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Verfahrensgang

BGH, Urt. vom 09.12.2009 – XII ZR 107/08, IPRspr 2009-62

Rechtsgebiete

Ehe und andere familienrechtliche Lebens- und Risikogemeinschaften → Wirkungen

Leitsatz

Der Anspruch auf eine nach iranischem Recht vereinbarte Morgengabe unterliegt – als allgemeine Wirkung der Ehe – dem von Art. 14 EGBGB berufenen Sachrecht.

Zu den nach deutschem Sachrecht bestehenden Möglichkeiten, einen als Morgengabe in iranischer Währung vereinbarten Betrag an die iranische Geldwertentwicklung anzupassen.

Rechtsnormen

BGB § 313
EGBGB Art. 14; EGBGB Art. 15; EGBGB Art. 17; EGBGB Art. 18; EGBGB Art. 27 ff.; EGBGB Art. 28

Sachverhalt

Die Kl. begehrt vom Bekl. die Zahlung einer vereinbarten und nach Maßgabe des iranischen Rechts an die iranische Geldwertentwicklung angepassten Morgengabe. Die Parteien – damals iranische Staatsangehörige – schlossen 1992 in Teheran die Ehe. Dabei verpflichtete sich der Bekl. zur Leistung einer „Morgengabe“. Diese sollte bestehen aus: „ein Koran, ein Spiegel, ein Paar Kerzenträger und 15 000 000 IRR“ (nach dem Kursstand vom 29.3.2006 umgerechnet 1 428,23 €), die „restlos zulasten des Ehemanns gehen“ sollten „und bei Forderung seitens der Ehefrau ihr auszuzahlen“ seien. Die Heiratsurkunde trägt die Unterschrift mehrerer Zeugen, darunter auch eine des Vaters der Kl. 1993 verließen die Parteien den Iran und erwarben später die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde 2006 auf Antrag beider Parteien in Deutschland nach deutschem Recht rechtskräftig geschieden. Die Kl. verlangt vom Bekl. als Morgengabe die vereinbarte, aber nach Maßgabe des iranischen Rechts an die dortige Geldwertentwicklung angepasste Geldleistung in Höhe von (15 000 000 IRR x 274,5 : 27,9 =) 147 580 500 IRR (13 204,60 €).

Das AG hat den Bekl. zur Zahlung von lediglich 1 428,23 €  (Nominalbetrag, umgerechnet) verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das OLG der Klage in vollem Umfang entsprochen. Hiergegen wendet sich der Bekl. mit der zugelassenen Revision.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg.

[2]II. ... 1. Das OLG geht zu Unrecht davon aus, dass die Vereinbarung über die Morgengabe nach iranischem Recht zu beurteilen und die Morgengabe deshalb auch nach Maßgabe dieses Rechts an die iranische Geldwertentwicklung anzupassen sei. Nach welchem Recht Vereinbarungen, in denen sich ein Ehegatte zur Zahlung einer sog. Morgengabe verpflichtet, zu beurteilen sind, bestimmt sich vorrangig danach, wie solche Vereinbarungen nach deutschem IPR zu qualifizieren sind.

[3]a) Die Frage nach der Qualifikation von Morgengabeversprechen konnte der BGH bislang dahinstehen lassen (vgl. Senatsurteile vom 14.10.1998 – XII ZR 66/97, FamRZ 1999, 217 (IPRspr. 1998 Nr. 89); 28.1.1987 – IVb ZR 10/86, FamRZ 1987, 463, 464 (IPRspr. 1987 Nr. 48); 6.10. 2004 – XII ZR 225/01, FamRZ 2004, 1952, 1958 (IPRspr 2004-135)). In Rspr. u. Lit. wird diese Frage unterschiedlich beantwortet.

[4]Allgemein wird darauf verwiesen, dass sich das tief im islamischen Recht verwurzelte Rechtsinstitut der Morgengabe (auch ‚Brautgabe’ oder mahr) in allen islamischen Rechtsordnungen ähnele, dabei aber – nach Tradition und aktueller Funktion – unterschiedliche Vorstellungen und Ziele verwirkliche. Angeführt wird etwa das überkommene Verständnis der Morgengabe als einer Gegenleistung für die körperliche Hingabe der Frau oder als Äquivalent für den dem Mann in der Ehe geschuldeten Gehorsam. In Rechtsordnungen, welche die Verstoßungsscheidung kennen, soll die Morgengabe (auch) den Zweck verfolgen, den Ehemann von einer missbräuchlichen Ausübung seines Verstoßungsrechts abzuhalten. Eine heute wohl vorrangige Funktion der Morgengabe wird im Aufbau von Vermögen für die Ehefrau gesehen, die bei Scheidung oder Tod des Mannes vielfach schutzlos dastehe. Insoweit wird auf den im klassisch-islamischen Recht seit alters her geltenden Güterstand der Gütertrennung und eine dort nur eng begrenzte Verpflichtung des Ehemanns zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verwiesen (vgl. zum Ganzen etwa Wurmnest, RabelsZ 2007, 527, 538 ff.; Yassari, StAZ 2003, 198, 199 und 201; dies. FamRZ 2002, 1088, 1093 f.).

[5]Hieraus werden, wie das Berufungsgericht näher dargelegt hat, für die international-privatrechtliche Qualifikation der Morgengabe unterschiedliche Schlüsse gezogen (Überblick über den Meinungsstand bei Staudinger-Mankowski, BGB [2003], Art. 14 EGBGB Rz. 273 ff.; Johannsen-Henrich, Eherecht 4. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 6; Palandt-Heldrich, BGB, 68. Aufl., Art. 13 EGBGB Rz. 9; Henrich in Festschrift Sonnenberger 2004, 389; Wurmnest aaO 546 ff.). Zum Teil wird die Morgengabe jedenfalls dann, wenn sie nicht schon bei der Eheschließung bezahlt wird, den allgemeinen Wirkungen der Ehe zugeordnet und dem Art. 14 EGBGB unterstellt (OLG Köln, FamRZ 2006, 1380, 1381 (IPRspr 2006-47); Staudinger-Mankowski aaO; Johannsen-Henrich aaO; Henrich, Internationales Familienrecht, 2. Aufl., 69; ders. FS Sonnenberger aaO; ders., FamRZ 2004, 1958, 1959. Ebenso Palandt-Heldrich aaO, der allerdings Art. 18 IV EGBGB anwenden will, wenn die Morgengabe im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemacht wird; ebenso OLG Nürnberg, FamRZ 2001, 1613 (IPRspr. 2001 Nr. 56)). Andere Stimmen befürworten eine güterrechtliche Qualifikation (Art. 15 EGBGB; vgl. etwa OLG Bremen, FamRZ 1980, 606 (IPRspr. 1979 Nr. 179); MünchKomm-Siehr, 4. Aufl., Art. 15 EGBGB; Soergel-Schurig, BGB, 12. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 48 und Art. 15 EGBGB Rz. 35; Bamberger/Roth/Mörsdorf-Schulte, BGB, 2. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 20; Wurmnest aaO 553 ff.; vgl. auch OLG Köln, IPRax 1983, 73 (IPRspr. 1981 Nr. 67)). Nach wieder anderer Ansicht sind Vereinbarungen über die Morgengabe unterhaltsrechtlich zu qualifizieren (Art. 18 EGBGB; vgl. etwa OLG Celle, FamRZ 1998, 374, 375 (IPRspr. 1997 Nr. 82); KG, FamRZ 1988, 296 (IPRspr. 1987 Nr. 73); für Anwendung des Art. 18 IV EGBGB bei Geltendmachung der Morgengabe im Zusammenhang mit der Scheidung vgl. bereits oben OLG Nürnberg aaO und Palandt-Heldrich aaO). Mitunter wird auch eine schuldrechtliche Qualifikation in den Kreis möglicher Lösungen einbezogen (Art. 28 EGBGB; so etwa OLG Köln, NJW-RR 1994, 200 (IPRspr. 1993 Nr. 58); KG, FamRZ 1980, 470 (IPRspr. 1979 Nr. 182)). Nach einer weiteren Auffassung soll für die Qualifikation der Morgengabe der Kontext maßgebend sein, in dem die Ehefrau den Anspruch auf die Morgengabe geltend mache, mit der Folge, dass bei bestehender Ehe das Ehewirkungsstatut, bei Geltendmachung im Zuge einer Scheidung das Scheidungsstatut und bei Forderung der Morgengabe nach dem Tod des Ehemanns das Erbstatut Anwendung finde (vgl. etwa Heldrich, IPRax 1983, 64 und die ausf. Nachw. bei Wurmnest aaO 548 N. 120).

[6]b) Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an, nach welcher der Anspruch auf die Morgengabe als eine allgemeine Wirkung der Ehe zu qualifizieren und deshalb dem Art. 14 EGBGB zu unterstellen ist. Dabei geht der Senat davon aus, dass die Morgengabe – je nach Fallgestaltung – aus der Sicht des deutschen Rechts Berührungspunkte mit dem ehelichen bzw. nachehelichen Unterhaltsrecht, dem Ehegüterrecht, dem Scheidungs- und dem Erbrecht aufweisen kann, dass sie sich aber weder generell noch für den vorliegenden Fall schwerpunktmäßig einem dieser Institute zuordnen lässt.

[7]aa) Gegen eine ausschließlich unterhaltsrechtliche Qualifikation spricht bereits, dass die Morgengabe weder eine Bedürftigkeit der Ehefrau verlangt noch auf eine bestimmte Bedürfnislage der Ehefrau abgestimmt ist. Während des Bestehens der Ehe trifft den Ehemann eine umfassende Unterhaltspflicht, die nicht nur die Aufbringung der Haushaltskosten, sondern in sozialadäquatem Rahmen auch die persönlichen Bedürfnisse der Ehefrau einbezieht und von der Morgengabe unabhängig ist (Wurmnest aaO 551). Im Scheidungsfall dient die Morgengabe zwar auch der Versorgung der Ehefrau – mithin einer Funktion, die im deutschen Recht vom nachehelichen Unterhalt erfüllt wird. Dies ändert aber nichts daran, dass die – wenn auch eng begrenzte – Verpflichtung zum nachehelichen Unterhalt neben die Verpflichtung zur Zahlung der Morgengabe tritt; materiell-rechtlich wird also zwischen dem laufenden Unterhalt und der Grundlage der eigenen Vermögensbildung der Frau unterschieden (wie hier etwa Staudinger-Mankowski aaO; Bamberger-Roth-Otte, BGB, 2. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 64; Johannsen-Henrich aaO; Wurmnest aaO 551; Henrich, Internationales Familienrecht aaO).

[8]bb) Gegen eine güterrechtliche Qualifikation spricht, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Morgengabe für sich genommen keinen Güterstand begründet. Zwar kann die Morgengabe mögliche Nachteile, welche die vom iranischen Recht vorgegebene Gütertrennung (vgl. Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [158. Lfg.], Iran S. 50) für die Ehefrau im Scheidungsfall mit sich bringt, im Einzelfall in begrenztem Rahmen kompensieren. Sie zielt – etwa bei der Vereinbarung einer mehr symbolischen Gabe (Beispiel nach Johannsen-Henrich aaO [Koran und Goldmünze]) – aber nicht notwendig auf eine solche (begrenzte) vermögensmäßige Sicherung der Ehefrau. Zudem wird die Morgengabe generell auf der Grundlage der wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Eheschließung berechnet und ist von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des Mannesvermögens unabhängig; sie kann also nicht – wie der Zugewinnausgleich – als pauschalierte Teilhabe der Ehefrau an der vom Ehemann in der Ehe erzielten Vermögenssteigerung verstanden werden (wie hier: Staudinger-Mankowski aaO Rz. 274; Johannsen-Henrich aaO; Henrich, Internationales Familienrecht aaO).

[9]cc) Eine schuldvertragliche Qualifikation lässt unberücksichtigt, dass die Morgengabe zwar in der Regel, aber nicht notwendig auf einer vertraglichen Grundlage beruht. Sie verkennt zudem, dass diese Grundlage nicht schuldrechtlichen, sondern eherechtlichen Charakter hat, und zwar auch dann, wenn die Morgengabe erst in einer auf den eigentlichen Eheschließungsvertrag folgenden Abrede vereinbart wurde. Eheverträge werden indes nicht den Art. 27 ff. EGBGB unterstellt; für die Vereinbarung einer Morgengabe kann nichts anderes gelten (wie hier: Staudinger-Mankowski aaO Rz. 276).

[10]dd) Auch eine Anknüpfung, die danach differenziert, zu welchem Zeitpunkt der Anspruch auf die Morgengabe erhoben wird, und deshalb etwa einen im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemachten Anspruch dem Scheidungsstatut, eine nach dem Tod des Ehemannes verfolgte Forderung auf die Morgengabe dagegen dem Erbstatut unterwirft, vermag nicht zu überzeugen. Denn sie berücksichtigt nicht, dass der Anspruch auf die Morgengabe mit der Eheschließung entsteht und, auch falls er gestundet wird, seinen Charakter dadurch nicht wandelt. Dies gilt auch für seine international-privatrechtliche Qualifikation (instruktiv Wurmnest aaO 549).

[11]ee) Islamisch geprägte Rechtsordnungen, die – wie auch die des Iran – das Versprechen einer Morgengabe nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung der Eheschließung normieren, verstehen den Anspruch auf die Morgengabe als eine Ehewirkung. Daraus lässt sich freilich noch kein zwingender Schluss auf die Einordnung der Morgengabe in das Begriffssystem des deutschen IPR ziehen und die Annahme begründen, die Morgengabe müsse notwendig unter Art. 14 EGBGB subsumiert werden. Dies gilt schon deshalb nicht, weil im islamisch-rechtlichen Schrifttum der Begriff der Ehewirkungen synonym für alle – vermögensrechtlichen wie nichtvermögensrechtlichen – Rechte und Pflichten gebraucht wird (Wurmnest aaO 546). Richtig ist auch, dass der Begriff der allgemeinen Wirkungen der Ehe in Art. 14 EGBGB im Wesentlichen solche Sachbereiche erfasst, welche die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten zueinander sowie ihr Verhältnis zu Dritten betreffen (vgl. etwa Kropholler, Internationales Privatrecht, 2004, 341). Dies folgt jedoch weniger aus dem Begriff der ‚allgemeinen Ehewirkungen’ als vielmehr aus der Systematik des EGBGB, welche die Eheschließung, das Ehegüterrecht sowie das Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht speziellen Statuten unterstellt und damit dem unmittelbaren Anwendungsbereich des Art. 14 EGBGB nur einen Restbereich, im Wesentlichen eben die personalen Rechtsbeziehungen, belässt. Von diesem systematischen Ausgangspunkt her lassen sich unter den allgemeinen Wirkungen der Ehe alle Wirkungen der Ehe verstehen, für die keine andere speziellere Verweisungsnorm bereitgestellt wird (MünchKomm-Siehr aaO Art. 14 EGBGB Rz. 5). Art. 14 EGBGB wird damit zugleich zu einer Art Auffangtatbestand. In diesem Auffangtatbestand ist auch für den Anspruch auf die Morgengabe, weil von den spezielleren Familienstatuten nicht – auch nicht schwerpunktmäßig – erfasst, Raum. Einer ‚dehnenden’ Anwendung des Ehewirkungsbegriffs (Wurmnest aaO 553) bedarf es dazu nicht.

[12]Mit diesem kollisionsrechtlichen Verständnis der Morgengabe wird eine Lösung erreicht, die im praktischen Ergebnis auch von jenen Stimmen in Rspr. u. Lit. befürwortet wird, die den Anspruch auf die Morgengabe, wenn er – wie auch hier – im Zusammenhang mit der Scheidung geltend gemacht wird, unterhaltsrechtlich qualifizieren und über die Verweisung des Art. 18 IV EGBGB dem Scheidungsstatut und damit letztlich dem bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags maßgebenden Ehewirkungsstatut (Art. 17 I i.V.m. Art. 14 EGBGB), hier also deutschem Recht, unterstellen wollen.

[13]Deutliche Unterschiede ergeben sich dagegen zu der Auffassung, welche die Morgengabe als ein güterrechtlich einzuordnendes Rechtsinstitut versteht und dieses dem Art. 15 EGBGB – mithin dem bei Eheschließung geltenden Ehewirkungsstatut – zuordnet. Der Senat verkennt nicht den Vorteil, der mit dem unwandelbaren Ehegüterrechtsstatut für die Rechtssicherheit verbunden ist und den Ehegatten eine für die Dauer ihrer Ehe gleichbleibende, von allen Veränderungen ihrer Lebensumstände unabhängige kollisionsrechtliche Behandlung ihrer ehegüterrechtlichen Verhältnisse verbürgt. Diesem Vorzug ist indes der Gewinn gegenüberzustellen, den eine die gewandelten Lebensumstände berücksichtigende Anknüpfung namentlich dort mit sich bringt, wo – wie im vorliegenden Fall – Ehegatten den bisherigen Lebens- und Kulturraum aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses verlassen haben, eine neue gemeinsame Staatsangehörigkeit erwerben und in ein grundlegend anderes soziales und rechtliches Umfeld eingebunden werden. Dies gilt besonders in Ansehung von Rechtsinstituten, die – wie die Morgengabe – von einer starken kulturell-religiösen Tradition geprägt sind und die sich in ein dieser Tradition weitgehend fremdes Ehe-, Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht wie das deutsche Familienrecht kaum ohne innere Brüche einfügen lassen. Die Unterstellung der Morgengabe unter das wandelbare Ehewirkungsstatut und damit – im Ergebnis – unter das deutsche Sach- (Familien-)recht vermeidet solche Friktionen besser als das vom Güterrechtsstatut bewirkte starre Festhalten an einem Sachrecht, das aufgrund gewandelter Anknüpfung für andere, mit der Morgengabe in Zusammenhang stehende familienrechtliche Regelungen, wie hier Scheidung und nachehelicher Unterhalt, keine Geltung beanspruchen kann.

[14]Der vorliegende Fall verdeutlicht diesen Vorzug. Der Anspruch auf die Morgengabe wird mit der Subsumtion unter die allgemeinen Ehewirkungen – anders als bei einer güterrechtlichen Anknüpfung – einem wandelbaren Statut unterworfen. Die Anknüpfung an das wandelbare Ehewirkungsstatut sichert den Gleichlauf der international-rechtlichen Behandlung der Morgengabe mit der ebenfalls wandelbaren kollisionsrechtlichen Anknüpfung von Scheidung und nachehelichem Unterhalt: Scheidung, nachehelicher Unterhalt und Versprechen der Morgengabe unterstehen damit demselben Sachrecht. Der Ehemann kann deshalb dem Verlangen der Ehefrau nicht, wie hier geschehen, den Einwand entgegensetzen, bei einer nach iranischem Recht durchzuführenden Scheidung hätte die Ehefrau ihm für sein Einverständnis mit der Scheidung ein Entgelt leisten müssen, das nach iranischem Recht in einem Verzicht auf die Morgengabe oder in der Zuwendung eines anderen, mit der Morgengabe aber wertmäßig korrelierenden Vermögensgegenstands liegen könne; dieses Vorteils dürfe er nicht durch eine unterschiedliche Anknüpfung des Scheidungsrechts und der damit – nach dem anwendbaren iranischen Recht – verwobenen Morgengabe verlustig gehen. Einer solchen Argumentation ist von vornherein der Boden entzogen, wenn Morgengabe und Scheidungsrecht demselben – hier deutschen – Sachrecht unterstellt werden (vgl. auch Wurmnest, FamRZ 2005, 1878, 1883 f.). Entsprechendes gilt für die Frage, ob für das Versprechen der Morgengabe – etwa im Hinblick auf den sich nach deutschem Recht beurteilenden nachehelichen Unterhalt – nach iranischem Recht die Geschäftsgrundlage (in Analogie zu dem aus dem deutschen Recht bekannten Institut) entfallen ist. Morgengabe und nachehelicher Unterhalt unterliegen demselben – deutschen – Sachrecht. Die Frage eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage für das Versprechen der Morgengabe bestimmt sich deshalb allein nach deutschem Recht (vgl. hierzu Wurmnest aaO 1878, insbes. 1884). Einer – naturgemäß weitgehend fiktiven – Nachempfindung deutscher Rechtsgrundsätze in einem fremdrechtlichen Regelungsgefüge, das auf einen ganz anderen kulturellen und sozialen Kontext zugeschnitten ist, bleiben die deutschen Gerichte damit weitgehend enthoben.

[15]2. Da die Parteien deutsche Staatsangehörige sind, ist die Morgengabe – nach dem von Art. 14 I EGBGB berufenen deutschen Sachrecht – als eine ehevertragliche Zusage des Ehemanns anzusehen. Sie verpflichtet den Ehemann, der Ehefrau den in der Zusage genannten Geldbetrag zu zahlen. Eine Anpassung dieses Betrags an die iranische Geldwertentwicklung, wie sie das iranische Recht vorsieht, ist zwar auch nach deutschem Recht – im Wege der Auslegung der getroffenen Vereinbarung oder nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage – grundsätzlich möglich. Die Voraussetzungen des deutschen Rechts für eine solche Anpassung liegen hier jedoch nicht vor.

[16]Eine Vertragsauslegung, die eine Anpassung des als Morgengabe geschuldeten Betrags an die iranische Geldwertentwicklung begründen könnte, kommt nicht in Betracht. Der Wortlaut der Abrede gibt für eine solche Anpassung – als von den Parteien gewollt – nichts her. Auch eine stillschweigende vertragliche Inbezugnahme der Parteien auf die iranische Anpassungsregelung scheidet aus, da diese Regelung erst 1998, rund sechs Jahre nach der Eheschließung, iranisches Recht geworden ist.

[17]Fehlt es – wie hier – an einer vertraglich vereinbarten Regelung über die Anpassung eines in einer fremden Währung als geschuldet vereinbarten Betrags, so kann dieser Betrag zwar gleichwohl – nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) – an die Wertentwicklung der ausländischen Währung anzupassen sein. Dies setzt allerdings voraus, dass der Wert der ausländischen Währung spürbar verfällt, dass diese Entwicklung bei der Vereinbarung nicht vorhersehbar war und dass dem Gläubiger ein Festhalten an der unveränderten Vereinbarung nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen – worauf bereits das AG hingewiesen hat – hier indes ebenfalls nicht vor. Zum einen ist nicht festgestellt und weder von der Kl. dargetan noch sonst ersichtlich, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die iranische Währung stabil und die weitere Währungsentwicklung deshalb nicht vorhersehbar war; die damaligen Inflationsraten sprechen im Gegenteil für eine auch schon bei Vertragsschluss ungewisse Währungsentwicklung. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass sich ein etwaiger Anspruch der Kl. auf nachehelichen Unterhalt und Versorgungsausgleich aufgrund des Statutenwechsels, der mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch beide Parteien einhergegangen ist, nach deutschem Scheidungsfolgenrecht bestimmt. Das deutsche Scheidungsfolgenrecht stellt die geschiedene Ehefrau deutlich besser als das iranische Recht. Diese vom deutschen Sachrecht bewirkte Besserstellung der geschiedenen Ehefrau kann es rechtfertigen, ihr – umgekehrt – Nachteile zuzumuten, die sich für sie im Einzelfall daraus ergeben können, dass das deutsche Sachrecht nunmehr auch für eine zwischen den Eheleuten getroffene Vereinbarung einer Morgengabe maßgebend ist.

[18]So liegen die Dinge hier: Mit dem Wechsel des Ehewirkungsstatuts geht die Kl. zwar der Vorteile einer ‚automatischen’ Anpassung des als Morgengabe vereinbarten Betrags an die iranische Geldwertentwicklung nach Maßgabe des iranischen Index verlustig. Dem steht indes als Vorteil der – ebenfalls durch den Statutenwechsel bewirkte – Schutz gegenüber, den das deutsche Scheidungsfolgenrecht der Kl. als geschiedener Ehefrau gewährt. Im Hinblick auf diesen Schutz ist es für die Kl. nicht schlechthin unzumutbar, sich an dem als Morgengabe vereinbarten Betrag festhalten zu lassen. Auf die Frage, ob die Kl. aus der Anwendbarkeit des deutschen Scheidungsfolgenrechts konkrete Vorteile zieht, ob sie also insbesondere nachehelichen Unterhalt oder Versorgungsausgleich beanspruchen kann, kommt es nicht an. Denn jedenfalls kann vom Bekl. nicht ohne weiteres erwartet werden, er hätte sich bei Vertragsschluss – in (hypothetischer) Kenntnis der künftigen Entwicklung und damit auch der späteren Geltung des deutschen Scheidungsfolgenrechts für seine Ehe – redlicherweise auf eine Regelung einlassen müssen, die der Ehefrau – neben möglichen mit dem Statutenwechsel einhergehenden Vorteilen – zusätzlich eine automatische Anpassung der Morgengabe an die iranische Währungsentwicklung verbürgt.

[19]3. Damit [bleibt] es bei dem der Kl. vom AG bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrag. Auf die von der Revision angesprochene Frage, ob ein Anspruch der Kl. auf die Morgengabe – im Hinblick auf die behauptete Abwesenheit ihres Vaters bei der Eheschließung und einen damit möglicherweise einhergehenden Wirksamkeitsmangel der Ehe – überhaupt entstanden ist, kommt es nicht an. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit (bejahendenfalls) ein solcher Anspruch im Wege der Auslegung des Morgengabeversprechens um ein Entgelt zu mindern ist, das die Kl. dem Bekl. bei einer nach iranischem Recht erfolgten Scheidung schulden würde (vgl. dazu OLG Hamburg, FamRZ 2004, 459 (IPRspr. 2003 Nr. 67); ablehnend etwa Wurmnest aaO 1883).

Fundstellen

LS und Gründe

BGHZ, 183, 287
FamRZ, 2010, 533, mit Anm. Henrich
JZ, 2010, 733, mit Anm. Wurmnest
MDR, 2010, 389
NJW, 2010, 1528
DNotZ, 2011, 29
IPRax, 2011, 85

nur Leitsatz

FF, 2010, 218

Aufsatz

Mörsdorf-Schulte, ZfRV, 2010, 166
Yassari, IPRax, 2011, 63 A

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