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Verfahrensgang

AG Büdingen, Beschl. vom 06.03.2014 – 53 F 963/13, IPRspr 2014-85

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Güterrecht

Leitsatz

Unterliegt eine nach marokkanischem Recht vereinbarte Brautgabe dem deutschen Recht, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Scheidungsfolge im Sinne des Art. 17 EGBGB in der Fassung vom 23.1.2013 beziehungsweise um eine allgemeine Wirkung der Ehe im Sinne des Art. 14 I Nr. 1 EGBGB in der Fassung vom 25.7.1986. Die Brautgabe kann in der Regel weder dem Unterhaltsrecht noch dem Güterrecht, noch dem Erbrecht zugewiesen werden (im Anschluss an BGHZ 183, 287 = IPRspr. 2009 Nr. 62).

Rechtsnormen

EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 17; EGBGB Art. 229
Rom II-VO 864/2007 Art. 5
Rom III-VO 1259/2010 Art. 8

Sachverhalt

Die Beteiligten, die mittlerweile beide die marokkanische und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, haben anlässlich ihrer – nach vorausgegangenen Trennung – erneuten Eheschließung 1989 in Marokko u.a. Folgendes vereinbart: „Für die Rücknahme der Frau wurde eine Brautgabe in Höhe von zehntausend Deutsche Mark vereinbart. Der Ehemann hat einen Betrag in Höhe von 500 DM vor Ort geleistet. Der Rest wurde gestundet und ist bei Tod oder Scheidung fällig.“ Bei ihrer zweiten Eheschließung hatten die – noch ausschließlich dem marokkanischen Staat angehörenden – Ehegatten bereits ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland; die deutsche Staatsangehörigkeit erwarben sie vor der Zustellung des Scheidungsantrags. Die Ehe der Beteiligten wurde 2012 durch Beschluss des AG Friedberg geschieden. Die Scheidung erfolgte nach deutschem Recht.

Die ASt. begehrt die Zahlung der vereinbarten Brautgabe.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Die anlässlich ihrer zweiten Eheschließung getroffene Vereinbarung zwischen den Beteiligten unterliegt dem deutschen Recht. Die vereinbarte Brautgabe stellt eine allgemeine Wirkung der Ehe dar, für die nach dem für das vorliegende Verfahren noch anzuwendenden Art. 14 I EGBGB das deutsche Recht gilt (vgl. BGH, FamRZ 2010, 533 ff. (IPRspr 2009-62) Rz. 14). Aber auch nach dem neu gefassten Art. 17 I EGBGB wäre auf die Brautgabe das deutsche Recht anzuwenden.

[2]Nach Art. 14 I Nr. 1 EGBGB unterliegen die allgemeinen Wirkungen der Ehe dem Recht des Staats, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehört haben, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört. Bei der Eheschließung waren beide Ehegatten zwar marokkanische Staatsangehörige und sind dies auch nach wie vor, sie haben jedoch beide während der Ehe noch vor der Zustellung des Scheidungsantrags auch die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, so dass die allgemeinen Wirkungen der Ehe dem deutschen Rechts unterlagen, seitdem beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatten.

[3]Wird auf das Recht des Staats verwiesen, dem eine Person angehört, und gehört sie mehreren Staaten an, so ist nach Art. 5 I 1 EGBGB das Recht desjenigen dieser Staaten anzuwenden, mit dem die Person am engsten verbunden ist, insbesondere durch ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder durch den Verlauf ihres Lebens. Und ist die Person auch Deutscher, so geht nach Art. 5 I 12 EGBGB diese Rechtsstellung vor.

[4]Beide Beteiligten haben nicht nur schon vor Zustellung des Scheidungsantrags die deutsche Staatsangehörigkeit erworben, sondern waren auch schon zu Beginn ihrer zweiten Ehe dem deutschen Recht am engsten verbunden. Sie hatten beide schon damals ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland.

[5]Bei der zwischen den Beteiligten bei ihrer Wiederheirat vereinbarten Morgengabe handelt es sich um ein im deutschen Recht nicht vorgesehenes Rechtsinstitut. Der danach begründete Anspruch ist als eine allgemeine Wirkung der Ehe zu qualifizieren.

[6]Eine Brautgabe kann je nach Fallgestaltung aus der Sicht des deutschen Rechts Berührungspunkte mit dem ehelichen bzw. nachehelichen Unterhaltsrecht, dem Ehegüterrecht, dem Scheidungs- und Erbrecht aufweisen (vgl. BGH aaO). Es lässt sich aber weder generell noch für den vorliegenden Fall schwerpunktmäßig einem dieser Institute zuordnen.

[7]Die Brautgabe wurde nach dem Wortlaut der Vereinbarung für die ‚Rücknahme der Frau’ vereinbart und diente daher zunächst als eine Art Gegenleistung für die Eingehung der Ehe, also eine Art Hochzeitsgeschenk. Da die Brautgabe jedoch zu 95% gestundet wurde und erst beim Tod des AGg. oder bei einer erneuten Scheidung fällig werden sollte, weist die Brautgabe auch einen Bezug zum nachehelichen Unterhaltsrecht, zum Güterrecht und zum Erbrecht auf.

[8]Nach Art. 17 I EGBGB (in der seit 29.1.2013 g.F.) unterliegen die vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen, die nicht von anderen Vorschriften des dritten Abschnitts des EGBGB erfasst sind, dem nach der Rom-III-VO auf die Scheidung anzuwendenden Recht. Da die vereinbarte Brautgabe zu 95% bis zum Tod des AGg. oder der Scheidung gestundet war, spricht viel dafür, den Anspruch nicht nur als eine allgemeine Wirkung der Ehe, sondern darüber hinaus auch als eine vermögensrechtliche Scheidungsfolge zu qualifizieren.

[9]Da nach [der Übergangsvorschrift] § 28 I des Art. 229 EGBGB Art. 17 I in der am 29.1.2013 geltenden Fassung nur dann anzuwenden ist, wenn das Verfahren auf Ehescheidung nach dem 28.1.2013 eingeleitet worden ist, ist Art. 17 I EGBGB im vorliegenden Verfahren nicht anwendbar. Der Scheidungsantrag, aufgrund dessen die Ehe geschieden wurde, wurde bereits am 24.2.2010 bei Gericht eingereicht.

[10]Darüber hinaus wäre aber auch nach Art. 17 I EGBGB n.F. auf die Brautgabe das deutsche Recht anzuwenden. Die Scheidung unterlag sowohl nach dem alten als auch dem neuen Kollisionsrecht dem deutschen Recht. Nach Art. 17 I EGBGB a.F. unterlag die Scheidung dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend war. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe unterlagen – wie o.a. – bei der Zustellung des Scheidungsantrags, dem 4.5.2010, dem deutschen Recht. Und nach Art. 8 lit. a Rom-III-VO unterliegt die Ehescheidung dem Recht des Staats, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, wenn die Ehegatten keine Rechtswahl nach Art. 5 Rom-II-VO vereinbart haben. Beide Ehegatten hatten seit der Eheschließung immer ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und leben auch nach wie vor in Deutschland. Auch eine Rechtswahl haben die Ehegatten nicht getroffen.

[11]Die zwischen den Ehegatten vereinbarte Brautgabe ist nach deutschem Recht als eine unbenannte Zuwendung und somit als ein Vertrag sui generis zu qualifizieren (vgl. OLG Frankfurt, Urt. vom 11.3.2010 – 1 UF 146/08).

Fundstellen

LS und Gründe

NJW-RR, 2014, 1033
NZFam, 2014, 1145

Permalink

https://iprspr.mpipriv.de/2014-85

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