Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist für eine Unzuständigkeitserklärung des zuvor angerufenen Gerichts nach Art. 7 lit. a EuErbVO erforderlich, dass sich dieses Gericht ausdrücklich für unzuständig erklärt oder kann auch eine nicht ausdrückliche Erklärung genügen, wenn ihr durch Auslegung zu entnehmen ist, dass dieses Gericht sich für unzuständig erklärt hat?
2. Ist das Gericht des Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit sich aus einer Unzuständigkeitserklärung des zuvor angerufenen Gerichts des anderen Mitgliedstaates ergeben soll, befugt zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Entscheidung des zuvor angerufenen Gerichts nach Art. 6 lit. a und Art. 7 lit. a EuErbVO vorlagen? In welchem Umfang ist die Entscheidung des zuvor angerufenen Gerichts bindend? Insbesondere:
a) Ist das Gericht des Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit sich aus einer Unzuständigkeitserklärung des zuvor angerufenen Gerichts des anderen Mitgliedstaates ergeben soll, befugt zu prüfen, ob der Erblasser das Recht des Mitgliedstaates wirksam nach Art. 22 EuErbVO gewählt hat?
b) Ist das Gericht des Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit sich aus einer Unzuständigkeitserklärung des zuerst angerufenen Gerichts des anderen Mitgliedstaates ergeben soll, befugt, zu prüfen, ob bei dem zuvor angerufenen Gericht ein Antrag einer Verfahrenspartei nach Art. 6 lit. a EuErbVO auf Erklärung der Unzuständigkeit gestellt worden war?
c) Ist das Gericht des Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit sich aus einer Unzuständigkeitserklärung des zuerst angerufenen Gerichts des anderen Mitgliedstaates ergeben soll, befugt zu prüfen, ob das zuvor angerufene Gericht mit Recht angenommen hat, dass die Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts in der Erbsache besser entscheiden können?
3. Sind Art. 6 lit. a und Art. 7 lit. a EuErbVO, die eine Rechtswahl „nach Art. 22“ voraussetzen, auch dann anwendbar, wenn in einer vor dem 17. August 2015 errichteten letztwilligen Verfügung keine ausdrückliche oder konkludente Rechtswahl des Erblassers getroffen worden ist, sondern sich das auf die Rechtsnachfolge anwendbare Recht nur aus Art. 83 IV EuErbVO ergeben kann?
In einem vorangegangenen Verfahren hatte die Beteiligte zu 1., die Ehefrau des Erblassers, mit notariell beurkundetem Antrag vom 23.3.2017 bei dem AG Düren auf der Grundlage eines Testaments vom 14.6.1990 die Erteilung eines Alleinerbscheins und eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt. Dem damaligen Antrag war der Beteiligte zu 2., der Bruder des Erblassers, entgegengetreten; insbesondere hatte er ausdrücklich die internationale Zuständigkeit des AG gerügt. Mit Beschluss vom 20.12.2017 hatte der Nachlassrichter des AG Düren die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. hatte der Senat mit Beschluss vom 4.7.2018 den Beschluss des AG Düren vom 20.12.2017 aufgehoben und das AG Düren für unzuständig erklärt. In der Folge erwirkte die Beteiligte zu 1. einen Beschluss des Ermittlungsgerichts No. 3 in Estepona (Spanien) vom 29.4.2019. Darin heißt es in deutscher Übersetzung unter anderem: "Auf Antrag der betreibenden Partei verfüge ich, auf die Entscheidung in diesem Verfahren zu verzichten, da die Gerichte des Staates Deutschland besser in der Lage sind, über den Nachlass zu entscheiden, und aufgrund der praktischen Umstände, wie dem gewöhnlichen Wohnsitz der betreffenden Partei in dieser Sache und dem Standort des wesentlichen Teils des Nachlasses."
Mit notariellem Schreiben vom 29.8.2019 hat die Beteiligte zu 1. bei dem AG Düren unter erneuter Vorlage des am 23.3.2017 notariell beurkundeten Antrages die Erteilung eines Alleinerbscheins sowie eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt. Nachgereicht hat sie den vorgenannten Beschluss des spanischen Gerichts. Dem Antrag ist wiederum der Beteiligte zu 2. entgegengetreten. Mit Beschluss vom 19.2.2020 hat das AG Düren die Tatsachen, die zur Begründung des Antrages erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Zur internationalen Zuständigkeit hat es ausgeführt, das AG Düren sei aufgrund der Entscheidung des spanischen Bezirksgerichts gemäß Artikel 6 lit. a) EuErbVO zuständig. Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2. Beschwerde eingelegt. Der Beschwerde hat das AG Düren nicht abgeholfen und sie dem OLG Köln zur Entscheidung vorgelegt.
[1]II.
[2]Unter Aussetzung des Beschwerdeverfahrens ist gemäß Artikel 267 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Die Entscheidung über die Beschwerde hängt von der - weder offenkundigen noch bereits geklärten - Beantwortung der vorgelegten Fragen ab.
[3]Die Beschwerde hätte ohne Weiteres Erfolg und würde zur Aufhebung des angegriffenen Feststellungsbeschlusses des Amtsgerichts Düren vom 19. Februar 2020 führen, wenn die deutschen Nachlassgerichte für die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins international nicht zuständig wären. Im Verhältnis zwischen Spanien und Deutschland richtet sich die internationale Zuständigkeit der Nachlassgerichte nach der EuErbVO. Da der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt vor seinem Tod am 9. März 2017 in Spanien hatte, sind gemäß Artikel 4 EuErbVO für in Entscheidungen in Erbsachen für den gesamten Nachlass die Gerichte in Spanien und nicht die deutschen Nachlassgerichte international zuständig, wie der Senat mit Beschluss vom 4. Juli 2018 (
[4]1. Art. 7 lit. a) EuErbVO setzt nach seinem Wortlaut in der deutschen Fassung "Die Gerichte eines Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser nach Artikel 22 gewählt hat, sind für die Entscheidung in einer Erbsache zuständig, wenn a) sich ein zuvor angerufenen Gericht nach Artikel 6 in derselben Sache für unzuständig erklärt hat." eine Rechtswahl nach Artikel 22 EuErbVO sowie eine Unzuständigkeitserklärung des zuvor angerufenen Gerichts in derselben Sache voraus. Ausdrücklich hat sich das spanische Ermittlungsgericht Nr. 3 in Estepona nicht für unzuständig erklärt. Vielmehr hat das spanische Gerichts in seinem Beschluss vom 29. April 2019 im Verfügungsteil entschieden, "auf die Entscheidung in diesem Verfahren zu verzichten" (Bl. 42 der Akte
[5]2. Sodann stellt sich die Frage, ob und welche Vorfragen das Gericht des Mitgliedsstaates, dessen Zuständigkeit sich aus Artikel 7 lit. a) EuErbVO ergeben soll, in eigener Zuständigkeit eine Unzuständigkeitserklärung eines zuvor angerufenen Gerichts noch überprüfen darf oder ob - gegebenenfalls in welchem Umfang - eine Bindungswirkung der Entscheidung des zuvor angerufenen Gerichts besteht:
[6]Dies betrifft die Fragen, ob - wie Artikel 6 und Artikel 7 EuErbVO voraussetzen - der Erblasser eine Rechtswahl nach Artikel 22 EuErbVO getroffen hat, ob bei dem zuvor angerufenen Gericht ein Antrag einer Verfahrenspartei nach Artikel 6 lit. a) EuErbVO auf Erklärung der Unzuständigkeit gestellt worden war, und ob das zuvor angerufene Gericht mit Recht angenommen hat, dass die Gerichte des Mitgliedstaats des gewählten Rechts in der Erbsache besser entscheiden können (Artikel 6 lit. a) EuErbVO).
[7]3. Sodann stellt sich die Frage, ob Artikel 6 lit. a) und Artikel 7 lit. a) EuErbVO über den Wortlaut hinaus auch dann anwendbar sind, wenn keine ausdrückliche oder konkludente Rechtswahl des Erblassers (Artikel 22 EuErbVO bzw. Artikel 83 Absatz 2 EuErbVO) vorliegt, sondern sich das anwendbare Recht eines Mitgliedstaats aus Art. 83 Absatz 4 EuErbVO ergeben kann.