Das vorrangig zu Art. 13 Abs. 1 EGBGB zu prüfende (Art. 3 Nr. 2 EGBGB) Personalstatut der Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 12 GFK) kommt nicht zur Anwendung, wenn keinem der Ehepartner die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, vielmehr dem im Bundesgebiet lebenden Ehegatten zwar der subsidiäre Schutz zuerkannt wurde, sein Asylantrag im Übrigen aber unanfechtbar abgelehnt wurde.
Eine ausländische Entscheidung in Ehesachen (§ 121 Nr. 3 FamFG) bedarf zu ihrer Geltung im deutschen Rechtskreis dann nicht der Durchführung eines Anerkennungsverfahrens, wenn die Entscheidung durch eine Behörde des Staates erfolgte, dem beide Ehegatten angehört haben (§ 107 Abs. 1 S. 2 FamFG). Der Begriff der gerichtlichen Entscheidung ist dabei weit zu verstehen. Der Anerkennung sind sowohl Entscheidungen mit rechtsbegründender / konstitutiver Wirkung als auch mit lediglich feststellender Wirkung zugänglich. Dass die Mitwirkung des Gerichts nach dem ausländischen Eherecht für die Wirksamkeit der Ehe nicht erforderlich ist, steht daher der Anerkennung nicht entgegen.
Für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist auf den – gegenüber dem nationalen (kollisionsrechtlichen) ordre public – großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public international abzustellen.
Die Entscheidung des ausländischen Gerichts weist zwar die ... Eheschließung an sich nach, nicht aber deren Datum. Der Umfang der Anerkennungsfähigkeit reicht nur soweit, als das Gericht eine Entscheidung getroffen hat bzw. das Bestehen der Ehe festgestellt hat. Enthält die Urkunde weitere Angaben zum Beispiel zum Datum der Eheschließung, handelt es sich insoweit um eine Öffentliche Urkunde, für die die Beweisregeln der §§ 415, 417 und 418 ZPO gelten.
Die Privilegierung des § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 PStG gilt nicht für ausländische Urkunden.
Ist die formelle Wirksamkeit einer Eheschließung nicht durch Urkunden belegt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob eine wirksame Eheschließung vorliegt.
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug, das ihr versagt wurde, weil ihre Ehe erst nach der Flucht ihres Ehemannes aus Syrien geschlossen worden sei. Die 1983 geborene Klägerin ist syrischer Staatsangehörigkeit. Sie lebt in Erbil (Irak). Nach eigenen Angaben schloss sie am 10.3.2015 einen Ehevertrag. Ihr 1977 geborener Ehemann verließ am 2015 seine syrische Heimat und beantragte 2016 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. In seiner Anhörung gab er die Klägerin als seine Verlobte an, die er heiraten und nach Deutschland holen möchte. Bei der Niederschrift seines Asylantrags hatte sich der Ehemann der Klägerin 2016 als „ledig“ angegeben. Mit Bescheid vom 24.5.2017 erkannte ihm das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Ablehnung des Asylantrags im Übrigen subsidiären Schutz zu. 2018 erhielt der Ehemann der Klägerin erstmals eine Aufenthaltserlaubnis, die derzeit bis Ende Februar 2022 gültig ist. 2019 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Mit ihrem Antrag legte sie Dokumente zum Nachweis der Eheschließung vor.
Mit Bescheid vom 25.3.2019 lehnte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Erbil (Irak) den Visumsantrag der Klägerin ab. Mit ihrer Klage vom 24.4.2019 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Im gerichtlichen Verfahren reichte die Klägerin die deutsche Übersetzung einer Heiratsbescheinigung des syrischen Ministeriums für religiöse Angelegenheiten ein, die auf den 10.3.2015 datiert ist. Auf Aufforderung des Gerichts legte sie das entsprechende Original vor. Zudem reichte sie erneut die Auszüge aus dem Zivilregister und dem Familienregister im Original und in deutscher Übersetzung ein. Der Bitte der Beklagten um weitere Nachweise (z.B. Fotos von der Eheschließung) entsprach sie nicht, vielmehr bot sie Zeugen für die Eheschließung am 10.3.2015 an. Zur weiteren Begründung führt die Klägerin aus, dass ihnen die Registrierung ihrer Ehe erst im Oktober 2017 möglich gewesen sei. Es habe keine große Hochzeitsfeier mit Fotos gegeben, weil der Cousin ihres Ehemannes eine Woche zuvor gestorben sei. Sie beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Erbil vom 25.3.2019 zu verpflichten, ihr ein Visum zum Ehegattennachzug zu erteilen.
[1]... Die auch ansonsten zulässige Klage ist indes unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland in Erbil (Irak) vom 25. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil diese weder einen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Visums noch auf Neubescheidung ihres Visumsantrags hat (§ 113 Abs. 5 VwGO).
[2]Ein Anspruch auf Erteilung bzw. Neubescheidung folgt weder aus § 6 Abs. 3 i.V.m. § 36a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AufenthG, der vorliegend angesichts der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis an den Beigeladenen zu 2.) im April 2018 und somit nach dem 17. März 2016 (siehe § 104 Abs. 13 AufenthG) zur Anwendung kommt (dazu I.), noch in Verbindung mit § 22 AufenthG (dazu II.) oder § 36 Abs. 2 AufenthG (dazu III.).
[3]I. Ein Anspruch auf Erteilung des Visums bzw. Neubescheidung des Visumsantrags der Klägerin folgt nicht aus § 6 Abs. 3 i.V.m. § 36a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AufenthG.
[4]Nach § 6 Abs. 3 S. 1 AufenthG ist für einen längerfristigen Aufenthalt ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Gemäß Satz 2 der Bestimmung richtet sich die Erteilung nach den für die Aufenthaltserlaubnis geltenden Vorschriften. Nach § 36a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AufenthG kann dem Ehegatten eines Ausländers, der – wie der Ehemann der Klägerin – als subsidiär Schutzberechtigter eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 besitzt, aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Dabei ist gemäß § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in der Regel ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen worden ist.
[5]Danach sind bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug nach § 36a Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AufenthG nicht erfüllt. Zwar ist die grundlegende Voraussetzung des Ehegattennachzugs – eine wirksam geschlossene Ehe – erfüllt (dazu 1.) und ist nicht ersichtlich, dass der Anerkennung der Ehe im deutschen Rechtskreis der sog. ordre public international entgegensteht (dazu 2.). Die Erteilung des Visums zum Ehegattennachzugs ist aber vorliegend gleichwohl ausgeschlossen, weil die Ehe nicht bereits vor der Flucht geschlossen wurde und auch kein Ausnahmefall von dem daher vorliegenden Regelausschlussgrund besteht (dazu 3.).
[6]1. Die Klägerin und der von ihr als Stammberechtigter angegebene Ehemann, der Beigeladene zu 2.), sind – wovon auch die Beklagte ausgeht – formell wirksam verheiratet.
[7]Maßgeblich für die Frage der formellen Wirksamkeit der Ehe ist dabei gem. Art. 13 Abs. 1 EGBGB das syrische Eheschließungsrecht.
[8]Das vorrangig zu Art. 13 Abs. 1 EGBGB zu prüfende (Art. 3 Nr. 2 EGBGB) Personalstatut der Genfer Flüchtlingskonvention (Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention – GFK) kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Weder der Klägerin selbst noch dem Beigeladenen zu 2.) wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Umstand, dass dem Beigeladenen zu 2.) mit Bescheid vom 24. Mai 2017 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (unter Ablehnung seines Asylantrags im Übrigen) der subsidiäre Schutz zuerkannt wurde, führt nicht zur Anwendung des Personalstatuts der Genfer Flüchtlingskonvention, da die Schutzform des subsidiären Schutzes nicht in der Genfer Flüchtlingskonvention angelegt ist (Andrae, in: Andrae, Internationales Familienrecht, 4. Aufl. 2019, § 1 Rn. 24, 25; Thorn, in: Palandt, 79. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rn. 27; siehe auch v. Hein, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rn. 31-36; a.A. Mankowski, IPrax 2017, 40 [44f.]). Die Schutzform des subsidiären Schutzes wurde vielmehr unionsrechtlich gerade deswegen geschaffen, um Schutzlücken der Genfer Flüchtlingskonvention zu schließen (Keßler, in: Hofmann, AusländerR, 2. Aufl. 2016, § 4 Rn. 1; Kluth, in: Kluth/Heusch, BeckOK-AusländerR, 28. Edition, Stand: 1. Januar 2021, § 4 Rn. 4; ausführlich Frik, OEZG 2_2017, S. 49). Eine Inzident-Prüfung ist den Gerichten angesichts der Bindungswirkung nach § 6 S. 1 AsylG verwehrt. Danach ist die Entscheidung über den Asylantrag in allen Angelegenheiten verbindlich, in denen die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung des internationalen Schutzes rechtserheblich ist. Dabei erfasst die Bindungswirkung sowohl negative als auch positive Entscheidungen (Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 6 AsylG Rn. 6; Hailbronner, in: Hailbronner, AusländerR, Stand: März 2021, § 6 AsylG Rn. 14; Preisner, in: Kluth/ Heusch, BeckOK-AuslR, 27. Edition, Stand. 1. Oktober 2020, § 6 AsylG Rn. 4 m.w.N. auch zur Gegenansicht) und ist diese angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht auf asyl- und ausländerrechtliche Angelegenheiten beschränkt (Hailbronner, ebd., § 6 AsylG Rn. 12; Preisner, ebd., § 6 AsylG Rn. 12) und gilt insbesondere auch für Ansprüche, die sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben (Preisner, ebd., § 6 AsylG Rn. 13).
[9]Nach dem daher zur Anwendung kommenden Art. 13 Abs. 1 EGBGB richtet sich das Zustandekommen und die Wirksamkeit der Ehe zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2.) nach dem Recht des Staates, dem diese angehören, d.h. dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die Verlobten besitzen, vorliegend also aufgrund der syrischen Staatsangehörigkeit sowohl der Klägerin als auch des Beigeladenen zu 2.) das syrische Eheschließungsrecht. Maßgeblich ist danach das syrische Personalstatutsgesetz (vgl. hierzu VG Berlin, Urteil vom 22. Juni 2020
[10]Der Nachweis der Eheschließung kann – wie vorliegend durch die Klägerin erstrebt – durch Vorlage einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung erbracht werden. Die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidung in Familiensachen richtet sich nach den §§ 107-109 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Dabei bedarf eine ausländische Entscheidung in Ehesachen – wie vorliegend die Entscheidung des syrischen Gerichts, mit der das Bestehen der Ehe zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2.) festgestellt wurde (§ 121 Nr. 3 FamFG) – zu ihrer Geltung im deutschen Rechtskreis nicht zwingend der Durchführung eines Anerkennungsverfahrens durch die Landesjustizverwaltung, wenn – wie vorliegend – die Entscheidung durch eine Behörde des Staates (hier: Arabische Republik Syrien) erfolgte, dem beide Ehegatten zur Zeit der Entscheidung angehört haben (§ 107 Abs. 1 S. 2 FamFG). Der Begriff der (gerichtlichen) Entscheidung ist dabei weit zu verstehen. Der Anerkennung sind sowohl Entscheidungen mit rechtsbegründender / konstitutiver Wirkung als auch mit lediglich feststellender Wirkung zugänglich (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014
[11]Danach ist die Urkunde des islamrechtlichen Gerichts in Hasaka, Arabische Republik Syrien (Beschluss vom 20. August 2017, Rechtskraft am 1. Oktober 2017) ein ausreichender Nachweis für die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2.). Dass die Mitwirkung des Gerichts für die Wirksamkeit der Ehe nicht erforderlich ist, diese vielmehr nach dem syrischen Personalstatutsgesetz bereits durch den Abschluss des zivilrechtlichen Vertrages zwischen den Verlobten zustande gekommen ist (Art. 1, 5 und 11 Personalstatutsgesetz – PSG; dazu VG Berlin, Urteil vom 22. Juni 2020
[12]2. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Anerkennung der Entscheidung über das Bestehen der Ehe deswegen ausgeschlossen ist, weil dies zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist (§ 109 Nr. 4 FamFG).
[13]Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung mit den der deutschen Rechtsordnung zu Grunde liegenden Gerechtigkeitsvorstellungen in einer Weise in Widerspruch steht, das sie für untragbar gehalten wird (materieller Verstoß) oder auf einem Verfahren beruht, das nach der deutschen Rechtsordnung nicht als ein geordnetes rechtsstaatliches Verfahren angesehen werden kann (verfahrensrechtlicher Verstoß) (Bumiller, in: Bumiller/Harders/Schwamb, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 109 Rn. 9 m.w.N.). Dieser Vorbehalt des ordre public international ist dabei vom nationalen (kollisionsrechtlichen) ordre public zu unterscheiden, der zur Anwendung kommt, wenn deutsche Gerichte selbst ausländisches Recht anwenden (z.B. Art. 6 EGBGB). Für die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ist auf den – gegenüber dem nationalen (kollisionsrechtlichen) ordre public – großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public international abzustellen (BGH, Beschluss vom 5. September 2018
[14]Sowohl die von der Beklagten angeführten möglichen materiellen Verstöße gegen den ordre public international (Erwirkung durch falsche Angaben der Zeugen bzw. Täuschung) als auch die von ihr angeführten verfahrensrechtlichen Verstöße gegen den ordre public international (z.B. unzureichende Sachverhaltsermittlung) gründen sich auf Zweifel an dem im Beschluss des Scharia-Gerichts angeführten Datum der Eheschließung (10. März 2015) und nicht auf die Eheschließung selbst. Zweifel daran, dass sich die Eheleute (vor der Hinwendung an das Scharia-Gericht) über ihre Eheführung geeinigt hatten, hat die Beklagte nicht geltend gemacht und sind dem Gericht auch sonst nicht ersichtlich. Damit aber kommt diesen möglichen Verstößen für die Frage der Anerkennung der Ehe als solche keine Bedeutung zu. Soweit es auf das Datum der Eheschließung ankommt, ist dies gesondert zu betrachten und zunächst wiederum die Frage zu beantworten, auf welcher Grundlage insoweit der Beschluss des Scharia-Gerichts Rechtswirkung entfaltet (dazu unter 3.a] [1])
[15]3. Trotz der damit wirksam geschlossenen und auch im deutschen Rechtsraum anzuerkennenden Ehe der Eheleute ist die Erteilung des Visums zum Ehegattennachzugs derzeit ausgeschlossen, da ihr der Regelauschlussgrund des § 36a Abs. 3 Nr. 1 AufenthG entgegen steht.
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