Die Vorschriften des AVAG sind auf die Vollstreckbarerklärung eines belgischen Urteils aus dem Jahr 2011 anwendbar. Bei Entscheidungen, die in einem vor dem 10.1.2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, richtet sich das Verfahren der Vollstreckbarerklärung gemäß Art. 66 II EuGVO noch nach der VO (EG) Nr. 44/2001. Auf solche Altverfahren sind die Vorschriften des AVAG entsprechend anzuwenden. [LS der Redaktion]
Mit Urteil des Berufungsgerichts in Brüssel vom 16.11.2011 wurde die Schuldnerin auf Zahlung an die Gl. verurteilt. Das LG Frankfurt/Main erklärte dieses Urteil mit Beschluss vom 23.9.2016 für vollstreckbar und setzte die von der Schuldnerin bis zur Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung zu erbringende Sicherheitsleistung auf 13.200.000 € fest. Die Vollstreckbarerklärung wurde der Schuldnerin erst im Mai 2017 zugestellt.
Auf Grundlage der mit der Vollstreckungsklausel versehenen Vollstreckbarerklärung hat das AG F. auf Antrag der Gl. durch Beschluss vom 12.10.2016 Forderungen der Schuldnerin gegen mehrere Drittschuldner gepfändet. Auf die Erinnerung der Schuldnerin hat es mit Beschluss vom 7.11.2016 den Pfändungsbeschluss aufgehoben und die Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses von seiner Rechtskraft abhängig gemacht. Die sofortige Beschwerde der Gl. hat das BeschwG mit Beschluss vom 16.1.2017 zurückgewiesen. Wie das AG hat auch das BeschwG angenommen, ein Pfändungsbeschluss habe vor Zustellung der Vollstreckbarerklärung nicht erlassen werden dürfen. Gegen die Entscheidung des BeschwG hat die Gl. Rechtsbeschwerde eingelegt. Die Schuldnerin hat Hinterlegungsbescheinigungen vorgelegt, nach denen sie am 21.11.2016 und am 23.3.2017 bei der Gerichtskasse F. Beträge von insges. 13.200.000 € hinterlegt hat. Sie begehrt die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung des Pfändungsbeschlusses.
II. [4] Entsprechend § 20 II AVAG ist die Zwangsvollstreckung einzustellen und der erlassene Pfändungsbeschluss aufzuheben.
[5] 1. Die Vorschriften des AVAG i.d.F. vom 30.11.2015 sind hier entsprechend anwendbar. Da sich die Vollstreckbarerklärung auf ein belgisches Urteil aus dem Jahr 2011 und somit auf eine Entscheidung bezieht, die in einem vor dem 10.1.2015 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen ist, richtet sich das Verfahren der Vollstreckbarerklärung gemäß Art. 66 II EuGVO nach der VO (EG) Nr. 44/2001 (EuGVO a.F.) Auf solche Altverfahren sind die Vorschriften des AVAG entsprechend anzuwenden (vgl. BGH, Beschl. vom 17.5.2017 – VII ZB 64/15 (IPRspr 2017-280) m.w.N.).
[6] 2. Die Regelung des § 20 II AVAG entspricht §§ 775 Nr. 3, 776 Satz 1 ZPO (vgl. BT-Drucks. 11/351 S. 26 zu § 22 II AVAG i.d.F. von 1988). Liegt ein in § 775 ZPO (oder entspr. in § 20 II AVAG) benanntes Vollstreckungshindernis vor, stellt das Vollstreckungsorgan von Amts wegen die Vollstreckung ein (vgl. MünchKommZPO-Schmidt/Brinkmann, 5. Aufl., § 775 Rz. 24; Musielak-Voit-Lackmann, ZPO, 14. Aufl., § 775 Rz. 12; Wieczorek-Schütze-Spohnheimer, ZPO, 4. Aufl., § 775 Rz. 50; Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 775 Rz. 9; HK-ZPO-Kindl, 7. Aufl., § 775 Rz. 14; vgl. auch BGH, Urt. vom 27.6.1957 – III ZR 51/56, BGHZ 25, 60, 65 f.).
[7] Für die Pfändung von Forderungen ist grunds. das AG als Vollstreckungsgericht zuständiges Vollstreckungsorgan, §§ 764, 828 ZPO. Jedenfalls soweit diesbezüglich ein zulässiges Rechtsmittelverfahren anhängig ist, geht die Zuständigkeit kraft Devolutiveffekts auf das jeweilige Rechtsmittelgericht über (vgl. Wieczorek-Schütze-Bittmann aaO § 764 Rz. 4; Wieczorek-Schütze-Lüke aaO § 828 Rz. 3a; Zöller-Stöber aaO § 764 Rz. 1 und § 828 Rz. 1). Aufgrund der zulässigen Rechtsbeschwerde der Gl. ist daher der BGH in Bezug auf den angefochtenen Pfändungsbeschluss zuständiges Vollstreckungsorgan.
[8] 3. Die Voraussetzungen für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung und eine Aufhebung des Pfändungsbeschlusses nach § 20 II AVAG sind gegeben, weil die Schuldnerin durch Vorlage von öffentlichen Urkunden nachgewiesen hat, dass sie Sicherheit i.H.v. 13.200.000 € geleistet hat ...
[11] Zwar hat die Schuldnerin in ihrem Antrag auf Annahme der Geldhinterlegung vom 28.10.2016 in dem hierbei ausgefüllten Formblatt in der Zeile ‚3. Hinterlegungsgrund’ bei der vorgesehenen Möglichkeit ‚a) Sicherheitsleistung’ lediglich ‚--’ eingetragen. Sie hat dann jedoch unter ‚b) sonstige (Angabe zur Rechtfertigung der Hinterlegung)’ angegeben: ‚Die Hinterlegung erfolgt aufgrund von § 20 I Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG)’. Außerdem hat sie in dem begleitenden Schriftsatz, der ebenfalls als Antrag auf Annahme von Geldhinterlegung bezeichnet ist, als Begründung ausgeführt, dass die Gl. offenbar am 23.9.2016 einen Beschluss des LG Frankfurt/Main (2-03 O 315/16) zur Vollstreckbarerklärung eines zwischen den Parteien ergangenen Urteils in Belgien erwirkt habe. Die Schuldnerin sei nach § 20 I AVAG befugt, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe des Betrags abzuwenden, wegen dessen der Berechtigte vollstrecken darf. Die Schuldnerin beantrage insofern die Annahme der Geldhinterlegung.
[12] Diese Erklärungen können nicht anders verstanden werden, als dass der Geldbetrag zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der Vollstreckbarkeitserklärung vom 26.9.2016 hinterlegt wurde ...
[14] c) Die Höhe der von der Schuldnerin geleisteten Sicherheitsleistung entspricht der Festsetzung in der Vollstreckbarerklärung vom 23.9.2016, die erkennbar eine Sicherheit i.S.v. § 20 AVAG betrifft. Sie reicht daher zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vor Rechtskraft der Vollstreckbarerklärung aus.
[15] Ob die hinterlegten 13.200.000 € dem Betrag entsprechen, wegen dessen der Berechtigte vollstrecken darf (§ 20 I AVAG), kann insoweit offen bleiben. Da allein die inländische Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung die maßgebliche Grundlage für die Zwangsvollstreckung in Deutschland ist (vgl. BGH, Beschl. vom 4.3.1993 – IX ZB 55/92 (IPRspr. 1993 Nr. 171), BGHZ 122, 16, 18 juris Rz. 17 m.w.N.), ist eine Zwangsvollstreckung nicht über die in der Vollstreckbarerklärung enthaltenen Beschränkungen hinaus zulässig. Zu diesen Beschränkungen gehört auch die Festsetzung, dass die Abwendung der Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in einer bestimmten Höhe abgewendet werden kann.