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Verfahrensgang

ArbG Düsseldorf, Urt. vom 25.02.2021 – 9 Ca 5916/20
ArbG Düsseldorf, Urt. vom 05.05.2021 – 3 Ca 5888/20, IPRspr 2021-181
ArbG Düsseldorf, Urt. vom 06.05.2021 – 9 Ca 1153/21
LAG Düsseldorf, Urt. vom 10.02.2022 – 11 Sa 345/21, IPRspr 2022-336
BAG, Sonstige: Vergleich vom 01.06.2023 – 2 AZR 168/22

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht → Individualarbeitsrecht
Zuständigkeit → Versicherungs-, Verbraucher-, Arbeitsgerichtsstand

Leitsatz

Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit iSv Art. 1 I 1 Brüssel Ia-VO.

Hat der Arbeitnehmer überhaupt noch keine Arbeit für den Arbeitgeber verrichtet, kann die Klage danach auch bei einem Gericht des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem der Arbeitnehmer gemäß dem Arbeitsvertrag den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber zu erfüllen hatte. [LS der Redaktion]

Rechtsnormen

EuGVVO 1215/2012 Art. 1; EuGVVO 1215/2012 Art. 20; EuGVVO 1215/2012 Art. 21; EuGVVO 1215/2012 Art. 66
Rom I-VO 593/2008 Art. 3; Rom I-VO 593/2008 Art. 8

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung der Beklagten. Die Klägerin war seit 2018 bei der N., einer Fluggesellschaft mit Sitz in Österreich, beschäftigt, zuletzt als Senior Flugbegleiterin. Die Klägerin begann und beendete ihre Flugdienste regelmäßig in Düsseldorf. Seit April 2020 befanden sich die Mitarbeiter der N. wegen des angesichts der Corona-Pandemie stark eingeschränkten Flugbetriebs in Kurzarbeit. Ab Mai 2020 verhandelte die N. mit der Gewerkschaft v. über den Abschluss eines sogenannten Eckpunktepapiers für in Deutschland stationiertes Kabinenpersonal. Dieses kam im Ergebnis nicht zum Abschluss. Die N. bot sodann ihren Arbeitnehmern an, die Bedingungen des Eckpunktepapiers individualvertraglich zu akzeptieren, um die Schließung der deutschen Standorte zu vermeiden. Die Klägerin stimmte dem Eckpunktepapier zu. Seit dem 01.07.2020 führte die N. nur noch Flüge im sog. Wet Lease für die Fluggesellschaft B. von den Stationierungsorten Düsseldorf, Palma, Stuttgart und Wien durch, vermietete also die ihr zur Verfügung stehenden Flugzeuge nebst Personal, Wartung und Versicherung. Bei der Beklagten handelt es sich um eine in Malta registrierte Fluggesellschaft, deren alleinige Gesellschafterin die Z. ist, deren Alleingesellschafterin wiederum die Y. F. ist. Im Juli 2020 gab die Beklagte bekannt, dass sie im Spätherbst 2020 am Flughafen Düsseldorf einen Standort eröffnen werde. Im August 2020 bot die Beklagte der Klägerin ein Arbeitsverhältnis als "Senior Flight Attendant" ab dem 15.09.2020 zu denselben Bedingungen, wie zuletzt zwischen ihr und der N. vereinbart, an. Die Klägerin nahm das Angebot an. Im September 2020 erstattete die Beklagte bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf eine Massenentlassungsanzeige und kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin ordentlich zum 31.12.2020. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte auch sämtlichem weiteren Flugpersonal, das sie zur Aufnahme des Flugbetriebs in Düsseldorf eingestellt hatte.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung. Sie beantragt zuletzt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10.09.2020 nicht aufgelöst ist.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]I.

[2]Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

[3]1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist für die Klage gegeben. Die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Düsseldorf hat in einem gleich gelagerten Parallelverfahren eines anderen Arbeitnehmers gegen die Beklagte mit Urteil vom 09.03.2021 (5 Ca 5832/20) dazu Folgendes ausgeführt:

[4]"a) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorliegende .. Verfahren bestimmt sich nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-VO), die nach ihrem Art. 66 Abs. 1 für die seit dem 10. Januar 2015 eingeleiteten Verfahren gilt.

[5]aa) Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO (vgl. BAG 7. Mai 2020 - 2 AZR 692/19 (IPRspr 2020-142) - Rn. 16).

[6]bb) Der für die Anwendung der Brüssel Ia-VO erforderliche Auslandsbezug ergibt sich daraus, dass die Beklagte ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

[7]b) Die Beklagte kann nach Art. 20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i Brüssel-Ia-VO vor den deutschen Gerichten verklagt werden. Nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i. Brüssel Ia-VO kann ein Arbeitgeber, der - wie die Beklagte - seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes, an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat, verklagt werden. Hat der Arbeitnehmer - wie hier - überhaupt noch keine Arbeit für den Arbeitgeber verrichtet, kann die Klage danach auch bei einem Gericht des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem der Arbeitnehmer gemäß dem Arbeitsvertrag den wesentlichen Teil seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber zu erfüllen hatte (vgl. EuGH 25. Februar 2021 - C-804/19 [Markt24] - Rn. 39 ff.). Der Kläger hatte seine Arbeit für die Beklagte von Düsseldorf aus verrichten sollen. Er sollte für die Beklagte - ebenso wie zuvor für die N. - von diesem Standort aus seine Flugdienste regelmäßig beginnen und dort auch wieder beenden."

[8]2. Das Arbeitsverhältnis ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten aufgelöst worden.

[9]a) Das Arbeitsverhältnis unterliegt deutschem Recht. Auch insofern wird Bezug genommen auf die Ausführungen der 5. Kammer (5 Ca 5832/20):

[10]"Das Arbeitsverhältnis unterliegt - was zwischen den Parteien nicht im Streit steht - nach Art. 3 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) deutschem (Arbeits-)Recht. Im Eckpunktepapier ist ua. vereinbart, dass die N. ab dem 1. Juli 2020 das deutsche Arbeitsrecht auf alle ihre in Deutschland direktangestellten Piloten anwendet. Die N. und der Kläger haben durch ihre E-Mails vom 3. und 5. Juli 2020 auch vereinbart, dass das Eckpunktepapier ab dem 1. Juli 2020 die bisherigen Bedingungen und Konditionen ihres Arbeitsvertrags ersetzt. Die Parteien haben durch E-Mails vom 20. und 25. August 2020 schließlich auch ein Arbeitsverhältnis zu denselben Bedingungen und Konditionen wie im bestehenden Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der N. vereinbart."

[11]b) ...

Fundstellen

LS und Gründe

BeckRS, 2021, 54206

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2021-181

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