Das Schriftformerfordernis des Art. 17 I 2 lit. a LugÜ ist nicht bereits dann erfüllt, wenn eine Partei auf den Erhalt eines von der anderen Partei verwendeten Formularklauselwerks, das eine Gerichtsstandsvereinbarung enthält, eine schriftliche Erklärung abgibt, ohne auf diese Klausel ausdrücklich Bezug zu nehmen.
„Gepflogenheiten“ im Sinne des Art. 17 I 2 lit. a LugÜ setzen eine tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht; dadurch kann die Schriftform ersetzt werden, nicht jedoch die Einigung.
\pagebreak Die Kl. macht Werklohnansprüche im Gerichtsstand Karlsruhe gegenüber der Bekl., einer Schweizer AG, geltend.
Die Bekl. übermittelte der Kl. aufgrund vorangegangener Vertragsverhandlungen einen Vertragsentwurf über die Lieferung diverser „Pumpen-Wärmeaustauscher-Skids“, in welchem auf ihre AGB Bezug genommen wurde. Diese sehen die Geltung Schweizer Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts und Zürich als Gerichtsstand vor. Weiter nahm die Bekl. unter Bezug auf ihre AGB Angebote der Kl. zur Anfertigung und Lieferung von 14 Sedimentbeckenmodulen sowie auf Lieferung von zwei Lagerkonstruktionen an.
Das LG hat die Klage mangels internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte abgewiesen. Das Berufungsgericht hat hingegen die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bejaht, das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das LG zurückverwiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Bekl. Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung – ohne Erfolg.
[1]I. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts bejaht. Es hat dazu ausgeführt:
[2]Eine dem Schriftformerfordernis nach Art. 17 I LugÜ genügende Vereinbarung zwischen den Parteien liege nicht vor. Zwar genüge auch ein Briefwechsel oder der Austausch von Fernschreiben. Wenn die Gerichtsstandsklausel in AGB enthalten sei, müsse in beiden Willensäußerungen darauf Bezug genommen werden. Diese Voraussetzungen lägen aber nicht vor, weil die Kl. das Vertragsangebot der Bekl. nicht schriftlich angenommen habe. Die Parteien hätten lediglich mündlich über einzelne Vertragsklauseln verhandelt und die dabei getroffene Vereinbarung schriftlich bestätigt. Aus dem weiteren Schriftverkehr sei eine Vereinbarung der Gerichtsstandsklausel nicht zu entnehmen. Auch eine stillschweigende Einigung über die Einbeziehung der AGB und der darin enthaltenen Gerichtsstandsklausel genüge dem Schriftformerfordernis des Art. 17 I LugÜ nicht, weil es an einer schriftlichen Bestätigung fehle.
[3]Hinsichtlich der weiteren zwischen den Parteien geschlossenen Verträge über die Anfertigung und Lieferung von 14 Sedimentbeckenmodulen bzw. zwei Lagerkonstruktionen sei dem Schriftformerfordernis des Art. 17 I LugÜ ebenfalls nicht Genüge getan.
[4]Eine Gerichtsstandsvereinbarung ergebe sich auch nicht aus Art. 17 I 2 lit. b LugÜ, weil hinsichtlich der dort vorausgesetzten ‚Gepflogenheit’ der Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht derjenige der Klageeinreichung maßgebend sei. Im Übrigen fehle es bereits an einer wirksam zustande gekommenen Vereinbarung, auf die sich eine Gepflogenheit stützen könnte.
[5]Da der Gerichtsstand des Art. 17 I LugÜ nicht wirksam sei, sei Karlsruhe als Gerichtsstand des Erfüllungsortes zuständig, weil die Vereinbarung des Schweizer Rechts wirksam sei und nach diesem Geldschulden an dem Ort zu zahlen seien, an dem der Gl. zur Zeit der Erfüllung seinen Wohnsitz habe. II. Gegen diese Erwägungen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
[6]1. Da die Bekl. ihren Sitz in der Schweiz hat, findet im Streitfall das LugÜ Anwendung (Art. 54b II lit. a LugÜ). Art. 17 I LugÜ stimmt mit Art. 17 I EuGVÜ überein. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu dieser Vorschrift sind die in Art. 17 I EuGVÜ aufgestellten Voraussetzungen eng auszulegen, weil die Bestimmung sowohl die allgemeine Zuständigkeit nach dem Wohnsitz des Beklagten (Art. 2 EuGVÜ) als auch die besonderen Zuständigkeiten nach den Art. 5 und 6 EuGVÜ ausschließt (EuGH, C-24/76, Slg. 1976 S. 1831 = NJW 1977, 494 [Estasis Salotti]; C-106/95, Slg. I 1997 S. 911 = NJW 1997, 1431 f. [MSG/Les Gravières Rhenanes]). Die Formerfordernisse des Art. 17 EuGVÜ sollen gewährleisten, dass eine Einigung zwischen den Parteien zweifelsfrei festgestellt werden kann. Von diesen Grundsätzen ist auch für die inhaltsgleiche Regelung in Art. 17 LugÜ auszugehen.
[7]Eine schriftliche Vereinbarung im Sinne von Art. 17 I 2 lit. a Alt. 1 EuGVÜ/LugÜ liegt nur dann vor, wenn jede Partei ihre Willenserklärung schriftlich abgegeben hat. Das kann – abweichend von § 126 II BGB – auch in getrennten Schriftstücken geschehen, sofern aus ihnen die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich hervorgeht. Nach ganz überwiegender Auffassung genügt die Übermittlung durch moderne Kommunikationsmittel, die keine handschriftlichen Unterzeichnungen ermöglichen (BGH, Urt. vom 22.2.2001 – IX ZR 19/00, NJW 2001, 1731 (IPRspr. 2001 Nr. 203)).
[8]2. Eine diesem Formerfordernis genügende Erklärung hat die Kl. nicht abgegeben.
[9]a) Wertet man die Übersendung der Vertragsentwürfe seitens der Bekl. bereits als Angebot einer Gerichtsstandsvereinbarung (vgl. BGHZ 116, 77, 81 (IPRspr. 1991 Nr. 181)), ist die in Art. 17 I 2 lit. a Alt. 1 LugÜ geforderte Schriftform gleichwohl nicht gewahrt. Eine Erklärung der Kl. ist in der Urkunde nicht enthalten. Notwendig ist eine auf den konkreten Vertrag bezogene schriftliche Willenskundgabe beider Vertragspartner. Eine solche Erklärung geht aus den Vertragsunterlagen nicht hervor; sie ist auch später nicht in der gebotenen Form erfolgt.
[10]b) Das Schriftformerfordernis ist nicht schon dann erfüllt, wenn die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung geht, eine schriftliche Erklärung abgibt, nachdem sie vom Inhalt der Klausel Kenntnis erhalten hat. Eine solche Betrachtungsweise wäre mit dem Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses nicht zu vereinbaren. Sie hätte zur Folge, dass eine schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung in der Regel schon dann zu bejahen wäre, wenn ein entsprechender Vertragstext dem anderen Teil ohne eigene Unterschrift übersandt worden und von jenem unterzeichnet zurückgegeben worden ist. Das entspricht nicht dem, was im Rechtsverkehr allgemein unter einer schriftlichen Vereinbarung verstanden wird, und stände im Widerspruch zu der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Gründen der Rechtsklarheit praktizierten engen Auslegung der inhaltsgleichen Regelung in Art. 17 I EuGVÜ. Die Wahrung der Schriftform hinge dann auch davon ab, dass der Vertragstext an den Urheber zurückgesandt worden und bei diesem eingegangen ist, einem Umstand, der aus dem Urkundentext nicht erkennbar wird. Das wäre mit Sinn und Zweck der normierten Formenstrenge nicht vereinbar (BGH, Urt. vom 22.2.2001aaO).
[11]c) Die Parteien haben nach den von der Revision nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung auch nicht in der Weise geschlossen, dass sie mit schriftlichem Vertragsschluss eine zuvor getroffene mündliche Abrede bestätigt hätten (Art. 17 I 2 lit. a Alt. 2 LugÜ; vgl. zum EuGVÜ BGHZ 116, 77, 80 ff.). Soweit die Revision in der zwischen den Parteien gewechselten Korrespondenz eine Bezugnahme auf die Gerichtsstandsklausel sehen und daraus eine schriftliche Bestätigung dieser Klausel herleiten will, setzt sie sich in Widerspruch zu der Auslegung dieser Korrespondenz und insbesondere der Zahlungsaufforderung durch das Berufungsgericht, ohne einen Rechtsfehler darzulegen.
[12]3. Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, dass Art. 17 I 2 lit. b LugÜ das Schriftformerfordernis des Art. 17 I 2 lit. a LugÜ nur dann zu ersetzen vermag, wenn zwischen den Vertragsparteien bereits entsprechende Gepflogenheiten bestehen. Gepflogenheiten setzen eine tatsächliche Übung voraus, die auf einer Einigung der Vertragsparteien beruht; sie können die Form ersetzen, nicht jedoch die Einigung. Ob diese Gepflogenheiten bereits bei Vertragsschluss vorhanden sein müssen oder ob ihr Vorhandensein bei Klageerhebung ausreichend ist, muss hier nicht entschieden werden. Voraussetzung ist jeweils, dass derartige Gepflogenheiten überhaupt bestehen. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint, indem es ausgeführt hat, es fehle an einer wirksam zustande gekommenen Vereinbarung, auf die sich eine Gepflogenheit stützen könnte, denn der laufende Abdruck einer Gerichtsstandsklausel genüge hierfür nicht.
[13]Auch das Bestehen eines Handelsbrauchs, aus dem sich nach Art. 17 I 2 lit. c LugÜ ein Gerichtsstand ergeben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich ...
[14]5. Ob auf den Rechtsstreit deutsches oder Schweizer Recht und ob UN-Kaufrecht anzuwenden ist, kann offen bleiben. Nach Art. 74 II 1 Schweizer Obligationenrecht vom 30.3.1911 (BS 2, 199) handelt es sich, falls nicht etwas anderes bestimmt ist, bei Geldschulden um Bringschulden, weshalb sich als Erfüllungsort Karlsruhe ergäbe. Hierzu führte auch Art. 57 I CISG, welcher gemäß Art. 3 CISG auch für Werkverträge gilt. Sollte hingegen das BGB anwendbar sein, wäre der Ort des Bauwerks, für das die Werkleistung der Kl. vertragsgemäß bestimmt war, bzw. der Ort der Abnahme Erfüllungsort der Zahlungsverpflichtung des Auftraggebers (vgl. BGH, Urt. vom 7.12.2000 – VII ZR 404/99, NJW 2001, 1936 (IPRspr. 2000 Nr. 133)). Da diese Orte innerhalb der Bundesrepublik Deutschland liegen, wäre das LG Karlsruhe international zuständig (Art. 5 LugÜ).