Die deutschen Gerichte sind gemäß § 32 ZPO für eine Klage wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen gegen eine im Ausland (hier: in den USA) ansässige Beklagte international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen. Ein solcher Inlandsbezug ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die von den Klägern behauptete Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde.
Die räumliche Anwendbarkeit der DS-GVO auf eine Beklagte ohne Niederlassung in der Union (hier: in den USA ansässig) folgt aus Art. 3 II lit. a DS-GVO, wenn die Beklagte in deutscher Sprache den Nutzern (u.a.) in Deutschland die Möglichkeit anbietet, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als „Bezahlung“ ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können. [LS der Redaktion]
[Die Revision wurde vom BGH mit Urteil vom 27.2.2020 – VI ZR 405/18 – zurückgewiesen.]
Der Kl. war bis April 2012 Geschäftsführer des X Mittelhessen, der über 500 Beschäftigte und mehr als 35.000 Mitglieder hat und bundesweit der zweitgrößte Regionalverband des X ist; die Bekl. zu 2) – gegen die allein sich die Klage im Berufungsverfahren noch richtet – betreibt die Suchmaschine G. Die Presse berichtete wiederholt über die finanzielle Schieflage des X Mittelhessen, teils unter Nennung des Namens des Kl. sowie der Tatsache, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst befinde. Der Kl. begehrt von der Bekl. zu 2) die Unterlassung, bei einer Suche nach seinem Vor- und Zunamen, sowohl isoliert als auch in Verbindung mit bestimmten geographischen Angaben, fünf konkrete URL bei den Suchergebnissen ihrer Suchmaschine in Deutschland anzuzeigen, die zu entsprechenden Berichterstattungen der Presse führen.
Das LG hat die Klage für zulässig erachtet, aber als unbegründet abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat der Kl. Berufung eingelegt und begründet. Der Kl. beantragt, unter teilweiser Abänderung des Urteils des LG Frankfurt am Main vom 26.10.2017 – 2-03 O 190/16, die Bekl. zu 2) zu im Einzelnen näher definierten Unterlassungen zu verurteilen. Die Bekl. zu 2) beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
[1]B. Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
[2]I. Die Klage ist zulässig.
[3]1. Die von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die gegen die in den USA ansässige Bekl. zu 2) gerichtete Klage folgt aus § 32 ZPO. Danach genügt es zur Begründung der Zuständigkeit, wenn der Kl. schlüssig Tatsachen behauptet, aus denen sich eine im Gerichtsbezirk begangene unerlaubte Handlung ergibt. Dabei sind die deutschen Gerichte zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen – Interesse der Kläger an der Achtung ihres Persönlichkeitsrechts einerseits, Interesse der Beklagten an der Gestaltung ihres Internetauftritts und an einer Berichterstattung andererseits – nach den Umständen des konkreten Falls, insbes. aufgrund des Inhalts der beanstandeten Meldung, im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme von der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt, als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre, und die von den Klägern behauptete Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts durch Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde (zuletzt BGH, Urt. vom 27.2.2018 – VI ZR 489/16 (IPRspr 2018-274), zitiert nach juris).
[4]Nach diesen Grundsätzen ist die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach § 32 ZPO gegeben. Die angezeigten Treffer sind in deutscher Sprache aufgeführt und der in Deutschland lebende und arbeitende Kl. wird namentlich genannt, so dass die Kollision der widerstreitenden Interessen zwischen jenen des Kl. und jenen der Bekl. zu 2) im Inland eingetreten ist; der erforderliche Inlandsbezug liegt vor.
[5]II. Die Klage ist aber nicht begründet.
[6]Dem Kl. steht gegen die Bekl. zu 2) kein Anspruch darauf zu, es zu unterlassen, die beanstandeten Inhalte auf den von ihm benannten Internetseiten durch Anzeige in den Suchergebnissen mit entsprechender Verlinkung auffindbar zu machen. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich weder aus Art. 17 DS-GVO (dazu im Folgenden unter Nr. 1) noch aus §§ 823 I, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 I, 2 I GG (dazu im Folgenden unter Nr. 2).
[7]1. ... a) ... b) ... aa) ... bb) Die räumliche Anwendbarkeit der DS-GVO auf die in den USA ansässige Bekl. zu 2) folgt aus Art. 3 II DS-GVO. Nach lit. a fallen Datenverarbeiter ohne Niederlassung in der Union unter die DS-GVO, soweit sie, gleich ob entgeltlich oder unentgeltlich, Daten von Personen, die sich in der Union befinden, verarbeiten, wenn die Datenverarbeitung damit in Zusammenhang steht, den betroffenen Personen in der Union Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Die DS-GVO definiert nicht, was unter einer Ware oder Dienstleistung zu verstehen ist. Die Begriffe sind aber weit auszulegen, zumal es nicht auf eine Entgeltlichkeit ankommt (Auernhammer-von Lewinksi, DS-GVO/BDSG, 6. Aufl. [2018], Art. 3 DS-GVO Rz. 13 und 14). Vorliegend bietet die Bekl. zu 2) in deutscher Sprache (vgl. dazu den Erwgr. 23 der DS-GVO) den Nutzern (u.a.) in Deutschland die Möglichkeit an, über ihren Suchdienst gezielt nach im Internet vorhandenen Informationen zu suchen und auf sie zuzugreifen, wobei die Nutzer letztlich als ‚Bezahlung’ ihre Daten zur Verfügung stellen, um das Leistungsangebot nutzen zu können (Ehmann-Selmayr-Zerdick, DS-GVO [2017], Art. 3 Rz. 17). Damit unterliegt die Bekl. zu 2) der DS-GVO (so ausdrücklich Trentmann, CR 2017, 26 ff.).
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