Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV folgende Frage zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:
Ist Art. 7 Nr. 2 EuGVO dahin auszulegen, dass der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung für eine auf Unterlassung bestimmter Verhaltensweisen gerichtete Klage eröffnet ist, wenn in Betracht kommt, dass das beanstandete Verhalten durch vertragliche Regelungen gedeckt ist, der Kläger aber geltend macht, dass diese Regelungen auf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung des Beklagten beruhen?
Die Kl. betreibt in Schleswig–Holstein ein Hotel. Die Bekl., die ihren Sitz in den Niederlanden hat, betreibt eine Hotelbuchungsplattform. Im März 2009 unterzeichnete die Kl. ein von der Bekl. vorgelegtes Vertragsformular, in dem die Version ... der AGB von Booking.com Bestandteil waren; diese sahen als Gerichtsstandort für alle Streitigkeiten mit Ausnahme von Zahlungs– und Rechnungsstreitigkeiten Amsterdam vor und u.a., dass die Bekl. dem Hotel ein als „Extranet“ bezeichnetes Internet-System zur Verfügung stellt, über das die Hotelinformationen aktualisiert und Angaben zu den Reservierungen abgerufen werden können. Die Kl. hat der Einbeziehung einer späteren Version der AGB vom 25.6.2015 schriftlich widersprochen. Die Kl. hat beantragt, die Bekl. zu verurteilen, bestimmte Verhaltensweisen zu unterlassen, die sie als unbillige Behinderung und damit als kartellrechtswidrig ansieht. Die Bekl. hat u.a. die örtliche und internationale Zuständigkeit des angerufenen LG Kiel beanstandet.
Das LG hat die Klage wegen fehlender örtlicher und internationaler Zuständigkeit als unzulässig angesehen. Die Berufung der Kl. ist erfolglos geblieben. Hiergegen wendet sich die Kl. mit der vom Senat zugelassenen Revision.
[9] B. ... [13] II. Die Revision hat Erfolg, wenn das angerufene LG Kiel örtlich und international zuständig ist. Dafür kommt es entscheidend darauf an, ob das Berufungsgericht eine Zuständigkeit dieses Gerichts nach Art. 7 Nr. 2 EuGVO zu Recht verneint hat.
[14] 1. Die Frage, ob eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts schon deshalb fehlt, weil die Parteien eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben, hat das Berufungsgericht offengelassen. Sie ist jedoch zu verneinen.
[15] Die Gerichtsstandsklausel war in den von der Bekl. verwendeten AGB erhalten. Das LG hat hierzu festgestellt, dass die Voraussetzungen von Art. 25 I 3 lit. a, II EuGVO nicht vorliegen, weil es an einer elektronischen Übermittlung der AGB, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglicht, fehlt. Diese Beurteilung unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
[16] Der Auffassung des LG, eine Gerichtsstandsvereinbarung sei gemäß Art. 25 I 3 lit. b EuGVO in einer Form geschlossen worden, die Gepflogenheiten entspreche, die zwischen den Parteien entstanden seien, vermag der Senat nicht beizutreten. Insoweit stellen sich keine unionsrechtlich klärungsbedürftigen Fragen. Die Gepflogenheiten im Sinne dieser Norm können lediglich die ansonsten erforderliche Schriftform ersetzen, nicht jedoch die Einigung der Vertragsparteien (BGH, Urt. vom 6.7.2004 – X ZR 171/02 (IPRspr 2004-117), NJW-RR 2005, 150 Rz. 18; MünchKommZPO-Gottwald, 5. Aufl., Art. 25 Brüssel-Ia-VO Rz. 45; Musielak-Voit-Stadler, ZPO, 15. Aufl., Art. 25 EuGVVO Rz. 12; Rauscher-Mankowski, EuZPR/EuIPR, 4. Aufl., Art. 25 Brüssel-Ia-VO Rz. 105). Das LG hat insofern lediglich festgestellt, dass es nach Vertragsschluss wiederholt zu Änderungen der AGB kam. Nicht festgestellt ist dagegen, dass diese Änderungen in das Extranet eingestellt wurden und wie die Kl. hierauf reagierte, insbes. ob sie sich mit dieser Form der Informationsübermittlung einverstanden erklärte. Das Berufungsgericht hat hierzu vielmehr festgehalten, es sei zwischen den Parteien im Streit, ob die Kl. von den Änderungen der AGB jeweils Kenntnis erlangte.
[17] 2. Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich nicht aus Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVO. Auch diese Beurteilung unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
[18] 3. Nach Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht einen deliktischen Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVO zu Unrecht verneint. Ein vertraglicher Anspruch werde nur dann geltend gemacht, wenn das Klagebegehren zumindest auch auf einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung gründe. Daran fehle es im Ausgangsverfahren. Damit ist die aus dem Tenor ersichtliche unionsrechtlich klärungsbedürftige Frage aufgeworfen.
[19] a) Für die Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 EuGVO kommt es nach der Rspr. des EuGH nicht allein darauf an, ob die betreffende Klage nach dem nationalen Recht des Mitgliedstaats deliktsrechtlicher Natur ist. Auch für eine solche Klage ist der Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVO nicht gegeben, wenn sie an einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag i.S.v. Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVO anknüpft. Der Begriff des Vertrags wiederum bezieht sich auf freiwillig gegenüber anderen Personen eingegangene Verpflichtungen (EuGH, Urt. vom 17.9.2002 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi S.p.A. ./. Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH (HWS), Rs C-334/00 Slg. 2002 I-7357 Rz. 23; Urt. vom 20.1.2005 – Petra Engler ./. Janus Versand GmbH, Rs C-27/02, Slg. 2005, I-481 Rz. 50 f.).
[20] Die Begriffe ‚Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag’ i.S.v. Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVO und ‚unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung’ i.S.v. Art. 7 Nr. 2 EuGVO sind autonom und hauptsächlich unter Berücksichtigung der Systematik und Zielsetzung dieser Verordnung auszulegen, um ihre einheitliche Anwendung in allen Mitgliedstaaten zu sichern (EuGH, Urt. vom 27.9.1988 – Athanasios Kalfelis ./. Bankhaus Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. u.a., Rs 189/87, Slg. 1988, 5565 Rz. 15 f.; Urt. vom 18.7.2013 – Östergötlands Fastigheter AB ./. Frank Koot und Evergreen Investments BV, Rs C-147/12, EuZW 2013, 703 Rz. 27). Dementsprechend ist bei einer zivilrechtlichen Klage, mit der Schadensersatz begehrt wird, zu prüfen, ob die geltend gemachten Ansprüche, unabhängig von ihrer Qualifikation nach nationalem Recht, vertraglicher Natur sind (EuGH, Urt. vom 13.3.2014 – Marc Brogsitter ./. Fabrication de Montres Normandes EURL u. Karsten Fräßdorf, Rs C-548/12, NJW 2014, 1648 Rz. 21; Urt. vom 10.9.2015 – Holterman Ferho Exploitatie BV u.a. ./. Friedrich Leopold Freiherr Spies von Büllesheim, Rs C-47/14, EuZW 2015, 922 Rz. 70 f.; Urt. vom 14.7.2016 – Granarolo S.p.A. ./. Ambrosi Emmi France S.A., Rs C-196/15, NJW 2016, 3087 Rz. 20 ff.). Entsprechendes gilt für vorbeugende Unterlassungsklagen (EuGH, Urt. vom 1.10.2002 – Verein für Konsumenteninformation ./. Karl Heinz Henkel, Rs C-167/00, Slg. 2002 I-8111; Urt. vom 5.2.2004 – Danmarks Rederiforening, handelnd für DFDS Torline A/S ./. LO Landsorganisationen i Sverige, handelnd für SEKO, Rs C-18/02, Slg. 2004 I-1417 Rz. 27).
[21] Eine vertragliche Natur der geltend gemachten Ansprüche kann zwar nicht schon deshalb angenommen werden, weil eine Vertragspartei Klage wegen zivilrechtlicher Haftung gegen die andere Vertragspartei erhebt. Auch wenn eine solche Klage nach nationalem Recht deliktsrechtlicher Natur ist, betrifft sie aber i.S.v. Art. 7 Nr. 1 lit. a EuGVO einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, wenn das beanstandete Verhalten als Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten angesehen werden kann, wie sie sich anhand des Vertragsgegenstands ermitteln lassen. Dies wiederum ist grundsätzlich der Fall, wenn eine Auslegung des Vertrags unerlässlich erscheint, um zu klären, ob das Verhalten, das der Kläger dem Beklagten vorwirft, rechtmäßig oder widerrechtlich ist (EuGH, Urt. vom 13.3.2014 aaO Rz. 23 ff.).
[22] b) Im Ausgangsverfahren streiten die Parteien darüber, ob die Bekl. im Verhältnis zur Kl. eine marktbeherrschende Stellung hat und diese unter Verstoß gegen Bestimmungen des Kartellrechts missbräuchlich ausnutzt. Die Kl. macht danach geltend, soweit die Bekl. Preise der Kl. als vergünstigt oder rabattiert bezeichne, fehle es an einer wirksamen vertraglichen Grundlage für diese Vorgehensweise. Die beiden anderen Verhaltensweisen, deren Unterlassung mit der Klage begehrt wird, seien zwar durch die AGB gedeckt, doch habe die Kl. sich auf den Abschluss des Vertrags unter Zugrundelegung dieser AGB nur deshalb eingelassen, weil ihr mit Rücksicht auf die marktbeherrschende Stellung der Bekl. keine andere Wahl bleibe.
[23] c) Es ist im Ausgangspunkt nicht zweifelhaft, dass Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung i.S.v. Art. 7 Nr. 2 EuGVO geltend gemacht werden, wenn Gegenstand der Klage Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüche sind, die darauf gestützt werden, dass das beanstandete Verhalten als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 102 AEUV oder einer entspr. Bestimmung des nationalen Kartellrechts einzuordnen ist (EuGH, Urt. vom 5.7.2018 – AB flyLAL-Lithunian Airlines ./. Starptautiska lidosta ‚Riga’ VAS und Air Baltic Corporation AS, Rs C-27/17 Rz. 51 f.). Ein solches missbräuchliches Verhalten kann insbes. darin liegen, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen die Aufnahme vertraglicher Beziehungen davon abhängig macht, dass dem Vertrag unangemessene AGB zugrunde gelegt werden (Art. 102 II lit. a AEUV, §§ 19 I, II Nr. 2, 20 II GWB).
[24] Anders als das Berufungsgericht neigt der Senat zu der Auffassung, dass eine andere Beurteilung auch dann nicht angebracht ist, wenn der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits vertragliche Beziehungen mit dem – nach seinem Vortrag – marktbeherrschenden Unternehmen aufgenommen hat, so dass in Betracht kommt, dass das beanstandete Verhalten durch die vertraglichen Bestimmungen gedeckt ist, der Kläger diese Bestimmungen aber als unangemessen beanstandet und geltend macht, er habe sich diesen nicht freiwillig, sondern wegen der marktbeherrschenden Stellung des Beklagten gefügt. Denn im Vordergrund der rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien steht auch dann nicht die Auslegung des Vertrags, sondern die Frage, ob die Forderung bestimmter Vertragskonditionen oder die Berufung auf sie durch ein – unterstellt – marktbeherrschendes Unternehmen als missbräuchlich anzusehen ist und damit gegen Bestimmungen des Kartellrechts verstößt.