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Verfahrensgang

BGH, Beschl. vom 19.02.2014 – XII ZB 180/12, IPRspr 2014-4

Rechtsgebiete

Natürliche Personen → Namensrecht

Leitsatz

Wird eine in Deutschland lebende bulgarische Staatsangehörige unter Beibehaltung ihrer bulgarischen Staatsbürgerschaft eingebürgert und gibt sie keine Erklärungen nach Art. 47 EGBGB ab, ihren nach dem bisherigen bulgarischen Heimatrecht gebildeten Vatersnamen ablegen oder als weiteren Vornamen führen zu wollen, führt sie diesen Namensbestandteil in seiner Funktion als Vatersnamen weiter.

Rechtsnormen

95-FZ/2001 OWiG (Russ. Föderation) Art. 111
AEUV Art. 18; AEUV Art. 21
BVFG § 94
EGBGB Art. 5; EGBGB Art. 10; EGBGB Art. 47; EGBGB Art. 220
GewO § 15a; GewO § 15b
GG Art. 1 f.; GG Art. 116
PAuswG § 5
PStG § 15; PStG § 21
PStReg (Bulgarien) Art. 13; PStReg (Bulgarien) Art. 18

Sachverhalt

[Der vorgehende Beschluss des OLG Nürnberg vom 7.3.3012 – 11 W 2380/11 – wurde bereits im Band IPRspr. 2012 unter der Nr. 8 abgedruckt.]


Das Verfahren betrifft die Auswirkungen einer Änderung des Namensstatuts auf einen unter ausländischem Recht erworbenen Zwischennamen (hier: Vatersname nach bulgarischem Recht). Die Betroffene wurde im Jahre 1983 als bulgarische Staatsangehörige geboren. Sie erhielt den Vornamen Neli und führte den Namen Neli Naydenova Di., wobei der Zwischenname (Vatersname) von dem väterlichen Vornamen Nayden abgeleitet war. Im Jahre 2010 wurde die Betroffene unter Beibehaltung der bulgarischen Staatsangehörigkeit eingebürgert; eine Erklärung zur Angleichung ihres Namens nach Art. 47 EGBGB hat sie bislang nicht abgegeben. Die Betroffene schloss im Jahre 2011 in Bulgarien mit dem deutschen Staatsangehörigen Alexander Gn. die Ehe. Sie hat beim Standesamt die Beurkundung ihrer Ehe im Eheregister beantragt und dabei angegeben, dass sich die Namensführung der Eheleute nach deutschem Recht richten solle und sie ihren Vatersnamen behalten wolle. Das Standesamt möchte den Zwischennamen im Eheregister gesondert als Vatersnamen kennzeichnen.

Aus den Entscheidungsgründen:

(Randnummern der IPRspr-Redaktion)

[1]II. ... 2. In der Sache hält die Beschwerdeentscheidung der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht stand ...

[2]b) Zutreffend sind die rechtlichen Ausgangspunkte des Beschwerdegerichts zu den Fragen des Namenserwerbs und des Statutenwechsels.

[3]aa) Die Frage, nach welchem Recht der Namenserwerb der Betroffenen zu beurteilen ist, richtet sich – da die Betroffene im Jahre 1983 geboren ist – nach dem vor dem 1.9.1986 geltenden Recht. Ein Namenserwerb, der auf einer Geburt vor diesem Zeitpunkt beruht, ist ein abgeschlossener Vorgang im Sinne von Art. 220 I EGBGB (Senatsbeschlüsse vom 14.11.1990 – XII ZB 26/89 (IPRspr. 1990 Nr. 17), FamRZ 1991, 324 und vom 9.6.1993 – XII ZB 3/93 (IPRspr. 1993 Nr. 10), FamRZ 1993, 1178, 1179). Nach dem vor dem 1.9.1986 geltenden deutschen IPR galt für den Erwerb des Namens durch Geburt das Personalstatut mit Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Namensträgers, und zwar auch soweit es Zwischennamen betraf (Senatsbeschluss vom 9.6.1993 aaO). Da die Betroffene im Zeitpunkt ihrer Geburt die alleinige bulgarische Staatsangehörigkeit besaß, ist für diese Beurteilung nur bulgarisches Recht maßgebend. Nach bulgarischem Recht führt das Kind als Zwischennamen einen Vatersnamen, der aus dem Eigennamen des Vaters unter Anfügung von -ov oder -ev als Suffix und einer geschlechtsspezifischen Endung gebildet wird (vgl. auch Jessel-Holst in Bergmann-Ferid-Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bulgarien [Stand: 1.7.2012] S. 39).

[4]bb) Anders als der Namenserwerb, der mit der Namenserteilung abgeschlossen ist, stellt das durch den Namenserwerb erlangte subjektive Recht einer Person auf die Führung des von ihr erworbenen Namens einen rechtlichen Dauertatbestand dar. Dieser kann als Folge tatsächlicher Veränderung des Anknüpfungsgrunds, und zwar insbes. bei einem Wechsel der Staatsangehörigkeit des Namensträgers, einem Statutenwechsel unterliegen (BGHZ 63, 107, 111 f. = NJW 1975, 112, 113 (IPRspr. 1974 Nr. 60); BGHZ 147, 159, 168 f. = FamRZ 2001, 903, 905 (IPRspr. 2001 Nr. 7)), wobei für diese Beurteilung das im Zeitpunkt der tatsächlichen Veränderung geltende Kollisionsrecht maßgebend ist (vgl. MünchKomm-Sonnenberger, 5. Aufl., Art. 220 EGBGB Rz. 14).

[5]Im vorliegenden Fall hat der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Betroffene im Jahr 2010 ungeachtet der Beibehaltung ihrer bulgarischen Staatsangehörigkeit aus Sicht des deutschen IPR dazu geführt, dass ihre Namensführung vom Zeitpunkt ihrer Einbürgerung an durch deutsches Recht beherrscht wird. Es kann dabei dahinstehen, ob dies aus Art. 10 I i.V.m. Art. 5 I 2 EGBGB folgt, wonach der deutschen Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern der prinzipielle Vorrang einzuräumen ist, oder ob die Anwendung von Art. 5 I 2 EGBGB im Verhältnis zur Staatsangehörigkeit eines weiteren EU-Mitgliedstaats im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot aus Art. 18 AEUV rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Nachweise zum Streitstand bei Palandt-Thorn, BGB, 73. Aufl., Art. 5 EGBGB Rz. 3). Denn unter den obwaltenden Umständen ergibt sich die Anwendung deutschen Rechts auf die künftige Namensführung der Betroffenen jedenfalls aus Art. 10 I i.V.m. Art. 5 I 1 EGBGB, weil die deutsche Staatsangehörigkeit der Betroffenen nach ihrer dauerhaften Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland auch ihre effektive Staatsangehörigkeit im Sinne von Art. 5 I 1 EGBGB geworden ist.

[6]c) Die Frage, ob die Namensführung des Namensträgers eine Veränderung erfährt, ist im Gefolge eines Statutenwechsels nach den einschlägigen Bestimmungen des Eingangsstatuts zu beurteilen. Es bestimmt sich daher nach deutschem Recht, ob der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit Auswirkungen auf die Namensführung der Betroffenen hat.

[7]aa) Das deutsche Recht enthält indessen nach st. Rspr. des Senats keine Norm, die es ohne weiteres erlauben würde, die Namensführung eines eingebürgerten Ausländers abweichend von dem fremden Recht zu beurteilen, unter dem der Name erworben wurde (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 121, 305, 313 = FamRZ 1993, 935, 937 f. (IPRspr. 1993 Nr. 8b) und vom 9.6.1993 aaO). Vielmehr ist das deutsche Recht von dem – ungeschriebenen – Grundsatz der Namenskontinuität beherrscht, mit dem sowohl allgemeinen Ordnungsinteressen als auch dem Bestreben Rechnung getragen wird, Namensänderungen gegen den Willen des Namensträgers möglichst zu vermeiden (vgl. BGHZ 63 aaO 112).

[8]Das Prinzip der Namenskontinuität besagt allerdings zunächst nur, dass der Namenswortlaut unberührt bleibt, so dass die unter dem fremden Recht erworbenen Bezeichnungen und Zusätze mit Namensqualität grundsätzlich bestehen bleiben. Hieraus folgt im vorliegenden Fall, dass der von der Betroffenen nach bulgarischem Heimatrecht als Vatersname erworbene Namensbestandteil Naydenova aufgrund des Statutenwechsels zum deutschen Recht nicht schlicht weggefallen ist (klarstellend: Hochwald, StAZ 2010, 335, 336). Der Grundsatz der Namenskontinuität umgreift demgegenüber nicht ohne weiteres die Namensfunktion, die sich im Gefolge eines Statutenwechsels durchaus ändern kann (Staudinger-Hepting/Hausmann, BGB [2013], Art. 10 EGBGB Rz. 156; NK-BGB/Mankowski, 2. Aufl., Art. 10 EGBGB Rz. 21). Denn die Namensfunktion ist eine materiell-rechtliche Kategorie; sie kann daher an das Namensrecht des Eingangsstatuts ‚angeglichen’ werden, wenn und soweit dieses die Namensformen des Ausgangsstatuts nicht kennt.

[9]bb) Die erste Regelung, um das Problem der Angleichung im deutschen Namensrecht durch eine Vorschrift sachlichen Rechts zu lösen (materiell-rechtliche Angleichung), wurde mit dem zum 1.1.1993 in Kraft getretenen § 94 BVFG geschaffen. Durch diese Vorschrift sollte für statusdeutsche (Art. 116 I GG) Aussiedler eine erleichterte Möglichkeit eröffnet werden, ihre in den Aussiedlungsgebieten unter dem dortigen Namensstatut gebildeten – und häufig slawisierten – Namen durch eine Angleichungserklärung an die in Deutschland üblichen Namensformen und insbes. an das deutsche Schema ‚Vorname und geschlechtsneutraler Familienname’ anzupassen, ohne dafür den Weg der öffentlich-rechtlichen Namensänderung beschreiten zu müssen.

[10]Außerhalb des Anwendungsbereichs von § 94 BVFG konnte demgegenüber bis zum Jahre 2007 nur im Einzelfall eine – auch als Transposition bezeichnete – objektive (kollisionsrechtliche) Angleichung nach allgemeinen Regeln des IPR vorgenommen werden, wenn der Namensträger infolge eines Statutenwechsels nunmehr deutschem Recht unterstand, sein nach ausländischem Recht erworbener Name aber nicht mit den in Deutschland üblichen Namensbildungen verträglich war. Der international-privatrechtliche Grundsatz der Angleichung wurde von der Rspr. entwickelt, um Widersprüche, Lücken und Spannungen zu überwinden, die sich ergeben können, wenn aufgrund des deutschen Kollisionsrechts die Normen ausländischen materiellen Rechts im Inland anzuwenden sind; die Angleichung erfolgt dadurch, dass auf der Grundlage der sog. Funktionsäquivalenz eine modifizierte Anwendung der Rechtsnormen im Inland vorgenommen wird (zum Namensrecht vgl. BGHZ 109, 1, 6 = FamRZ 1990, 39, 41 (IPRspr. 1989 Nr. 19)).

[11]Die Praxis der kollisionsrechtlichen Angleichung, bei der ohne genügende Grundlage im positiven Recht (s.a. Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Art. 47 EGBGB Rz. 18) versucht wurde, im Falle eines mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen Statutenwechsels Namensangleichungen vorzunehmen, wurde als alleinige Lösung für die in diesem Zusammenhang mit der Namensführung entstehenden Rechtskonflikte als unbefriedigend empfunden (vgl. BT-Drucks. 16/1831 S. 71 und BT-Drucks. 16/3309 S. 12 f.). Dies veranlasste den Gesetzgeber, mit der Einführung von Art. 47 EGBGB durch das PStRG allen Personen, deren Namensführung aufgrund eines Statutenwechsels unter die Herrschaft deutschen Rechts gelangt war, für die wichtigsten Angleichungskonstellationen (Art. 47 I Nrn. 1 bis 4 EGBGB) eine dem § 94 BVFG nachgebildete Möglichkeit einzuräumen, eine materiell-rechtliche Wahl des nach deutschem Recht künftig zu tragenden Namens zu treffen.

[12]cc) Soweit es dabei insbesondere die Führung von dem deutschen Recht unbekannten Zwischennamen betrifft, wird dem von einem Statutenwechsel zum deutschen Recht betroffenen Namensträger durch Art. 47 I Nr. 3 EGBGB (Ablegeerklärung) ermöglicht, diesen schlicht wegfallen zu lassen. Will der Namensträger seinen unter dem Ausgangsstatut als Zwischennamen geführten Namensbestandteil neben seinem Vornamen und Familiennamen behalten, ist ihm grundsätzlich auch die Möglichkeit eröffnet, seinen Zwischennamen nach Art. 47 I Nr. 1 EGBGB (Sortiererklärung) entweder zum weiteren Vornamen oder zum Begleitnamen zu bestimmen (vgl. Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 46).

[13]Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Betroffene nach dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die Möglichkeit gehabt hätte, ihren im deutschen Recht nicht vorgesehenen Vatersnamen Naydenova durch eine Erklärung nach Art. 47 I Nr. 3 EGBGB wegfallen zu lassen. Sie hätte ferner den Vatersnamen Naydenova nach Art. 47 I Nr. 1 EGBGB zum zweiten Vornamen bestimmen können; in diesem Fall wäre es ihr darüber hinaus möglich gewesen, mit einer weiteren Erklärung nach Art. 47 I Nr. 4 EGBGB (Ursprungserklärung) ihren dann die Funktion eines weiteren Vornamens erfüllenden Namensbestandteil Naydenova in der passenden weiblichen Grundform – wohl Nayda – zu führen (vgl. dazu Hepting, StAZ 2008, 161, 174).

[14]d) Nicht einheitlich beantwortet wird die Frage, ob der Namensträger, der nach einem Statutenwechsel – wie hier – keine Erklärung nach Art. 47 EGBGB abgeben will, seinen bisherigen Namen in der urspr. unangeglichenen Funktion behält oder ob in einem solchen Fall eine objektive Angleichung entspr. der bisherigen Praxis nach den Regeln des IPR auch ohne Erklärung des Namensträgers vorzunehmen ist.

[15]aa) Dabei besteht allerdings – wovon auch das Beschwerdegericht ausgeht – Einigkeit darüber, dass die Angleichung jedenfalls dann von der (fehlenden) Angleichungserklärung abgekoppelt werden kann, wenn der unter dem ausländischen Recht gebildete Name eines Statutenwechslers keine strukturelle Aufgliederung in Vornamen und Familiennamen – sondern bspw. nur eine Kette von Eigennamen – enthält (Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 28; Mörsdorf-Schulte in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 8. Aufl., Art. 47 EGBGB Rz. 3; jurisPK-BGB/Janal [Stand: Oktober 2012] Art. 47 EGBGB Rz. 3; Rauhmeier, StAZ 2010, 337, 338; Hepting aaO 176; Mäsch, IPRax 2008, 17, 18, 20; Henrich, StAZ 2007, 197, 198). Diese Beurteilung hält auch der Senat für zutreffend. Der nach deutschem Recht gebildete bürgerliche Name einer natürlichen Person enthält zwingend einen Namensteil, der mit der Übertragbarkeit auf den Ehegatten und die Kinder auch die Aufgabe des Familiennamens erfüllen kann und einen anderen Namensteil, der als Vorname die Mitglieder einer Familie und allgemein die Träger des gleichen Familiennamens voneinander unterscheidbar macht. Damit steht es in Einklang, dass das Gesetz dem Namensträger – wenn auch in beschränktem Umfang – öffentlich-rechtliche Pflichten zur Führung seines bürgerlichen Namens auferlegt (vgl. etwa § 111 OWiG, § 5 II PAuswG, §§ 15 I, 21 I PStG, §§ 15a, 15b GewO in der bis zum 24.3.2009 g.F.), die jeweils daran anknüpfen, dass der Name mindestens einen Vornamen und einen Familiennamen enthält. Auch dies verdeutlicht, dass unter deutschem Namensstatut die Führung eines Vornamens und eines Familiennamens ein unverzichtbares Ordnungs- und Unterscheidungskriterium darstellt. Staatlichen Ordnungsinteressen wird daher regelmäßig der Vorzug gegenüber dem Wunsch eines eingebürgerten Ausländers an der funktionellen Kontinuität bei der Führung seines unter fremdem Recht ohne Vornamen und/oder Familiennamen gebildeten Namens zu geben sein, so dass in diesen Fällen eine objektive Angleichung zwar unter möglicher Berücksichtigung der Wünsche des Namensträgers, aber ggf. auch gegen seinen Willen (vgl. MünchKomm-Birk aaO Art. 47 EGBGB Rz. 18) zu erfolgen hat.

[16]bb) Umstritten ist demgegenüber die Frage, ob der Name eines Statutenwechslers beim Fehlen von Erklärungen nach Art. 47 EGBGB auch dann nach kollisionsrechtlichen Regeln angeglichen werden kann, wenn dessen unter ausländischem Recht gebildeter Name zwar Vornamen und Familiennamen, darüber hinaus aber auch dem deutschen Recht unbekannte Namensbestandteile – insbes. Zwischennamen – enthält. Ein Teil des Schrifttums vertritt die Ansicht, dass die Fortführung von dem deutschen Recht unbekannten Namensbestandteilen mit staatlichen Ordnungsinteressen ebenso unvereinbar sei wie das Fehlen eines Vornamens oder eines Familiennamens und ein nach ausländischem Recht gebildeter Zwischenname daher nach dem Statutenwechsel nur funktionsäquivalent – typischerweise als weiterer Vorname – weitergeführt werden könne (Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 47; MünchKomm-Birk aaO Rz. 33; Mörsdorf-Schulte aaO Rz. 12; Hochwald aaO; Rauhmeier aaO; Mäsch aaO 19; Hepting aaO 173; Henrich aaO 201). Eine abweichende Auffassung ist demgegenüber mit dem Beschwerdegericht der Ansicht, dass das Prinzip der Namenskontinuität in diesem Falle auch die funktionelle Kontinuität umgreift, der Statutenwechsler mithin einen nicht abgelegten Zwischennamen auch unter deutschem Recht in der aus dem früheren Heimatrecht abgeleiteten Funktion weiterführen könne (Palandt-Thorn aaO Art. 47 EGBGB Rz. 5; jurisPK-BGB/Janal aaO; vgl. bereits OLG Frankfurt, StAZ 2006, 142, 143 (IPRspr 2006-223)).

[17]cc) Der Senat hält die letztgenannte Auffassung jedenfalls für die hier zur Beurteilung stehenden Fallkonstellation des Vatersnamens von Doppelstaatlern für zutreffend.

[18](1) Der Senat hat im Jahre 1993 in Bezug auf die Fortführung des unter russischem Recht erworbenen Vatersnamens eines statusdeutschen Spätaussiedlers ausgesprochen, dass ‚Zwischennamen (Vatersnamen), die nach dem bisherigen Heimatrecht des Aussiedlers erworben worden und Bestandteil seines Namens sind, in deutsche Personenstandsregister einzutragen sind, sofern der Aussiedler keine Erklärung nach § 94 BVFG ... abgibt’ (Beschl. vom 9.6.1993 aaO 1180). Bereits daraus wurde – wie auch vom Beschwerdegericht – hergeleitet, dass der Senat in Bezug auf die Führung solcher Zwischennamen nach einem Statuswechsel zum deutschen Recht von einer funktionellen Namenskontinuität ausgegangen sei (vgl. OLG Frankfurt aaO; dagegen Henrich aaO 200 f.).

[19](2) Der Name des Menschen wird von seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 GG umfasst. Jede Maßnahme, die in das verfassungsrechtlich geschützte Recht am Namen eingreift, muss sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen (BVerfG, FamRZ 1988, 587, 589). Auch die im Wege objektiver Angleichung gegen den Willen des Namensträgers erzwungene Verpflichtung, einen unter ausländischem Recht als Vatersnamen erworbenen Namensbestandteil künftig als weiteren Vornamen zu führen, stellt sich als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Namensträgers dar (so auch Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 31), der nur durch gewichtige öffentliche Interessen an der Angleichung gerechtfertigt werden kann.

[20](a) Ein Bedürfnis [nach der] Angleichung von Zwischennamen wird in erster Linie im Zusammenhang mit der Registerdarstellung gesehen (vgl. BeckOK-BGB/Mäsch [Stand: Mai 2013] Art. 10 EGBGB Rz. 19 und Art. 47 EGBGB Rz. 11). Der Führung amtlicher Register in Deutschland liegt die strukturelle Aufteilung des Namens in Vorname und Familienname zugrunde, und die Eintragung von Zusätzen, welche daneben die Bedeutung eines dem deutschen Recht unbekannten Namensbestandteils im Register kennzeichnen und erläutern sollen, wird grundsätzlich unerwünscht sein. Indessen müssen solche Schwierigkeiten bei der Registerdarstellung seit jeher überwunden werden, wenn es um die Eintragung von Zwischennamen geht, die nach dem maßgeblichen Heimatrecht Bestandteil des vollen bürgerlichen Namens eines ausländischen Staatsbürgers sind (BGH, Beschl. vom 26.5.1971 – IV ZB 22/70 (IPRspr. 1971 Nr. 6), NJW 1971, 1571, 1572; vgl. zur Eintragung von Vatersnamen bulgarischer Staatsangehöriger OLG Hamm, StAZ 1981, 190, 193 (IPRspr. 1980 Nr. 9)).

[21]Ausschlaggebend kann im vorliegenden Fall auch nicht sein, dass sich ein eingebürgerter Ausländer in Deutschland in einer Gesellschaft bewegt, die im Behördenverkehr sowie im gesellschaftlichen und beruflichen Leben maßgeblich von den Normen und Vorstellungen des materiellen deutschen Namensrechts geprägt ist (vgl. BayObLG, NJWE-FER 1999, 111, 112 (IPRspr. 1998 Nr. 15)) und die Angleichung seiner dem deutschen Recht unbekannten Namenstypen grundsätzlich geeignet sein kann, die Integration des Namensträgers in seine namensrechtliche Umwelt nicht nur im privaten Interesse der betroffenen Person, sondern auch im öffentlichen Interesse zu fördern. Denn eine Namensangleichung dürfte zur Integration nicht mehr viel beitragen können, wenn der unter ausländischem Recht gebildete Name schon die nach deutschem Namensrecht zwingend notwendigen Bestandteile Vorname und Familienname enthält, die der eingebürgerte Namensträger in dieser Funktion bereits verwenden kann.

[22](b) Der Vatersname erfüllt im bulgarischen Recht ebenso wie im gesamten slawischen Rechtskreis die Funktion, einen generationsübergreifenden familiären Zusammenhang zu kennzeichnen (vgl. Staudinger-Hepting/Hausmann aaO Rz. 51). Dies wird etwa dadurch verdeutlicht, dass ein Kind nach bulgarischem Namensrecht im Falle einer sog. Volladoption (auch) einen neuen Vatersnamen erhält, der aus dem Vornamen des annehmenden Mannes abgeleitet wird [Art. 18 II i.V.m. Art. 13 des bulg. Gesetzes über die Personenstandsregistrierung vom 23.7.1999 (DV Nr. 67 vom 27.7.1999), abgedr. bei Jessel-Holst aaO S. 90 ff.]. Das Interesse des eingebürgerten Ausländers, diesen familiären Zusammenhang durch die fortdauernde Führung des Vatersnamens – in der durch das ausländische Recht bestimmten Funktion – auch künftig kenntlich zu machen, muss aus der Sicht des deutschen Rechts jedenfalls dann respektiert werden, wenn der Namensträger (wie im vorliegenden Fall die Betroffene) durch Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit seine Bindungen zum Heimatrecht nicht vollständig gelöst hat.

[23]e) Es braucht daher nicht erörtert zu werden, ob sich – wie das Beschwerdegericht meint – die Wertung, dass die Betroffene ihren Namensbestandteil Naydenova nach dem Statutenwechsel zum deutschen Recht in der Funktion als Vatersnamen weiterführen kann, auch aus zwingenden Vorgaben der Rspr. des EuGH ergibt, nach der eine kollisionsrechtlich bedingte Namensspaltung (zur Anknüpfung des Personal- und Namensstatuts bei Doppelstaatlern im bulgarischen IPR vgl. Zidarova/Stanceva-Minceva, RabelsZ 71 [2007], 398, 413, 415) bei EU-Bürgern – je nach Sachverhaltsgestaltung – einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV (EuGH, Urt. vom 2.10.2003 – Carlos Garcia Avello ./. belgischer Staat, Rs C-148/02, Slg. 2003, I-011613 = FamRZ 2004, 273) und/oder eine unzulässige Beschränkung der Freizügigkeit nach Art. 21 AEUV (EuGH, Urt. vom 14.10.2008 – Stefan Grunkin u. Dorothee Regina Paul, Rs C-353/06, Slg. 2008, I-007639 = FamRZ 2008, 2089) darstellen kann.

Fundstellen

nur Leitsatz

FamRB, 2014, 305
FF, 2014, 218

LS und Gründe

FamRZ, 2014, 741
FGPrax, 2014, 133
MDR, 2014, 593
NJW, 2014, 1383
StAZ, 2014, 139

Aufsatz

von Sachsen Gessaphe, StAZ, 2015, 65

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