Ob die Morgengabe des iranischen Rechts unterhalts- oder ehegüterrechtlich zu qualifizieren ist oder zu den Ehewirkungen zählt, kann dahingestellt bleiben, da bei einer Ehe und anschließenden Scheidung iranischer Staatsangehöriger jeweils iranisches Recht zur Anwendung kommt. Dennoch sollte eine Zuordnung zu den Ehewirkungen erfolgen, da bei der Morgengabe die Zahlungsverpflichtung des Ehemanns sofort mit der Schließung und nicht erst mit der Scheidung der Ehe entsteht.
Wenn die Morgengabe im Zusammenhang mit der Ehescheidung geltend gemacht wird, richtet sich der Anspruch auf die Morgengabe nach der Art der Eheauflösung. Haben sowohl der Ehemann als auch die Ehefrau einen Scheidungsantrag gestellt und kann die Frau weder einen gesetzlichen noch einen vertraglichen Scheidungsgrund darlegen, ist von einer „mobarat“-Scheidung auszugehen, bei der beide Ehegatten einvernehmlich die Scheidung betreiben.
Bei einer einvernehmlichen Scheidung erhält die Ehefrau die Morgengabe nur, wenn sie ihrem Ehemann ihrerseits eine Abfindung für seine Zustimmung zur Ehescheidung leistet. Diese Abfindung kann auch durch einen (teilweisen) Verzicht auf die Morgengabe erbracht werden.
Die Parteien heirateten am 15.8.1999 als iranische Staatsbürger in M./Iran. Der erste Ehemann der Kl. war am 23.2.1998 verstorben. Aus dieser Ehe hat die Kl. zwei Kinder, geboren 1984 und 1987. Unmittelbar vor der Eheschließung mit der Kl. verpflichtete sich der Bekl. in einem notariellen Ehevertrag u.a. zur Zahlung einer Morgengabe von 1 200 Goldmünzen (Bahar Azadi).
Am 17.2.2004 stellte der Bekl. einen Antrag auf Scheidung der Ehe unter Berufung auf sein Recht auf eine „talaq“-Scheidung gemäß iranischem ZGB. Am 4.5.2004 stellte die Kl. ebenfalls einen Scheidungsantrag. Durch Urteil vom 2.8.2005 hat das AG die Ehe der Parteien geschieden und einen Versorgungsausgleich durchgeführt.
Mit ihrer zunächst als Verbundsache erhobenen Klage hat die Kl. Zahlung der Morgengabe begehrt. Das AG hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat die Kl. Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, die Vereinbarung der Morgengabe sei nicht als Unterhaltsvereinbarung anzusehen.
[1]II. Das zulässige Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
[2]1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie richtet sich in Ehesachen mit iranischer Beteiligung mangels Anwendbarkeit der EheGVO ausschließlich nach deutschem Zivilprozessrecht. Gemäß § 606a I 1 Nr. 2 ZPO sind die deutschen Gerichte zuständig, wenn beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, ohne dass es darauf ankommt, ob in der Sache nach deutschem oder ausländischem Recht zu entscheiden ist.
[3]2. Die Kl. hat gegen den Bekl. einen Anspruch auf die Hälfte der Morgengabe gemäß Art. 1078 ff. des iranischen Zivilgesetzbuchs vom 17.2.1935 (im Folgenden iran. ZGB) i.V.m. dem Heiratsvertrag vom 15.8.1999.
[4]a. Die Verpflichtung des Bekl. zur Leistung der Morgengabe beurteilt sich im vorliegenden Fall nach iranischem Recht.
[5]Dabei werden gemäß Art. 3 II EGBGB die Kollisionsnormen des EGBGB nicht durch die vorrangige Regelung des Niederlassungsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien vom 17.2.1929 (RGBl. 1930 II 1002, 1006), die nach dem deutsch-iranischen Protokoll vom 4.11.1954 (BGBl. 1955 II 829) auch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Iran gilt, verdrängt. Denn das Abkommen ist nur auf solche Fälle anwendbar, in denen alle Beteiligten ausschließlich die gleiche Staatsangehörigkeit besitzen (KG, FamRZ 1998, 296; Schotten, FamRZ 1995, 264, 265). Seit 2002 hat der Bekl. jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit.
[6]Nach den hier in Betracht kommenden Kollisionsnormen des EGBGB unterliegt die Morgengabe im vorliegenden Fall dem iranischen Recht.
[7]Die IPR-Einordnung der Morgengabe (mahr) des islamischen Rechts ist in Rspr. und Lit. umstritten, weil es im deutschen Recht kein unmittelbar passendes Gegenstück gibt. Teils wird sie unterhaltsrechtlich (KG, FamRZ 1980, 470 f. (IPRspr. 1979 Nr. 182); 1988, 296 (IPRspr. 1987 Nr. 73); AG Hamburg, IPRax 1983, 74; AG Kerpen, FamRZ 1998, 1429; AG Kerpen, FPR 2002, 315 (IPRspr. 2001 Nr. 79)), teils güterrechtlich (OLG Bremen, FamRZ 1988, 606 f.; Soergel-Schurig, BGB, 12. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 35; Krüger, FamRZ 1977, 115; MünchKomm-Siehr, 3. Aufl., Art. 15 EGBGB Rz. 91; Wurmnest, FamRZ 2005, 1878 ff.) qualifiziert. Vereinzelt wird sie sowohl unterhalts- als auch güterrechtlich eingeordnet (OLG Köln, IPRax 1983, 73) (IPRspr. 1981 Nr. 67). Einige Auffassungen unterscheiden hinsichtlich der Einordnung nach dem Zeitpunkt, in dem die Morgengabe geltend gemacht wird. Danach soll sie, wenn sie wie regelmäßig, nach der Scheidung geltend gemacht wird, dem Unterhaltsrecht zuzuordnen sein (AG Memmingen, IPRax 1985, 230) (IPRspr. 1984 Nr. 73). Nach einer zunehmend vertretenen Meinung ist die mahr der islamischen Rechte als allgemeine Ehewirkung einzuordnen (OLG Nürnberg, NJWE-FER 2001, 116 (IPRspr. 2001 Nr. 56); Heldrich, IPRax 1983, 64; Staudinger-Mankowski, BGB (Neub. 2003), Art. 14 EGBGB Rz. 273 m.w.N.; Johannsen-Henrich, Eherecht, 4. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 6 und Art. 18 Rz. 27 m.w.N.). Ihr Schicksal richtet sich, wenn sie bei Eheschließung nicht bezahlt worden ist, nach dem Ehewirkungsstatut und im Scheidungsfall dementsprechend nach dem Scheidungsstatut (OLG Celle, FamRZ 1998, 374 (IPRspr. 1997 Nr. 82); Heldrich aaO; Yassari, StAZ 2003, 198 ff.).
[8]Der BGH hat die Frage der kollisionsrechtlichen Einordnung bisher offengelassen, weil die verschiedenen Ansichten in den von ihm zu entscheidenden Fällen zum gleichen Ergebnis kamen. In allen Fällen war deutsches Recht anzuwenden, weil die Brautgabe entweder von deutschen Muslimen oder von Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit vereinbart worden war, die Ehe in der Bundesrepublik Deutschland gelebt wurde oder zumindest der Ehemann im Zeitpunkt der Scheidung seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort noch in Deutschland hatte (BGH, FamRZ 1987, 463 ff. (IPRspr. 1987 Nr. 48); FamRZ 1999, 217 ff. (IPRspr. 1998 Nr. 89)).
[9]Auch im vorliegenden Fall kann die rechtliche Einordnung im Ergebnis offen bleiben, weil von ihr die Frage des anzuwendenden Rechts nicht abhängt. Denn unter jedem möglichen Gesichtspunkt ist iranisches Recht anzuwenden.
[10]Der Senat subsumiert die Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Morgengabe unter Art. 14 EGBGB.
[11]Für eine Auslegung als Ehewirkung im Sinne des Art. 14 EGBGB spricht die Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts. Die Vereinbarung einer Morgengabe (mahr) ist im Iran ein üblicher Vorgang bei der Eheschließung. Die mahr ist ein Vermögenswert, der der Frau mit Eheschließung zur alleinigen Verfügung steht und ihr eine gewisse wirtschaftliche Unabhängigkeit geben soll, denn nach Art. 1082 iran. ZGB wird die Frau mit der Eheschließung Eigentümerin der mahr und kann darüber verfügen. Die mahr wird unabhängig vom Unterhaltsbedarf der Ehefrau und der Leistungsfähigkeit des Mannes geschuldet. Der gesetzliche Anspruch auf die mahr entsteht mit der Eheschließung und ist sofort fällig. Der Rechtsgrund für die mahr ist nicht eine Einigung der Parteien, sondern der gesetzliche Anspruch aus Art. 1078 ff. iran. ZGB. Die Parteien können in einem Vertrag auf die mahr Einfluss nehmen durch Vereinbarung ihres Inhalts und ihrer Höhe (Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Iran [158. Lfg.]).
[12]Die mahr wird jedoch meist nicht sofort ausgehändigt. Sollte sie während der Ehe nicht ausgehändigt worden sein, ist sie spätestens bei Ehescheidung auszuzahlen, unabhängig davon, wer den Scheidungsantrag stellt. Obwohl sie nicht in erster Linie als Sicherungsmittel zugunsten der Ehefrau im Falle einer Verstoßung verstanden wird, kann sie aufgrund ihrer Höhe geeignet sein, den Ehemann von einer leichtfertigen Verstoßung abzuschrecken (vgl. Yassari, FamRZ 2002, 1088 ff.).
[13]Vor der Revolution im Iran von 1979 war es durchaus üblich, die Morgengabe als symbolische Geste zu erachten und sehr geringe Brautgaben zu vereinbaren. Dies lag nicht zuletzt daran, dass das Gesetz zum Schutz der Familie vom 4.2.1975 (Ruzname-e-rasmi Nr. 8785 vom 3.3.1975; im Folgenden FSG) die Ehescheidung durch einseitige Erklärung des Mannes (talaq) beseitigt, den Scheidungsausspruch den Gerichten übertragen und die Möglichkeit nachehelichen Unterhalts eingeräumt hatte. Art. 11 FSG erlaubte dem Gericht, den an der Unmöglichkeit des Zusammenlebens Schuldigen auf Antrag des anderen unter Abwägung der persönlichen Lage, des Alters der Ehepartner und der Dauer der Ehe zur Entrichtung einer monatlichen Rente zu verurteilen, sofern die Armut des Antragstellers sowie die Zahlungsfähigkeit seines Ehepartners außer Frage standen. Diese Rente konnte im Falle der Wiederheirat oder eines genügenden Einkommens oder des Todes der begünstigten Partei sowie bei finanzieller Notlage oder Armut der Partei, zu deren Lasten das Urteil ergangen war, herabgesetzt werden oder wegfallen. Diese Regelung sorgte für eine gewisse Absicherung der Ehefrau nach der Scheidung.
[14]Seit der Revolution 1979 gilt wieder die islamische Regelung, da von einer Weitergeltung von Art. 11 FSG im Lichte der iranischen Unterhaltsregelung und von Art. 4 der Verfassung der Islamischen Republik Iran vom 15.11.1979 (Ruzname-e-rasmi Nr. 10170 vom 21.1.1980) nicht auszugehen ist. Nach der neuen Verfassung müssen alle zivilen Gesetze im Einklang mit den islamischen Maßstäben stehen. Darüber hinaus hat Khomeini in einer Rede am 22.8.1982 alle Juristen und Richter aufgefordert, alle Gesetze, die gegen die Sharia verstoßen, ‚auf den Müll zu werfen’. Diese Anweisung Khomeinis wird im Iran als formelle und wirksame Aufhebung aller der Sharia widersprechenden Gesetze bewertet (vgl. OLG München, IPRax 1989, 238, 242 (IPRspr. 1989 Nr. 88)). Damit stehen heute Ehefrauen, die unter dem alten Regime geheiratet und eine bloß geringfügige Morgengabe vereinbart haben, bei einer Scheidung ohne jegliche Versorgung da. Verschärft wird die Situation durch die galoppierende Inflation der iranischen Währung, bei der der Wert einer in Rial vereinbarten Morgengabe dauernd sinkt. 1998 ist daher in einer gesetzlichen Anmerkung zu Art. 1082 iran. ZGB eine Indexanpassung durchgesetzt worden. Der Richter, der heute über die Höhe von Morgengaben zu entscheiden hat, muss sie den gegenwärtigen Verhältnissen anpassen. Dies erfolgt anhand eines von der iranischen Zentralbank zusammengestellten Indexes, der täglich aktualisiert wird. Falls die Morgengabe aus Goldmünzen besteht, wird der aktuelle Goldkurs beachtet. Bei Klage auf Herausgabe der Morgengabe ist es nunmehr auch möglich, den Ehemann mit einem Ausreiseverbot zu belegen, so dass er das Land nicht ohne Erlaubnis der Ehefrau verlassen darf (Yassari, FamRZ aaO).
[15]Die dargelegten Rechtstatsachen und die historische Entwicklung, insbesondere die Tatsache, dass nach der Ausgestaltung der Morgengabe die Zahlungsverpflichtung des Mannes sofort mit der Eheschließung entsteht, nicht nur für den Fall der Scheidung versprochen wird und auch nicht von der Bedürftigkeit der Ehefrau abhängt, weil die versprochene Summe in jedem Fall gezahlt werden muss, sprechen gegen eine Interpretation der Morgengabe als unterhaltsrechtliche Regelung. Da die Frau auf die Zahlung der Morgengabe – zumindest der Höhe nach – einen vertraglichen Anspruch hat (BGH, FamRZ 1997, 463; Johannsen-Henrich aaO Rz. 7), bleibt ihr Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, soweit ihr ein solcher zusteht, von der Vereinbarung über eine Morgengabe unberührt. Eine Frau, die bei der Eheschließung das Versprechen einer Morgengabe annimmt, hat im Zweifel nicht die Absicht, damit zugleich auf die ihr u.U. nach deutschem Recht zustehenden Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt zu verzichten (Johannsen-Henrich aaO Art. 15 EGBGB Rz. 7). Einer unterhaltsrechtlichen Qualifikation steht auch entgegen, dass die Morgengabe nicht auf eine Bedürftigkeit der Ehefrau abstellt. Die Verpflichtung zur Leistung der Morgengabe entfällt also nicht, wenn sich die Ehefrau aus sonstigen Eigenmitteln selbst unterhalten kann (vgl. OLG Nürnberg, NJWE-FER 2001, 116 (IPRspr. 2001 Nr. 56); Staudinger-Mankowski aaO Rz. 275).
[16]Die güterrechtliche Qualifikation der Morgengabe verkennt, dass diese nicht von einem bestimmten Güterstand abhängig ist. Sie kann zwar bei Eheauflösung eine ähnliche Funktion wie ein Zugewinnausgleich haben; sie wird jedoch nach den Verhältnissen vor der Eheschließung berechnet und ist unabhängig davon, ob der Mann während der Ehezeit überhaupt einen Zugewinn erzielt. Darüber hinaus sprechen auch die Regelungen in dem hier vorliegenden Vertrag der Parteien vom 15.8.1999 gegen eine solche güterrechtliche Einordnung, denn der Ehevertrag sieht ausdrücklich eine Pflicht des Bekl. zur Übertragung seines hälftigen während der Ehe verdienten Vermögens auf die Kl. für den Fall der Scheidung vor.
[17]Letztlich kann die Frage der Einordnung der Morgengabe aber hier offen bleiben. Subsumiert man die Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Morgengabe als allgemeine Ehewirkung unter Art. 14 EGBGB, so ist iranisches Recht deshalb anzuwenden, weil beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung die iranische Staatsangehörigkeit besaßen. Unter Art. 14 I Nr. 1 EGBGB fallen nämlich auch die Fälle, in denen die Ehegatten während der Ehe zunächst eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besessen hatten, aber ein Ehegatte diese Staatsangehörigkeit später verloren, während der andere sie beibehalten hat. Im Interesse der Kontinuität gilt das frühere gemeinsame Heimatrecht nach Art. 14 I Nr. 1 EGBGB solange weiter, wie der andere Ehegatte diese Staatsangehörigkeit beibehält (Palandt-Heldrich, BGB, 64. Aufl., Art. 14 EGBGB Rz. 7). Auch die Tatsache, dass der Bekl. 1990 als Asylbewerber in die Bundesrepublik Deutschland gekommen war, führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Denn zum Zeitpunkt der Heirat der Parteien im Jahre 1999 im Iran lebte der Bekl. nicht mehr als Asylbewerber in Deutschland, sondern aufgrund einer ausländerrechtlichen Aufenthaltsgenehmigung.
[18]Für den Fall der Scheidung verweist Art. 17 I EGBGB auf das Recht des Staats, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Das ist nach Art. 14 I Nr. 1 EGBGB vorrangig das Recht, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten.
[19]Auch eine güterrechtliche Qualifikation der Morgengabe führt gemäß Art. 15 I EGBGB wegen seines Verweises auf Art. 14 EGBGB zur Anwendung iranischen Rechts.
[20]Nimmt man an, dass die Morgengabe unterhaltsrechtlich zu qualifizieren ist, so findet nach Art. 18 IV EGBGB das für die Ehescheidung angewandte Recht Anwendung, wenn die Ehescheidung hier ausgesprochen worden ist.
[21]Die Scheidung der Ehe der Parteien ist hier nach der ausdrücklichen Begründung des Urteils des AG – FamG – vom 2.8.2005 (310 F 58/04) unter Anwendung iranischen Rechts rechtskräftig ausgesprochen worden. Es kommt nicht darauf an, ob die Regeln, die das iranische Recht für eine talaq-Scheidung (Art. 1133–1149 iran. ZGB) fordert, zutreffend angewandt worden sind (Verstoßungserklärung des Mannes in Gegenwart von zwei männlichen Zeugen, vgl. Art. 1134 ff. iran. ZGB); dies ist für die Anwendung von Art. 18 IV EGBGB unerheblich. Die Nichtbeachtung der Förmlichkeiten der talaq-Scheidung kann zwar zur Folge haben, dass das Scheidungsurteil im Iran wegen Fehlens eines nach iranischem Recht erforderlichen materiell-rechtlichen Wirksamkeitserfordernisses nicht anerkannt wird und eine sogenannte hinkende Ehe vorliegt. Dies ändert jedoch nichts an der Wirksamkeit der Scheidung, die wegen des als lex fori maßgeblichen deutschen Verfahrensrechts auch in diesen Fällen nur durch Gestaltungsurteil erfolgen kann. Der Ausspruch der Scheidungsformel gilt nach deutschem Verfahrensrecht gemäß § 894 ZPO mit der Rechtskraft des Urteils als erfolgt, und zwar in der für ihn erforderlichen Form (BGH, FamRZ 2004, 1952 (IPRspr 2004-135); Zöller-Stöber, ZPO, 26. Aufl., § 894 Rz. 5). Danach ist auch bei unterhaltsrechtlicher Qualifizierung der Morgengabe iranisches Recht anzuwenden.
[22]b. Gesichtspunkte des deutschen ordre public gemäß Art. 6 EGBGB stehen einer Anwendung der iranischen Vorschriften über die Morgengabe nicht entgegen, denn es kommt nicht darauf an, ob das iranische und das deutsche Recht auf widerstreitenden Prinzipien beruhen, sondern allein darauf, ob das konkrete Ergebnis der Anwendung des iranischen Rechts aus der Sicht des deutschen Rechts zu missbilligen ist. In einzelnen Fällen wurde ein Vertrag über eine Morgengabe für unwirksam angesehen (z. B. LG Köln, IPRspr. 1980 Nr. 83, vgl. Palandt-Heldrich aaO Art. 6 EGBGB Rz. 20). Dies ist jedoch unter Beachtung der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 2004, 1952 ff.) (IPRspr 2004-135) abzulehnen.
[23]3. Der Anspruch der Kl. ist mit dem geschlechtlichen Vollzug der Ehe entstanden. Er kann nicht durch die von dem Bekl. erhobenen Vorwurf, die Kl. lebe mit einem anderen Partner zusammen, entfallen (vgl. AG Aachen unter Bezugnahme auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. H. Krüger von 1999, IPRspr. 2000 Nr. 67).
[24]4. Die Höhe des auf Art. 1078 ff. iran. ZGB basierenden Anspruchs der Kl. auf Zahlung einer Morgengabe ergibt sich aus dem von beiden Parteien unterzeichneten notariellen Ehevertrag vom 15.8.1999. Weder bestehen gegen dessen Wirksamkeit Bedenken, noch hat die Kl. später auf ihre Ansprüche verzichtet.
[25]Der Vortrag des Bekl., vor der Hochzeit sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass er keine Morgengabe zu zahlen habe, und am Tage der Hochzeit sei er von der Kl., ihrer Familie und dem anwesenden Notar überrumpelt worden, ist nicht geeignet, den Anspruch der Kl. dem Grunde oder der Höhe nach in Frage zu stellen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Bekl. eingeräumt, dass er sich trotz seines anfänglichen Protests in Kenntnis der Rechtsfolgen zur Unterschrift entschlossen hat, nachdem die Kl. auf einer Unterzeichnung der Morgengabevereinbarung nachdrücklich bestanden hatte.
[26]Unabhängig hiervon hätte eine Unwirksamkeit der Vereinbarung über die Höhe der Morgengabe lediglich zur Folge, dass diese nunmehr gemäß Art. 1087 iran. ZGB unter Berücksichtigung der Herkunft, des Alters der Kl. und anderer Umstände von einem Gericht zu bestimmen wäre.
[27]Den Abschluss eines wirksamen Verzichtsvertrags hat der Bekl. nicht substanziiert dargelegt und unter Beweis gestellt. Ob es sich bei der von ihm vorgelegten Urkunde vom 10.4.2001 um eine Fälschung handelt und ob ein solcher Verzicht nach iranischem Recht notariell beurkundet werden muss, kann dahinstehen, denn der Bekl. ist zu keiner Zeit von der Wirksamkeit einer solchen Erklärung ausgegangen. Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.12.2005 hat er ausdrücklich erklärt, die Kl. habe den Text nur geschrieben, um ihm einen Gefallen zu tun und die Streitereien über die Morgengabe zu beenden. Sie habe ihre Erklärung jedoch nicht ernst gemeint und sei zudem davon ausgegangen, dass der Verzicht ohnehin nicht wirksam sei, weil er nach persischem Recht nur notariell erfolgen könne.
[28]5. Der Kl. steht gemäß Art. 1147 iran. ZGB die Hälfte der in dem Ehevertrag vom 15.8.1999 vereinbarten Morgengabe zu, denn die Ehe der Parteien ist in Form der mobarat-Scheidung geschieden worden, weil sowohl die Kl. als auch der Bekl. die Scheidung der Ehe verlangt hatten, es an einer ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien über das Lösegeld fehlt und der Senat nach den gesamten Umständen des Sach- und Streitstands eine hälftige Teilung der vereinbarten Morgengabe für angemessen erachtet.
[29]Der Anspruch auf die Morgengabe im Zusammenhang mit einer Scheidung hängt nach iranischem Recht von der Form der Auflösung der Ehe ab. Das iranische Scheidungsrecht trennt zwischen der Scheidung durch den Mann, die ohne Angabe von Gründen beantragt werden kann (Art. 1133 iran. ZGB), der Scheidung auf Antrag der Ehefrau, der ein Scheidungsgrund (Verschollensein des Ehemanns, Bedrängnis, Verletzung ehelicher Unterhaltspflichten (Art. 1029, 1129, 1130) zur Seite stehen muss, und der sogenannten einverständlichen Scheidung (Loskaufscheidung). Diese kann in Form der khol-Scheidung vorkommen, bei der die Ehefrau das Scheidungsverfahren initiiert (Art. 1146), oder der mobarat-Scheidung, bei der beide Eheleute einvernehmlich die Scheidung betreiben (Art. 1147).
[30]Während bei der Scheidung durch den Mann und der Scheidung auf Antrag der Ehefrau der Anspruch auf Zahlung der Brautgabe in voller Höhe bestehen bleibt, muss die Ehefrau bei der ‚Loskaufscheidung’ eine Gegenleistung dafür erbringen, dass der Ehemann der Scheidung zustimmt. Ist die Ehe aus Sicht des iranischen Rechts in Form der mobarat-Scheidung geschieden worden, weil sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann die Scheidung verlangt haben, hängt es von der Vereinbarung, d.h. von dem Ehevertrag und damit von dem Ermessen der Ehegatten ab, ob und inwieweit die Ehefrau auf alle oder einige vermögensrechtliche Ansprüche, die sie in streitigen Verfahren gegen ihren Ehemann hätte geltend machen können, verzichten muss, Art. 1147 iran. ZGB (vgl. Yassari, FamRBint 2005, 87, 89). Ist die Abneigung gegenseitig, so darf die Vergütung den Wert der Brautgabe nicht übersteigen.
[31]Im hier vorliegenden Fall hat die Kl. nicht nachgewiesen, dass ihr aus der Sicht des iranischen Rechts ein gesetzlicher oder vertraglicher Scheidungsgrund zustand. Weder aufgrund ihres Vortrags noch nach Auswertung der vom Senat beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft ... lässt sich mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass der Bekl. die Kl. während der Ehe misshandelt hat. Der Senat hat daher unter Berücksichtigung der beiderseitigen Scheidungsanträge und in Ermangelung einer Begründung in dem Scheidungsurteil des AG – FamG – Köln vom 2.8.2005 davon auszugehen, dass hier die Regeln über die mobarat-Scheidung zur Anwendung gekommen sind.
[32]Die von der Kl. nach Art. 1147 iran. ZGB zu leistende Abfindung kann durch Übertragung eines Vermögensgegenstands oder durch einen teilweisen Verzicht auf die Morgengabe erbracht werden. Mangels einer ausdrücklichen Vereinbarung der Ehegatten ist hier nach den Grundsätzen der Billigkeit zu bestimmen, ob und ggf. in welcher Höhe die Kl. keinen Anspruch mehr auf die Morgengabe hat. Das iranische ZGB belässt in mehreren Fällen gescheiterter, aber vollzogener Ehen (Art. 1092, 1097, 1101) der Ehefrau einen hälftigen mahr-Anspruch. Bei der hier vorzunehmenden Billigkeitserwägung hat der Senat berücksichtigt, dass die Kl. mit ihren Kindern aus einem ihr fremden Kulturkreis zu dem seit längerer Zeit, zumindest seit 1993, in Deutschland lebenden Bekl. gezogen war, dass sie nunmehr hier berufstätig ist und ihren Lebensunterhalt sicherstellen kann, ferner, dass sie in der Bundesrepublik eine im Gegensatz zum Iran selbstständige und unabhängige Stellung als Frau hat und das Zusammenleben der Parteien nur gut drei Jahre (von 15.8.1999 bis Oktober 2002) angedauert hat.