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Verfahrensgang

OLG Saarland, Beschl. vom 19.02.2018 – 6 UF 11/18, IPRspr 2018-134

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Scheidung, Trennung

Leitsatz

Der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 III EGBGB kann auch in einem isolierten Verfahren – nach Rechtskraft der (Auslands-) Scheidung – gestellt werden. Der Ausgleichsanspruch verjährt nicht und unterliegt grundsätzlich auch nicht der Verwirkung.

§ 31 VersAusglG setzt nicht voraus, dass der Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem ein Versorgungsausgleichsverfahren bereits anhängig war.

Rechtsnormen

EGBGB Art. 17
FamFG §§ 58 ff.; FamFG § 102
VersAusglG § 31

Sachverhalt

Die ASt. ist südafrikanische Staatsbürgerin und bezieht Altersrente; daneben erhält sie Leistungen nach dem SGB XII. Die ASt. hat am 4.8.1972 den am 19.1.1930 geborenen und am 3.4.2015 verstorbenen Rechtsvorgänger des AGg. geheiratet, der die deutsche Staatsbürgerschaft besaß. Die Ehe wurde durch ein rechtskräftiges Urteil des High Court of Justice in London vom 17.1.2011 geschieden. Die ASt. hat nach dem Tod ihres Ehemanns bei der DRV Hinterbliebenenrente beantragt, die ihr unter Hinweis auf die Scheidung vom 17.1.2011 verweigert wurde. Daruafhin beantragte die ASt. im November 2015 die Durchführung des Versorgungsausgleichs.

Der AGg., ein Sohn des verstorbenen Ehemanns der ASt., hat nach entspr. Mitteilungen des AG – NachlG – in Saarbrücken vom 13.12.2016 und vom 1.2.2017 das ihm angefallene Erbe nicht innerhalb der Ausschlagungsfrist formgerecht ausgeschlagen und auch die Anfechtung der Erbschaft nicht erklärt.

In dem angefochtenen Beschluss hat das FamG den Antrag der ASt. zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer Beschwerde, mit der sie weiterhin die Durchführung des Versorgungsausgleichs begehrt, Verfahrenskostenhilfe beantragt und vorsorglich, das Verfahren nach § 69 I 3 FamFG an das FamG zurückzuverweisen. Der AGg. hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und hat insofern einen vorläufigen Erfolg, als der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das FamG zurückzuverweisen ist.

[2]Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich aus § 102 Nrn. 1 und 2 FamFG, weil die ASt. und ihr verstorbener Ehemann ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten und unabhängig davon über inländische Anrechte zu entscheiden ist, nachdem beide Ehegatten während der Ehezeit ersichtlich Rentenanwartschaften in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erworben hatten.

[3]Der angefochtene Beschluss kann keinen Bestand haben, weil das FamG zu Unrecht angenommen hat, dass ein Anspruch auf Durchführung des Versorgungsausgleichs unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehe. Insbesondere hat das FamG nicht beachtet, dass die ASt. bereits nach Art. 17 III 2 EGBGB die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht verlangen kann. Voraussetzung dafür ist, dass einer der Ehegatten in der Ehezeit ein Anrecht bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat und die Durchführung des Versorgungsausgleichs insbesondere im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse während der gesamten Ehezeit der Billigkeit nicht widerspricht. Ein dahin gehender Antrag ist dem Vorbringen der ASt. zumindest sinngemäß zu entnehmen, nachdem sie zu sämtlichen Voraussetzungen des Art. 17 III 2 EGBGB vorgetragen hat und mit dieser Begründung die Durchführung des Versorgungsausgleichs begehrt. Da auch davon auszugehen ist, dass zumindest einer der Ehegatten während der Ehezeit Anrechte bei einem inländischen Versorgungsträger erworben hat und Billigkeitsgesichtspunkte, die der Durchführung des Versorgungsausgleichs entgegenstehen könnten, nicht ersichtlich sind, sind die Voraussetzungen des Art. 17 III 2 EGBGB erfüllt. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob unter den gegebenen Umständen auch die Voraussetzungen des Art. 17 III 1 EGBGB vorliegen, wofür indes einiges spricht.

[4]Unerheblich ist auch, dass die ASt. erst rund fünf Jahre nach Rechtskraft der Scheidung die nachträgliche Durchführung des Versorgungsausgleichs verlangt; das Gesetz sieht insoweit keine zeitliche Einschränkung vor und auch der Gesichtspunkt der Verwirkung hat in solchen Fällen grundsätzlich keine Bedeutung. Vielmehr kann der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs nach Art. 17 III EGBGB auch in einem isolierten Verfahren später nachgeholt werden und der Ausgleichsanspruch verjährt nicht; (BGH, FamRZ 2014, 105; FamRZ 2007, 996 (IPRspr 2007-62); FamRZ 1993, 176 (IPRspr. 1992 Nr. 107); vgl. auch OLG Bamberg, FamRZ 2018, 182). Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Vertiefung, wie es zu werten ist, dass die ASt. nach ihrer Behauptung bis zum Erhalt der Schreiben der DRV vom 22.4. und 13.5.2015 (...) davon ausgegangen war, bis zum Tod ihres früheren Ehegatten mit diesem verheiratet gewesen zu sein.

[5]Entgegen der Auffassung des FamG steht der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch nicht entgegen, dass der Ehemann der ASt. am 3.4.2015 verstarb, denn dies hat nach § 31 I 1 VersAusglG zunächst nur zur Folge, dass das Recht des überlebenden Ehegatten auf Wertausgleich gegen die Erben geltend zu machen ist, was die ASt. vorliegend tut. Eine irgendwie geartete Einschränkung des § 31 VersAusglG dahin gehend, dass die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen gegen die Erben nur in Betracht kommt, wenn der Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem ein Versorgungsausgleichsverfahren bereits anhängig war, besteht nicht. Sie ergibt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut und es sind auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die diese Einschränkung etwa nach Sinn und Zweck der Regelung gebieten könnten. Solche werden auch vom FamG nicht aufgezeigt, insbesondere ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses hierzu nicht, welcher Schutzzweck damit verfolgt werden soll. Vielmehr spricht entscheidend gegen die Erwägungen des FamG, dass es nicht einzusehen ist, weshalb die Folgen eines eher zufälligen Ereignisses wie der Tod eines Ehegatten für die Frage des Versorgungsausgleichs unterschiedlich zu beurteilen sein sollen, je nachdem, ob bereits ein Versorgungsausgleichsverfahren anhängig war oder nicht. Zudem führt die Auffassung des FamG gerade in dem vorliegenden Fall zu dem völlig unbilligen Ergebnis, dass die ASt. einerseits keine Anrechte auf eine Hinterbliebenenrente hätte und andererseits auch nicht an den während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften ihres früheren Ehemanns partizipieren könnte.

Fundstellen

Bericht

Adamus, FamRB, 2018, 221, mit Anm.
NJW-Spezial, 2018, 326

LS und Gründe

FamRZ, 2018, 1075
NJW-RR, 2018, 644

nur Leitsatz

NJW, 2018, 2209

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2018-134

Lizenz

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