In Kapitalanlagefällen können die Gerichte am Wohnsitz des Klägers nach Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 insbesondere dann zuständig sein, wenn sich der behauptete Schaden unmittelbar auf einem Bankkonto des Klägers bei einer Bank im Zuständigkeitsbereich dieser Gerichte verwirklicht.
Eine solche Zuständigkeit ist für den Beklagten vorhersehbar, wenn der Schaden auf einem behaupteten Prospektfehler beruht und dieser im entsprechenden Mitgliedsstaat (hier: Deutschland) notifiziert bzw. herausgegeben wurde. [LS der Redaktion]
Die Parteien streiten um Ansprüche aus § 20 VermAnlG wegen eines behaupteten Prospektfehlers. Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft nach österreichischem Recht mit Sitz in .... Sie ist Konzernmuttergesellschaft, alleinige Gründungsgesellschafterin und einzige Gesellschafterin der ... (Deutschland). In Deutschland ist die Beklagte selbst nicht operativ tätig. Der Vorstand der Beklagten, ..., war zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrates der ... (Deutschland). Die Kläger, deren Verbrauchereigenschaft nicht im Streit steht, zeichneten am 12.07.2013 Genussrechte an der ... (Deutschland). Die Genussrechte wurden in der Folge einvernehmlich aufgehoben und in partiarische Darlehen umgewandelt. Mit Ergänzungsvertrag vom 24.06.2014 wurden zur Besicherung der darlehensvertraglichen Ansprüche der Kläger Grundschulden in der Höhe des Darlehensbetrages vereinbart, die im Anschluss in das Grundbuch von ... eingetragen wurden. Die Genussrechte wurden auf Grundlage eines Verkaufsprospektes vom 22.10.2012 ausgegeben, um einen Offshore-Windpark in der Nordsee (OWP ...) zu entwickeln und ein bestehendes Biomasse-Kraftwerk in ... zu betreiben. Dieser Windpark war in einem Übungsgebiet der Bundeswehr geplant. Seit dem Jahr 2008 weigerte sich die Bundeswehr, das Seegebiet im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens vor dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (künftig: BSH) für den Bau von Windkraftanlagen freizugeben. Das Wehrverwaltungsamt Nord erklärte im Jahr 2009 schriftlich seine Verweigerungshaltung gegenüber dem BSH. Die ... (Deutschland) erwarb die Rechte an dem Windparkprojekt im Jahr 2012 von der .... In dem Kaufvertrag ist festgehalten, dass die ... (Deutschland) über die militärischen Nutzungen im Projektierungsgebiet und die insoweit bestehenden Risiken umfassend informiert wurde und das Risiko in Kauf nehme.
Über das Vermögen der ... (Deutschland) wurde mit Beschluss des Amtsgerichtes Meppen –
[1]Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
[2]I.
[3]Die Klage ist zulässig.
[4]1. Die internationale Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich aus Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.
[5]Dabei hat der EuGH in Bezug auf die Schadensverwirklichung in Kapitalanlagefällen festgestellt, dass die Gerichte am Wohnsitz des Klägers insbesondere dann zuständig sein können, wenn sich der behauptete Schaden unmittelbar auf einem Bankkonto des Klägers bei einer Bank im Zuständigkeitsbereich dieser Gerichte verwirklicht (noch zu Art. 5 Nr. 3 VO 44/2001 EuGH, Urteil vom 28.01.2015 – C-375/13, NJW 2015, 1581; EuGH, Urteil vom 12.09.2018 – C-304/17, EuZW 2018, 998; diese Entscheidungen gelten auch unter der VO 1215/2012 fort, hierzu neuestens EuGH, Urteil vom 12.05.2021 – C-709/19, NZG 2021, 842). Hierdurch ist gewährleistet, dass der Kläger ohne Schwierigkeiten festzustellen vermag, welches Gericht er anrufen kann, und zugleich der Beklagte vorhersehen kann, vor welchem Gericht er verklagt werden kann, da sich der Emittent eines Zertifikats, der seinen gesetzlichen Pflichten in Bezug auf den Prospekt nicht nachkommt, wenn er beschließt, den Prospekt zu diesem Zertifikat in anderen Mitgliedstaaten notifizieren zu lassen, darauf einstellen muss, dass nicht hinreichend informierte Wirtschaftsteilnehmer, die in diesen Mitgliedstaaten ansässig sind, in dieses Zertifikat investieren und den Schaden erleiden (EuGH, Urteil vom 12.05.2021 – C-709/19, NZG 2021, 842).
[6]Nach diesen Maßstäben ist das angerufene Gericht international zuständig. Der Schaden der Kläger ist auf einem Bankkonto eingetreten, das im internationalen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts liegt. Dazu kommt, dass der Verkaufsprospekt ausdrücklich auf eine Hinterlegung bei der BaFin gemäß § 2 Abs. 2 VermVerkProspV verweist und von der deutschen Tochtergesellschaft der Beklagten, der ... Deutschland, herausgegeben wurde. Daher ist es für die Beklagte ohne weiteres vorhersehbar gewesen, dass eine Zuständigkeit deutscher Gerichte in Betracht kommt.
[7]2. ... II.
[8]Die Klage ist hinsichtlich der Hauptforderung weit überwiegend begründet, während der mit dem Antrag zu 2) geltend gemachte Anspruch abzuweisen ist.
[9]1. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt aus Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“).
[10]2. ...