Ein Vertrag zwischen einem gewerblich tätigen Galeristen und einem als Verbraucher im Sinne des Art. 17 EuGVO anzusehenden privaten Sammler afrikanischer Stammeskunst über eine afrikanische Skulptur, die der Galerist im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts „abgekauft“ hat, unterfällt grundsätzlich der Regelung des Art. 17 I lit. a EuGVO.
Zur Begründung der internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 17 I EuGVO muss neben der Verbrauchereigenschaft eines Vertragspartners kumulativ der Vertrag einer der Kategorien des Art. 17 I litt. a–c EuGVO angehören.
Allein die Angabe einer internationalen Vorwahl oder die Verwendung einer neutralen Top-Level-Domain wie „.com“ oder „.eu“ dürften heutzutage für das Vorliegen der Voraussetzung des Art. 17 I lit. c EuGVO noch keine aussagekräftigen Indizien für die internationale Ausrichtung einer Geschäftstätigkeit sein.
Gegen das Ausrichten einer Tätigkeit in Deutschland spricht, wenn sich sowohl dem Internetauftritt nichts entnehmen lässt, das den Willen offenbart, mit Kunden aus Deutschland ins Geschäft zu kommen, als auch der Umstand, wenn der Verbraucher den Galeristen nur über einen belgischen Galeristen empfohlen bekommen hat. [LS der Redaktion]
[Der BGH hat unterdessen die Nichtzulassungsbeschwerde – I ZR 52/18 – zurückgewiesen.]
Der Kl. verlangt von dem Bekl. nach Widerruf eines mit diesem angeblich abgeschlossenen Kommissionsgeschäfts Herausgabe einer Skulptur afrikanischer Stammeskunst Zug um Zug gegen Rückzahlung des von dem Bekl. entrichteten „Kaufpreises“. Der Kl. ist Inhaber einer privaten Sammlung afrikanischer Kunst, zu der auch die streitgegenständliche afrikanische ...1 Skulptur mit ... gehört. Er beabsichtigte im Frühjahr 2010, die Skulptur bestmöglich zu verkaufen. Aus diesem Grunde wandte er sich an den belgischen Kunsthändler A. Der Kl. hatte eine belgische Galerie gesucht, welche Skulpturen wie die streitgegenständliche ...1 Skulptur gut verkaufen können, weil ...1 Skulpturen aus ehemals belgischen Kolonien stammen. Der belgische Kunsthändler A empfahl dem Kl., dass er die Skulptur über den Bekl. anbieten möge, weil dieser den größten Kundenstamm in Belgien habe. Der Bekl. gilt als Experte auf dem Gebiet der Stammeskunst Afrikas. Der in Stadt 1 ansässige Kl. suchte den Bekl. in seiner Galerie in B./Belgien auf, übergab ihm die Skulptur und vereinbarte mit ihm, dass er die Skulptur bestmöglich verkaufen sollte, wobei die Parteien sich auf ein Kaufpreislimit von 160.000,00 € und eine Vermittlungsprovision des Bekl. verständigten. Der Bekl. sollte die Skulptur absprachegemäß im Frühjahr 2010 auf der renommierten Kunstmesse TEFAF in Maastricht ausstellen, was er auch tat. Zum Ende der Messe teilte der Bekl. dem Kl. mit, dass er – angeblich – nur einen Käufer gefunden habe und dieser lediglich bereit sei, ihm insgesamt 130.000,00 € zu zahlen. Der Bekl. riet dem Kl., diesen Kaufpreis zu akzeptieren. Der Kl. willigte daraufhin in den Verkauf zum Preis von 130.000,00 € ein. In Vollzug der Vereinbarung zahlte der Bekl. im März 2010 unter Abzug der zwischen den Parteien vereinbarten Provision an den Kl. 110.000,00 €. Im Frühjahr 2015 entdeckte der Kl., dass der Bekl. die Skulptur als aus seiner Privatsammlung stammend auf einer Ausstellung in Mailand anbot. Auf eine vom Kl. initiierte Anfrage der Kunstberaterin Frau B teilte der Bekl. für die Skulptur einen Kaufpreis von 750.000 € mit. Darauf bezugnehmend focht der Kl. im Juni 2015 die zwischen den Parteien getroffene Kommissionsvereinbarung wegen arglistiger Täuschung an und forderte den Bekl. zur Rückgabe der Skulptur auf. Der Bekl. wies diesen Vorwurf zurück und behauptete, sein Kunde habe die Skulptur letztlich nicht abgenommen, woraufhin er, der Bekl. die Skulptur selbst übernommen habe. Im August 2015 widersprach der Kl. dem Selbsteintritt des Bekl. in das Geschäft und widerrief die angebliche Kommission. Die Parteien haben erstinstanzlich über die örtliche und internationale Zuständigkeit des LG Düsseldorf gestritten. Ferner haben die Parteien über die Anwendung deutschen Rechts gestritten und die Annahme eines Kommissionsvertrags.
Das LG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es an der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art. 17 I lit. c EuGVO fehle. Es sei allerdings anzunehmen, dass der Kl. den Vertrag mit dem Bekl. als Verbraucher i.S.d. autonom auszulegenden Vorschrift abgeschlossen habe. Der Kl. betreibe weder eine Galerie noch einen Kunsthandel. Gegen diese Entscheidung hat der Kl. Berufung eingelegt und begründet. Der Kl. beantragt, 1. das Urt. des LG Düsseldorf – 15 O 408/15 – aufzuheben und den Bekl. zu verurteilen, die in der Anl. 1 wiedergegebene Skulptur ...1 an ihn zurückzugeben Zug um Zug gegen Zahlung von 110.000,00 €. 2. Den Bekl. zu verurteilen, an ihn weitere 3.010,11 € zu bezahlen. Der Bekl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Bekl. wiederholt und vertieft zunächst seinen erstinstanzlichen Vortrag.
[1]II. Die Berufung ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
[2]Die erstinstanzliche Entscheidung des LG beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 I ZPO.
[3]A. Das LG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Klage unzulässig ist, weil es an der internationalen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fehlt. Die Voraussetzungen des Art. 17 I lit. c EuGVO Nr. 1215/2012 vom 12.12.2012 (ehemals Art. 15 I lit. c EGV 44/200[1] des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; [EuGVO a.F.]) liegen nicht vor.
[4]1. Voraussetzung des Art. 17 I EuGVO ist zunächst, dass ein Vertragspartner die Eigenschaft eines Verbrauchers haben muss, der in einem Rahmen handelt, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann (Zöller-Geimer, ZPO 31. Aufl., Art. 17 EUGVVO Anh. I Rz. 13a; EuGH, Urt. vom 23.12.2015 – Rüdiger Hobohm ./. Benedikt Kampik Ltd. & Co. KG u.a., Rs C-297/14, juris Rz. 24).
[5]Der Kl. ist nach den zutreffenden Feststellungen des LG als Verbraucher i.S.d. autonom auszulegenden Vorschrift anzusehen. Der Kl. selber betreibt weder eine Galerie noch einen Kunsthandel. Den Kunsthandel betreibt oder hat betrieben, wie der Bekl. unbestritten vorgetragen hat, die Mutter des Kl. Er selber ist seit 1993 keiner gewerblichen oder galerieartigen Tätigkeit mehr nachgegangen und hat auch im Vertragsjahr 2010 keine Einkünfte aus einer solchen Tätigkeit erzielt, sondern nach Maßgabe des vorgelegten Steuerbescheids lediglich solche der Vermietung und Verpachtung. Der Kl. ist lediglich als privater Sammler der afrikanischen Stammeskunst anzusehen. Diese aus dem Vorbringen der Parteien und den vorgelegten Unterlagen gewonnenen Feststellungen des LG hat der Bekl. in der Berufung auch nicht mehr infrage gestellt.
[6]2. Zu bejahen ist auch ein Vertragsschluss des Kl. als Verbraucher und dem Bekl. als gewerblich und beruflich Handelnden. Der Bekl. hat dem Kl. unbestritten die streitgegenständliche afrikanische Skulptur ...1 mit ... im Rahmen eines Kommissionsgeschäfts ‚abgekauft’. Dieser Vertrag unterfällt grundsätzlich der Regelung des Art. 17 I lit. c EuGVO. Diese Regelung enthält keine Beschränkung auf bestimmte Vertragstypen. Sie gilt für alle Verbraucherverträge, die nicht bereits von lit. a oder b erfasst werden, dazu gehören z.B. alle Verträge, die schon bisher unter die alte Regelung des Art. 13 I Nr. 3 EuGVÜ gefallen sind wie Dienstleistungsverträge, wie z.B. Werk- und Werklieferungsverträge, Architektenverträge und Kommissions- und Geschäftsbesorgungsverträge aber z.B. auch Kreditverträge und Grundstücksverträge (vgl. Staudinger-Hausmann, BGB (2016), Verfahrensrecht für internationale Verträge Internationale Zuständigkeit für Vertragsklagen; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen Rz. 171, 172 m.w.N.)
[7]3. Die weitere Voraussetzung, die kumulativ erfüllt sein muss, dass dieser Vertrag einer der Kategorien von Art. 17 I litt. a–c EuGVO angehört (EuGH, Urt. vom 23.12.2015 aaO Rz. 24), ist indes nicht erfüllt. In Betracht kommt allein die Voraussetzung des Art. 17 I lit. c EuGVO, wonach ein hinreichender Bezug der Geschäftsanbahnung zum Wohnsitzstaat des Verbrauchers gegeben sein muss. Es genügt hierfür, dass der in einem anderen Mitgliedstaat der EuGVO ansässige Vertragspartner seine berufliche Tätigkeit so stark auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ‚ausrichtet’, dass es gerechtfertigt erscheint, ihn dort auch gerichtspflichtig zu machen. Zum anderen ist Voraussetzung, dass der in Rede stehende Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt (EuGH, Urt. vom 23.12.2015 aaO Rz. 27; Urt. vom 17.10.2013 – Lokman Emrek ./. Vlado Sabranovic, Rs C-218/12, juris [Rz.] 22.; Staudinger-Hausmann aaO Rz. 173).
[8]a) Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Art. 15 I der VO Nr. 44/2001 eine Abweichung sowohl von der allgemeinen Zuständigkeitsregel des Art. 2 I dieser Verordnung, nach der die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in dessen Hoheitsgebiet der Bekl. seinen Wohnsitz hat, als auch von der besonderen Zuständigkeitsregel ihres Art. 5 Nr. 1 für Verträge oder Ansprüche aus Verträgen enthält, nach der das Gericht des Orts zuständig ist, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Somit ist diese Bestimmung zwangsläufig eng auszulegen (vgl. nur EuGH, Urt. vom 23.12.2015 aaO Rz. 32; Urt. vom 7.12.2010 – Peter Pammer ./. Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG (Rs C-585/08) und Hotel Alpenhof GmbH ./. Oliver Heller (Rs C-144/09,) juris Rz. 53.; Urt. vom 28.1.2015 – Harald Kolassa ./. Barclays Bank PLC, Rs C-375/13, EU:C:2015:37, Rz. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich ferner, dass, auch wenn Art. 15 I lit. c der VO Nr. 44/2001 dem Verbraucherschutz dient, dies nicht impliziert, dass dieser Schutz absolut ist (vgl. EuGH, Urt. vom 23.12.2015 aaO Rz. 32; Urt. vom 6.9.2012 – Daniela Mühlleitner ./. Ahmad Yusufi und Wadat Yusufi, Rs C-190/11, EU:C:2012:542, Rz. 33).
[9]aa) Die Verordnung Nr. 44/2001 enthält keine Definition des in ihrem Art. 15 I lit. c verwendeten Begriffs einer auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ‚ausgerichteten’ Tätigkeit. Dieser Begriff ist ebenso wie die Begriffe, die in Art. 13 des Brüsseler Übereinkommens [EuGVÜ] verwendet werden, an dessen Stelle der Art. 15 der VO Nr. 44/2001 getreten ist, autonom auszulegen, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung der Verordnung zu berücksichtigen sind, um deren volle Wirksamkeit zu sichern (EuGH, Urt. vom 7.12.2010 aaO juris Rz. 53). Da sich an der Formulierung dieser Vorschrift nichts geändert hat, haben die Ausführungen des EuGH auch unter der Geltung von Art. 17 EuGVO nach wie vor Gültigkeit. Zielsetzung der geschaffenen Sonderregelung für Verbraucherverträge ist, für einen angemessenen Schutz des Verbrauchers als dem gegenüber seinem beruflich oder gewerblich handelnden Kontrahenten wirtschaftlich schwächeren und rechtlich weniger erfahrenen Vertragspartner zu sorgen (EuGH, Urt. vom 7.12.2010, Rs C-585/08 und C-144/09 aaO Rz. 58).
[10]bb) An dieser Zielsetzung ist die autonom vorzunehmende Auslegung des Begriffs des ‚Ausrichtens’ vorzunehmen. Der BGH hat hierzu zunächst im Hinblick auf seine frühere Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 28. 2. 2012 – XI ZR 9/11 (IPRspr 2012-203) (juris Rz. 38 m.w.N.) ausgeführt, die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtete Tätigkeit des Unternehmers müsse den späteren Vertragsschluss durch eine auf den Gewinn von Kunden gerichtete Handlung zumindest motiviert haben. Dabei sei wegen der nunmehr weiten Formulierung des Art. 15 I lit. c EuGVO ein insgesamt breites Spektrum an Tätigkeiten möglich. Tatbestandsvoraussetzung sei aber weiterhin, dass der Gewerbetreibende bereits vor dem Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck gebracht habe, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern (auch) im Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers herzustellen, also zum Vertragsschluss mit diesen bereit zu sein (BGH aaO Rz. 39; zuletzt noch BGH, Urt. vom 25.1.2017 – VIII ZR 257/15 (IPRspr 2017-40), juris Rz. 34, 35). Dies kann auch durch einen im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ansässigen Vermittler geschehen, der dem Unternehmer Kunden zuführt (vgl. Staudinger-Hausmann aaO Rz. 177 m.w.N.).
[11]cc) Einigkeit besteht, darüber, dass das autonom auszulegende Tatbestandsmerkmal des ‚Ausrichtens’ jedenfalls erfüllt ist, wenn dem Vertragsschluss im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung des Vertragspartners vorausgegangen ist oder wenn der Vertragspartner den Verbraucher in dessen Wohnsitzstaat telefonisch kontaktiert hat. Dabei kommt es auf das verwendete Mittel der Werbung nicht an (vgl. Staudinger-Hausmann aaO Rz. 177 m.w.N.) Alle Formen der Werbung in dem Vertragsstaat sind umfasst, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, unabhängig davon, ob sie allgemein – über Presse, Radio, Fernsehen, Kino oder in anderer Weise – verbreitet oder unmittelbar, z.B. mit speziell in diesen Staat geschickten Katalogen, an den Empfänger gerichtet wird, und Angebote, die dem Verbraucher persönlich, insbes. durch einen Vertreter oder Hausierer, unterbreitet werden.
[12]Die klassischen Formen der Werbung implizieren für den Gewerbetreibenden Ausgaben von manchmal beträchtlicher Höhe, um sich in anderen Mitgliedstaaten bekannt zu machen, und belegen bereits hierdurch einen Willen des Gewerbetreibenden, seine Tätigkeit auf diese Mitgliedstaaten auszurichten. (EuGH, Urt. vom 7.12.2010, Rs C-585/08 und C-144/09, juris Rz. 66, 67).
[13]Dieser Wille ist hingegen, wie der EuGH (Urt. vom 7.12.2010, Rs C-585/08 und C-144/09, juris Rz. 68, 69) ausführt, bei Werbung mittels des Internets nicht immer vorhanden. Da diese Kommunikationsweise ihrem Wesen nach eine globale Reichweite habe, sei die Werbung eines Gewerbetreibenden auf einer Webseite grundsätzlichen in allen Staaten und somit in der gesamten EU zugänglich, und zwar ohne Mehrausgaben zu erfordern und unabhängig davon, ob der Gewerbetreibende den Willen habe, Verbraucher außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats seiner Niederlassung anzusprechen oder nicht. Daraus folge indessen noch nicht, dass die Worte ‚eine ... Tätigkeit ... auf ... ausrichtet’ dahin auszulegen wären, dass sie sich auf die bloße Zugänglichkeit einer Webseite in anderen Mitgliedstaaten als dem der Niederlassung des betreffenden Gewerbetreibenden bezögen. Mithin reicht ein passives Verhalten nicht aus. Auch nach den Ausführungen des Generalanwalts des EuGH ist ein aktives Tun erforderlich. Die bloße Nutzung einer Webseite, die unabhängig von dem anvisierten geografischen Gebiet zu einem üblichen Mittel des Geschäftslebens geworden ist, wird nicht zu einer auf andere Mitgliedstaaten ‚ausgerichteten’ Tätigkeit angesehen.
[14]Der EuGH hat daher in seiner Entscheidung vom [7.]12.2010 – Rs C-585/08 und C-144/09 – Anhaltspunkte für die Auslegung des umstrittenen Begriffs des ‚Ausrichtens’ i.S. von Art. 17 I lit. c EuGVO für den Fall genannt, dass ein Unternehmer sich zur Vorbereitung oder zum Abschluss von Verträgen mit Verbrauchern über das Internet einer Homepage bedient. Nach Ansicht des Gerichtshofs gehören zu den offenkundigen Ausdrucksformen eines Willens des Gewerbetreibenden, Verbraucher in diesem Mitgliedstaat als Kunden zu gewinnen, die Angabe, dass dieser seine Dienstleistungen oder Produkte in einem oder mehreren namentlich genannten Mitgliedstaaten anbietet. Das Gleiche gilt für die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst des Betreibers einer Suchmaschine, um in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Webseite des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, wodurch gleichfalls das Bestehen eines solchen Willens belegt wird (EuGH aaO Rz. 80, 81). Der Gerichtshof zählt auch die folgenden Gesichtspunkte, deren Aufzählung nicht erschöpfend ist und deren Merkmale kombinierbar sind, als geeignet auf, Anhaltspunkte zu bilden, die die Feststellung erlauben, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist, nämlich der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt (EuGH aaO Rz. 93). Nicht notwendig ist jedoch, dass eine Internetseite kausal für den Vertragsschluss mit dem Verbraucher geworden ist. Liegt indes eines solche Kausalität vor, wird dies als Indiz dafür angesehen, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt (EuGH, Urt. vom 17.10.2013 aaO Rz. 24-16).
[15]Die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise verwendete Sprache und/oder Währung sind, reicht als Indiz grundsätzlich nicht aus, kann unter Umständen jedoch auch als Indiz herangezogen werden (vgl. EuGH, Urt. vom 17.10.2013 aaO Rz. 30; vgl. Staudinger-Hausmann aaO Rz. 82 m.w.N.). Allein die Angabe einer internationalen Vorwahl oder die Verwendung einer neutralen Top-Level-Domain wie „.com“ oder „.eu“ dürften heutzutage auch noch keine aussagekräftigen Indizien für eine internationale Ausrichtung der Geschäftstätigkeit sein, weil sie heute weithin üblich sind und nichts darüber aussagen, dass eine Ausrichtung gerade auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers beabsichtigt war (Clausnitzer, EuZW 2011, 98, 104 f.). Sie können allenfalls in Kombination mit anderen Kriterien Bedeutung erlangen. Die Prüfung, ob im konkreten Fall hinreichende Anhaltspunkte für ein ‚Ausrichten’ der Geschäftstätigkeit des Unternehmers auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers vorliegen, bleibt stets Sache des nationalen Gerichts (zu allem Staudinger-Hausmann aaO m.w.N.).
[16]b) Unter Zugrundelegung aller Kriterien zur Intention und Auslegung des Art. 17 I lit. c EuGVO hat das LG rechtsfehlerfrei ein ‚Ausrichten’ der Tätigkeit des Bekl. auf den Mitgliedsstaat Deutschland, den Wohnsitzstaat des Kl. und Verbrauchers verneint.
[17]Zwar hat das LG zu Recht ausgeführt, dass der Bekl. seine Tätigkeiten auf dem Gebiet der afrikanischen Stammeskunst international zur Kenntnis bringt. Dies folgt aus seiner Internetpräsentation unter www. ... .com sowie der Schaltung von Annoncen in dem als führend auf dem Gebiet der afrikanischen Stammeskunst angesehenen X Magazine, das auch von vielen Sammlern afrikanischer Kunst aus Deutschland gelesen wird und von dem der Kl. Auszüge vorgelegt hat. Allerdings reichen diese Merkmale entgegen der Ansicht des Kl. allein nicht aus, um ein ‚Ausrichten’ seiner Tätigkeit auf den Mitgliedsstaat Deutschland annehmen zu können.
[18]Die bloße Nutzung einer Webseite unter Verwendung einer neutralen, wohl heute als üblich angesehenen Top-Level-Domain wie ‚.com“ oder „.eu“, die unabhängig von dem anvisierten geografischen Gebiet zu einem üblichen Mittel des Geschäftslebens geworden ist, kann nicht zu einer auf andere Mitgliedstaaten ‚ausgerichteten’ Tätigkeit angesehen werden. Das Gleiche muss für eine international anerkannte, in vielen Ländern gelesene Zeitschrift gelten. Vielmehr muss bei der Nutzung zumindest in irgendeiner Form angegeben oder erkennbar werden, dass der Unternehmer seine Dienstleistungen oder Produkte in einem oder mehreren namentlich genannten Mitgliedstaaten anbietet, und zwar die Dienstleistungen, die auch den in Rede stehenden Vertrag betreffen. Derartige Angaben und Hinweise finden sich weder im Inhalt seiner Webseite noch bei der Annonce im X Magazine.
[19]In Bezug auf das X Magazine, das in Deutschland nicht ohne weiteres käuflich im Geschäft erworben, sondern nur beim Herausgeber in Stadt 3 in der ganzen Welt bezogen werden kann, wie der Bekl. behauptet, lässt sich ein Bezug zu Deutschland und anderen Mitgliedstaaten nicht ohne weitere Anhaltspunkte herstellen. Wie sich aus der Webseite des Verlags ersehen lässt, werden die Zeitschriften in verschiedenen Abo-Angeboten in die ganze Welt versandt, einschließlich Übersee. In der vorgelegten Annonce (...), die lediglich eine Skulptur der afrikanischen Stammeskunst zeigt, wird keine Verkaufs- oder Ankaufsofferte oder Ähnliches abgebeben und keine geografische Einordnung seiner Angebote in Bezug auf zukünftige Geschäftspartner vorgenommen. Lediglich eine Telefonnummer mit internationaler Vorwahl und eine E-Mail-Adresse für Informationen wird angegeben. Diese Angaben sind indes im Geschäftsleben weltweit üblich und keinem Mitgliedstaat gegenüber spezifisch zuzuordnen.
[20]Die Gestaltung der Webseite des Bekl. lässt ebenfalls keine weiteren Indizien erkennen, die eine Ausrichtung seiner Tätigkeit auf Deutschland und andere Mitgliedstaaten im Bereich des streitgegenständlichen Vertrags nahelegen. Vorab ist zu bemerken, dass die Webseite über einen Internetreferenzierungsdienst des Betreibers einer Suchmaschine nicht zu finden ist, d.h. der Bekl. hat nicht versucht, in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zu seiner Webseite zu erleichtern. Dies spricht zumindest dafür, dass er seine Tätigkeit exklusiv halten wollte und nicht für jedermann zugänglich. Eine Verbindung zu Deutschland oder anderen Mitgliedstaaten ist daher nicht zu ziehen. Ferner weist die Webseite keine Angabe auf, dass der Bekl. seine Dienstleistungen oder Produkte in einem oder mehreren namentlich genannten Mitgliedstaaten anbietet. Vielmehr ist die Webseite beim Start dadurch geprägt, dass der Bekl. sich zunächst als Experte auf dem Gebiet der afrikanischen Stammeskunst vorstellt und seine Expertisen als Sachverständiger anbietet. Zudem werden Messen in Brüssel und New York herausgestellt. Unter dem Kapitel ‚Events’ werden Ausstellungen in Paris, New York, London, Brüssel und Maastricht vorgestellt. Eine Werbung für eigene Produkte findet nicht statt.
[21]Die Rubrik ‚Appraisal’ weist drauf hin, dass Begutachtungen zu Echtheit und Wert von Objekten afrikanischer Stammeskunst von ihm durchgeführt werden. Nur in diesem Zusammenhang erscheint ein Online-Formular wie es in Anl. K 14 wiedergegeben ist, zum Ausfüllen. In diesem Bereich haben die Parteien indes keinen Vertrag geschlossen.
[22]Die Rubriken ‚Collection’ und ‚Publications’ zeigen lediglich die Sammlungen des Bekl. und Ausstellungskataloge im Bereich der X. Verkaufsofferten oder Ähnliches sind nicht zu finden. Im Video wird eine Ausstellung im Jahre 2017 in einer Galerie in Paris von ihm als Experten vorgestellt. Lediglich unter der Rubrik ‚Contact’ findet sich, wie aus der Anl. K 13 ersichtlich, die Adresse des Bekl., Telefon- und Faxnummer und Internetadresse sowie öffentliche Verkehrsmittel in B., die zu seiner Adresse führen. Die Webseite ist entweder auf Englisch oder auf Französisch gehalten. Da lediglich Galerien und Messen in London, New York, Paris, Brüssel und Maastricht vorgestellt werden und dort Englisch – dies dürfte auch für Maastricht in den Niederlanden gelten – oder Französisch gesprochen wird, deutet der gesamte Aufbau der Webseite des Bekl. darauf hin, dass er in diesen speziellen Ländern seine Kunden ansprechen und werben will. Galerien und Messen in Deutschland, die in dem Bereich der X Ausstellungsstücke anbieten, werden von ihm, wie das LG zu Recht gesehen hat, nicht erwähnt oder beworben. Da in Galerien und Messen die Sammlungen der Anbieter präsentiert werden und der Bekl. ansonsten nur dezidiert seine Sachverständigentätigkeit anbietet, lässt sich seinem Internetauftritt nichts entnehmen, dass den Willen offenbart, mit Kunden aus Deutschland ins Geschäft zu kommen. Insbesondere Kommissionsgeschäfte, wie sie hier streitgegenständlich sind, werden an keine Stelle erwähnt, auch für die genannten Städte nicht.
[23]Gegen ein Ausrichten seiner Tätigkeit in Deutschland spricht auch die Tatsache, dass der Kl. den Bekl. nur über einen belgischen Galeristen, der den Bekl. als Fachmann kannte, empfohlen bekommen hat. Der Bekl. selbst ist nicht werbend in Erscheinung getreten und hatte den belgischen Kunsthändler A auch nicht als seinen Vermittler eingesetzt. Zwar ist ein Kausalzusammenhang zwischen den Werbemaßnahmen des Bekl. und dem konkreten Rechtsgeschäft nicht erforderlich, jedoch würde es als Indiz dafür dienen, dass der Vertrag an eine solche Tätigkeit anschließt. Da hier aber das Gegenteil der Fall ist, der Kl. den Bekl. erst durch Vermittlung eines weiteren Galeristen aufgesucht hat, ist der Rückschluss möglich, dass der Bekl. seine Tätigkeit nicht auf den deutschen Markt ausgerichtet hat.
[24]Dem steht nicht entgegen, dass der Bekl. Kunstwerke aus dem deutschen Auktionshaus C in Stadt 2 bezieht, da es sich um Beschaffungsgeschäfte handelt, die nicht in den Bereich der Tätigkeit des in Rede stehende Vertrags fallen. Auch die Verkäufe an fünf deutsche Sammler deuten ohne nähere Angaben nicht auf eine Ausrichtung seiner Tätigkeit auf Deutschland hin, da zum einen nicht bekannt ist, wie die Ankäufe zustande gekommen sind, möglicherweise anlässlich eines Besuchs der Sammler in B. oder auf einer Messe. Zum anderen handelt es sich um Ankäufe und nicht um ein Kommissionsgeschäft, wie das streitgegenständliche. Die Tatsache, dass sich die Galerie des Bekl. in B. befindet und er seine Kunstgegenstände auch in Maastricht unweit der deutschen Grenze anbietet und dabei davon ausgeht, dass auch deutsche Kunden seine Galerie bzw. seinen Messestand besuchen, stellt entgegen der Ansicht des Kl. noch kein ‚Ausrichten’ i.S.v. Art. 17 I lit. c EuGVO dar. Es fehlt der offenkundige Ausdruck des Willens, einen Verbraucher gerade aus einem bestimmten Mitgliedstaat zu gewinnen. Jeder zahlende Kunde ist willkommen, der zu ihm kommt. Darüber hinaus handelt es sich bei den Tätigkeiten des Bekl. insoweit primär auch um Verkäufe seiner Kunstgegenstände und nicht die seiner Kunden. Eine Auswahl wird durch die Nähe zu Deutschland nicht getroffen.
[25]Über das vom Kl. für seine Mutter getätigte Geschäft im Jahre 2006 sind keine Einzelheiten bekannt, die Rückschlüsse auf eine Ausrichtung des Bekl. auf deutsche Kunden zulassen. Im Übrigen handelt es sich bei der Mutter des Kl. auch nicht um eine Verbraucherin sondern um eine gewerblich tätige Kunsthändlerin. Diese Geschäfte sind mit den Angeboten an Verbraucher nicht zu vergleichen.
[26]Soweit der Kl. das Angebot des Bekl. an die Kunstberaterin Frau B als Beleg für ein Ausrichten der Tätigkeit des Bekl. auf Deutschland ansieht, ist dieser Argumentation nicht zu folgen. Frau B ist auf Veranlassung des Kl. an den Bekl. herangetreten. Ein Ausrichten der Tätigkeit des Bekl. nach Deutschland hätte indes vorausgesetzt, dass der Bekl. gezielt an Frau B in Deutschland herangetreten wäre und ihr ein Angebot gemacht hätte. Dass der Bekl. eine gezielte Anfrage und einen Verkauf nach Deutschland nicht ablehnt, bedeutet nicht, dass er aktiv in Deutschland tätig sein will und seine Tätigkeit dahin ausrichtet. Darüber hinaus ist auf die Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Vertragsschluss des Kl. abzustellen. Die Anfrage von Frau B kam fünf Jahre nach dem Vertragsschluss.