Eine Vermögensanlage zu privaten Zwecken stellt eine Verbrauchersache i.S.v. Art. 17 EuGVVO dar.
Die einmal nach Art. 17 Abs. 1c), 18 Abs. 1 EuGVVO begründete internationale Zuständigkeit bleibt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger der Beklagten bestehen. [LS der Redaktion]
Die Klägerin zeichnete 2006 in ihrer Privatwohnung, in der sie von einem Vermittler aufgesucht worden war, Genussrechts-Kapital bei der in Österreich ansässigen ... AG (im Folgenden „...“). Das streitgegenständliche Produkt sollte vertragsgemäß über einen Zeitraum von zehn Jahren mit monatlichen Raten sowie einer Kontoeröffnungszahlung bespart werden. Für die Beklagte wurde die Zeichnung mit Schreiben vom 29.11.2006 angenommen. In der Folgezeit erhielt die Klägerin von der ..., die zwischenzeitlich in die ... AG umfirmiert wurde, ein Genussrechts-Zertifikat übersandt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.1.2016 erklärte die Klägerin gegenüber der ... AG den Widerruf, die Anfechtung und die außerordentliche, hilfsweise die ordentliche Kündigung der Beteiligung. Die ... AG wurde später in die ... GmbH umgewandelt und zum Ablauf des 31.12.2018 grenzüberschreitend auf die Beklagte als übernehmenden Rechtsträger verschmolzen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu zahlen. Die Beklagte rügt die internationale, örtliche und funktionale Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Zudem sei die Klage nicht ordnungsgemäß zugestellt worden.
[1]Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, im Übrigen unbegründet.
[2]I.
[3]1. Das Landgericht Neuruppin - Zivilkammer - ist international, örtlich und funktional zuständig.
[4]a)
[5]Die internationale Zuständigkeit folgt aus Art. 17 Abs. 1c), 18 Abs. 1 EuGVVO. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im Bezirk des Landgerichts Neuruppin. Es handelt sich um eine Verbrauchersache i. S. d. Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, da die Zeichnung der Klägerin als Privatperson erfolgte. Verbraucher ist jede natürliche Person, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer (gegenwärtigen oder zukünftigen) beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können (Gottwald, in: MüKoZPO, 5. Aufl., Brüssel Ia-VO Art. 17 Rn. 2-3). Eine Vermögensanlage zu privaten Zwecken stellt eine Verbrauchersache i.S.v. Art. 17 EuGVVO dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bleibt die internationale Zuständigkeit auch gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin begründet (BGH, Urteil vom 09.02.2017 –
[6]Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c EuGVVO ihre Tätigkeit auf den Mitgliedstaat, hier Deutschland, ausgerichtet, indem sie dort ein Vertriebssystem unterhielt und etwa auch die Annahmeerklärung vom 29.11.2006 vertretungsweise über die ... Anlegerverwaltung Deutschland mit Sitz in ... erfolgte (vgl. Anlage K2).
[7]Der zwischenzeitliche Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union zum 01.02.2020 hat auf den hiesigen Rechtsstreit hinsichtlich der Begründung der internationalen Zuständigkeit keine Auswirkungen. Nach Art. 126, 127 Abs. 1 und 3 des Austrittsabkommens findet das Gemeinschaftsrecht in der Übergangsfrist bis zum 31.12.2020 weiterhin Anwendung. Die Klage wurde im Jahr 2020 zugestellt. Das Prozessrechtsverhältnis wurde damit noch unter der Geltung der EuGVVO begründet. Spätere Änderungen haben auf die einmal begründete Zuständigkeit der deutschen Gerichte keinen Einfluss (Greger, in: Zöller, 31. Aufl., § 261 Rn. 12, m.w.N.).
[8]b) ...
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