Gemäß Art. 35 I EuGVO alter Fassung wird eine ausländische (hier: finnische) Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II der EuGVO verletzt worden sind. Die Prüfung einer Verletzung der Regelung in Art. 16 II EuGVO, die in den Abschnitt 4 des Kapitels II der EuGVO fällt, ist hierbei maßgebend.
Ein Vertrag über die Lieferung eines Blockhaus-Bausatzes stellt keine Verbrauchersache im Sinne der Art. 15 ff. EuGVO alter Fassung dar, wenn der Vertrag zwar in erster Linie dem privaten Bereich des Antragsgegners zuzuordnen ist, zugleich jedoch erkennbar gewerblichen Zwecken von nicht nur ganz untergeordneter Bedeutung dient. [LS der Redaktion]
[Die vorgehenden Beschlüsse des OLG Frankfurt/Main vom 21.9.2010 (26 W 24/10) und des BGH vom 12.1.2012 (IX ZB 211/10) wurden bereits im Band IPRspr. 2012 unter der Nr. 259 abgedruckt.]
Der AGg. wendet sich gegen die vom LG mit dem angefochtenen Beschluss ausgesprochene Vollstreckbarerklärung eines gegen ihn in Finnland ergangenen Urteils (Restkaufpreiszahlung, Erstattung, Zahlung von Mehr- und Prozesskosten). Das LG Limburg an der Lahn hat durch Beschluss vom 23.4.2010 angeordnet, das Urteil des Berufungsgerichts K. (2007) mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Der AGg. hat gegen den Beschluss des LG beim OLG Beschwerde eingelegt. Der die Beschwerde zurückweisende Beschluss des Senats vom 21.9.2010 ist auf die von dem AGg. erhobene Rechtsbeschwerde durch Beschluss des BGH vom 12.1.2012 aufgehoben worden. Der BGH hat die Sache in seinem Beschluss zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das BeschwG zurückverwiesen.
[1]II. Die Beschwerde des AGg. gegen den Beschluss des LG Limburg vom 23.4. 2010 ist gemäß Art. 43 EuGVO (i.d.F. der VO [EG] Nr. 44/2001) i.V.m. § 11 AVAG statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
[2]In der Sache hat die Beschwerde des AGg. keinen Erfolg.
[3]Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Urteils des Berufungsgerichts K. (2007) ist gemäß § 7 I 1 AVAG von der ASt. als Rechtsnachfolgerin der in dem Titel als Gläubigerin bezeichneten A.P.O. wirksam gestellt worden. In dem im vorliegenden Fall eröffneten Anwendungsbereich der EuGVO kann der Nachweis der Rechtsnachfolge mit allen Beweismitteln geführt werden (BGH, Beschl. vom 12.1.2012 – IX ZB 211/10) (IPRspr 2012-259b). Die ASt. hat danach unter Berücksichtigung der Ergebnisse der durchgeführten Beweisaufnahme zum finnischen Recht nach Überzeugung des Senats den ihr obliegenden Nachweis erbracht, dass sie Rechtsnachfolgerin der in dem Urteil des Berufungsgerichts K. bezeichneten Gläubigerin A.P.O. geworden ist ...
[4]In der Sache darf die Vollstreckbarerklärung gemäß Art. 45 I EuGVO nur aus einem der in den Art. 34 f. EuGVO aufgeführten Gründen versagt oder aufgehoben werden. Ein solcher Grund ist nach Würdigung des Senats im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit der finnischen Gerichtsbarkeit nicht gegeben.
[5]Gemäß Art. 35 I EuGVO wird eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn die Vorschriften der Abschnitte 3, 4 und 6 des Kapitels II der EuGVO verletzt worden sind. Der Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 21.9.2010 bereits festgestellt, dass eine Verletzung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit nach Art. 22 EuGVO nicht in Betracht kommt. Die in Finnland wegen des Auftrags über die Lieferung des Blockhaus-Bausatzes erhobene Klage betraf insbesondere keine dinglichen Rechte an unbeweglichen Sachen im Sinne des Art. 22 Nr. 1 EuGVO. Nicht maßgeblich ist auch die von dem AGg. erhobene Rüge einer Verletzung des Art. 5 I EuGVO, da diese Vorschrift nicht den in Art. 35 I EuGVO genannten Abschnitten des Kapitels II zuzuordnen ist.
[6]Es verbleibt damit die Prüfung einer Verletzung der Regelung in Art. 16 II EuGVO, die in den Abschnitt 4 des Kapitels II der EuGVO fällt und vorsieht, dass die Klage des anderen Vertragspartners gegen den Verbraucher nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden kann, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Die Begründung des Verbrauchergerichtsstands setzt nach Art. 15 I EuGVO als Verfahrensgegenstand einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag voraus, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann. Danach schließt jeder relevante Bezug zu einer beruflich/gewerblichen Tätigkeit die Anwendung der Vorschriften über die Zuständigkeit bei Verbrauchersachen aus (Zöller-Geimer, ZPO, 31. Aufl., Art. 17 EuGGVO n.F., Rz. 5). Entsprechendes gilt für einen gemischten Vertrag, der sich nur teils auf einen beruflich-gewerblichen Zweck bezieht, es sei denn dieser Zweck ist unter Berücksichtigung sämtlicher tatsächlicher Umstände derart nebensächlich, dass er im Gesamtzusammenhang des betreffenden Geschäfts nur eine ganz untergeordnete Rolle spielt, wobei die Tatsache dass der nicht beruflich-gewerbliche Zweck überwiegt, ohne Bedeutung ist (EuGH, Urt. vom 20.1.2005 – Johann Gruber ./. Bay Wa AG, Rs C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32). Nicht als Verbrauchersachen erfasst werden auch Verträge, die zum Zwecke der Ausübung einer nicht gegenwärtigen, sondern zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit abgeschlossen werden (EuGH, Urt. vom 3.7.1997 – Francesco Benincasa ./. Dentalkit S.r.l., Rs C-269/95, ECLI:EU:C:1997:337).
[7]Nach diesen rechtlichen Maßstäben handelte es sich bei den in dem Rechtsstreit gegen den AGg. vor den finnischen Gerichten geltend gemachten Ansprüchen der Vertragspartnerin des AGg. aus dem Vertrag über die Lieferung eines Blockhaus-Bausatzes in Übereinstimmung mit der Würdigung des Obersten Gerichtshofs Finnlands in seinem Beschluss vom 14.10.2005 nicht um Verbrauchersachen im Sinne der Art. 15 ff. EuGVO. Zwar mag der geschlossene Vertrag in erster Linie dem privaten Bereich des AGg. zuzuordnen sein, da Bausatz zur Schaffung von Wohnraum für die Familie des AGg. diente. Der AGg. verfolgte aber mit dem Vertrag auch eine für seine Vertragspartnerin erkennbare gewerbliche Zwecksetzung, der den Umständen nach bei einer Gesamtbetrachtung eine nicht nur ganz untergeordnete Bedeutung zukam. Maßgebend ist dabei, dass nach den der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Finnlands vom 14.10.2005 zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen, die für den Senat – unabhängig von den diesbezüglichen Darlegungen des AGg. im vorliegenden Verfahren – gemäß Art. 35 II EuGVO bindend sind, ein enger Zusammenhang zwischen dem Vertrag über die Lieferung eines Blockhaus-Bausatzes und dem auf eine künftige Vertretertätigkeit des AGg. bezogenen Agenturvertrag bestand, weil zwischen den Vertragsparteien über beide Verträge im gleichen Zusammenhang gesprochen und die Verträge auch gleichzeitig unterzeichnet wurden ...
[8]Soweit der AGg. im vorliegenden Verfahren weitere Gründe für eine Versagung der Vollstreckbarerklärung geltend macht und meint, dass eine Vollstreckung des finnischen Urteils im Sinne des Art. 34 Nr. 1 EuGVO gegen den ordre public verstoße, wird auf die durch den Beschluss des BGH vom 12.1.2012 (aaO) nicht in Frage gestellte rechtliche Würdigung des Senats im Beschluss vom 21.9.2010 Bezug genommen.
[9]In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Senats in diesem Beschluss kann die Vollstreckbarerklärung auch für die Verpflichtung des AGg. zur Tragung von Prozesskosten i.H.v. 12 000 € nicht versagt werden. [...] Es liegt hinsichtlich der Kostenentscheidung nach der im Beschluss vom 21.9.2010 dargestellten Würdigung des Senats auch weder hinsichtlich des Urteilstenors noch hinsichtlich der Begründung der Entscheidung des finnischen Berufungsgerichts ein offenkundiger Widerspruch vor, der es rechtfertigen könnte, die Entscheidung des finnischen Gerichts ohne Verstoß gegen das Verbot einer révision au fond (vgl. dazu Zöller-Geimer aaO Art. 45 EuGVVO n.F. Rz. 6) berichtigend auszulegen.