinen Verkündungstermin anberaumen, um den Schiedsspruch erlassen zu können. Die Vorschriften zum Erlass eines Schiedsspruchs sind - in Ermangelung anderweitiger Vereinbarungen - abschließend in § 1054 ZPO geregelt. § 1054 Abs. 4 ZPO verlangt die „Übermittlung" eines von den Schiedsrichtern unterschriebenen Exemplars des Schiedsspruchs an jede der Parteien, nicht die Verkündung in einem Verkündungstermin (vgl. etwa Anders, in: Baumbach/Lauterbach/ Hartmann/Anders/ Gehle, ZPO, 79. Aufl. 2021, § 1054, Rdnr. 9).
[24]d) Es liegt auch kein Verstoß gegen die Bestimmungen zur Bildung des Schiedsgerichts vor. Die Antragstellerin meint, der Vorsitzende Schiedsrichter sei befangen gewesen, weil er „Berührungspunkte" mit den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin habe. Diese Berührungspunkte habe er zudem nicht offengelegt.
[25]Hat eine Partei im Zeitpunkt des Erlasses des Schiedsspruchs weder vor dem Schiedsgericht noch vor dem staatlichen Gericht den Ablehnungsgrund geltend gemacht, so ist die Berufung auf diesen Grund grundsätzlich auch im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren ausgeschlossen, auch wenn der Ablehnungsgrund der Partei erst jetzt bekannt wird (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 02.05.2017 -
[26]Im Streitfall legt die Antragstellerin aber keine Umstände dar, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts aufkommen lassen könnten.
[27]Im Einzelnen stützt die Antragstellerin ihre Behauptung darauf, dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts und nicht näher benannte Rechtsanwälte der Antragsgegnerin gemeinsam an fachlichen Seminaren teilnähmen. Ferner seien der Vorsitzende des Schiedsgerichts sowie nicht näher benannte Rechtsanwälte der Antragsgegnerin Mitglieder im Advisory Board des Institute for Transnational Arbitration.
[28]Die Behauptung einer Teilnahme des Vorsitzenden des Schiedsgerichts an von Rechtsanwälten der Antragsgegnerin durchgeführten Seminaren (und umgekehrt) ist unsubstantiiert und offensichtlich aus der Luft gegriffen. Es bleibt vollkommen unklar, wer wann welche konkreten Seminare besucht haben soll. Es bleibt damit auch offen, was der Vorsitzende des Schiedsgerichts hätte offenlegen sollen.
[29]Im Übrigen stellt die gemeinsame Teilnahme an fachlichen Vorträgen keinen Umstand im Sinne des § 1036 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO dar, welcher berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lässt. Solche Umstände setzen vielmehr eine intensive Verbundenheit voraus. Ein Kontakt in einer neutralen Rolle ist kein Beleg für eine intensive Verbundenheit. So wird die gemeinsame Teilnahme an Seminaren, Konferenzen und Vorträgen unter Nr. 43.4 der Grünen Liste der sogenannten IBA-Richtlinien geführt (2014 IBA Guidelines on Conflicts of Interest in International Arbitration), das heißt als ein Umstand, der nicht zu einer Ablehnung führt und auch nicht offenzulegen ist. Das ist deshalb im Streitfall von Bedeutung, weil die IBA-Richtlinien, die international als Orientierungshilfe für die Behandlung von Offenlegungs- und Konfliktfragen zu Rate gezogen werden, von dem Grundsatz getragen werden, dass Zweifelsfragen, ob ein Schiedsrichter bestimmte Tatsachen oder Umstände offenzulegen hat oder nicht, zugunsten einer Offenlegung entschieden werden sollten (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 24.01.2019 -
[30]Somit kann der rein fachliche Austausch auf Seminaren keinen Umstand darstellen, der auf eine enge Verbundenheit hindeutet und damit Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen könnte.
[31]Auch dass der Vorsitzende des Schiedsgerichts und Rechtsanwälte der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin Mitglieder im Advisory Board des Institute for Transnational Arbitration sind, stellt keinen eine Befangenheit begründenden Umstand dar. Zum einen ist eine gemeinsame Mitgliedschaft in Vereinsorganen ohnehin unschädlich (vgl. etwa Münch, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2017, § 1036, Rdnr. 35a m. w. N.). Im Streitfall kommt hinzu, dass das Advisory Board ausweislich der in Kopie als Anlage AG 3 (Bl. 68-111 d. A.) vorgelegten Liste mehr als 400 Mitglieder umfasst und Anwältinnen und Anwälte vieler namhafter internationaler Kanzleien in diesem Gremium vertreten sind.
[32]Dass bei einer solchen Anzahl die gemeinsame Mitgliedschaft keine enge Verbundenheit indiziert, unterliegt keinem Zweifel. Im Übrigen sind nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerin die acht dort gelisteten Rechtsanwälte der Kanzlei der Antragsgegnerin allesamt in Stadt2 (USA) ansässig und mit dem streitgegenständlichen Verfahren nicht befasst. Sie haben damit keinen sachlichen Bezugspunkt zum Streitfall. Damit liegt auch insoweit kein nach § 1036 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO erheblicher Umstand vor.
[33]e) Auch die Rüge der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil es ihre Einwendungen gegen die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht beachtet habe, greift nicht durch.
[34]Zwar stellt ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG) zugleich einen Verstoß gegen den inländischen (verfahrensrechtlichen) ordre public dar (vgl. BGH, Beschluss vom 18.07.2019 -
[35]Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet ein (Schieds-)Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das (Schieds-)Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die (Schieds-)Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt deshalb voraus, dass im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht in Erwägung gezogen worden ist. Geht das (Schieds-)Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrages schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des (Schieds-)Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war. Dagegen gibt das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör keinen Anspruch darauf, dass sich das (Schieds-)Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die diese selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht des (Schieds-)Gerichts, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 18.06.2020 -
[36]Danach genügt es, wenn ein Schiedsgericht in seiner Begründung eine kurze Zusammenfassung der den Schiedsspruch tragenden Erwägungen gibt. Ein Schiedsgericht muss sich in seiner Begründung nämlich nicht mit jedem Punkt des Parteivorbringens befassen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 10.03.2016 -
[37]Nach diesen Maßstäben hat das Schiedsgericht das Recht der Antragstellerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
[38]Die Antragstellerin moniert, ihr sei kein rechtliches Gehör gewährt worden, weil sie den Anfall der behaupteten Honorare sowie deren Zahlung durch die Antragsgegnerin bestritten habe, das Schiedsgericht diesem Bestreiten aber nicht nachgegangen sei. Das trifft ganz offensichtlich nicht zu. Das Schiedsgericht hat die Antragsgegnerin als Reaktion auf den von ihr erhobenen Einwand nicht nur aufgefordert, sämtliche Rechnungen und Rechnungsbelege vorzulegen, die sie von ihrer Prozessbevollmächtigten erhalten hatte, sondern hat sich auch ausführlich mit den beiden Einwänden der Antragstellerin auseinandergesetzt.
[39]So behandelt der Schiedsspruch in Rdnr. 734 explizit die beiden nun im Aufhebungsantrag geltend gemachten Einwände („Die Schiedsbeklagte hat zunächst vorgetragen, dass den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen sei, dass die abgerechneten Kosten im Zusammenhang mit der Insolvenz der X GmbH angefallen und durch die Schiedsgegnerin auch bezahlt worden seien.“).
[40]In den Rdnr. 735 bis 739 hat sich das Schiedsgericht dann ausführlich mit diesen Einwänden auseinandergesetzt, so dass von einem Gehörsverstoß insoweit keine Rede sein kann.
[41]f) Auch der Einwand der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe ihr Recht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es sich nicht hinreichend mit dem Argument auseinandergesetzt habe, der damalige Geschäftsführer der X GmbH - Herr G - habe einen Insolvenzantrag stellen müssen, um seine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung nicht zu „vertiefen“, ist nicht stichhaltig.
[42]Tatsächlich hat sich das Schiedsgericht mit den Umständen des Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einschließlich einer möglichen Strafbarkeit Herrn Gs ausführlich beschäftigt. Auf die entsprechende Argumentation der Antragstellerin ist das Schiedsgericht etwa in den Rdnr. 439, 541 und 544 des Endschiedsspruchs eingegangen, dabei aber nicht der Argumentation der Antragstellerin gefolgt. Wie oben bereits erwähnt, folgt aus dem Recht auf rechtliches Gehör nicht die Pflicht des Schiedsgerichts, der von der Partei vertretenen Rechtsaufassung auch zu folgen.
[43]g) Auch der Einwand der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe ihr Recht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es ihren Einwand übergangen habe, dass die Antragsgegnerin die Beweislast für das Bestehen einer positiven Fortbestehensprognose trage, geht fehl. Entsprechendes gilt für ihre Rüge, es liege ein „Verstoß gegen den ordre public“ vor, weil die Antragsgegnerin das Fortbestehen der X GmbH im hypothetischen Fall der vollen Darlehensauszahlung nicht nachgewiesen habe.
[44]Zwar trifft es zu, dass die Antragstellerin im Schiedsverfahren eingewandt hatte, die Antragsgegnerin trage die Beweislast dafür, dass die X GmbH bei Auszahlung des geschuldeten Darlehens in Höhe von € ... Mio. nicht vor Fälligkeit der Darlehensrückzahlung insolvent geworden wäre. Offensichtlich unrichtig ist aber, dass das Schiedsgericht diesen Einwand übergangen habe. Das Schiedsgericht hat den Einwand wahrgenommen, ausführlich diskutiert und dann zurückgewiesen. Der Einwand der Antragstellerin betraf die zentrale Frage des Schiedsverfahrens, ob eine Insolvenz der X GmbH auch dann eingetreten wäre, wenn die Antragstellerin ihrer Zahlungsverpflichtung nachgekommen wäre. Mit dieser Frage, einschließlich der diesbezüglichen Beweislast, hat sich das Schiedsgericht auf fast zehn Seiten unter den Rdnr. 565 bis 616 auseinandergesetzt. In diesem Zusammenhang hat es auf Rdnr. 585 explizit nochmals die Rechtsansicht der Antragstellerin zitiert.
[45]Das Schiedsgericht hat den Einwand der Antragstellerin, dass die X GmbH auch bei Auszahlung des geschuldeten Darlehens in Höhe von € ... Mio. vor Fälligkeit der Darlehensrückzahlung insolvent geworden wäre, in Rdnr. 586 als Darlegung eines hypothetischen Kausalverlaufs bzw. einer Reserveursache behandelt, für den die Antragstellerin die Beweislast trage.
[46]Bei der Frage der Beweislast, die im anwendbaren deutschen Recht grundsätzlich an die streitentscheidenden Rechtsnormen anknüpft, handelt es sich um eine Anwendung des materiellen Rechts (vgl. etwa Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, Vor § 284, Rdnr. 15), die wegen des im Vollstreckbarerklärungs- und Aufhebungsverfahren geltenden Verbots einer révision au fond (vgl. dazu nur BGH, Beschluss vom 14.02.2019 -
[47]Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Beweislastverteilung des Schiedsgerichts in Bezug auf den Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens auch im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26.06.1990 -
[48]Im Übrigen steht der ordre public der Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs in der Bundesrepublik Deutschland nur dann entgegen, wenn seine Anerkennung oder Vollstreckung zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dies ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, welche die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Es muss sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist. Der Einwand der Verletzung des ordre public greift daher nur in extremen Ausnahmefällen (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30.10.2008 -
[49]Ein solcher Fall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil die Entscheidung des Schiedsgerichts zur Beweislast im Falle der hypothetischen Kausalität im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht (s. o.). Selbst wenn man die Entscheidung als falsch ansehen würde, so wäre sie doch jedenfalls rechtlich nachvollziehbar, was ebenfalls einem Verstoß gegen den ordre public entgegenstehen würde.
[50]h) Auch die Rüge der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Stadt1 Anklage gegen die Geschäftsführer der X GmbH wegen Insolvenzverschleppung und Vorenthaltens bzw. Veruntreuens von Arbeitsentgelt erhoben habe, missachtet, worin ein Verstoß gegen den ordre public liege, geht fehl.
[51]Worin der diesbezügliche Verstoß gegen den ordre public liegen soll, erläutert die Antragstellerin nicht näher. Die Antragstellerin vertritt offenbar die Ansicht, die Staatsanwaltschaft habe eine verbindliche Entscheidung zum Vorliegen von Insolvenzgründen getroffen, die das Schiedsgericht nicht beachtet habe. Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch.
[52]Das Schiedsgericht hatte Kenntnis von dem Strafverfahren gegen die Geschäftsführer der X GmbH und hat das etwa in Rdnr. 544 auch erwähnt und argumentativ verarbeitet. Das Schiedsgericht hat der Anklageerhebung aber richtigerweise keine Bedeutung für die streitentscheidenden Fragen beigemessen. Denn ob und wann die Geschäftsführer der X GmbH Insolvenz anmelden mussten und ob sie dies innerhalb der Drei- bzw. Sechswochenfrist des § 15a InsO taten, war für die Entscheidung des Schiedsverfahrens unerheblich. Allein erheblich war, dass nach den vom Senat nicht zu überprüfenden Feststellungen des Schiedsgerichts eine Insolvenz durch das vollständige Weiterreichen der Darlehenssumme in Höhe von € ... Mio. vermieden worden wäre. Dies hat die Antragstellerin aber gerade nicht getan. Sie zahlte das Darlehen nur zu einem kleinen Teil aus, weswegen nach den Feststellungen des Schiedsgerichts die X GmbH am 6. August 2015 Insolvenz anmelden musste.
[53]Darüber hinaus war die Ansicht der Staatsanwaltschaft Stadt1 zu Tat- und/oder Rechtsfragen für das Schiedsgericht nicht bindend. Die Anklageerhebung entfaltete ebenso wie die hier später erfolgte Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO keine Bindungswirkung für ein Zivil- oder ein Schiedsgericht. Dies folgt bereits daraus, dass selbst die in einem strafrichterlichen Urteil enthaltenen Feststellungen von Tatsachen für die zu derselben Frage erkennenden Zivilgerichte grundsätzlich nicht bindend sind (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 16.03.2005 -
[54]...
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