Sind die von Art. 15 I des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 20.7.1977 (BGBl. 1980 II 926) geforderten formellen Nachweise nicht beigebracht, kann das Gericht allein deswegen die Zulassung eines israelischen Urteils zur Zwangsvollstreckung versagen.
Im Beschwerdeverfahren kann das Gericht auch ohne Beibringung der von Art. 15 I des Vertrags geforderten formellen Nachweise eine israelische Entscheidung zur Zwangsvollstreckung zulassen, wenn es sich aufgrund anderweitiger tragfähiger Feststellungen die Überzeugung davon verschafft, dass die Zulassungsvoraussetzungen nach Art. 10 des Vertrags vorliegen.
Die ASt. begehrt die Vollstreckbarerklärung eines Urteils des Amtsgerichts Tel Aviv-Jaffa vom 19.10.2008 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30.11.2008 nach dem deutsch-israelischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag. Auf ihren zuletzt eingeschränkten Antrag hat das LG eine Teilvollstreckungsklausel erteilt.
Die Beschwerde der AGg. hat das OLG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die AGg. mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II. [3] Die gemäß Art. 11 des Vertrags i.V.m. §§ 15 I, 1 I Nr. 1 lit. d AVAG i.d.F. vom 3.12.2009, § 574 I 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das BeschwG ...
[5] 2. ... Die vom BeschwG getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass die Voraussetzungen für eine Vollstreckbarerklärung vorlagen ...
[7] b) Bei der Entscheidung über den Antrag auf Zulassung der Zwangsvollstreckung hat sich das angerufene Gericht gemäß Art. 16 I des Vertrags auf die Prüfung zu beschränken, ob die nach Art. 15 erforderlichen Urkunden beigebracht sind und ob einer der in Art. 5 oder 6 II genannten Versagungsgründe vorliegt. Liegen keine Versagungsgründe vor und sind die erforderlichen Urkunden beigebracht, darf die Vollstreckbarerklärung nicht versagt werden. Der Entscheidung des BeschwG lässt sich nicht entnehmen, dass die in Art. 15 genannten Unterlagen vorlagen.
[8] aa) ... [9] ... Dieser – mit Art. 47 Nr. 1 Alt. 2 EuGVÜ übereinstimmende – Zweck des Zustellungsnachweises wird sowohl durch eine Zustellung nach dem Recht des Entscheidungsstaats, etwa zum Zwecke der verfahrensabschließenden Bekanntgabe der Entscheidung, als auch durch eine Zustellung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats erreicht. Weil das deutsche Beschwerderecht es dem Gläubiger erlaubt, die beizubringende Urkunde über die Zustellung der zu vollstreckenden Entscheidung noch im Rechtsbehelfsverfahren vorzulegen (vgl. zum EuGVÜ: EuGH, Urt. vom 14.3.1996 – Roger van der Linden ./. Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik, Rs C-275/94, Slg. 1996 I-1393 Rz. 14, 16, 19), bleibt eine Beschwerde des Schuldners erfolglos, wenn diesem der Titel gemeinsam mit dem die Vollstreckbarkeit anordnenden Beschluss zugestellt wird (BGH, Beschl. vom 21.10.2004 – IX ZB 53/03 (IPRspr 2004-167), NJW–RR 2005, 295, 296). Das gilt wegen der inhaltlichen Orientierung der Vertragsregelungen am EuGVÜ (vgl. BGH, Beschl. vom 18.9.2001 – IX ZB 75/99 (IPRspr. 2001 Nr. 184), WM 2001, 2121, 2123; vom 9.10.2014 – IX ZB 46/13, IPRspr. 2014 Nr. 237b, 604 Rz. 8) vorliegend in gleicher Weise. Ein Zustellungsnachweis i.S.v. Art. 15 I Nr. 5 des Vertrags ist damit als geführt anzusehen.
[10] bb) Ob indes die weiteren Nachweise im Sinne des Art. 15 I Nrn. 1 bis 3 und Nr. 7 beigebracht sind, lässt das BeschwG offen. Von deren Vorliegen kann der Senat nicht ausgehen.
[11] Nach Art. 15 I Nr. 1 ist eine von dem Gericht des Entscheidungsstaats hergestellte beglaubigte Abschrift der Entscheidung beizubringen. Hieraus ergibt sich, dass die beglaubigte Abschrift in der in Israel vorgeschriebenen Form einzureichen ist (vgl. Denkschrift zum Vertrag, BT-Drucks. 8/3866 S. 16 zu Art. 15; locus regit actum). Die israelischen Rechtsvorschriften bestimmen auch, wie der gemäß Art. 15 I Nrn. 2 und 3 erforderliche Nachweis zum Eintritt der Rechtskraft und zur Vollstreckbarkeit der Entscheidung zu erbringen ist. Denn aus diesen Vorschriften ergibt sich, ob die Entscheidung in Israel als Entscheidungsstaat nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln anfechtbar (Art. 10 Nr. 2, 3) und ob sie dort vollstreckbar ist (Art. 10 Nr. 1, 15 I Nr. 3 ). Hierzu verhält sich die Beschwerdeentscheidung nicht. Die AGg. hat eine Verletzung der für die Herstellung dieser Urkunden maßgeblichen israelischen Verfahrensvorschriften unter Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme gerügt. Diese hat das BeschwG für nicht maßgeblich erachtet, Feststellungen zum Inhalt und zur Einhaltung des relevanten israelischen Rechts hat es nicht getroffen ...
[12] c) Das BeschwG war entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde allerdings nicht gehindert, auch ohne Beibringung der von Art. 15 I geforderten formalen Nachweise die Vollstreckung einer israelischen Entscheidung zuzulassen. Dies setzt jedoch anderweitige Feststellungen zum Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen nach Art. 10 voraus. Die vom BeschwG gegebene Begründung genügt hierfür nicht.
[13] aa) ... (1) Die Voraussetzungen, unter denen israelische Entscheidungen zur Zwangsvollstreckung zugelassen werden, legt Art. 10 fest (vgl. Denkschrift aaO S. 16). Es muss sich um die Entscheidung eines Gerichts (i.S.d. Art. 1 und 2 ) handeln, diese Entscheidung muss im Urteilsstaat vollstreckbar sein (Art. 10 Nr. 1) und sie muss in Deutschland anzuerkennen (i.S.d. Art. 3 bis 7) sein. Aus Art. 9 ergibt sich, dass die Anerkennung automatisch und ohne besonderes Verfahren erfolgt, aus Art. 8 , dass die Anerkennung nur aus genau bestimmten, nämlich den in Art. 5 und Art. 6 II genannten Gründen, versagt werden darf ...
[16] (3) Aus der in Art. 16 I formulierten Beschränkung des Prüfungsumfangs ergibt sich nichts anderes. Ausgangspunkt ist auch insoweit der im Vertrag zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass die gerichtlichen Entscheidungen im jeweils anderen Vertragsstaat regelmäßig zur Zwangsvollstreckung zuzulassen sind. Hinsichtlich des Verfahrensrechts für die Zulassungsentscheidung verweist Art. 11 ausdrücklich auf das Recht des Vollstreckungsstaates (vgl. auch BT-Drucks. 8/3867 S. 11 zum dt. AusfG).
[17] (a) Israel und Deutschland strebten mit dem Vertrag eine Verbesserung der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen gegenüber den bis dahin allein maßgeblichen innerstaatlichen Vorschriften an (vgl. Denkschrift aaO S. 11). Israelischen Titelgläubigern stand zuvor nur das Klageverfahren nach den §§ 722 f. ZPO zur Verfügung, das auf einen zweiten Prozess über mehrere Instanzen hinauslief, der sich nicht zuletzt wegen der Zulässigkeit aller Beweismittel als kostspielig, zeitraubend und damit wenig praxistauglich erwiesen hatte (vgl. Denkschrift zum EuGVÜ-AusfG, BT-Drucks. VI/1973 S. 49; Begr. AVAG, BT-Drucks. 11/351 S. 16; Geimer, IZPR, 7. Aufl., Rz. 3125; Zöller-Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 722 Rz. 36). Das israelische Vollstreckungsgesetz vom 10.2.1958 (Übers.: JMBl. NRW 1959, 6 f.) sah zwar ein Verfahren zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel vor. Dennoch erklärten israelische Gerichte nur vereinzelt deutsche Entscheidungen für vollstreckbar, was die Vertragsstaaten gleichfalls als unbefriedigend empfanden (Denkschrift aaO).
[18] (b) Vor diesem Hintergrund dienen Art. 15, 16 I des Vertrags dazu, das Gericht bei seiner Entscheidung, ob die Zwangsvollstreckung zuzulassen ist, von der Prüfung zu entlasten, ob die in Art. 10 genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Entscheidung zur Zwangsvollstreckung tatsächlich vorliegen. [...] Das Gericht kann einerseits eine Vollstreckbarerklärung allein u. Hinw. auf nicht erbrachte Nachweise ablehnen. Umgekehrt – und dies bringt Art. 16 I zum Ausdruck (vgl. Begr. zu § 7 AusfG, BT-Drucks. 8/3867 S. 12: ‚Die Prüfung ... darf sich ... nur darauf erstrecken’) – wird die Prüfungskompetenz des Gerichts insofern beschränkt, als ohne Vorliegen von Anerkennungsversagungsgründen (Art. 5, 6 I) die Zulassung zur Zwangsvollstreckung nicht versagt werden darf, wenn die von Art. 15 I geforderten Nachweise erbracht sind.
[19] (c) Art. 16 I des Vertrags schließt es nicht aus, dass Deutschland die Vollstreckung einer israelischen Entscheidung auch dann zulässt, wenn es hierzu durch den Vertrag nicht verpflichtet ist. Das entspricht einem allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz [vgl. Begr. § 1 AVAG BT-Drucks. 11/351 S. 18; bezogen auf ausländische Schiedssprüche Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 23. Aufl., Anh zu § 1061 Rz. 134; z. Anerkennung BGH, Urt. vom 18.3.1987 – IVb ZR 24/86 (IPRspr. 1987 Nr. 145), NJW 1987, 3083, 3084 unter 2. c) m.w.N.]. Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge zielen nicht auf eine Erschwerung, sondern auf eine Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckung (BGH aaO; BT-Drucks. 11/351 aaO) und auf die Beseitigung verfahrensrechtlicher Hindernisse bei der Vollstreckung ausländischer Urteil ab.
[20] Das nach Art. 11 des Vertrags anzuwendende deutsche Verfahrensrecht ermöglicht es dem BeschwG, die Vollstreckungsvoraussetzungen und Versagungsgründe auf Betreiben und unter Beteiligung des Antragsgegners umfassend zu prüfen ...
[21] bb) Hiervon ausgehend ist es dem BeschwG möglich, seine Überzeugung vom Vorliegen der – vom Antragsteller ggf. zu beweisenden – Zulassungsvoraussetzungen i.S.v. Art. 10 des Vertrags nach dem Maßstab des § 286 I 1 ZPO in freier Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen zu gewinnen und die notwendigen Feststellungen zum Inhalt des israelischen Rechts zu treffen. Diesem Maßstab wird die Entscheidung des BeschwG nicht gerecht.
[22] (1) Verzichtet das BeschwG – wie hier – auf das Vorliegen der Nachweise des Art. 15 I des Vertrags, muss es aus anderen Quellen die volle richterliche Überzeugung davon gewinnen, dass eine Entscheidung eines israelischen Gerichts (i.S.d. Art. 1 und 2) mit dem behaupteten Inhalt existiert und – soweit für den Umfang der Zwangsvollstreckung von Bedeutung – rechtskräftig ist. Es muss ferner die Überzeugung gewinnen, dass diese Entscheidung in Israel nach dortigem Recht vollstreckbar ist, mithin die dort geltenden Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 10 Nr. 1). Hierfür werden regelmäßig Feststellungen zum Inhalt des israelischen Rechts zu treffen sein (§ 293 ZPO).
[23] Die Beschwerdeentscheidung genügt diesem Prüfungsmaßstab nicht und erweist sich als lückenhaft. Die Überzeugung vom Vorliegen eines zur Zwangsvollstreckung zuzulassenden israelischen Urteils wird allein darauf gestützt, dass die von der AGg. erhobenen Einwände im Hinblick auf das Beibringungserfordernis nach Art. 15 I des Vertrags lediglich formaler Art seien. Feststellungen zum israelischen Recht fehlen. Damit verabsäumt es das BeschwG, Feststellungen zum behaupteten Urteil und insbes. zu den Voraussetzungen einer Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in Israel zu treffen. Es nimmt nicht in den Blick, dass die erhobenen Einwände – etwa dazu, dass der Rechtskraftvermerk von einer hierfür unzuständigen Person angebracht worden sei – auch die Voraussetzungen nach Art. 10 I berühren können.
[24] 3. Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben (§ 577 IV 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil noch weitere Feststellungen zu treffen sind.